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Archiv "Maibäume dürfen gestohlen werden" (01.05.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

FEUILLETON

Aufstellen des Maibaums ist Spaß an der Freud, nicht mehr das magische Opfer, um Gottheiten der Fruchtbarkeit und Dämonen gütig zu stimmen

S

eit altersher gelten die ersten Maitage dem Ausdruck der Freude über das neuerwachte Leben der Natur. Im Mittelpunkt des Maibrauchtums steht noch immer der Maibaum.

Der Baum gilt als Ursymbol. Das Mysterium des jährlichen Aufle- bens der Natur hat schon die Menschen unserer Vorkulturen in Erstaunen versetzt. Weil ih- nen dafür nähere Erklärungen und Einsichten fehlten, verban- den sie den Baum mit Zauber- mystik. Für viele Völker war er Sitz der Gottheiten. Uns symbo- lisiert der Baum, mit seinen weitverzweigten Wurzeln, sei-

nem festen Stamm, den nach al- len Seiten ausladenden Ästen und dem sich jährlich erneuern- den Blütenschmuck das „Le- bendige" und „Lebensbewah- rende" schlechthin. Er führt aus der Tiefe der Erde immer neue Kräfte ans Tageslicht, Symbol steter Lebenserneuerung.

Schon die Griechen kannten in Theben ein Frühlingsbaumfest, das sie Daphnephoria nannten.

Ein geschmückter Baum wurde

Maibäume dürfen gestohlen werden

in feierlichem Umzug dem Apol- Ion lsmenios und Chalazios — dem Beschützer vor Hagel — überbracht und vor dem Tempel aufgestellt. Aber die Volkskund- ler nehmen an, daß es sich bei unseren Maibäumen nicht um das griechische Vorbild, son- dern um ein Relikt des indoger- manischen Baum- und Stangen- brauchtums handelt.

Ursprünglich hatte jeder echte Volksbrauch einen notwendigen

„Entstehungsgrund", so auch der Maibaum. Man maß ihm eine magische Wirkung bei, auf die man nicht verzichten konnte.

Aus der Unsicherheit gegenüber den Naturgewalten war Bedarf an einem Opferzauber, der Gott- heiten und Dämonen gütig stim- men und die Vegetation zu Fruchtbarkeit und Üppigkeit an- regen sollte. Das Ziel der magi- schen Handlung war mit der Ein- bringung der Ernte erreicht, da-

her hatte der Maibaum späte- stens nach der Ernte seinen Zweck erfüllt.

Im Mittelalter wurde der Mai- baum auch Asylplatz für Flüch- tende. Dadurch wurde das Mai- baumaufstellen auch zur Rechtsgepflogenheit, der Mai- baum sogar ein echter „Frie- densbaum", unter dem man sich vergnügte und unbe- schwert tanzte, denn „Zwie- tracht unter dem Maibaum hätte die Schutzgötter mißgünstig stimmen können". Auch ein Ver- folgter stand unter dem Schutz dieses Baumes.

Das Maibaumaufstellen ist im bayerisch-salzburgischen Raum noch sehr verbreitet, und es gibt kaum einen Ort, in dem darauf verzichtet würde. Freilich glaubt niemand mehr an eine Zauber- wirkung. Man spricht von Tradi- tion, die man mit einem fröh- lichen Frühlingsfest verbindet.

Der wohl interessanteste Mai- baum wird alljährlich am 1. Mai, punkt 12 Uhr mittags, gemein- sam von Bayern und Salz- burgern haargenau auf der deutsch-österreichischen Staatsgrenze, und zwar auf ei- nem über hundert Meter hohen Steilfelsen oberhalb der Stadt Hallein aufgestellt. Weil dieses Unternehmen sehr gefährlich ist, gehen die Anverwandten der Maibaumaufsteller während die- ser Zeit in die Kirche von Dürrn- berg „wallfahrten". Erst Schüs- se vom schmalen Felsenplateau verkünden den Wallfahrern die geglückte Aktion.

Noch immer ist es üblich, Mai- bäume zu stehlen, nur darf da- bei „keine Gewalt" angewendet werden, das heißt, es darf zu kei- nen Schlägereien unter den ri- valisierenden Gruppen köm- men. Prozesse wegen „Dieb- stahls" gingen immer zugunsten der Maibaumdiebe aus. Die Rechtsprechung steht offenbar auf der Seite des Brauch- tums ... Karl Zinnburg 1362 (92) Heft 18 vom 1. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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