A K T U E L L
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 107. März 2003 AA589
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rotz aller Gefahren durch den internationalen Terro- rismus stellt der HI-Virus global eine der größten Be- drohungen für die soziale und wirtschaftliche Entwick- lung dar. Dem Kampf gegen die Immunschwächekrank- heit müsse deswegen der gleiche Stellenwert einge- räumt werden wie der Terro- rismusbekämpfung, forderte Dr. Christoph Benn Mitte Februar in Berlin. Benn ist Mitglied des Gründungsvor- stands des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids.Der im Januar 2002 von den Vereinten Nationen ge- gründete Globale Fonds un- terstützt Projekte in Ent- wicklungsländern im Kampf gegen die Immunschwäche- krankheit. Bisher wurden
160 Programme in 85 Län- dern mit 1,5 Milliarden Dol- lar gefördert. Die Bundesre- gierung hat dem Fonds bis 2006 eine Unterstützung von 200 Millionen Euro zugesagt, von denen bisher rund 45 Millionen Euro eingezahlt wurden. Um die Projekte im laufenden Jahr umsetzen zu können, fehlen dem Fonds aber noch rund 1,4 Milliar- den Dollar.
Die fehlenden Gelder er- hoffen sich die Hilfsorgani- sationen von den G-7/8-Län- dern, sagte Prof. Dr. Richard Feachem, Exekutivdirektor des Fonds. Vonseiten der Hilfsorganisationen wird da- her dem Gipfel der führen- den Industrienationen An- fang Juni in Evian besondere Bedeutung beigemessen.
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ie umstrittene „Körperwel- ten“-Ausstellung des Pa- thologen Gunther von Hagens darf jetzt doch in München ge- zeigt werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob am 21. Februar ein Verbot der Stadt München in letzter In- stanz auf, teilte ein Gerichts- sprecher mit. Demnach konn- te die Ausstellung am 22. Fe-bruar beginnen. Allerdings dürfen einzelne Exponate, die nach Ansicht der Richter das sittliche Empfinden der Be- trachter verletzen, nicht ge- zeigt werden. Außerdem darf von Hagens außer rein didak- tischem Material wie Ausstel- lungskatalogen und -videos keine „Körperwelten“-Arti-
kel verkaufen.
Im Gegensatz zur Stadt Mün- chen und dem Verwaltungsge- richt sahen die Richter des Ver- waltungsgerichts- hofs nach Anga- ben des Sprechers durch die Aus- stellung nicht die Menschenwürde und das sittli- che Empfinden beeinträch- tigt. Bis auf einzelne Ausstel- lungsstücke wie „Scheuendes Pferd mit Reiter“ seien die
„Körperwelten“ mit der im Grundgesetz verankerten wis- senschaftlichen Freiheit ge- deckt. Die Stadt München hat- te die Ausstellung Anfang Fe- bruar verboten.
Prion-Protein im Kugelfisch
Funktion ungeklärt
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er in Japan als Delikatesse verspei- ste giftige Kugelfisch könnte ein Schlüssel zum Verständnis des „Rinder- wahns“ (BSE) liefern. Wider Erwarten hat ein Team von Wissenschaftlern an der Universität Konstanz unter der Lei- tung von Dr. Edward Málaga-Trillo und Prof. Claudia Stürmer ein Prion-Protein im japanischen Kugelfisch Fugu rubri- pes identifiziert. Damit stellt sich die Frage, ob Fische eine Form von BSE entwickeln und übertragen können.Diese neurodegenerative Erkrankung entsteht, wenn sich das natürlicherweise im Körper vorkommende Prion-Pro- tein zu einer falschen Konformation fal- tet und anschließend in einer Kettenre- aktion zu massivem Zelltod im Gehirn führt. Die Entdeckung eines Fisch-Pri- ons öffnet neue Möglichkeiten, die zel- lulären Funktionen dieses Proteins zu analysieren. Die Wissenschaftler aus
Konstanz hoffen, nun in der Lage zu sein, selektiv bestimmte Stellen im Protein zu mutieren und so die mole- kulare Basis von Prionen-Erkrankun- gen aufzudecken, was eine Grundlage für zukünftige therapeutische Ansätze schaffen würde. Da sich die Erforschung von Prionen-Erkrankungen bislang auf Menschen und Säugetiere konzentrier- te, erstaunt es viele, dass Fische ein Pri- on-Protein besitzen. Es ist noch nicht bekannt, ob dieses Fisch-Prion eine pa- thologische Konformation annehmen – oder sogar auf Säuger übertragen wer- den – kann. Seine Struktur sieht dem menschlichen Pendant jedoch sehr ähn- lich, was es nahe legt, dass es eine wich- tige evolutionär konservierte Funktion ausübt.
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llein die Existenz von Prion-Protei- nen in Fischen deutet auf frühen stammesgeschichtlichen Ursprung hin.Da sich die für die pathogene Konfor- mationsänderung entscheidenden Stel- len im Säuger-Protein erheblich von der Fisch-Version unterscheiden, er-
scheint eine solche Übertragung zwi- schen den zwei Tiergruppen eher un- wahrscheinlich, jedoch wurden Prio- nen-Erkrankungen in „niederen Orga- nismen“ lange von der Forschung ver- nachlässigt und können deshalb nicht ausgeschlossen werden.
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or dem Hintergrund, dass zurzeit BSE nicht einmal in Säugern verläss- lich nachgewiesen werden kann, weiß man nicht, nach welchen Symptomen man suchen soll. Die aus biomedizini- schen Gründen interessante Studie stellt zudem eine Hypothese zur mole- kularen Evolution auf, die zu erklären versucht, wie urzeitliche Prionen ihre pathogenen Eigenschaften entwickel- ten. Auch für Ernährungswissenschaft- ler und die Fisch verarbeitende Indu- strie könnten sich Konsequenzen erge- ben. Es bedarf weiterer Klärung, ob normaler Fischkonsum für den Men- schen unbedenklich ist. Ansonsten müsste die Verwendung von Fischmehl im Tierfutter strengen Kontrollen un- terworfen werden. Rüdiger Meyer Akut„Körperwelten“
Ausstellung findet statt
Bayerischer Verwaltungs- gerichtshof hebt Verbot der Stadt München auf.
Aids
Globalem Fonds fehlen rund 1,4 Milliarden Euro
Hilfsorganisationen hoffen auf G-7-Gipfel in Evian.
Foto:dpa