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Archiv "FDP-Parteitag in Wiesbaden: Kein Votum zur „Gesundheits-Reform“" (20.10.1988)

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FDP-Parteitag in Wiesbaden

Kein Votum

zur „Gesundheits-Reform"

r"1 Die beiden Anträge zum Gesundheits-Reformgesetz wurden vom 39. Bundesparteitag der FDP „überwiesen" - Zufall oder

Regie? Jedenfalls sind die FDP-Sozialexperten in Bonn ohne Auflagen des Parteitags davongekommen. Die Neuwahlen zum Bundesvorstand und Präsidium beherrschten den Partei- tag der FDP in Wiesbaden. Immerhin: Man schaffte es, vor den Neuwahlen zum Bundesvorstand ein bildungspolitisches Grundsatzprogramm zu verabschieden, während für die Ge- sundheits- und Sozialpolitik die Zeit nicht mehr reichte.

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AKTUELLE POLITIK

DEUTSCHES ARZTEBLATT

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it der Wahl von Dr. Ot- to Graf Lambsdorff zum neuen Bundesvor- sitzenden der FDP fand keine „Richtungswahl" statt. Auch nach der Wahl zum Bundesvorstand der FDP wird es voraussichtlich in der Bonner Regierungskoalition zu- nächst keine sensationellen perso- nellen Veränderungen oder inhalt- liche Kurskorrekturen der Koali- tionsabsprachen geben. In der Ko- alition werde es sich als notwendig erweisen, Profil zu zeigen und die spezifischen liberalen Positionen der FDP zu verdeutlichen, so schwor man sich ein.

Die bis zuletzt offenen und prik- kelnd-spannend vollzogenen Wah- len zur FDP-Spitze fielen denkbar knapp aus: Bei der Wahl zum FDP- Vorsitz votierten 211 von 400 Stim- men für den 61jährigen früheren Bundeswirtschaftsminister Dr. Otto Graf Lambsdorff (auch Kurator ei- nes Krankenhausträgers in Rhein- hausen). Auf seine Gegenkandida- tin, die 46jährige promovierte Apo- thekerin Irmgard Adam-Schwaetzer (MdB aus Düren), entfielen 187 Stimmen. Dr. Adam-Schwaetzer wurde dann aber mit 355 von 396 ab- gegebenen Stimmen zur stellvertre- tenden FDP-Bundesvorsitzenden gewählt, auf Vorschlag übrigens von Lambsdorff. Neue FDP-General- sekretärin wurde die Berliner Sena- torin für Jugend und Familie, Cor- nelia Schmalz-Jacobsen (53), davor 13 Jahre lang Stadtverordnete in München und dort für Kultur- und Gesundheitspolitik zuständig.

Keine Aussprache zum Gesundheits-Reformgesetz

Mit der neuen stellvertretenden Vorsitzenden, seit 1986 Staatsmini- sterin im Auswärtigen Amt, ist eine ausgewiesene Sachkennerin auch der Sozial- und Gesundheitspolitik an die Spitze der Partei gerückt.

Schließlich war Frau Dr. Adam- Schwaetzer in der vergangenen Le- gislaturperiode Vorsitzende des FDP-Bundesfachausschusses „So- ziales, Jugend, Familie und Gesund- heit" (bis September 1987), der zur Zeit ein Grundsatzpapier zu den

„Handlungsprinzipien liberaler So- zialpolitik" erarbeitet und es bis zum kommenden Bundesparteitag 1989 vorlegen will.

Was dem Parteitag zwischen der Beratung des bildungspolitischen Programms und den Vorstandsneu- wahlen in einem Beschluß zur „Erd- gassteuer" gelang, fiel bei den vier sozial- und gesundheitspolitischen Anträgen — „dank der Regie" der Antragskommission — hinten runter.

So hatte der Parteitag mit knapper Mehrheit einen Antrag angenom- men, in dem es heißt, die FDP lehne eine Erd- und Flüssiggas-Steuer

„aus ökonomischen und ökologi- schen Gründen" ab. Die Bundes- tagsfraktion solle versuchen, die Koalitionsbeschlüsse zu ändern und mit der CDU/CSU erneut zu ver- handeln. Die beiden Anträge zum Gesundheits-Reformgesetz und zur Pflegesicherung indes wurden ganz ans Ende der 10 Themenkomplexe gerückt und dann, als die Zeit nicht mehr reichte, ohne Aussprache an den Bundesvorstand und an die FDP-Bundestagsfraktion sowie an den Bundesfachausschuß überwie- sen.

Was den Delegierten die Lust zu einer Debatte über das Gesundheits- Reformgesetz verleidete, war offen- bar die Tatsache, daß die Beratun-

gen in Bonn inzwischen bereits weit fortgeschritten waren und gerade die FDP Schlußkorrekturen verlangte.

Ein Antrag des FDP-Landesver- bandes Berlin votierte dafür, den Entwurf zum Gesundheits-Reform- gesetz in toto abzulehnen. Die FDP- Fraktion des Bundestages wurde aufgefordert, in der zweiten Lesung nicht zuzustimmen. Die Berliner führen dazu sechs Gründe auf:

Interne Nachgefechte

1. Die häusliche Pflege sei eine krankenversicherungsfremde Lei- stung. Sie müsse vom GRG-Entwurf abgekoppelt und einer eigenen ge- setzlichen Regelung vorbehalten bleiben. 2. Die „Machtübertra- gung" an die Krankenkassen und den Medizinischen Dienst sei ein „ent- scheidender irreversibler Schritt in Richtung eines Staatlichen Ge- sundheitswesens". 3. Für die Kran- kenkassen müsse bereits jetzt eine effektive Wirschaftlichkeitskontrolle beschlossen werden. 4. Die „Fest- preisregelung" für Arzneimittel soll- te nicht isoliert ohne gleichzeitige Neufestsetzung der Patentlaufzeiten sowie der Zulassungszeiten beim Bundesgesundheitsamt vorgenom- men werden. 5. Der Datenschutz sei Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988 (17) A-2877

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im GRG unzureichend berücksich- tigt. Der Arzt dürfe nicht verpflich- tet werden, alle Angaben über den Patienten auf ein Versichertenkonto zu liefern. 6. Der Arztberuf müsse ein freier Beruf bleiben. Das beson- dere Vertrauensverhältnis dürfe nicht durch staatliche Eingriffe in die Privatsphäre des Patienten in Frage gestellt werden.

Der Berliner Antrag sollte durch einen aktuelleren Antrag des LV Saarland „gerettet" werden (auch hier: Vorstands- und Frak- tionsüberweisung). Der Antrag wollte nicht rundweg auf das GRG verzichten, sondern warnte lediglich vor einer Einbindung der Pflegeabsi- cherung in den Gesetzentwurf. In Wiesbaden völlig unbeachtet blie- ben auch die „Fleißarbeiten" des FDP-Ausschusses für Soziales, Ju- gend, Familie und Gesundheit zum Thema „Pflege" und des Bundes- vorstandes der „Julis" (Junge Libe- rale) zur Altenpolitik. Auch hier sind die politischen Beratungen so weit gediehen, daß parteiinterne Nachgefechte kaum das Junktim zwischen den kostendämpfungspoli- tischen Maßnahmen und der Absi- cherung des Risikos der Schwerst- pflegebedürftigkeit in der Kranken- versicherung auflösen dürften.

Immerhin landeten die Bil- dungspolitiker der FDP einen Mini- Erfolg ausgerechnet in der Gesund- heitspolitik, und zwar bei einem Be- schluß zur Sportmedizin. Dabei for- dert die Partei von Bund und Län- dern, dem Fach Sportmedizin in Stu- dium und Fortbildung eine größere Priorität einzuräumen als bisher.

Die Sportmedizin solle als Pflicht- fach in die Approbationsordnung aufgenommen werden.

An der geltenden Regelung zum

§ 218 StGB und an den sozialrecht- lichen Rahmenbedingungen will die FDP nicht gerüttelt wissen. Tun- lichst will man darauf achten, daß bei den Schlußberatungen zum GRG der Abtreibungs-Paragraph nicht über den Umweg einer einge- schränkten Krankenversicherungs- regelung verschärft wird (gleichlau- tend äußerten sich jetzt auch CDU- Generalsekretär Geißler und Kanz- leramtschef Schäuble). Dagegen tritt die FDP für eine verbesserte

Aufklärung und Beratung (im 'Sinne des Schwangerenberatungsgesetzes) ein. Auch sollten die Beratungsstel- len finanziell besser ausgestattet werden, so das Votum von Bundes- wirtschaftsminister Dr. Martin Ban- gemann, Uta Würfel und Irmgard Adam-Schwaetzer.

Für Lambsdorff ist die Bonner Koalition bei der Gesundheitsre- form ebensogut im „Fahrplan" wie bei der Steuer- und Rentenreform.

Liberale Akzente will der kleine Koalitionspartner der CDU/CSU künftig auch bei der Innen- und Rechtspolitik und der Bildungspoli- tik setzen.

Öffnung der Bildungswege

In der Bildungspolitik wurde der „FDP-Kurs 2000" festgelegt.

Nach der Devise „Öffnung der Bil- dungswege" sollen die öffentlichen und privaten Initiativen konzentriert und finanziell verstärkt werden.

Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die für 1992 bevorstehenden Veränderungen in der EG. Der Nie- derlassungsfreiheit solle die Offen- heit des Bildungswesens in Europa entsprechen. Der Bund müsse für Beginn und Ende der Schulpflicht, für die bundesweite Anerkennung der Schul- und Hochschulabschlüsse sowie für die Dauer der Erstausbil- dung zuständig werden. Die Kompe- tenzen des Bundes müßten gestärkt, Bildungs- und Wissenschaftspolitik sollten konzeptionell zusammenge- fügt werden. Eine Zersplitterung der Zuständigkeiten auf bis zu fünf Ressorts auf Länderebene sei weder sachlich noch politisch vernünftig, so Bundesbildungsminister Jürgen Möl- lemann.

Möllemann verlangte von Bund und Ländern und von der Wirtschaft mehr Geld für Investitionen in Bil- dung und Wissenschaft. Er schlug vor, daß Bund und Länder in den nächsten sieben Jahren im Rahmen eines „Sonderprogramms für besse- re Studien- und Forschungsbedin- gungen" gemeinsam zwei Milliarden DM (!) aufbringen. Das Geld soll genutzt werden, um das Lehr- und Studienangebot zu verbessern und den wissenschaftlichen Nachwuchs

zu sichern. Bund, Länder, Hoch- schulen und Wirtschaft sollen durch

„eine gemeinsame große Kraftan- strengung" vermeiden helfen, daß der Numerus clausus ausgeweitet wird. Universitäten, Technische Hochschulen, Gesamthochschulen und Fachhochschulen sollen neben- einander im Wettbewerb stehen.

Auch private Initiativen sollen sich entfalten. Dazu bedürfe es dringend der Reform des Stiftungs- und Stif- tungssteuerrechts. Letzlich müßte auch der NC im Fach Medizin „in den nächsten Jahren" fallen, so der hessische Wissenschaftsminister Dr.

Wolfgang Gerhardt (wiedergewähl- tes FDP-Präsidiumsmitglied) und der Hamburger Kultussenator Prof.

Dr. jur. Ingo von Münch. Wie dies geschehen soll, konkretisiert das Programm:

Verkürzung der Regelstudien- zeit;

Verbesserung der Betreuungs- relation Hochschullehrer zu Studen- ten;

Optimierung der Prüfungsver- fahren;

Verbesserte Studien- und Be- rufsplatzwahl;

Optimierung des Vorlesungs- betriebs und Nutzung der Hoch- schulkapazitäten in den vorlesungs- freien Zeiten;

Mehr Autonomie der Hoch- schulen und Hochschullehrer bei der Bestimmung der Aufnahmekapazi- täten.

Wenn die Zahl der Studienbe- werber die Zahl der Plätze in einem Studiengang übersteigt, sollen die Hochschulen selbst die Auswahlent- scheidungen nach eigenen Maßstä- ben treffen. Langfristig soll das Ver- gabesystem durch die Dortmunder Zentralstelle ZVS entfallen. Natio- nale Zusammenarbeit und der „Bil- dungsaustausch" seien im Hinblick auch auf die wachsende Zahl der Studenten (schon bald wird die 1,5-Millionen-Grenze überschritten) unabdingbar. Das Bildungssystem dürfte nicht auf ein „Mittelmaß`

Deshalb soll nach Mei- nung der Liberalen neben der (be- reits funktionierenden) Breitenför- derung die Spitzenförderung den gleichen politischen und finanziellen Rang erhalten. Dr. Harald Clade A-2878 (18) Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988

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