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Heranziehung der modemen äthiopischen Spra¬ chen, vor allem des im ehemaligen Gebiet des Ge'ez gesprochenen TigriMa sowie des Tigre

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Laryngalgesetze und Vokalismus

Ein Beitrag zur Geschichte des Altäthiopischen

Von Werner Diem, Köln

I.

Die traditionelle äthiopische literarische und liturgische Sprache

(Ge'ez) ist als eine von wemgen semitischen Sprachen in einem Alpha¬

bet überliefert, welches alle Vokale ausdrückt, und dennoch gehört das

Ge'ez eher zu den überlieferungsgeschichtlich problematischen semiti¬

schen Sprachen. Die Gründe hierfür sind bekannt: Ambiguität der

Buchstaben der 6. Ordnung, welche Ca und C bezeichnen; Fehlen eines

Zeichens für Gemination; gestörte Tradierung der Sprache und der

Texte seit der Zeit, da das Ge'ez aufhörte, gesprochene Sprache oder

literarische Form einer gesprochenen Sprache zu sein; Fehlen chrono¬

logischer Fixpunkte.

Andererseits bieten sich verschiedene Ansatzpunkte an, um dieses

Defizit an Informationen auszugleichen, nämlich: Schlüsse aus der

Orthographie des Ge'ez und aus dem sprachlichen Korpus selbst, insbe¬

sondere durch Vergleich von orthographischen Varianten imd Allomor¬

phen; Rekurs auf die altäthiopischen Inschriften, deren Sprache zwar

rücht mit dem Ge'ez identisch ist, aber dem Ge'ez jedenfalls so nahe

kommt, daß sie unbedenklich wie eine frühe Form des Ge'ez miteinbe¬

zogen werden kann; Heranziehung der modemen äthiopischen Spra¬

chen, vor allem des im ehemaligen Gebiet des Ge'ez gesprochenen

TigriMa sowie des Tigre; Berücksichtigung der sogenannten traditio¬

nellen Aussprache des Ge'ez.

Alle diese Ansätze sind in der Erforschung des Ge'ez genutzt worden,

freilich mit verschiedenem Erfolg. Am ertragreichsten war sicher die

meist intuitiv angewandte Methode, aus dem Korpus selbst die Lücken

zu schließen. Auch die Einbeziehung der heutigen äthiopischen Spra¬

chen war hilfreich, während die traditionelle Aussprache die Erwartun-

(2)

Laiyngalgesetze und Vokalismus 237

gen, die noch M. Cohen' und E. Mittwoch^ in sie gesetzt hatten, nicht

erfiillt hat.^ Die altäthiopischen Inschriften schließlich sind zwar stel¬

lenweise herangezogen worden, haben aber trotzdem noch nicht die

Beachtung gefunden, die ihnen als den frühesten Zeugnissen des

Äthiopischen zusteht.

Wenn im folgenden die „Laryngalgesetze""* des Altäthiopischen,

worunter hier das Ge'ez und die Sprache der altäthiopischen Inschriften

verstanden werden, behandelt werden sollen, dann geschieht dies zum

einen mit dem Ziel, zur Geschichte dieser für die äthiopischen Sprachen

so wichtigen Lautgesetze beizutragen, und zum anderen in der Hoff¬

nimg, das damit verknüpfte Problem des Vokalismus neu zu beleuchten.

Hatte man früher für das Ge'ez in Anlehnung an die anderen semiti¬

schen Sprachen ein Vokalsystem angenommen, das Quantität als

distinktives Merkmal aufwies, so hat wohl als erster E. Ullendorff^

den mutigen Schritt getan, beim Ge'ez entsprechend dem Befund der

neuäthiopischen Sprachen ein Vokalsystem anzusetzen, welches nicht

mehr Quantität, sondem nur noch Qualität als distinktives Merkmal

kennt. Begründet hat Ullendorff dies mit dem Befund der neuäthio¬

pischen Sprachen, mit Lehnwörtem im Ge'ez und daneben mit der tra¬

ditionellen Aussprache des Ge'ez, ein Argument, das gerade bei ihm

überrascht, da er ansonsten die Problematik der traditionellen Aus¬

sprache herausgestellt hat.' Andererseits ist der Befund der neuäthiopi¬

schen Sprachen für das Ge'ez allenfalls ein heuristischer Ansatzpunkt,

aber kein Beweis, da andere Erscheinungen der neuäthiopischen Spra¬

chen, wie der Lautwandel h> h, dem Ge'ez nach Ausweis der Orthogra¬

phie ursprünglich gefehlt haben müssen und ein ähnlicher entwick¬

lungsgeschichtlicher Unterschied auch beim Vokalismus bestanden

' La prononciation traditionelle du guize (ethiopien classique). In: JA S6r. 11, T. 18 (1921), S. 217-269.

^ Die traditionelle Aussprache des Äthiopischen. Berlin-Leipzig 1926.

^ Trotzdem ist die traditionelle Aussprache emeut untersucht worden; vgl.

M. Argaw: Materiaux pour l'dtude de la prononciation traditionelle du gueze. Paris 1984.

■* „Laryngale" sind im Sinne dieser Arbeit die Larjmgale h, die Pharyngale ', h und der Velar h-

^ Comparative Phonology S. 159 ff.

^ Man beachte das vernichtende Urteil, das er Comparative Phonology S. 30f.

mit guten Gründen fällte, als er feststellte, „that— with a few exceptions — the so- called traditional pronunciation is little more than the application to Ga'az ofthe phonetic habits of the speaker's vemacular".

(3)

238 Werner Diem

haben köimte. Verschiedene Argumente Ullendorffs' hat W. Les¬

lau* zu Recht abgelehnt, während C. Correll' die Problematik von

Fremdwörtem, deren sich Ullendorff für die Rekonstmktion des

altäthiopischen Vokalsystems bedient hatte, aufgezeigt hat. Correll

kommt in Abweichung von Ullendorffs Theorie zu dem Ergebnis,

daß im Ge'ez noch eine qualitative Opposition ä — ä bestanden habe.'"

Die vorliegende Untersuchung geht von den bekannten Laryngalge-

setzen des Ge'ez aus und versucht, durch Einbeziehung der AUomorphie

und Erstellung einer Regelordnimg zu synchronischen und diachroni¬

schen Aussagen zu kommen, aus denen Schlüsse fiir die Entwicklung

des Vokalsystems gezogen werden können. Zum Teil überschneiden

sich diese Erörterungen mit dem Ansatz, den R. Voigt' ' vertreten hat,

z.T. weichen sie davon ab, was jeweils vermerkt werden wird. Die an

dem chronologisch mehrschichtigen Material, welches das überlieferte

Korpus des Ge'ez ist, erzielten Ergebnisse sollen sodaim an den alt¬

äthiopischen Inschriften, soweit sie datiert oder datierbar sind, verifi¬

ziert und möglichst in absolute Chronologie überfuhrt werden. Auf die

Einbeziehung der neuäthiopischen Sprachen wird verzichtet, da sie bei

den Laryngalgesetzen im wesentlichen mit dem Ge'ez übereinstim¬

men.'^ Die traditionelle Aussprache des Ge'ez wird wegen ihrer Proble¬

matik nicht berücksichtigt.

Es werden folgende Bezeichnungen verwendet:

1. „Vokalsystem I": Das System hat neben Qualität Quantität als

distinktives Merkmal (ä, a [bzw. i, u]; ä, ü, i; ö, e [bzw. äw, äy]);

' Comparative Phonology S. 163 f.

' Observations S. 159. — Zusätzlich zu Leslaus Ausfiihrungen sei bemerkt, daß das e (< e) der Status pronominahs-Formen näsle-, 'arnne- etc., das Ullen¬

dorff: Comparative Phonology S. 162 als Längung des ä von rrvaslä, 'amnä etc.

erklären möchte, von la'le- (< *la'lay-) übertragen ist, vgl. schon Brockel¬

mann: Grundriß 1, S. 497 Anm. 1, femer Verf. in: ZDMG 127 (1977), S. 49-53

und in Anschluß daran Correll: Vokalsystem S. 58 Mitte.

' Vokalsystem S. 52 ff., bes. S. 56 oben.

Vokalsystem S. 59fr.

" Vowel system passim.

'^ Vgl. Ullendorff: Co»iparotit)ei%<woio^yS.214f.— Ullendorffs Anga¬

ben zum Amharisehen sind mehr als dürftig. Nur scheinbar gilt, daß „in Amharic

the scope of this feature is more limited than in the Northem languages on

account ofthe elimination of most laryngals". Die Reflexe des Amharisehen zei¬

gen deutlich die Wirkung der ehemals vorhandenen Laryngale, z. B. nässa fiir

*näsa < *näS'a, yamn < *yäämn, lakä < *Wakä, bal- < *b3kal-, yaz < *ya'ah(l})az

etc. Vgl. zu dieser letzteren Form A. Klingenheben: Die Laryngalen im Amha¬

risehen. In: ZDMG 100 (1950), S. 379.

(4)

Laryngalgesetze und Vokalismus 239

2. „Vokalsystem II": Das System unterscheidet nur noch Qualität;

die Langvokale sind gekürzt bzw. die Länge ist nicht mehr relevant (ä,

9, a, u, i, 0, e).''

Schriftbilder werden mit ( ) gekennzeichnet, wobei die Buchsta¬

ben der 6. Ordnung als C oder Ca interpretiert sind und Gemination

notiert wird.''* Wird in das Schriftbild keine derartige Interpretation

hineingetragen, werden die syllabischen Zeichen mit Bindestrichen

getrennt. Abstrakte Formen werden mit / / gekennzeichnet; die

Klammem [ ] weisen auf phonetische Transkription.

n.

Die Laryngalgesetze des Ge'ez lassen sich als phonologische Regeln

formulieren, welche zur Aufspaltung abstrakter Morpheme in Allo¬

morphe fuhren. Sie sind, wie wohl M. Cohen'' als erster erkannt hat,

von zweierlei Art. Im einen Fall assimiliert sich ein Vokal an einen fol¬

genden Vokal, von dem er durch einen „Laryngal" {', h; \ h; f}) getrennt

ist, im anderen Fall unterliegt der Vokal dem Einfluß des Laryngals

selbst. Da jeder der beiden Typen in zwei Subtypen zerfällt, sollen sie

(l)a-b und (2)a-b genannt werden.

Notiert man das Vokalsystem des Ge'ez vorläufig in Anlehnung an

Ullendorffs Vorschlag als Vokalsystem II, so lassen sich die Laryn¬

galgesetze so formuheren (|| = Silbengrenze):"

" „Vokalsystem II" entspricht Voigts sjmchronischem System ( Vowd system S. 356) und „Vokalsystem I" im Prinzip dem System, das Voigt als historischen

Ausgangspunkt ansetzt (S. 355 unten), also einem System mit Kurzvokalen,

Langvokalen und Diphthongen. — Den Ausführungen Voigts über eine angeb¬

liche Opposition von „centralized : short : long vowel" kann ich mich nicht anschließen.

Die mit < ) gegebene Transliteration unterscheidet sich von der gewöhnli¬

chen Transkription also nur hinsichtlich der Frage, inwieweit der Buchstabe (Cä) in Positionen, in denen die Larjmgalgesetzte potentiell wirken, als ( V/ (hIci- als Ca zu interpretieren ist.

Consonnes laryngales S. 26ff., S. 28ff.

" Bei Ullendorff: Comparative Phonology S. 212 fr. in umgekehrter Rei¬

henfolge und mit einer einzigen Regel fiir (2)a-b, wofür ich aus Gründen der

Darstellung, die weiter unten deutlich werden, zwei Subregeln schreibe. Voigt:

Vowel system S. 357 notiert wie Ullendorff ebenfalls drei Regeln, aber in

anderer Reihenfolge, mit der die hier gegebene Reihenfolge zumindest teilweise übereinstimmt.

(5)

240 Werner Diem

(1) a ä-> j/ L" {.), u, i, e, o}'*, z.B. /lähiq/-*bhiq „alt

b d-*ä/ L [ä, a], z.B. Z'aÄöz/-»'öAöz „nimm!"

Ausgenommen von (l)a-b sind Proklitika und bestimmte präfigierte

Morpheme wie etwa /tä/.

(2) a ä-*(i/ L||, z.B. /bälä'ku/-^ bäla'ku „ich aß";

b a ->a/L , z.B. / häzänä/hazänä „er war traurig".

Zu den Regeln selbst sind einige Erläuterungen angebracht. Das

Wesen von (l)a-b hat, wie erwähnt, zuerst Cohen erkannt, ä und a

assimilieren sich nicht folgendem Laryngal, sondem über einen

Laryngal folgendem Vokal, was dadurch möglich ist, daß „les larynga¬

les sont prononc6es en dehors de la r6gion buccale oü s'articulent les

voyelles""; damit erlauben sie, daß die Artikulation des auf sie folgen¬

den Vokals antizipiert wird, was nichts anderes denn regressive Assimi¬

lation oder Vokalharmome bedeutet. Vergleichbare Fälle hat für die

altarabischen Dialekte Ch. Rabin^" zusammengestellt; weitere Fälle

aus dem arabischen Bereich sind klass.-arab. bi'sawxd ni'ma{< bi'isa <

ba^isa bzw. < niHma < na'ima)^\ griechische Schreibungen nabatäi¬

scher Namen wie XeeiA.0(; fiir Kehil < Kahü^^ und vielleicht das kaire-

nische arbi'in „vierzig" < arba'in; das alte a zeigen arba' und arba'a

„vier". Wie Cohen hat auch Ullendorff" diese Regel erklärt, wobei

er sich aus mir nicht ersichtlichen Gründen im Gegensatz zu Cohen

sah.^^

Was Regel (2)a-b betrifft, so erkannte Ullendorff", daß es sich

um eine Assimilation von ä an silbenbeginnenden bzw. silbenschließen¬

den Laryngal in der Qualität, nicht in der Quantität handelt. Er folgerte

" L = „Laryngal" (', h, ', h, h).

" e und o wohl nur fur gebundene Pronomina belegbar.

" Consonnes laryngales S. 33 Mitte.

AncierU West-Arabian. London 1951, S. 99; danach Ullendorff: Compa¬

rative Phonology S. 214 Fn. 28.

^' Brockelmann: Grundriß 1, § 68 aß, wo noch weitere FäUe.

" E. Littmann: Nabataean Inscriptions. Leiden 1914, S. XXVI, wo er

schreibt: „If a und i are seperated by a laryngal sound, the former is changed to a short e or i".

Comparative Phonology S. 213f.

^* Comparative Phonology S. 213 unten: „for none of the theories usuaUy

advanced carry either weight or consistency"; S. 214 „theories which have aroused the suspicion and dissatisfaction even of their authors (cf. Cohen, op.

cit., passim)".

Comparative Phonology S. 213 oben.

(6)

Laryngalgesetze und Vokalismus 241

dies daraus, daß das Vokalsystem des Ge'ez keine Quantitäten geschie¬

den habe und es unwahrscheinlich sei, daß ein Laryngal die Quantität

eines benachbarten Vokals beeinflußt haben körmte. Obwohl Cohen für

das Ge'ez noch Quantitätsdistinktion vorausgesetzt hatte, war er dieser

Auffassung bei (2)a nahegekommen — (2)b behandelte er nicht —, als er

es ablehnte, in der Regel eine Längung von a zu ä (also bala'ku > ba-

lä'hti) zu sehen, sondem vom „timbre" des betroffenen Vokals sprach^*,

eine Auffassung, die Ullendorff wiedemm mißverstanden zu haben

scheint.^'

Eine Modifikation von Regel (2)a-b hat Voigt^* eingeführt, indem er

den Wechsel ä-^a in den Umgebungen L|| imd L , den er

zunächst in Anlehnung an Ullendorff so formuliert hatte, mit einer

angeblichen Längung von a vor silbenschließendem Laryngal in Verbin¬

dung brachte und das Ganze als neue Regel ansetzte, bei der sowohl ä

wie auch a in der Position L|| bzw. L gelängt worden seien. Ich

karm mich dieser Auffassung nicht anschließen, da einerseits eine sol¬

che stellungsbedingte Längung von a für das Ge'ez nicht nachgewiesen

ist^' und andererseits der hier als (2)a-b notierte Prozeß als Längungs-

vorgang wieder so unplausibel wäre, wie er vor Cohens und Ullen¬

dorffs Erkermtnis gewesen war.

Im Gegensatz zu den Regeln (l)a-bund (2)a entspricht der Regel (2)b

in der Orthographie der Ge'ezhandschriften nur in der Minderzahl der

Fälle eine graphische Repräsentation; meistens wird unverändert ein

Buchstabe der 1. Ordnung geschrieben. Wohl deswegen hat Cohen die¬

sen Prozeß nicht erfaßt, während ihn Ullendorff und Voigt anset-

^' Consonnes laryngales S. 26 oben und bes. S. 56 unten: „En Äthiopien, les laryngales favorisent ä leur voisinage la conservation ou l'apparition (meine Hervorhebung) du timbre a pur, quand aucune autre influence n'intervient";

gemeint ist damit: wenn der Vokal in der Position L|| steht.

" Comparative Phonology S. 212f.: „Dülmann and Praetorius . . ., Brockel¬

mann . . ., Cohen . . . (p. 26) . . . maintain that before a laryngal which closes a syllable short a becomes long a". In Consonnes laryngales S. 26 hatte Cohen

gerade diese Auffassung rigoros zurückgewiesen; vgl. Fn. 26.

^* Vowel system S. 357 oben.

^' Voigts einziges Beispiel ist das Wort „gd'z [gäz]", also offenbar das Wort

ga'z in heutiger amharischer Aussprache. Es mag sein, daß neben den in den

Amharisch-Lexika angegebenen Formen [ga'az] und [gaaz] — in der zweiten

Form habe ich selbst das Wort gehört — auch [gäz] vorkommen mag — es ist nur

unklar, was solche Formen mit der Rekonstruktion des Ge'ez zu tun haben sol¬

len. Zwar fuhrt Dillmann: Grammatilc S. 81 u. a. eine Form [ge'z] an, aber seine

phonetischen Irrtümer, die ihm am aUerwenigsten angekreidet werden können,

sind heute doch wohl überholt.

(7)

242 Werner Diem

zen, ohne ihn näher zu begründen, was hier nachgeholt werden soll.

Hinweise auf Regel (2)b sind der Befund der neuäthiopischen Sprachen

und abweichende Schreibungen mit Buchstaben der 4. Ordnung, obwohl

solche Schreibungen ähnlich wie z. B. die Verwechslung von ft und h in

der Orthographie auch ein sekundäres Element der Tradierung sein

könnten. Die Wirksamkeit von Lautgesetz (2)b läßt sich jedoch auch

aus der Orthographie und Morphologie des Ge'ez selbst plausibel

machen.

1. Wird ein Verbum, welches mit initialem ('ä) geschrieben wird,

z.B. ('älbäsä), mit der proklitischen Negation 'i- verbunden, so entfallt

das anlautende Hamza des Verbums und es tritt hierfür der Gleitlaut y

ein, ein Wechsel, der in der Schrift ausgedrückt wird. Als Vokal

erscheint nach y aber nicht ä, sondem a, also H-y-albäsä „er bekleidete

nicht". Da man kaum annehmen kann, daß dem orthographischen ein

phonetischer Wechsel ä-^a zugrundeliegt, muß die Lautung a auch für

die nicht-negative Form angesetzt werden, also 'albäsä. Da weiterhin

'cdbäsä historisch gesehen auf "^älbäsä zurückgeht, muß das a der ersten

Silbe als Reflex des Laryngalgesetzes (2)b und die Schreibung mit <'ä)

als historische Orthographie betrachtet werden. Diesen sprachlichen

Schluß hat als erster Correll'" gezogen.

2. Zu den unter 1 genannten Fällen gehört auch die Schreibung des

Präfixes der 1. Sing. Imperfekt und des Imperativs des Kausativs, z.B.

{'äläbbas) „ich bekleide" und ('älbas) „bekleide"; mit diesen Schrei¬

bungen kontrastiert die Schreibung der 3. Mask. Sing, (yaläbbas) und

anderer Formen. Die Unterschiedlichkeit der Präfixschreibungen ('ä)

vs. (ya) darf nicht mit Brookelmann'' so aufgefaßt werden, daß

dahinter verschiedene Vokale gestanden hätten, nach seiner AufTas¬

sung im ersten Fall kurzes a, im anderen Fall langes ä ('alaibas vs. yä-

labbas). Vielmehr ist ('äläbbas) nach Ausweis der Schreibung ('i-y-

aläbbas) als ^alabbas zu interpretieren. Geht man von den Formen

'alabbds imd yaläbbds aus, so ergibt sich ein weiterer Anhaltspunkt.

Brockelmann setzte als Vorform e'a an (also z.B. *ye'aqatel), das zu

kurzem o kontrahiert worden sei. Dieses kurze a habe sich in der Form

der 1. Sing, gehalten, während in den anderen Personen ä herrsche,

„das zunächst in der offenen Silbe im Indikativ, wie iaqatel berechtigt

war und von da auch auf den Subj . 'aqtel übertragen ward" . Eine eigent¬

liche Erklärung, wamm statt des angenommenen kurzen a in bestimm-

Correll: Vokalsystem S. 59. — Ich selbst habe dieses Argument seit Jah¬

ren im Unterricht vertreten.

5' Gmndriß 1, S. 563.

(8)

Laryngalgesetze und Vokalismus 243

ten Präfixen langes ä erscheint, ist das keineswegs, und auch wenn man

berücksichtigt, daß entgegen Beockelmanns AufTassung alle Imper¬

fektpräfixe denselben Vokal aufweisen, ist die Herleitung von ä aus e'a

nicht plausibel. Das Problem löst sich am einfachsten, wenn man den

Vokal des Imperfektpräfixes historisch gesehen nicht als Langvokal ä

von Vokalsystem I, sondem als Kurzvokal a von Vokalsystem II

betrachtet, welcher in den mit Hamza anlautenden Formen ä gemäß

Laryngalgesetz (2)b ersetzte und dann durch paradigmatischen Aus¬

gleich auf die anderen Formen übertragen wurde. Es lassen sich drei

Entwickungsstufen unterscheiden; die im folgenden genannten Formen

sind jeweils die der 3. Mask. Sing. Perfekt, 1. Sing. Imperfekt Indikativ,

2. Sing. Imperativ und 3. Mask. Sing. Imperfekt Indikativ. Für die For¬

men mit den Präfixen / ta/ und /rva/ sowie für den Subjunktiv gelten die

Überlegungen entsprechend.

1. Stufe 'älbäsä 'äläbbds 'älbds yäläbbds

2. Stufe 'albäsä 'aläbbds 'albds yäläbbds

3. Stufe 'albäsä 'aläbbds 'albds yaläbbds

Diese Erklämng setzt wieder Laryngalgesetz (2)b voraus.

Zur Regelordnung ist anzumerken, daß in der herkömmlichen Anord¬

nung, welcher noch Ullendorff gefolgt ist, (2)a-bvor (l)a-b genannt

wird, während Voigt'^ eine chronologische Reihenfolge ansetzt,

welche — in der Numeriemng dieser Arbeit — der Folge (l)a — (l)b —

(2) a-b entspricht. Er begründet diesen seinen Ansatz damit, daß — wie¬

der in der Notiemng dieser Arbeit — (2)a-b und 1(b) jünger als (l)a

seien, da sie mehr Ausnahmen aufwiesen. Welche Ausnahmen hier

gemeint sind, ist mir lücht ersichtlich; tatsächlich hat gerade (l)a ana¬

logische Weiterungen erfahren.

Die Regelordnung (l)a-b und (2)a-b, wie ich sie vorschlage, bemht

auf folgenden Gesichtspunkten:

1. (l)a-b und (2)a-b sind in Wirklichkeit keine vier, sondem nur

zwei Regeln (1. Vokalassimilation von ä imd a über Laryngal an folgen¬

den Vokal bezüglich der Merkmale hoch-tief; 2. Assimilation von ä an

Laryngal, welcher derselben Silbe angehört), welche hier lediglich aus

Gründen der Darstellung in je zwei Subregeln gespalten worden sind.

(l)a und (l)b bzw. (2)a und (2)b sind somit isochron.

2. (l)a ist vor (2)b anzuwenden, wie Fälle wie tä'9hdzä „er wurde

genommen" zeigen; die Form entsteht aus abstraktem /tä'ähazä/ durch

" Vowel System S. 360 mit den Regeln (3) = hier (l)a, (2) = hier (l)b, (1) = hier (2) a-b.

19 ZDMG 138/2

(9)

244 Werner Diem

Anwendung von (l)a. Wäre (2)b vor (l)a anzuwenden, so müßte sich

*tä'ahdzä ergeben, auf welches (l)a nicht anzuwenden wäre, da a nicht

der Assimilation unterliegt. Nimmt man an, daß das Ge'ez Gemination

der Laryngale kannte — das Tigrinnä und das Tigre kennen sie aller¬

dings nicht —, so weisen ferner Formen wie mdhhar „lehre" (abstrakte

Form /mähhdr/) auf die Reihenfolge (l)a — (2)a. Bei umgekehrter Rei¬

henfolge hätte sich die Form *mahhdr ergeben müssen, welche dem

Laryngalgesetz (l)a nicht unterlegen wäre.

3. Da (l)a ein spezieller Fall von (1) ist und (2)a und (2)b spezielle

Fälle von (2) sind, liegt (l)a-b in der Regelordnung vor (2)a-b.

Zu der Frage, ob vor (l)a-b eine Regel öLC-» öLaC anzusetzen ist,

vgl. Anhang 2.

m.

Phonologische Regeln entsprechen gewöhnlich historischen Prozes¬

sen, ohne daß notwendigerweise umgekehrt die historischen Prozesse

einer Sprache mit den für sie gültigen phonologischen Regeln hinrei¬

chend beschrieben werden können. Für die Geschichte des Ge'ez bedeu¬

tet dies, daß die historische Abfolge der Laryngalgesetze dem obigen

Regelschema (l)a-b — (2)a-b entsprechen muß, wobei, wie erinnerlich

(l)a und (l)b bzw. (2)a und (2)b jeweils als isochron gelten können.

Zusätzlich sind die beiden Regeln unter historischen Gesichtspunkten

zu betrachten, wobei zunächst Vokalsystem II zugrundegelegt wird.

Das Laryngalgesetz (l)a-b betrifft im Rahmen von Vokalsystem II

die Merkmale hoch-tief und erfaßt nur die beiden Vokale äund a, dage¬

gen keinen einzigen anderen Vokal. Da phonetisch nicht einzusehen ist,

warum nur ä und a, nicht aber auch andere Vokale wie z. B. a und u assi¬

milierbar sein sollten, muß der Grund für die Restriktion von (1 )a-b auf

ä und a in einem besonderen Merkmal dieser beiden Vokale gesucht

werden, welches den anderen Vokalen fehlte. Da Öffnungsgrad und

Zungenstellung hierfür kaum in Frage kommen, kann es sich bei diesem

Merkmal nur um die unterschiedliche Quantität handeln, welche zwar

nicht mehr in Vokalsystem II, wohl aber noch in Vokalsystem I die

Kurzvokale ä und a (bzw. i, u) von den Langvokalen i, ü, ä, e, ö schied,

womit man auf Umwegen zumindest für (l)a-b beim herkömmlichen

Ansatz des Vokalsystems angelangt ist. Setzt man Vokalsystem I an, so

ist einleuchtend, warum nur zwei Vokale assimiliert wurden: Es sind

eben die Kurzvokale, welche generell der Assimilation eher als die

(10)

Laiyngalgesetze und Vokalismus 245

Langvokale unterliegen. Damit ist zugleich erklärt, warum in Vokal¬

system II als Assimilationsprodukte von äund a in der Position LV

wieder nur a und ä und nicht a, i, u etc. erscheinen, so daß, um ein Bei¬

spiel zu nennen, Laryngalgesetz (l)a von /lähiq/ zu hhiq und nicht zu

*lihiq fiihrt, was phonetisch zu erwarten wäre. Wenn das Vokalsystem

zum Zeitpunkt der Assimilation noch Länge als distinktives Merkmal

aufwies und nur Kurzvokale angeglichen wurden, fiihrte die Assimila¬

tion wieder zu Kurzvokalen, d. h. das Assimilationsprodukt von ä und a

(bzw. i, u) konnte nur wieder ein Kurzvokal sein, dessen Reflex im

Ge'ez ä bzw. a sein mußte. So konnte also die Vorform *lähiq, sei es

unmittelbar oder über die Zwischenform *lihiq, nur zu *hhiq fiihren,

dessen Reflex hhiq ist, nicht aber zu *lihiq, dessen Reflex *lihiq wäre, da

dann mit der Assimilation eine nicht zu begründende Längung verbim¬

den gewesen wäre.

Lautgesetz ( l)a-b stammt somit aus einer Zeit, da das Ge'ez bzw. das

Altäthiopische schlechthin noch Vokalsystem I mit der Scheidung von

Lang- und Kurzvokalen besessen haben muß. Ob die Kurzvokale iimd u

noch getrennt oder schon in a zusammengefallen waren, läßt sich an

diesem Gesetz nicht zwingend entscheiden. Ohne Zweifel aber ist die

Erklärung plausibler, wenn man anmmmt, daß altes i und u erst nach

dem Eintritt von Laryngalgesetz (l)a-b zusammenfielen. Zu den Diph¬

thongen läßt sich nur feststellen, daß sie zumindest vor dem Übergang

von Vokalsystem I in Vokalsystem II in bestimmten Positionen

monophthongisiert worden sein müssen, da sie bezüglich der Länge wie

die alten Langvokale ä, i, ü behandelt wurden.

Wie schon oben (II.) erwähnt, ist a von Laryngalgesetz (l)a ausge¬

hend in der Position LV generell fiir ä eingetreten, vgl. z. B. nääd'a

„ev nahm", 'arbd'a „vier", 'Abnha „Abraham" fiir die zu erwartenden

Formen *näSä'a, *'arbä% *'Abräha^^, was ebenfalls fiir das hohe Alter

von (1) spricht, da es gewöhnlich gerade die ältesten Regeln sind, die

durch spätere Entwicklungen in ihrer Gültigkeit eingeschränkt werden.

Das Laryngalgesetz (2) a-b hat Ullendorff so interpretiert, daß ein

Laryngal sich den Vokal ä derselben Silbe zu a assimiliere, wobei er

hierfiir einerseits das „modeme" Vokalsystem II voraussetzte, anderer-

Zahlreiche Beispiele fiir die vokalharmonische Assimilation von Kurzvoka¬

len bei Brockelmann: Grundriß 1, § 68. Assimüation von Langvokal ist selte¬

ner; ein solcher FaU wäre z. B. die sog. i-Imäla der giZiw-Dialekte des Arabi¬

schen, bei der ä einem i oder i der folgenden Silbe assimiliert wird, z. B. fä'il >

ß'il.

Vgl. Prätorius: Grammatilc S. 19 oben.

le*

(11)

246 Weener Diem

seits mit Recht anmerkte, daß es in sich unwahrscheinlich sei, wenn

gerade Laryngale die Längung des benachbarten Vokals bewirken wür¬

den. Ullendobff hat hier eine wichtige, wenn auch schon von Cohen

im wesentlichen vorweggenommene Aussage gemacht, ohne sie aller¬

dings für die Geschichte des Ge'ez zu nützen. Die Folgerungen aus

Lautgesetz (2)a-b sollten m.E. so gefaßt werden:"

1. Da es plausibler ist, daß ein Laryngal sich einen Vokal derselben

Silbe in der Quahtät assimiliert als daß er ihn längt, ist Regel (2) a-b so

zu erklären, daß ein kurzer a-Laut an Laryngal assimiliert wurde, was

zu einer Veränderung der Qualität führte.

2. Da das Assimilationsprodukt wie altes ä geschrieben wurde, kann

man annehmen, daß beide Laute phonetisch identisch waren.

3. Da das Assimilationsprodukt als Reflex eines Kurzvokals kurz

war, muß dies auch für den Reflex von altem ä gelten. Altes ä muß also

gekürzt gewesen sein, als beide Laute in der bewußten Position gleich

geschrieben wurden.

4. Da die Reflexe von altem Kurzvokal a und von altem Langvokal ä

ansonsten orthographisch geschieden blieben, die Quantität aber als

distinktives Merkmal entfällt, müssen sie sich in der Qualität unter¬

schieden haben, was dem Befund der heutigen äthiopischen Sprachen

entspricht, z.B. [a] vs. [a], notiert als ä vs. a.

5. Da nicht anzunehmen ist, daß nur ein einziger Langvokal gekürzt

worden war, muß die Kürzung im Ge'ez auch die anderen Langvokale

betroffen haben, was sich zumindest bei i und u wieder an der Orthogra¬

phie des Ge'ez zeigen läßt.'*

Damit läßt sich mit Hilfe interner Rekonstruktion folgende histo¬

rische Schichtung des Ge'ez erkennen:

1. Regressive Assimilation der Kurzvokale über Laryngal an Vokale

anderer Qualität im Rahmen von Vokalsystem I (Laryngalgesetz (l)a-

2. Übergang von Vokalsystem I in Vokalsystem 11 (ä, a, a, i, u, e, o).

Vor dem Übergang müssen sich Kurz- und Langvokale jeweils sowohl

durch Qualität wie durch Quantität unterschieden haben, z.B. [a] vs.

[ö], so daß das Merkmal [-l-lang] redundant war.

Die folgenden Überlegungen sind im wesentlichen von Correll: Vokalsy¬

stem S. 59 vorweggenommen worden. Correll kommt allerdings zu einem

anderen Ergebnis, vgl. IV. Ende, wo dazu SteUung genommen wird.

Vgl. Correll: Vokalsystem S. 57 zur Schreibung von iy, yiund uw, twt mit

den Graphien (sy), (ya) und (aw), (wa).

(12)

Laryngalgesetze und Vokalismus 247

3. Assimilation von ä an Laryngal derselben Silbe in Form von a

(Laryngalgesetz (2)a-b).

Für die Transkription des Ge'ez bedeutet dieses Ergebnis, welches

Ullendorffs Theorie bestätigt, daß es mit Vokalsystem II (ä, a, i, u,

a, e, o) notiert werden sollte.

rv.

Es bleibt die Aufgabe, diese relative möglichst in absolute Chronolo¬

gie zu überführen. Da für die Frühzeit des Ge'ez keine datierten hand¬

schriftlichen Zeugnisse erhalten sind, können nur vom epigraphischen

Material Anhaltspunkte erhofft werden, wobei wiederum nur solche

Inschriften und Graffiti in Betracht kommen, welche einerseits in Sil¬

benschrift gefaßt sind und andererseits aus der Zeit vor der Jahrtau¬

sendwende stammen.

Folgende Inschriften sind zu berücksichtigen, in denen einschlägige

Wörter belegt sind:

Bezeichnung

1. Aksum^^ 9

Aksum 10 = Msc'* II

Aksum 11= Mise III

2. Marib 1-3"

3. Ham'*°

4. Aksum 12" (teilvokal.) Aksum 19 (teilvokal.)

Fundort Aksum Aksiun Aksum Marib (Jemen) Ham

Aksum Akstun

Zeit

I. Hälfte des 4. Jh.s n.Chr.

1. Hälfte des 4. Jh.s n.Chr.

Mitte des 4. Jh.s n.Chr.

1. Hälfte des 6. Jh.s n.Chr.

7.-8. Jh. n.Chr."' 7.-12. Jh. n.Chr.

7.-12. Jh. n.Chr.

E. Littmann: Deutsche Aksum-Expedition. 4: Sabäische, griechische und

aUabessinische Inschriften. Berlin 1913.

E. Littmann: Äthiopischeinschriften. In: MisceUanea Academica Berolinen- sia. Berlin 1950, S. 97-127.

" Drei Fragmente einer äthiopischen Inschrift aus Marib (Jemen), welche

nach W. W. Müller: Zwei weitere Bruchstuecke der aethiopischen Inschrift aus

Märib. In: Neue Ephemeris fiir Semitische Epigraphik 1 (1972), S. 59-74 zitiert werden.

Conti Rossini: L'tscrizione etiopica di Ham. In: Rendiconti della Reale Accademia d'Italia. Classe di Scienze Morali e Storiche, Ser. 7, 1 (1939-40), S. 1-14.

Datierung nach Conti Rossini: Harn S. 14 auf Grund paläographiseher Besonderheiten.

(13)

248 Werner Diem

Die Belege werden gemäß Vokalsystem II transkribiert bzw. transli¬

teriert; zu den Symbolen ( > vgl. oben I. Ende. Alle Belege wurden

an den Photographien bzw. Abzeichnungen der betreffenen Publikatio¬

nen verifiziert. Die Schreibungen der Inschriften Aksum 12 und 19 sind

mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.

1. Inschriften von Aksum von der 1. Hälfte und der Mitte

des 4. Jahrhunderts n.Chr.

Die Inschriften zeigen regelmäßig den orthographischen Reflex der

Laryngalgesetze (l)a-b, während sich für (2)a zwei mögliche Belege

und für (2)b indirekte Anhaltspunkte finden. Die Verba tertiae larynga¬

lis weisen im Perfekt bereits die analogische Verallgemeinerung von a

für die Position LV unabhängig von der Art des Vokals auf, wäh¬

rend in der Position L|| <ä> geschrieben ist.

a) Belege für (l)a: (b'ikayäni) 11,13 „als ich gesandt hatte"

(Gerundium); <'äw3"i> 11,18 „ich verbrenne" (trans.); (yssma'awo) 11,12 „sie sollen ihn hören"; (bä^ahu) 9,19; 11,37 „sie kamen"; (dä-

ba'u) 9,4; 10,6 „sie zogen zu Felde"; (mäb'u) 9,17 „sie zogen weiter

(?)"; <mäs9'u> 9,9; 11,24 „sie kamen"; (qäfa'u) 10,29 „sie brachten

dar"; (tänäa'u) 9,30 „sie machten sich auP; (wäda'u) 9,18 „sie zogen

hinaus"; (näSa'ä) 11,36 „er nahm", (gäfa'ä) 11,9 „er verübte Gewaltta¬

ten"; ('i-säma'äni) 11,13 „er hörte mich nicht". Ausnahmen sind (tä- mäkkähä) 11,8 „er brüstete sich" und ('ärdä'äni) 11,45 „er half mir".

Aus den beiden Belegen schloß Littmann''^ in den abgeleiteten Ver¬

balstämmen sei die Vokalharmonie nicht eingetreten, während die

Schreibungen m. E. als rein orthographische Ausnahmen zu betrachten

sind. Weitere orthographische Ausnahmen sind ([mäjlä'altä) 11,31

„aufwärts" und (mätähattä) 11,35 „abwärts"; vgl. zu allen diesen

Schreibimgen Anhang 3.

Das von ihm ebenfalls als lautliche Ausnahme betrachtete (ää'(3)lä) 11,20

„BUd", dessen erster Buchstabe unsicher ist, las Littmann in Mise III als (83'(3)lä), was der Ge'ez-Schreibung entspricht. Aber auch (ää'(a)l) wäre keine

Ausnahme von Lautgesetz (l)a. Da (S3'(3)l) kein Reflex von qatü, sondem von

qitl sein dürfte, soUte es als h'l interpretiert werden. Dementsprechend müßte

\sä'(a)l) als Sä'l d.h. als Reflex von qatl aufgefaßt werden, und es läge eine der häufigen qitl-qatl-Duhletten des Ge'ez vor.

Aksum S. 80 Mitte.

(14)

Laryngalgesetze und Vokalismus 249 b) Beleg für (1 )b : (yä'älu) 9, 13f. „sie mögen am Tage tun (sein)".

Andere Schreibungen sind fiir altes 3 in der Position L {ü, a} m. W.

nicht belegt.

c) Belege für (2)a: Von den anschließend zu erörternden Schrei¬

bungen abgesehen ist für ä in der Position L| stets (ä) geschrie¬

ben, wie folgende Auswahl an Belegen zeigt: ('ärbä'tu) 10,15 „vier";

<kä'bä) 11,10 „wieder"; (bä^ähku) 11,28,29 „ich kam"; (mähräkawo) 10,13 f. „sie beraubten ihn"; <lähm> 10,21; 11,43 „Rind"; <däbä'ku>

11,7 „ich zog zu Felde"; (mähbärtä) 11,39 „Vereirügung"; (mähdärä)

9,6 „Lagerstätte. Das emendierte (na[h]so) ll,19f „seinKupfer" ent¬

fällt; nach Mise III, I9f ist (fasso) „Dörrfleisch" zu lesen.'*'

Die Ausnahmen sind (yatmäwwa') 10,5; 11,4 und (yatmäwwa) 9,4;

11,6, Schreibungen, für die nach der normalen, oben belegten Orthogra¬

phie der Inschriften (yatmäwwä') (mw') zu erwarten wäre. Die Schrei¬

bungen zeigen genau denjeiügen Reflex von ä vor silbenschließendem

Laryngal, der nach Laryngalgesetz (2)a zu erwarten wäre, und spre¬

chen, da solche orthographischen „Fehler" nicht hoch genug einzu¬

schätzen sind, dafür, daß Laryngalgesetz (2) a eingetreten war, ohne

daß es vorerst orthographischen Ausdruck fand; die Schreibung mit (ä)

vor silbenschließendem Laryngal, für die oben Beispiele angeführt wor¬

den sind, wäre dann als historische Orthographie zu betrachten.

Ein Problem liegt bei dieser Erklärung allerdings darin, daß in zwei

dieser Schreibungen der finale Buchstabe (') fehlt und ein Fehlen von

etymologischem (') auch in den in Konsonantenalphabet abgefaßten

Inschriften Aksum 6-7 = Mise I A-B"" mit der Schreibung des Aus¬

drucks „wir haben dargebracht", der im Ge'ez 'aba'nä (bw') wäre,

bemerkbar ist. Wenn man Littmanns Kopien und überzeichnete Pho¬

tographien zugrundelegt,"' ergeben sich folgende Schreibungen: ('b'n)

mit <') 6,17f "^ 22"'; 7,18,25 vs. <>bn) ohne (') 7,20f ,22, wovon die auf

Vgl. auch Nöldeke in seiner Rezension \oii Aksum iin: ZDMG 67 (1913),

S. 701 oben.

Davon ist 6 in sabäischer, 7 in äthiopischer Konsonantenschrift verfaßt.

Die Wiedergabe der Schreibungen ist sowohl in AIcsum wie in Mise nicht

konsequent.

Die Schreibung {'b'n) 6,17 f muß nicht mit Littmann als Gerundium gele¬

sen werden. Da vor dem nächsterhaltenen finiten Verbum Z. 19 eine größere

Lücke ist, in der wä- ergänzt werden kann, ist auch die Lesung als 1. Plural Per¬

fekt möglich.

In der Kopie ohne das zweite ('}, im Text dagegen mit ('), so wie es die überzeichnete Photographie mit ('b n|) (Lücke von einem Buchstaben zwischen (b) und (n)) nahelegt.

(15)

250 Werner Diem

zwei Zeilen verteilte Schreibung 7,20 f. nicht ganz sicher ist. Den

Schreibungen (yatmäwwa') und (yatmäwwa) entsprechen in den bei¬

den Konsonanteninschriften Schreibungen mit (') (6,2f.; 7,3 f.). Wenn

auch in den Inschriften gelegentlich Buchstaben ausgelassen sind, kann

es sich bei mehrfach belegtem Fehlen von ' kaum nur um Versehen der

Steinmetzen handeln,"* sondem das Fehlen muß wohl als Reflex des

Schwundes von ' betrachtet werden; auch Littmann"' deutete diese

Schreibungen so.

Damit bekommt die Frage der Interpretation des Vokals a der letzten

SUbe einen neuen Aspekt, und zwar wäre er theoretisch auch als Reflex

von ä, welches aus a bei Schwund von ' durch Ersatzdehnung entstan¬

den war, zu erklären, was Vokalsystem I voraussetzen würde, also

*ydtmawwa' *ydtmawwä, und Entsprechendes gälte dann auch von

('bn): *'aba'na > ahäna. So hat Littmann'", der allerdings von über¬

holten Voraussetzungen ausging," die Schreibungen erklärt.

Zwei Anhaltspunkte sprechen m. E. dagegen, im avon (yatmäwwaC))

den Reflex von langem ä als Ergebms von Ersatzdehnung zu sehen:

1. Wie oben (III. Ende) gezeigt, müssen sich die Reflexe von aund ö

in Vokalsystem I vor dem Übergang in Vokalsystem II nicht nur durch

Quantität, sondem auch durch Qualität unterschieden haben, z.B. [a]

vs. [ö]. Eine Ersatzdehmmg von [a] hätte deshalb nicht zu [ä], sondem

zu [ä] geführt, das sich von [5] unterschied" und kaum mit demselben

Buchstaben wie [5] hätte geschrieben werden können.

2. In den neuäthiopischen Sprachen und im Ge'ez war Laryngalge¬

setz (2)b auch bei ' wirksam; für die Sprache der Inschriften von Aksum

Es ist also nicht nur ein einziger Beleg, in dem das Hamza fehlt, wie

Ullendorff: Comparative Phonology S. 35 Fn. 4 unter Bezug SMi Aksum 9,4

annahm, was ihn veranlaßte, das Fehlen von (') als „lapsus calami" zu betrach¬

ten.

Aksum S. 14 zu 6,2.

Aksum S. 14.

^ ' Littmann sah nach seinen Ausfiihrungen in Aksum S. 14 zu schließen aUe diejenigen Fälle, die hier in (2)a inbegriffen sind, als Ergebnis des Schwundes von Laryngal und Ersatzdehnung von a zu ä an, ein Prozeß, dessen Beginn er in

(yatmäwwa) sah.

" Im Protoaramäischen fiihrte die Ersatzdehnung von e (< i) zu e, nicht zu i, im Turoyo die Ersatzdehnung von a zu ä, nicht zu ö (< ä); im Damaszenischen fiihrte die Pausaldehnung von e {< i) und von o (< m) zu e und ö und nicht zu i und ü, d. h. es wird bei Längung eines Kurzvokals aus Gründen der Ersatzdeh¬

nung gewöhnlich die Qualität beibehalten, und er wird nicht zu demjenigen Vokal gelängt, der ihm zwar etymologisch als Langvokal entspricht, sich aber von ihm qualitativ unterscheidet.

(16)

Laryngalgesetze und Vokalismus 251 läßt sich dies erschließen (s. unten d), während es fiir die etwas spätere

Inschrift; von Marib außer Zweifel steht. Wäre der Laut ' schon zur Zeit

von Vokalsystem I geschwunden, dann hätte Laryngalgesetz (2)b bei

ihm nicht wirksam werden können.

Unter Berücksichtigimg aller Gesichtspunkte scheint nür als Erklä¬

rung von (yatmäwwa') / (yatmäwwa) diejenige am wahrscheinlich¬

sten, daß Laryngalgesetz (2)a zwar eingetreten war, aber noch nicht

seinen regelmäßigen orthographischen Ausdruck fand, und daß Hamza

danach — wohl regional beschränkt — geschwunden war. Daß gerade bei

altem Hamza entsprechend der tatsächlichen Lautform (a) statt (ä)

geschrieben wurde, dürfte mit dem Schwund von Hamza zusammen¬

hängen: a war nun nicht mehr als normaler, durch eine phonologische

Regel bedingter Reflex von zugrundeliegendem ä in der Position

L|| auffaßbar.

Zu den Schreibungen {'ahzab) und {'ahmar) vgl. Anhang 2.

d) Belege für (2)b: Altes a in der Position L wird ohne Aus¬

nahme (ä) geschrieben, vgl. etwa (Auswahl): ('äräznä) 9,10 „wir plün¬

derten"; ('äw'älnä) 9,7 „wir beschafften (?); <hä§är) 11,19,31,36

„Stroh"; (häwarayänä) 11,11 „unseren Gesandten" ; ('äbäyä) 11,13 „er verweigerte"; (bo'ä) 9,6 „er trat ein"; (wähäbäiü) 11,5 „er gab mir";

(yamähärku) 9,20f. „sie nehmen gefangen". Andererseits zeigen die

Kausativschreibungen (yagäbba') 11,18 „er bringt zurück", (yamasa-

nu) 11,20 „sie zerstören", (yasättamu) 11,22 „sie bohren in den

Grund"", daß gemäß den oben (II.) vorgebrachten Überlegungen die

Graphie ('ä) des Perfekts und anderer mit ' anlautender Formen als 'a

zu interpretieren ist, was wiederum auf die Wirkung von Laryngalge¬

setz (2)b zurückzufiihren ist. Alle Schreibungen mit (Lä) sind deshalb

m.E. als historische Schreibungen zu betrachten, hinter denen bereits

La stand. Die abweichende Schreibung (yä^na') 11,46 „er möge stär¬

ken", die Littmann'" als unterschiedliche Form aufgefaßt hat,

betrachte ich als rein orthographische Besonderheit, vgl. Anhang 3.

Für die Lautform ä des Kausativpräfixes der 1. Sing. Imperf. ('ä) könnte die Stelle (zä-'ä[ya]'ämm3r) 11,21 f „die ich nicht kenne" sprechen (vgl. oben IL),

wenn die Lesung gesichert wäre. Aber Littmann hat die erhaltenen Buchsta¬

ben nach der Orthographie des Ge'ez ergänzt. Die überzeichnete Photographie

hat {zä-'ä/'i[ ](22)'ämm3r), die Originalphotographie läßt nach (zä-) so gut

" Das Zeichen (ya) von (ya^äddsfswo) 11,20 „sie stürzen ihn" ist nach über¬

zeichneter Photographie nicht sicher; aufder Originalphotographie ist nichts zu erkennen.

^* Aksum S. 81.

(17)

252 Werner Diem

wie nichts erkennen. Der Raum weist auf das Fehlen von zwei Buchstaben nach (zä-). Es ist deshalb ebensogut die Lesung (zä-['i-'ä]'ämm3r) möglich, welche ('i-'a'emsd) 11,48 „ich tue nicht Unrecht" entspricht, wo der Buchstabe Ci) im übrigen nicht ganz gesichert ist."

2. Inschrift von Marib von der 1. Hälfte des 6. Jahrhun¬

derts n. Chr.

Die knapp zwei Jahrhunderte spätere Inschrift von Marib zeigt den

orthographischen Reflex nicht nur von Laryngalgesetz (l)a-b, sondem

auch von Laryngalgesetz (2) a-b, wobei die Orthographie in unter¬

schiedlichem Maße konsequent ist. Abweichende Schreibungen müssen

als orthographische, nicht als lautliche Ausnahmen betrachtet werden.

a) Belege für (l)a: (bä^ahä) 1-2,10 „er kam"; <G*3rag"'3'a) 1-2,10 in den Schreibungen (]g"3'a) (Zeilenanfang) und <G"3rag"[)

(Zeilenende). Alte Schreibung mit (ä): <mäw(w)ä'ä) 1-2,3 „er besieg¬

te".

b) Beleg für (l)b: (nä'abbi) 1-2,27 „wir sind groß"."

c) Belege für (2)a: (ka'bä) 1-2,21 „wieder" (vgl. (kä^hä) Aksum

11,10); (ta'ka) 1-2,18 „Königspalast", (kälahku) 1-2,23 „ich verkün¬

dete", <Säba') 1-2, 18 „Saba" (vgl. <Säbä')^)bMwi9,2; 10,3; 11,3). Alte

Schreibungen mit (ä): (mä'män) 1-2,25 „gläubig"; mehrere Belege für

<'ähzab) „Völker" (('ähzabayä) 1-2,11; <'ähzabi[) 3,4; <'ähzabä> 3,8;

<'äh[) 3,11); ('ähbaro) 1-2,25 „ich möge ihn/ihm anfügen".

d) Belege für (2)b: ('aw'ayku) 1-2,18 „ich brannte nieder";

(nä'abbi) 1-2,27 „wir sind groß"; (ya'abbiyäkä) 3,2 „er macht dich

groß"; (tä'aqa^u) 1-2,28 „sie haben sich verfangen". Alte Schreibungen

mit (Cä): (Hämer) 1-2,17 „Himyar"; (hämär) 3,9 „Schiff', (häyqa)

3,10 „ihre Küste", (Hägärayne) 1-2,16 Nomen proprium; ('äfuyä)

1-2,23 „mein Mund", <-'ä) 1-2,26 Partikel der direkten Rede; <mäw- (w)ä'ä) 1-2,3 „er besiegte" ; vgl. femer die oben unter c) Ende angeführ¬

ten Belege ('ähzab) und ('ähbaro).

3. Inschrift von Ham vom 7.-8. Jahrhundert n.Chr.

Die wemgen Belege'' zeigen nur zum Teil orthographische Berück-

sichtigtmg der Laryngalgesetze.

" Aksum S. 41 zu 11,48.

Vgl. auch unten unter d).

" Vgl. auch Rossini: Harn S. 13.

(18)

Laryngalgesetze und Vokalismus 253

a) Beleg fiir (l)a: (bälä'ä) 9 „er aß" statt (bäb'ä) oder (bäb'a).

b) Beleg für (l)b: (yähäyyawu) 14 „sie leben".

c) Belege für (2)a: (Sähi) 5 statt (Sahl) (Nomen propriimi); tähä-

sas oder tahsas^* 2 „Monat Tahäaä".

d) Beleg fiir (2)b; (yähäyyswu) 14 (s. oben unter b).

4) Inschriften von Aksum vom 7.-12. Jahrhundert

n.Chr.

Die Inschriften Aksum 12 und 19 sind teilvokalisiert, was bedeutet,

daß z. T. statt der Buchstaben mit Vokal der 2.-7. Ordnung die Buchsta¬

ben der I. Ordnung, welche in der syllabischen Schrift den Wert Cä,

dagegen in der Konsonantenschrift den Wert C haben, auftreten, z. B.

('äfätähäkäwämä) bzw. ('afthkwm) 12,30 „ich forderte Rechenschaft

von ihnen", eine Schreibung, die 'aftahkdwomuzn lesen ist. Im folgenden

werden nur paläographisch einigermaßen gesicherte Belege angeführt.

a) Belege für (l)a: (gäba'ä) 12,14 „sie kehrten um" (wahrschein¬

lich gäbd'u zu lesen); (gäb'äni) 12,28 f „sie waren feindlich zu mir"

(wahrscheinlich $äb'uni zu lesen).

b) Belege für (l)b fehlen.

c) Beleg für (2)a: (lahmä) 12,10,19f,33 „Rind".

d) Belege für (2)b: (härrämomu) 12,23 „er verfluchte sie" ; (mähäl-

ku) 12,7 „ich schwor"; (^ähäfku) 12,3 „ich schrieb"; (dähäfkawa) 19,1

„ich schrieb sie"; (ijädani) 12,3f Nomen proprium.

Positiv belegen die Schreibungen nur die Laryngalgesetze (l)a und

(2)a. Die abweichenden Schreibimgen sind wieder als rein orthogra¬

phische Ausnahmen zu betrachten.

Die epigraphischen Zeugnisse, so spärlich sie auch sein mögen, las¬

sen folgende Schlüsse zu:

1. Da das Laryngalgesetz (l)a-b von den frühesten Zeugnissen

(4. Jahrhimdert) an fast durchweg orthographischen Reflex hat und die

analogische Ausweitung bei den Verba tertiae laryngalis bereits durch¬

geführt ist, Laryngalgesetz (2)a-b dagegen erst zögernd orthographi¬

schen Ausdruck findet, liegt (I)a-b chronologisch vor (2) a-b, wie es

auch die innere Rekonstruktion ergeben hatte.

2. Die frühesten eindeutigen Belege für Laryngalgesetz (2) a-b bietet

die Inschrift von Marib (6. Jahrhundert), doch läßt sich das Lautgesetz

Beide Lesungen sind paläographisch möglich. Das Wort ist einer der frühe¬

sten Belege fiir den neuäthiopischen Übergang h > h und i > s.

(19)

254 Werner Diem

schon flir die Aksumer Inschriften vom 4. Jahrhundert wahrscheinlich

machen. Daraus folgt fiir den Vokalismus, daß der Übergang von Vokal¬

system I zu Vokalsystem II auf jeden Fall vor dem 6. Jahrhundert, ver¬

mutlich aber schon vor dem 4. Jahrhundert stattfand. Unter diesen

Umständen kann Corbells" Auffassung, sowohl der Wechsel von äzu

a in den Positionen L| und L als auch die Aufgabe der Quanti¬

tätsdistinktion sei erst in der Sprache der Tradenten des Ge'ez erfolgt,

welche die Verhältnisse auf das von ihnen überlieferte Ge'ez übertragen

hätten, nicht aufrechterhalten werden. Festzuhalten ist vielmehr, daß

das epigraphische Altäthiopisch mindestens des 6. Jahrhunderts und

damit auch das Ge'ez als eine damit weitgehend identische Sprache

sowohl von Laryngalgesetz (2)a-b wie auch von Vokalsystem II (ä, a, a,

i, u, e, o) gekennzeichnet waren. Die beiden Phänomene können als

gemeinäthiopische Innovationen angesehen werden.

3. Da die Inschriften von Aksum aus dem 4. Jahrhundert bis auf zwei

Ausnahmen (äL||> und <Lä) schreiben, obwohl (2)a-b lür die Sprache

der Inschriften mit einiger Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt werden

kann, ist anzunehmen, daß {2)a-b nach der Erfindung oder Normierung

der Silbenschrift eingetreten ist. Unter dieser Voraussetzung kann die

Silbenschrift nicht erst um 350 n. Chr. erfunden worden sein, wie Litt-

mann'" annahm, sondem muß bis zur ersten erhaltenen Inschrift in Sil¬

benschrift (Aksum 10) bereits eine gewisse Entwicklung hinter sich

haben, wofiir auch die Existenz paläographiseher Varianten*' in den

Aksumer Inschriften spricht.

4. Die Inschrift von Marib bietet einen orthographischen Befund, zu

dem sich die tradierte Orthographie des Ge'ez in Beziehung setzen läßt.

Gemeinsam ist der konsequente orthographische Ausdmck von Laryn¬

galgesetz (2)a, wobei gerade die abweichende Schreibung (mä'män)

der Inschrift von Marib auch im Ge'ez als Variante bewahrt geblieben

ist. Ein gewisser Unterschied scheint darin zu liegen, daß Laryngalge¬

setz (2)b in der Inschrift von Marib häufiger orthographischen Reflex

hat als in der Schreibung des Ge'ez, wo solche Schreibungen eher selten

auftreten, während andererseits wiederum eine wichtige Gemeinsam¬

keit darin besteht, daß sowohl in der Inschrift von Marib wie in der

Ge'ez-Orthographie für die wortanlautende Folge La {< Lä) und hier

" Vokalsystem S. 59 unten bis S. 61.

'° Aksum S. 79 Mitte. — A. Grohmann: Über den Ursprung und die Entwick¬

lung der äthiopischen Schrift. In: Archiv für Schriftkunde 1 (1915), S. 74 oben nimmt fiir die Erfindung der SUbenscfirift ca. 300 n. Chr. an.

" Aksum S. 79 unten.

(20)

Laryngalgesetze und Vokalismus 255 wieder besonders für 'a (<'ä) die alte Schreibung (Lä) in historischer

Orthographie beibehalten wird. Die Orthographie des Ge'ez läßt sich

somit zu der Orthographie dieser Inschrift in direkten Bezug setzen.

Andererseits läßt die Inschrift von Ham vermuten, daß auch die Mög¬

lichkeit bestanden haben muß, die Laryngalgesetze orthographisch

überwiegend außer acht zu lassen. Ob die Orthographie der Ge'ez-

Handschriften das Ergebnis gradueller Anpassung der Orthographie an

die Laryngalgesetze und hier besonders an die Laryngalgesetze (2)a-b

oder bewußter orthographischer Reform ist, läßt sich beim heutigen

Wissensstand nicht entscheiden.

V. Anhang: Zu Sprache und Orthographie der

Königsinschriften von Aksum

1. Elision von a

Vom Verbmn (}ewäwä „gefangennehmen" sind folgende „regidäre"

Imperfektschreibungen belegt: (yadewawu) 9,20 „sie nehmen gefan¬

gen", ('adewawo) 11,17 „ich nehme ihn gefangen", (dewawomu) 11,38

„nimm sie gefangen!". Daneben steht die Ausnahme ('a-de-wo-mu)

11,28 „ich nehme sie gefangen". Littmann'^ fährte diese Schreibung

unter den Fällen an, bei denen ein Buchstabe, hier (wa), vergessen wor¬

den sei.

Das Gegenteil läßt sich nicht beweisen, doch ist auch eine andere

Erklärung denkbar, weim man an analoge Schreibungen des Ge'ez

denkt: Die Schreibung kann als der früheste Beleg für die Elision von a

in Silben der Struktur CV\\C \\CV gelten, eine Elision, die beim

Imperfekt des Grundstammes ausnahmsweise auch in der Folge CVC\\

C IICF (z.B. yasäbbdru > yasäbru) eingetreten ist.'' Die Schreibung

('a-de-wo-mu) kann deshalb als 'dd^wwomu interpretiert werden, eine

Form, die auf '3(jktV3Womu (oder allenfalls 'dtjkwwswomu) zurückgeht.

Vergleichbbare Formen des Ge'ez sind y9näddu „sie brennen" (<

*y9nädd3du) und hdiSu „sucht" (< *hdh§u), die jeweils mit einem Buch¬

staben geschrieben werden (( ya-nä-du) bzw. (ha-Su))''*. Schreibungen

" Aksum S. 82.

" So im Tigriftüa, aber auch im Ge'ez, wie die weiter unten zitierte Schrei¬

bung zeigt. Vgl. zum ganzen Problem R. Hbtzron: Ethiopian Semitic. Manche¬

ster 1972, S. 24 H. lc.

'" Vgl. Prätorius: Grammatik § 87.

(21)

256 Werner Diem

mit zwei Buchstaben sind als historische Orthographie zu betrachten;

so muß etwa hinter dem oben zitierten ('adewawo) die Form 'dijkwwo

(< 'd(jl£.iüdwo) gestanden haben.

Auf die Ehsion von ' in der Position CV\\C ||CF weist noch eine

weitere Schreibung: <md) (Konsonantenschrift) „er kam" in Aksum

13,7; 14,1,5 aus dem 7.-12. Jahrhundert. Die Schreibung drückte mä^a

aus; das radikale Hamza war nach der Elision von a in Kontaktstellung

zu 9 geraten und in dessen glottalem Element aufgegangen, also mä^d'a

> mä^'a > mä^a.^^

2. 'a/tzaö „Völker"

Zusätzlich zu den (l)a-b und (2)a-b entsprechenden Regeln und

chronologisch vor ihnen führt Voigt'* eine Regel der Form öLC -* äLaC

ein, so daß öLC über öLaC zu sLaC führen soll. Hierbei stützt er sich

u. a. auf die Schreibung ('ghzab) „Völker" in den Inschriften von Aksum

statt des gewöhnlichen ('ahzab). Gegen eine solche Regel, die schon

Prätorius" in ähnlicher Form vorgeschlagen hatte, sprechen m.E. fol¬

gende Erwägungen:

1. Zur Erklärung von naÄwä „wir" und ra'ayä „er sah", die Voigt"

anfuhrt, ist diese Regel mit Sicherheit nicht notwendig"; die beiden

Formen sind deshalb auch keine Begründung für die Regel. Auch der

von Prätorius'" hierfür genannte Subjunktiv yffahaz braucht nicht

auf *2/a'aÄä2 (< *yd%äz) mit zweimaliger Anwendung von (l)a und ein¬

maliger Anwendung von (l)b zurückgeführt zu werden." Die Form

kann auch als Analogiebildung nach dem Imperativ 'ahaz (< 'aAöz)

erklärt werden, welche davon ausging, daß Imperativ und Subjunktiv

gewöhnlich die verbale Basis gemeinsam haben.

2. Im wesentlichen gründet Voigt seine Argumentation auf Dublet¬

ten mit oLC und aLaC, von denen aLC auf späterer Neubildung beruhe;

seine Beispiele sind u. a. rahb/rahab und die Dubletten ma'män/im 'amän

Vgl. Littmann: Aksum 8. 45 zu 13,7. — Darüber hinaus geht aus der

Schreibung der ZusammenfaU von ä und # hervor, wie Littmann ebenfaUs fest¬

gesteUt hat.

Vowel System S. 358.

" Grammatik S. 18 Anm. in Verbindung mit S. 86 Mitte und S. 97 oben.

Vowel System S. 357 bzw. S. 358.

" Vgl. Correll: Vokalsystem S. 61 f.

Grammatik S. 86 Mitte.

" Also *y3'häz > *yd'dhäz > *yd'ähäz > *yä'ähäz > yä'ahaz.

(22)

Laryngalgesetze und Vokalismus 257

und 'ahzab/'ahazab. Für die Erklärung des Typs rahb/nhah ist die Regel

aber nicht notwendig, da des öfteren Dubletten des Typs qäti /

qatl wie rämh / ramh „Lanze" bezeugt sind;'^ rahb und rahb, wie ich es

ansetze, fuhren also altes rähb / rahb fort.''

3. Der absolut normale Reflex von öLC ist aLCJ* Es wäre recht

unwahrscheinlich, wenn alle Bildungen mit aLC, denen keine Bildungen

der Form aLaC zur Seite stehen, spätere Neubildungen wären, welche

aLaC (< ÖLaC < öLC) ersetzt hätten. Vielfach fehlte dafür ohnehin der

Ansatz; so ist etwa nicht einzusehen, warum und wie neben einem hypo¬

thetischen *ba 'al {< *bä'al < *bä'l) „Herr" nachträglich eine Neubildung

*bä'l (später > ba'i) hätte entstehen und früheres * öa'ai hätte verdängen können.

4. Es ist phonetisch unwahrscheinlich, daß die Doppelkonsonanz in

ÖLC gerade durch a hätte aufgesprengt werden sollen. Gewöhnlich ent¬

spricht in solchen Fällen der Aufsprengungsvokal in der Qualität dem

vor L stehenden Vokal," was wie Laryngalgesetz (l)a-b der besonde¬

ren Eigenart der Laryngale zuzuschreiben ist.

Von allen vermeintlichen und tatsächlichen Problemfällen bleiben

m.E. nur wenige, deren ersten schon Prätorius" angefühlt hat:

ma'män „zuverlässig" neben ma'män und eiiüge in den Inschriften 10-

11 vor Aksum belegte Pluralschreibungen mit initialem ('aLl) statt des

zu erwartenden OäL||). Im einzelnen ist zu diesen Formen bzw. Schrei¬

bungen zu bemerken:

1. In der Ge'ez-Dublette ma'män / ma'män „zuverlässig" muß

ma'män mit dem im Ge'ez normalen Partizipialpräfix /mä/ in der Tat

die jüngere Bildung sein, während ma'män die ältere Bildung ist. Diese

letztere Form kann auf *mM'man mit dem im Äthiopischen später durch

*ma ersetzten alten Passivpräfix *mu zurückgefüfirt werden." nu'män

Vgl. Dillmann: Grammatik S. 194.

Eine solche Dublette bilden auch die von Prätorius: Grammatik S. 18, 1,

Anm. angefiihrten Schreibungen (wä'dä) (sie) / (wa'dä) „(dort) wo, wohin" (so

schon Brockelmann: Grundriß 1, S. 48 e), welche beide bereits in den Aksu¬

mer Inschriften belegt sind: (wä'dä) 11,47 und (bä-ws'dä) 11,17.

'" Vgl. Dutzende von nominalen BUdungen bei Dillmann: Grammatik S.

208 ff. Beim Verbum ist aLC ebenfaUs die Regel, z. B. 'a'märä (nicht *' a 'amärä <

*'ä'amärä), säma'ku (nicht 'säma'aku < *sämä'dku) etc.

" Vgl. besonders zum Hebräischen Brockelmann: Grundriß 1, S. 214. Zu

nennen ist auch die zentralarabische Regel aLCV > aLaCV, was im Endeffekt zu Formen wie hadar „grün" (< *ahadar < 'ahdar) führt.

Grammatik S. 97 oben.

" Diese Erklärung schlug Brockelmann: Grundriß 1, S. 578 d als Möglich-

(23)

258 Webnek Diem

scheidet deshalb als Problem aus und kann nicht als Beleg für ein Laut¬

gesetz ÖLC > ÖLaC geltend gemacht werden.

2. Geht man von der Edition der Aksum-Inschriften 10-11 in Mise

aus, so kermt die Sprache der Inschriften drei auffallige Pluralformen:

<'3hzab> „Völker", ('ahmar) „Schiffe" und ('ahgur) „Städte", für

welche gemäß dem Ge'ez und anderen Pluralformen der Inschriften'*

die Schreibungen ('ähzab), ('ähmar) und ('ähgur) zu erwarten wären.

Die Sachlage ist aber keineswegs eindeutig, wie eine Überprüfung der

Belege an den überzeichneten Photographien und den Originalphoto-

graphien ergibt.

a) Statt ('ahgur), dessen erster Buchstabe in Mise als fraglich

gekermzeichnet ist, hat der Text in Aksum 11,18,31,35,36 stets die

Schreibung ('ähgur). Auch die überzeichnete Photographie bietet an

allen Stellen diese Lesung, was die Originalphotographie, soweit sie

etwas erkermen läßt, bestätigt. Diese Belege entfallen also; es scheint,

daß Littmann die Schreibweise des Wortes in Anlehnung an die als

nächste zu neimenden Fälle nachträglich „normiert" hat.

b) Die Schreibung ('ahzab) „Völker" begegnet in den Inschriften an

sieben Stellen." Während der erste Buchstabe ('a) gesichert ist, könn¬

ten bezüglich des mittleren Vokals Zweifel herrschen, da die Überzeich¬

nimg und die Photographie bei verschiedenen Stellen des Wortes (zä),

rücht (za) zu zeigen scheinen; an eirügen Stellen ist aber wohl (za) zu

lesen, ('ahmar) „Schiffe" ist an einer Stelle belegt*" und wohl gesichert,

auch wenn die Proportionen des Buchstaben (ma) ungewöhnlich sind.

Littmann*' sah im Vokal a der ersten Silbe „eine Ausdehnung des

Gesetzes, nach dem nahna zu nehi.na wurde, auch auf zwei ' afäl For¬

men", was wohl rücht weiter verfolgt zu werden braucht. Ich selbst habe

die beiden Formen 'ahzab und 'ahmar in anderem Zusammenhang*^ als

Reflexe eines dem Äthiopischen verlorengegangenen Plurals qitäl

erklärt, was ich damit begründet habe, daß sich 'ahzab und 'a}},mar zu

keit vor, während er sich Grundriß 1, S. 48 e dezidiert für diese Herleitung aus¬

sprach.

'* Vgl. ('ängadä) 10,15f. „Völker", ("ägwarihu) 11,11 „seine Nachbam", ('iibyatihu) 11.20 ..seine Häuser", ('äsmatihomu) 11,24 „ihre Namen", ('äsma- tä) 11,31 „Namen", ('äflag) 11,29,39 „Flüsse", ('ä'yantä) 11,24 (mit Pharyn¬

gal '!) „Spione".

" ('ahzabä) 1 l,8,8f.,9,48; ("ahzabayä) ll,18,37f; ('ahzabihomu) 10,23.

«° ("ahmarihomu) 11,22.

Aksum S. 31 zu 10,23.

Studien zur Frage des Substrats im Arabischen. In: Der Islam 56 (1979),

S. 75. Meiner Auffassung schheßt sich Coeeell: Vokalsystem S. 62 oben an.

(24)

Laryngalgesetze und Vokalismus 259

den Vorformen *hizäb und *himär so verhielten, wie 'sgrzi' „Herr" zur

Vorform ^gizV und 'amnekä „von dir" zur Vorform *mineka"; es sei

jeweils die Folge *CiCV zu *'iCCV umstrukturiert worden. Übersehen

habe ich damals, daß schon A. Dillmann*" 'agzi' und 'amnä zusammen

mit weiteren z.T. gesicherten, z.T. immerhin möglichen Fällen in die¬

sem Sinne angeführt hatte*'; mit umso mehr Berechtigung kann diese

Erklärung auch fiir 'ahzab und 'a Ämar herangezogen werden. Nachzutra¬

gen ist femer, daß qitäl fiir das Ge'ez in zwei Fällen durchaus belegt

ist,*' davon eine Form auffälligerweise neben dem Plural 'aqtäl: (faya?

— 'a(fya^ „Schenkel", was dem Verhältnis *hizä]b — *'ahzab entspricht.

3. „Buchstabenverwechslungen"

In einer größeren Zahl von Fällen bieten die Königsinschriften 9-11

einen Buchstaben mit anderem Vokal als man nach dem Ge'ez erwarten

sollte.*' In einigen Belegen dürfte es schwerfallen, dahinter eine Ratio

zu finden. Bemerkenswert aber ist, daß in der überwiegenden Zahl der

abweichenden Schreibungen ein Buchstabe der 1. Ordnung (Lautwert

Cd) für den Buchstaben einer anderen Ordnung steht. Es handelt sich

um folgende Schreibungen, welche z.T. schon oben erwähnt worden

" Beide Wörter sind in den Inschriften belegt; zu den Allomorphen von 'amnä vgl. Aksum S. 81 Mitte.

Grammatik S. 63. Vgl. femer Brockelmann: Grundriß 1, S. 97 oben, aber

zu 'dsmä anders S. 496.

Dillmann erklärte diesen Prozeß so, daß a anlautende Doppelkonsonanz aufgelöst habe. Damit hat er nicht ganz Unrecht; zunächst wird in derartigen FäUen der unbetonte Vokal in Sandhi elidiert (z.B. *wä-gizi' > *wa-gzi') und danach eine isolierte Form restituiert (*'igzi'), deren Sproß vokal später verall¬

gemeinert wird. Bei *mina ist wohl anders, als ich seinerzeit angenommen habe, kein Ausgangspunkt *'mraeÄ;a anzusetzen, woraus *'imna(> 'amnä) rückgebUdet

worden sei. Im Satzzusammenhang war auch das ivon * mina unbetont (Grund¬

riß \, 8. 97). Eine gute Parallele hierzu ist damasz. mnin mnal-bet < *rran3l-bet.

— Abzulehnen ist die von Hetzeon: Ethiopian Semitic S. 20 unten zitierte Ge'ez-

form 'arrannä, auch wenn sie in der traditionellen Aussprache so lauten mag

(Mittwoch: Traditionelle Aussprache S. 30). — Zur semantischen Erklärung von

'dsmä „denn, weU" als Reflex von *sam „Name", das lautlich in diesen Zusam¬

menhang gehört, vgl. F. Prätorius: Beiträge zur äthiopischen Grammatik und

Etymologie. In: Beiträge zur Assyriologie 1 (1890), Nr. 59 (S. 378) und M. Bitt¬

ner: Aethiopisch (asmä) (esma). In: WZKM 15 (1901), S. 114f

*' Vgl. Dillmann: Grammatik S. 268 unten und — wohl danach — Brockel¬

mann: Grundriß 1, S. 431.

" Einiges davon Aksum S. 82 oben.

20 ZDMG 138/2

(25)

260 Werner Diem

sind. Alle zitierten Schreibungen sind paläographisch gesichert, sofem

nichts anderes vermerkt ist.

1. ('ämähädänawo) 10,25 „sie vertrauten ihn an" statt ('ämähdäna-

wo>; vgl. {'ämähdänu) 11,48 f.

2. ('Alle 'Amida) 10,1** statt 'Sile 'Amida) wie 11,4; vgl. auch {'Hllä

'Amida)*' 9,1.

3. <nädäq) (s.l. {nädoq))'" 11,36 „Mauerwerk" statt (nadq) wie 11, 19,31;

4. (yä^na') 11,46 „er möge stärken" statt (yarns'); vgl. (yagäbba')

11,18 und andere Kausativschreibungen (s. oben IV. ld).

5. ('ärdä'äni) 11,45 „er half mir" statt ('arda'äni); vgl. ('i-säma'äni) 11,13;

6. (tämäkkähä) 11,8 „erbrüstete sich" statt (tämäkkahä); vgl. (bä-

§9hu) 9,19; 11,37 und andere Schreibungen von Verba tertiae larynga¬

lis (s. oben IV. la).

7. ([mäjlä'altä) 11,31 „aufwärts" statt (mäl'sltä) {maqtilt) wie im

Ge'ez;

8. (mätähattä) 11,35" „abwärts" statt (mäthattä) (maqtilt) wie im

Ge'ez;

9. (gä'äzä)" 10,19 „Troß" statt (gä'äz).

Die aus den Inschriften selbst und aus dem Ge'ez angeführten Paral¬

lelschreibungen zeigen, daß der Buchstabe (Cä) jeweils nicht als Reflex

einer Lautung Cäzu erklären ist. Als historische Schreibung im eigentli¬

chen Verstände wäre die Schreibung (Cä) allenfaUs in Nrr. 4-6 disku¬

tierbar, obwohl dies bei Nrr. 5-6 sehr fraglich wäre, da Laryngalgesetz

(l)a, wie oben gezeigt, wohl vor Einluhrung der SUbenschrift eingetre¬

ten war.

Beleg 11,2 entfällt wegen unsicherer Lesung.

*' Der unterschiedliche Auslautvokal von 'Sile vs. 'Site entspricht dem von

sobäva. sobe (diese Schreibung ist 10,7; 11,7,9,13 belegt); die Formen auf

-e sind Status pronominalis-Formen, die auf die freie Position übertragen sind.

Vgl. auch Correll: Volcalsystem S. 58 Mitte.

Littmann las 11,36 „((n3d)q)" und merkte dazu an (S. 34 Fn. 2): „Text, wie es scheint, {nädo)". Die überzeichnete Photographie und die Originalphoto¬

graphie haben deutlich (nädäq), wie ein Vergleich der Buchstaben mit anderen Schreibungen ergab.

" Vgl. zur Lesung mit (tä) Aksum, Nachträge, S. 96 zu 11, 31 und 35.

Könnte vielleicht auch (gä'äza) gelesen werden.

(26)

Laryngalgesetze und Vokalismus 261

Nimmt man alle diese Abweichungen als rein orthographische Beson¬

derheiten, so bietet sich folgende Erklärung an. Die Aksumer Königsin¬

schriften in äthiopischer Sprache sind neben sabäischer Schrift, welche

in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt, in äthiopischer Silben¬

schrift (Nrr. 9-11), daneben in äthiopischer konsonantischer Schrift

(Nr. 7) gesetzt, wobei bekanntlich der Buchstabe der Konsonanten¬

schrift ((C)) und der Buchstabe der 1. Ordnung der Silbenschrift ((Cä))

identisch sind, weil letzterer ersteren fortsetzt. Beide Schreibarten

begegnen auch in den späteren Inschriften; von ihnen iat Aksum 12 z.T.

in Konsonantenschrift, z.T. in Silbenschrift und .4feMm 13-14inKonso-

nantenschrift mit einzelnen Silbenzeichen gefaßt; auch in Graffito 19,2

sind beide Schreibweisen gemischt. Die Wörter sind meistens nach

einem der beiden Systeme geschrieben, aber auch Mischformen

begegnen, z.B. (yä-nä-g(3)-sä-nä) 14,2 was als yangasni „daß er auch

herrscht"*' zu lesen ist, d.h. der Buchstabe (Cä) kann in diesen In¬

schriften imd Graffiti den Lautwert Cä gemäß der Silbenschrift und den

Lautwert C gemäß der Konsonantenschrift haben, wobei im zweiten

Fall Vokale nicht ausgedrückt werden.

Wendet man diese Erkenntnis auf die Königsinschriften an, so könn¬

ten die oben angeführten rätselhaften Fälle von (Cä) als Elemente der

Konsonantenschrift erklärt werden, sei es, daß das Prinzip der Silben¬

schrift noch nicht ganz konsequent angewandt wurde oder die Schreiber

in der speziellen Situation durch die Konsonantenschrift beeinflußt

waren. Ganz unabhängig von der Frage, welche Funktionen den beiden

Alphabeten zukamen,wären diese „Fehler" als Ergebms von Interfe¬

renz zu betrachten, bei der die alte einfachste Buchstabenform statt der

neueren komplexeren Formen gebraucht wurde. Bemerkenswert ist

hierbei, daß nicht Zeichen beliebiger Ordnung durch die Konsonanten¬

buchstaben ersetzt wurden, sondem es sich überwiegend um Buchsta¬

ben der 6. Ordnung mit dem Lautwert C bzw. Ca handelt. Es liegt nahe,

daß die Schreiber am ehesten bei der Schreibung von C (und analog von

Ca ) im Rahmen der Silbenschrift versucht sein konnten, den Buchsta¬

ben der 6. Ordnung durch den Buchstaben der Konsonantenschrift, der

dort ebenfalls den Lautwert C besaß, zu ersetzen.

Zur Interpretation vgl. Littmann: Aksum S. 47 oben.

'" Littmann: Aksum S. 14 oben sah in der Verwendung der Konsonanten- Schrift in Inschriften und Münzen der späteren Zeit das Bestreben, „den Texten ein archaisches Aussehen zu geben". Vgl. auch Aksum S. 47 unten, S. 50 unten, S. 76 oben.

20«

(27)

262 Werner Diem, Laryngalgesetze und Vokalismus

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis''

Brockelmann: Grundriß C. Brockelmann: Gmndriß der vergleichenden

Grammatik der semitischen Sprachen. 2 Bde. Berlin 1908-1913.

Cohen: Consonnes laryngales M. Cohen: Consonnes laryngales et voyelles en

ethiopien. — Conjugaison des verbes ä laryngale mediane ou finale. In: JA, Jan¬

vier-Mars 1927, S. 19-57.

Correll: Vokalsystem Ch. Correll: Noch einmal zur Rekonstruktion des alt-

äthiopischen Vokalsystems. In: Linguistische Berichte 93 (1984), S. 51-65.

Dillmann: Grammatik A. Dillmann: Grammatik der äthiopischen Sprache.

Leipzig ^1899.

Leslau: Observations W. Leslau: Observations on a comparative phonology of

Semitic Ethiopic. In: Annales d'fithiopie 2 (1957), S. 147-166.

Prätorius: Grammatik F. Prätorius: Äthiopische Grammatik. Breslau

1886.

Ullendorff: Comparative Phonology E. Ullendorff: The Semitic Langua¬

ges of Ethiopia. A Comparative Phonology. London 1955.

Voigt: Vowel System R. M. Voigt: TTie vowel system of Ga'z. In: Ethiopian

Studies Dedicated to Wolf Leslau. Wiesbaden 1983, S. 355-362.

°° Weitere, weniger häufig zitierte Literatur wird im Text der Arbeit ange¬

führt. Zu den epigraphischen QueUen und ihren Abkürzungen vgl. die Übersicht

am Anfang von Abschnitt IV.

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