Eidgenössische Anstalt für das forstliche Versuchswesen, Birmensdorf ZH
Juli 1969, Nr. 24
Wirtschaftsplanrevisionen
in sturmgeschädigten Waldungen
von W. Leimbacher und U. Zürcher
Wirtschaftsplanrevisionen in sturmgeschädigten Waldungen
Von W. Leimbacher und U. Zürcher
(Eidg. Anstalt für das forstliche Versuchswesen, Birmensdorf ZH)
Inhalt 1. Einleitung
2. Übersicht über die Schäden 3. Definition der Schäden
4. Möglichkeiten der Wirtschaftsplanrevision
5. Erfassung der Veränderungen und Ermittlung der neuen Ausgangslage 6. Besondere Ausscheidung von Flächen mit vermuteten innem Schädi-
gungen des Holzkörpers
7. Oberprüfung der Gesamtplanung
8. Zeitpunkt und Inangriffnahme der Revisionsarbeit
1. Einleitung
Nach größeren Waldschäden stellt sich für die Forsteinrichtung immer die Frage, wie die Wirtschaftspläne rasch den veränderten Verhältnissen ange- paßt werden können. Eine kleine Gruppe des Arbeitskreises für Forstein- richtung, bestehend aus R. Fehr, W. Leimbacher, B. Rhody, E. Wegmann und U. Zürcher, hat sich mit dieser Frage befaßt und einige interne Emp- fehlungen ausgearbeitet. Diese konnten auf Grund verschiedener Erfah-
rungen und durch die Bearbeitung einiger Beispiele überprüft werden. Die folgende Übersicht soll verschiedene Anpassungsmöglichkeiten in allge- meiner Form aufzeigen und den Fragenkomplex einem weitem Leserkreis zur Diskussion stellen.
2. Übersicht iiber die Schäden
Die erste Aufgabe nach dem Schadeneintritt besteht in der Schätzung des Schadenausmaßes. Die Ermittlungen stehen meistens unter Zeitdruck und müssen sich daher auf das Notwendigste beschränken. Dabei hat sich fol- gendes Vorgehen bewährt:
a) Feststellung der örtlichen Verteil1111g der Schäden
Auf einem Übersichtsplan im Maßstab 1 : 25 000 bis 1 : 20 000 können Total- und Teilschäden lokalisiert werden. Diese Übersicht wird den Forsteinrichtungsinstanzen helfen, ihre Entscheide zu treffen und bei einer allfälligen Flugplanung zur Aufnahme von Luftbildern gute Dienste leisten.
b) Schätzung des Volumens von gebrochenem bzw. geworfenem Holz Zur Aufrüstung und zum Verkauf muß das Volumen des geschädigten Holzes geschätzt werden. Dies kann je nach Verhältnissen über die Fläche der betroffenen Bestände (Anfall m:1/ha) oder über die Anzahl Bäume geschehen. Eine Schätzung der zu erwartenden Sortimente ist angezeigt.
3. Definition der Schäden
Die Schäden können wie folgt charakterisiert werden:
a) Totalschäden
Die Bestockung ist derart zerstört, daß die stehengebliebenen intakten Bäume keine befriedigende weitere waldbauliche Behandlung erlauben.
Räumung und Auspflanzung sind angezeigt. Totalschäden sind eingetre- ten, wenn mindestens 80 % der früheren Bestockung zerstört ist. Es han- delt sich meist um Flächenwürfe.
b) Teilschäden
Es sind wohl vereinzelt und lokal starke Zerstörungen festzustellen. Ein Entscheid, ob alles abgetrieben und verjüngt werden soll, wird noch offen- gelassen. Ferner wird die künftige Gefährdung zu prüfen sein (Steilränder, Sonnenbrand, Kanaleffekt). Teilschäden dürften etwa 40 bis 80 % der früheren Maße betreffen.
c) Streuschäden
Vereinzelt sind Bäume geworfen oder gebrochen. Eine Auspflanzung der entstandenen Lücken ist wegen ihrer kleinen Ausdehnung nicht notwen- dig. Allenfalls kommt eine Unterpflanzung in Frage. Streuschäden können bis zu 40 % der stehenden Masse ausmachen.
Es stellt sich die Frage, ob Streuschadenflächen besonders ausgeschieden werden sollen. Gründe dafür wären: Lokalisierung gefährdeter Bestände, Ausscheidung zur Schätzung des neuen Durchforstungsanfalls; Abgren- zung von Flächen mit wahrscheinlichen innem Schädigungen des Holzes;
neue räumliche Gesamtplanung, Abschätzung zu unterpflanzender Par- tien. Als Grund dagegen ist die Schwierigkeit der Lokalisierung von Streuschadenflächen anzuführen, welche mit dem Luftbild nicht mehr ohne weiteres erfaßbar sind.
4. Möglichkeiten der Wirtschaftsplanrevision
Auf Grund der generellen übersieht wird zu prüfen sein, ob eine Revision der bisherigen Planung notwendig ist oder nicht und wenn ja, wie die Revision durchzuführen sei. Gleichzeitig ist es zweckmäßig, alle Folgen, die mit den Schäden und ihrer Räumung verbunden sind, zu überlegen.
In erster Linie sind Aufforstungsprojekte zu nennen, für die in bezug auf die Grundlagenerfassung einschlägige kantonale und eidgenössische Vor- schriften zu berücksichtigen sind, insbesondere im Schutzwaldareal, wo die Arbeiten durch Bund und Kanton subventioniert werden, in Sonderfällen aber auch im Nichtschutzwaldareal. Als weitere Vorhaben können ge- nannt werden: Ausscheidungen und Arrondierungen, Ausbau der Er- schließung, insbesondere auch der Sekundärerschließung mit Rückgas- sen. Weitere Probleme können die Holzaufarbeitung betreffen, wie Ma- schinenbeschaffung, Anlage von Lagerplätzen und die Organisation zen- traler Aufarbeitungsplätze.
Es ist unmöglich, allgemeine Richtlinien abzuleiten, welche Vorhaben koordiniert ausgeführt werden sollen. Aus der speziellen Situation heraus muß dies im Rahmen des Betriebes, der Region oder des Kantons erwo- gen werden. Der Entscheid wird seine Auswirkungen sowohl auf die Art wie auch auf den Zeitpunkt der Revision haben.
Es sind folgende Möglichkeiten der Wirtschaftsplanrevision denkbar:
- Hauptrevision mit vollständiger Inventarisierung - Revision mit partieller lnventarisierung
Revision auf Grund der Schadenfeststellung
- Kombination von partieller Inventarisation und Schadenfeststellung - keine Revision.
Grundlagen für den Entscheid zwischen den aufgezeichneten Möglichkei- ten sind:
- ungefähres Ausmaß der Schäden nach Art und örtlicher Lage
- Datum der letzten Inventarisierung und Fälligkeit des gültigen Wirt- schaftsplanes
- Art und Einhaltung der bisherigen Planung
Die Hauptrevision ist angezeigt, wenn in nächster Zeit eine Revision ohne- hin fällig wäre und große Schäden eingetreten sind. Sie sollte aber erst nach einer Konsolidierungsphase auf Grund einer Obergangsplanung er- folgen.
Die Revision mit partieller Inventarisierung ist angebracht, wenn lediglich einzelne Teile des Waldes sehr stark betroffen sind. Dies kann auch eine zweckmäßige Lösung sein, wenn die Inventarisierung eben erst erfolgt ist.
Wenn die Revision der Planung nur auf Grund einer detaillierten Erfas- sung der Schäden vorgenommen wird, kann der Ausgangszustand der Waldungen mit Hilfe von Fortschreibungsverfahren ermittelt werden. Je nach der verstrichenen Zeit seit der letzten Inventarisierung und der Größe der Schäden verlieren die auf diese Weise gewonnenen Aussagen an Genauigkeit.
5. Erfassung cler Veränderungen 11ml Ermittlung der neuen Ausgangslage Grundsätzlich kommen, wie dies heute allgemein üblich ist, die Fläche (Übersicht) und der Vorrat (Masse) in Frage.
Die Flächenänderungen können terrestrisch oder auf dem Luftbild ermit- telt werden. Die Frage ist offen, bis zu welchem Grad Teil- und nament- lich Streuschäden erkannt werden können. Totalschäden sind ohne Schwierigkeit ausscheidbar. Sodann wird sich die Kostenfrage bei der ter- restrischen und luftbildmäßigen Ausscheidung stellen. Beim Vorhandensein einer guten Bestandeskarte ist eine terrestrische Nachführung leicht durch- zuführen. Tagesleistungen von 40 bis 100 ha sollten je nach Geländeform und Erschließung bzw. Begehbarkcit als Norm gelten.
Eine Neubefliegung wird angezeigt sein, wenn größere zusammenhängende Waldkomplexe geschädigt sind. Die minimale Fläche sollte 2000 Hektar nicht unterschreiten. In diesem Fall wird eine regionale Revision der Wirt- schaftspläne angezeigt sein.
Die Flächenübersicht über die Schäden ist vor allem dann wertvoll, wenn bereits vorher eine Bestandeskarte vorlag. Es ist mit ihrer Hilfe ohne wei- teres die Möglichkeit gegeben, die Schäden nach Bestandestypen festzu- halten und so die neue Besetzung der Entwicklungsstufen zu ermitteln, woraus sich die Änderungen der Altersstruktur der Waldungen feststellen lassen. Damit ist eine wesentliche Grundlage der Gesamtplanung gegeben.
Wenn die Nutzungskontrolle möglich war und genügend sorgfältig durch- geführt wurde, ferner das Ausgangsinventar nicht zu lange zurückliegt, so können unter Annahme des Wachstums auf Grund der Stammzahl- oder der Vorratsfortschreibung die neuen Vorratsverhältnisse ermittelt wer- den. Die Vorratsfortschreibung kann für den Gesamtwald, nach Betriebs- teilen, abteilungs-oder bestandestypenweise erfolgen. Entscheidend ist, nach welchen Einheiten die Nutzungskontrolle erfolgte. Sie kann ferner nach Durchmesscrstufen, Stärkeklassen oder insgesamt durchgeführt werden.
Als Maß fiir den Zuwachs können angenommen werden: Zuwachs je Hektar, Zuwachsprozent, Passageanteil (resp. Durchmesserzuwachs oder Passagezeit je Durchmesserstufe), Passageanteil kombiniert mit Tarifver- lagerung infolge des Höhenzuwachses. Grundlage für diese Schätzungen können frühere Wirtschaftsplanergebnissc sein. Die Faktoren können aber auch mit Hilfe der Ertragstafeln ermittelt werden.
Der Einwuchs hängt vom Alterszustand resp. der Entwicklungsstufe ab.
Er kann auf Grund bisheriger Erfahrungen angenommen werden. Er dürfte in der Größenordnung von 1 bis 15 Stück je Hektar und Jahr liegen.
Bei solchen Schätzungen ist es angezeigt, stets mit dem oberen und dem unteren Wert, d. h. der optimistischen und der pessimistischen Wachs- tumsziffer, zu rechnen. Damit wird der Rahmen des neuen Vorratswertes eingegabelt. Vielleicht könnte die Aussagegenauigkeit bei Annahme des optimistischen, pessimistischen und wahrscheinlichsten Wertes noch tref- fender ermittelt werden.
6. Besonclere Ausscheiclung von Flächen mit vermuteten in11er11 Schätli- g1mgen des Holzkörpers
In Gebieten mit starken Schäden können später auch noch Schädigungen an stehengebliebenen Bäumen auftreten und eine besondere Selektion er- fordern. Es kann sich um Stauchungen des Stammes und um Risse in den Wurzelanläufen handeln. Erstere sind schwer zu diagnostizieren und erst nach einigen Wachstumsperioden an den Überwallungen erkenntlich; letz- tere können direkt gesehen oder am Harzaustritt erkannt werden. Wenn
vermutet wird, daß solche Schäden konzentriert auftreten, so wäre ihre Ausscheidung zum Zweck einer negativen Selektion geschädigter Bäume empfehlenswert. Anderseits wird im Rahmen der ordentlichen Durchfor- stung auf diese Schadensmerkmale zu achten sein.
7. Oberprüfung der Gesamtplanung
Wenn die Schäden leicht in die Planungskonzeption integriert werden kön- nen und keine wesentliche Umstellung derselben zur Folge haben, kann die Zwischenrevision aJs eine Oberprüfung der Gesamtplanung unter Feststellung der Veränderungen erfolgen. Dabei werden an den Altholz- flächen (Verjüngungs- und Lichtungsbestände) und den Durchforstungs- flächen die Total- und Teilschadenflächen abgezogen. Zusätzlich sind die im Laufe der Wirtschaftsperiode bisher vorgenommenen Maßnahmen (Verjüngung, Lichtung und Durchforstung) abzuziehen. Daraus ergibt sich der im Laufe der Wirtschaftsperiode noch zu behandelnde Flächen- anteil. Die Verjüngungsmaßnahmen können bei großen Schäden in Durch- forstungsbeständen noch gekürzt werden. Mit dem mutmaßlichen Holz- anfall je Flächeneinheit wird hierauf der Hiebsatz ermittelt.
Wenn es möglich ist, die Vorratsfortschreibung stärkeklassen- oder gar stufenweise vorzunehmen, so kann die Vorratsaufteilung nach der Baum- stärke bei ähnlichen Wuchsgebieten als Maß für die Altersgliederung dienen.
Bei jeder Oberprüfung der Gesamtplanung ist genau abzuklären, welche Pflege- und Pflanzflächen neu anfallen und welche Veränderungen in be- zug auf die Arbeitsplanung eingetreten sind.
8. Zeitpunkt cler Inangriffnahme der Revisio11sarbeiten
Der Zeitpunkt der Inangriffnahme hängt weitgehend von der Art der Re- vision ab.
Die Revision auf Grund der Fortschreibungsmethoden kann, wenn sie mit Schwerpunkt auf der Flächenübersicht erfolgt, sehr schnell nach dem Schadeneintritt vorgenommen werden. Der Zeitpunkt ihrer Inangriff- nahme ist eigentlich nur von der Arbeitsbelastung des Ausführenden ab- hängig.
Wenn als Grundlage für die Neuplanung dagegen Aufnahmen über die Feststellung des Schadenausmaßes hinaus erfolgen sollen, ist eine Stabili- sierung der Lage der Waldungen Voraussetzung. Das heißt, daß vorher alle gebrochenen und geworfenen Bäume geräumt sein müssen und auch
stark geschädigte Bäume vorher zu nutzen sind. Dadurch verschiebt sich der Zeitpunkt zur Inangriffnahme einer Revision mit vollständiger oder auch partieller Inventarisierung. Diese Verschiebung kann in Waldungen mit konzentrierten Schäden unter Umständen ohne nachteilige Folgen bleiben.
In Waldungen mit einem hohen Anteil über den ganzen Wald verstreuter Teilschäden und auch kritischer Flächen kann dies jedoch dazu führen, daß die geforderte Aufrüstung des Holzes sowie die Nutzung beschädigter Bäume gleich mit der Arrondierung von Waldrändern und der Auswei- tung und Zusammenfassung von Verjüngungsgruppen und Aufforstungs- flächen verbunden wird. Letztere Maßnahmen sollten nur im Rahmen einer sorgfältigen Planung vorgenommen werden; sonst besteht die Ge- fahr, daß sie auf Augenblicksentscheiden beruhen.
In Waldungen, in denen eine definitive Neuplanung nur auf Grund neuer Aufnahmen erfolgen kann, ist es empfehlenswert, ein Dringlichkeitspro- gramm für die räumliche Ordnung baldmöglichst zu erstellen. Damit wird eine räumliche Konzeption geschaffen, die es erlaubt, bis zur definitiven Planung gezielt zu wirtschaften.
Separatabdruck aus Der prakti:rche For:rtwirtfiir die Schweiz, Nr. 6/7 Juni/Juli 1969