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Archiv "Prof. Dr. med. Erich Benjamin: Schicksal eines jüdischen Arztes" (11.12.1998)

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schaftlichen Abteilung“ aus ihren Ämtern zurück. Dabei ist es der DGfK durchaus ge- lungen, den „Arierparagra- phen“, der „Nichtariern“ die Mitgliedschaft in deutschen Vereinigungen verbot, nie- mals in ihre Satzung aufneh- men zu müssen.

Es gab sicherlich Freun- de, die auch handfest gehol- fen haben, aber auch ein gu- ter Teil antijüdisches Ressen- timent, schon in der Weima- rer Republik wieder salon- fähig geworden, kam zum Vorschein. Nach der Macht- übernahme durch die Nazis kam der politische Druck von außen hinzu. Rücktritte wur- den nahegelegt, Referenten zurückgewiesen und Verbin- dungen mit jüdischen Mit- gliedern auf Eis gelegt. Der- weil konnten diejenigen lau- ter werden, denen die jüdi- schen Kollegen, aus welchen Gründen auch immer, oh- nehin ein Dorn im Auge wa- ren.

Viele jüdische Kinderärz- te wichen der Gewalt und tra- ten den schweren Gang in die Emigration an. In der Doku- mentation über die Einzel- schicksale der jüdischen Kin- derärzte, die im nächsten Jahr vom Freiburger Institut für Geschichte der Medizin herausgegeben wird, kann nachgelesen werden, welche Schwierigkeiten sich ihnen dabei in den Weg stellten, welche Odyssee sie oftmals zu durchlaufen hatten.

Der Gang in die Emigration

363 Kinderärztinnen und Kinderärzte emigrierten aus Deutschland; die meisten in die USA, nach Palästina oder nach England. Doch einige blieben und erlebten die un- geschminkte Gewalt des Ras- senhasses. „Wir wissen von vielen, die im letzten Moment Suizid begingen, um der De- portation zu entgehen, und wir kennen bisher 63 Kin- derärztinnen und Kinderärz- te, die den Weg in die Ver- nichtungslager des Ostens an- treten mußten. Oft hatten sie dabei Kinder an der Hand –

ihre eigenen, wie die Kin- derärztinnen Alice Neumark aus Mannheim und Hertha Sgaller aus Breslau, oder die Familie des Kollegen Leven aus Düren mit ihrem Neuge- borenen; auch wird berichtet, daß ihnen auf dem Transport oder im Lager Kinder anver- traut wurden, die mit ihnen in den Tod gingen“, schildert Prof. Seidler das Unfaßbare.

Paul Oestreicher, Sohn ei- nes verfolgten Kinderarztes, machte in Dresden auf die Bedeutung von Verge- genwärtigung aufmerksam:

„Heute der Opfer des Natio- nalsozialismus zu gedenken

hat nur einen Sinn, wenn dies eine Kampfansage ist gegen alles, was unsere Mitmen- schen ausgrenzt.“ Vergegen- wärtigen heißt in bezug auf die Nazi-Herrschaft, sich vor- stellen zu können, wie eine Bevölkerung zum Stillhalten, zum Mitmachen bei den er- sten Schritten gebracht wer- den konnte. Was in den Gas- kammern endete, hatte banal in den Salons, Tagungsräu- men und den Köpfen begon- nen.

Im Januar 1936 schrieb der Schriftführer der DGfK, Fritz Goebel, an den Vorsit- zenden Hans Rietschel: „Wie

zu erwarten, sind eine An- zahl von nichtarischen Aus- tritten erfolgt, und ich glau- be, daß wir bald rein arisch sein werden. Diesen Weg der freiwilligen Selbstaustritte finde ich viel glücklicher, als wenn wir irgendeinen Druck ausgeübt hätten.“ 1938 wird den noch verbliebenen jüdi- schen Ärzten in Deutschland endgültig die Approbation entzogen. Die letzten 57 Na- men jüdischer Mitglieder werden vom Schriftführer ge- strichen. Die Deutsche Ge- sellschaft für Kinderheilkun- de war „judenfrei“.

Reimund Freye

A-3228 (56) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 50, 11. Dezember 1998

V A R I A GESCHICHTE DER MEDIZIN

A

m 23. März 1880 in Ber- lin geboren, Teilnehmer des Ersten Weltkrieges als Bataillonsarzt, Assistent an der Universitäts-Kinder- klinik in München, später In- haber des Lehrstuhls für Heilpädagogik, verlor Prof.

Dr. med. Erich Benjamin schon 1937 als Jude seinen Lehrstuhl und sein Kinder- heim. Sein großer Besitz ging für rund 20 000 Reichsmark an den Bund Deutscher Mädchen (BDM) über.

Er wanderte in die USA aus und entging so jenem grausamen Schicksal, das sei- nem Sohn im KZ Auschwitz widerfuhr. Mit viel Zähigkeit und Fleiß bekam er in den USA Anstellung in einigen Kliniken (Johns Hopkins Hospital in Baltimore, State Training School in Warwick),

entfaltete eine reiche Vor- tragstätigkeit, wurde dann aber schwer krank und ar- beitslos. Benjamin starb am 22. April 1943 in Baltimore im Alter von 63 Jahren.

Prof. Erich Benjamin ge- hörte zu den europäischen Kapazitäten auf dem Gebiet der Heilpädagogik. Als größe- re Monographie erschien im Jahr 1930 „Grundlagen und Entwicklungsgeschichte der kindlichen Neurose“, 1938 in Zürich das „Handbuch der Psychopathologie des Kin- desalters“, in dem er den Ab- schnitt über Psychopathie und Neurose schrieb. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde seine Schrift

„The Period of Resistance“

(„Die Trotzperiode“) beson- ders beachtet. 1934 erschien im Verlag Müller und Stei-

nicke, München, seine kul- turgeschichtlich hochinteres- sante Abhandlung „Die Krankheit der Zivilisation“, die der Verlag mit einem „In memoriam“ 1988 wieder auf- legte. Das Buch zieht Ver- gleiche aus Werken griechi- scher und römischer Autoren über den Verfall der antiken Kultur mit der damaligen Zeit (1934).

Vor einigen Jahren hat die Gemeinde Hohenschäftlarn im Isartal an dem ehemaligen Kinderheim von Prof. Benja- min eine Gedenktafel ent- hüllt zum Andenken an einen wahren Arzt, voll Güte, Hei- terkeit und erzieherischem Charisma, einen großen Ge- lehrten und einen beliebten Mitbürger.

Dipl.-Psychologe Dr. med. et phil. Erich Grassl

Prof. Dr. med. Erich Benjamin

Schicksal eines jüdischen Arztes

Vor 60 Jahren wurde allen jüdischen Ärztinnen und Ärzten die Approbation entzogen. An ein Einzelschicksal erinnert

der folgende Beitrag.

Abbildung: Nachlaß

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