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Archiv "Schizophrenie: Zwei verschiedene Erkrankungen?" (24.01.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

Schizophrenie:

Zwei verschiedene Erkrankungen?

Amerikanisch-europäischer Work- shop in Königswinter „Negative ver- sus Positive Schizophrenia", Organi- satoren: Prof. Dr. med. Andreas Mar- neros (Universität Bonn); Prof. Nancy C. Andreasen, M. D. (Iowa-Universi- tät); Prof. Ming T. Tsuang, M. D. (Har- vard-University)

eit Beginn der achtziger Jahre verbreitete sich vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Großbritannien die Auffassung, daß zwei Typen der Schizophrenie exi- stieren, ein „positiver" Typ (oder Typ I) und ein „negativer" Typ (oder Typ II) (Andreasen, Crow). Der ne- gative Subtyp der Schizophrenie soll durch sogenannte negative schizo- phrene Symptome gekennzeichnet sein (also Symptome, die durch ein Defizit von Funktionen entstehen), und zwar: Sprachverarmung (Alo- gie), Anhedonie, sozialer Rückzug (Asozialität), Apathie, Aufmerksam- keitsstörungen und affektive Verfla- chung. Darüber hinaus soll der nega- tive Typ der Schizophrenie mit fol- genden Merkmalen korrelieren: De- fizitäre prämorbide Entwicklung, chronischer Verlauf mit schlechter Prognose, Strukturveränderung im Gehirn, funktionelle Defizite des Nervensystems, schlechte therapeu- tische Reaktion auf Neuroleptika.

Der positive Typ der Schizo- phrenie wird durch Halluzinationen, Wahn, schwere Denkstörungen (vor allem in der Form der Zerfahren- heit), bizarres oder katatones Ver- halten gekennzeichnet. Diese Form der Schizophrenie soll mit guter prä- morbider Entwicklung, günstigem Verlauf ohne schwere persistierende Alterationen (Residualsymptome) nach Abklingen der Episoden, Nichtvorhandensein struktureller Gehirnveränderungen und guter the- rapeutischer Reaktion auf Neurolep- tika korrelieren.

Diese Aufteilung der Schizo- phrenie brachte einen großen Schub in verschiedenen Bereichen der For- schung, vor allem im Bereich der la-

borbiologischen, genetischen, phar- makologischen und Verlaufsfor- schung. Bald meldeten sich jedoch Kritiker zu Wort, vor allem von sei- ten der Verlaufs- und Prognosefor- scher: Die Dichotomie positiv/nega- tiv wurde in Zweifel gezogen, insbe- sondere aufgrund von Befunden, die bestätigten, daß es im Langzeitver- lauf der Schizophrenie zu einem Wechsel von negativen schizophre- nen Krankheitsepisoden zu positven Krankheitsepisoden kommt und um- gekehrt.

Mit dem Ziel, diese Kontroverse zu diskutieren und Befürworter und Kritiker einer Negativ-Positiv-Di- chotomie der Schizophrenie an ei- nen Tisch zu bringen, wurde von den Professoren A. Marneros (Universi- tät Bonn), N. C. Andreasen (Iowa University) und M. T. Tsuang (Har- vard) ein europäisch-amerikanischer Workshop in Bonn organisiert. Die wichtigsten Ergebnisse dieses Work- shops waren folgende:

Die Unterscheidung zwischen ei- ner negativen und einer positiven Schizophrenie ist unter longitudina- len Aspekten extrem problematisch.

Die Langzeitforschung bestätigte, daß der Verlauf der Schizophrenie bezüglich positiver und negativer Symptomatologie bimorph ist (das heißt entweder sind gleichzeitig ne- gative und positive Symptome vor- handen, oder positive und negative Krankheitsepisoden wechseln sich ab). Darüber hinaus zeigen die psy- chopathologischen und Verlaufsstu- dien eine Interferenz zwischen posi- tiven und negativen Symptomen. Ge- netik und biologische Befunde kön- nen ebenfalls eine Dichotomie der Schizophrenie in einen positiven und einen negativen Typ nicht eindeutig genug untermauern.

In diesem Sinne kann von seiten der Langzeitforschung nicht von zwei verschiedenen Erkrankungsfor- men der Schizophrenie gesprochen werden. Crow selbst schränkte sein Dichotomiekonzept in Typ I und Typ II der Schizophrenie zugunsten eines psychotischen Kontinuums ein.

Unabhänging davon erwies sich nach den vorgestellten Forschungs- ergebnissen jedoch die jeweilige sym- ptomatologische Konstellation einer Krankheitsepisode oder eines

Krankheitsverlaufes als bedeutsam:

Die Dominanz von negativen Sym- ptomen ist in der Regel mit einer größeren Beeinträchtigung der psy- chosozialen Interaktionen der Pa- tientne und größeren Defiziten im psychosozialen Leben insgesamt ver- bunden und bedeutet häufig einen schweren Grad von persistierenden Alterationen (Residualsymptome).

Negative Symptome sind darüber hinaus schwieriger mit klassischen Neuroleptika zu beeinflussen als die positiven Symptome. Die präsentier- ten Forschungsergebnisse belegten eindeutig, daß die positiven Sympto- me der Schizophrenie in der Regel sehr gut auf klassische Neuroleptika reagieren. Es wurden außerdem Stu- dien vorgestellt, die eine gute Beein- flussung auch der negativen Sympto- me durch sogenannte atypische Neu- roleptika, vor allem Clozapin, zei- gen. Versuche, die negativen Sym- ptome mit Dopamin-Agonisten zu beeinflussen, sind noch nicht ergie- big genug.

Darüber hinaus wurde demon- striert, daß nicht alle negativen Sym- ptome als „substratnahe" Symptome zu bezeichnen sind, sondern daß es sich in vielen Fällen auch um kom- pensatorische Strategien der Patien- ten handelt, um Bemühungen, mit den Defiziten und Beeinträchtigun- gen, die durch die Erkrankung ent- stehen, fertig zu werden. Einiges spricht dafür, daß viele Symptome, die phänomenologisch einen defizi- tären Charakter haben, häufig ein Ergebnis der Auseinandersetzung der Persönlichkeit mit der Krankheit und deren Folgen darstellen. Es scheint, daß negative und positive Symptome der Schizophrenie mehr oder weniger verschiedene Aspekte der Erkrankung darstellen, die je- doch nicht so unabhängig voneinan- der sind, daß es zu einer Dichotomi- sierung der Schizophrenie reicht.

Literatur in:

Marneros, A.; N. C. Andreasen, M. T. Tsuang:

Negative versus Positive Schizophrenia, Springer Verlag Berlin Heidelberg New York London Pa- ris Tokyo Hong Kong, 1991

Prof. Dr. med. Andreas Marneros Psychiatrische Klinik

der Universität Bonn Sigmund-Freud-Straße 25 W-5300 Bonn 1

Dt. Ärztebl. 89, Heft 4, 24. Januar 1992 (63) A1-207

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