DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Malignes Melanom FÜR SIE GELESEN
zu folgendem Konzept: „Offenbar gibt es nur in der Anfangsphase einen immunologischen, wachs- tumshemmenden Effekt. Durch klonale Variation entzieht sich der Tumor im Verlauf seiner Entwick- lung immer mehr diesen zügeln- den Einflüssen.
In der Spätphase besteht oft im- munologische Areaktivität bei gleichzeitiger und hoher Metasta- sierungsfähigkeit der Melanom- zellen!"
Nach einer lebhaften Diskussion, in der — wie bei den vorangegan- genen Referaten auch — viele Fra- gen aus dem Zuhörerkreis erör- tert wurden, informierte Professor Dr. F. Weidner, Hautklinik Stutt- gart-Bad Cannstatt über den heu- tigen Stand der Therapie des Hautmelanoms:
Bei der Behandlung des primären malignen Hautmelanoms (klini- sches Stadium I) werden Probe- biopsien im allgemeinen als nicht indiziert erachtet.
Der Sicherheitsabstand bei der Exzision sollte nach Möglichkeit plus zusätzlich 2 cm betragen. Die Muskelfaszie braucht auch bei
„high risk"-Melanomen nicht ent- fernt zu werden.
Wurde ein primäres Hautmela- nom zunächst unzureichend an- behandelt, sollte nach Kenntnis der histologischen Risiko-Para- meter baldmöglichst die Nachex- zision mit entsprechendem Si- cherheitsabstand durchgeführt werden.
Melanome im pathologischen Tu- morstadium (pT-Stadium) 1 oder 2 unter 1,2 mm vertikaler Tumordik- ke weisen in seltensten Fällen be- reits Lymphknotenmetastasen auf und bedürfen deshalb keiner Zu- satz-Therapie. Auch von der Nach- bestrahlung regionärer Lymph- knoten wird eher abgeraten.
Eine adjuvante Immuno-Che- motherapie ist auf jeden Fall kei- ne Alternative für eine insuffizient
geführte Erstbehandlung des ma- lignen Hautmelanoms. Größere Amputationen beziehungsweise ultraradikale Maßnahmen können eine Generalisation im allgemei- nen nicht verhindern, sie wirken möglicherweise sogar eher be- schleunigend.
Von vielen Behandlungszentren wird vor allem eine monovalente oder kombinierte Chemotherapie mit Dacarbazin (DTIC) in mehre- ren stationären Zyklen durchge- führt. Das Antiöstrogen Tamoxifen hat — übrigens auch an der Main- zer Hautklinik —, selbst bei Patien- ten mit nachgewiesenen Östro- genrezeptoren in Melanomzellen nichts Überzeugendes geleistet.
Auf jeden Fall sollten viszerale Melanommetastasen nach ent- sprechender CT-Fahndung o. ä. in regelmäßigen Abständen, soweit möglich, operativ beseitigt wer- den. „Leider fehlt", so betonte Professor Weidner abschließend,
„beim disseminierten und gene- ralisierten Melanom bis heute ein Therapeutikum mit statistisch kal- kulierbarem Heileffekt, so daß der Früherkennung und adäquaten Ersttherapie des malignen Haut- melanoms nach wie vor das Hauptaugenmerk geschenkt wer- den muß."
Begreiflicherweise war speziell der Therapieteil des Melanom-Fo- rums von lebhafter Diskussion be- gleitet, nicht zuletzt auch von sei- ten des Gastreferenten Dr. Benno König, Mainz, der den Blickpunkt des niedergelassenen Allgemein- arztes vertrat.
(Mit dem Erscheinen des Berichts- bandes über das VIII. Interdiszipli- näre Forum im Deutschen Ärzte- Verlag ist um die Mitte des Jahres zu rechnen. Der Band bringt den Wortlaut der Referate und Dis- kussionen.)
Professor Dr. med.
Günter-Waldemar Korting Direktor der
Universitäts-Hautklinik Langenbeckstraße 1 6500 Mainz
Klinische Epidemiologie des spanischen
Ölvergiftungssyndroms
Seit Sommer 1981 ist eine neue Erkrankung in Spanien bekannt geworden, die offenbar durch Speiseöl hervorgerufen wurde, das einen hohen Anteil an Rapsöl aufwies.
Das dabei verwandte Rapsöl ent- hielt in unterschiedlichem Aus- maß Anilin. Die ätiologische Rolle dieser Chemikalie ist allerdings noch unklar. Bis Juni 1982 wurden 19 828 Fälle gemeldet, davon 315 mit tödlichem Ausgang.
Um den natürlichen Verlauf dieser Erkrankung zu erforschen, wurde die Krankengeschichte von 121 Patienten aus der Umgebung von Madrid genau untersucht.
Die Symptome in der ersten Wo- che nach Beginn der Erkrankung entsprachen einer fieberhaften pneumonieähnlichen Erkrankung.
Während des ersten Monats ka- men dann gastrointestinale Stö- rungen und eine ausgeprägte Eosinophilie zutage.
Bei der Mehrzahl der Patienten gehen die Symptome dann spon- tan zurück. Bei 23 Prozent der Pa- tienten allerdings traten im Mittel drei Monate nach Beginn der Er- krankung schwere neuromuskulä- re Erscheinungen auf (schwere Myalgie mit eingeschränkter Be- weglichkeit, motorische Ausfälle, Atrophie größerer Muskelgruppen und Kontrakturen im Bereich der Kiefer und der Extremitäten).
Die Befunde waren besonders schwer, wenn die Patienten zu Anfang der Epidemie betrof- fen waren und schwere Sym- ptome am Krankheitsbeginn auf- wiesen. Mnn
Kilbourne, E. M.; Rigau-Perez, J. G.; Heath Jr., C. W.; Zack, M. M.; Falk, H.; Martin-Marcos, M.;
de Carlos, A.: Clinical Epidemiology of Toxic- Oil Syndrome: Manifestations of a New Illness.
N. Engl. J. Med. 309 (1983) 1408-1413, Centers for Disease Control, Atlanta, GA 30 333, USA
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 10 vom 9. März 1984 (93) 713