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DEUTSCHES ARZTEBLATT
Heft 13
vom 1. April 1983
Arzt-Sein mit Herz und Verstand
Seitdem Michael Balint 1957 das Buch „Der Arzt, sein Patient und die Krankheit" veröf- fentlichte, ist die Fach- welt mit der Frage, be- schäftigt, wie die Är zte für den so wesentlichen Beziehungsaspekt ihres Berufes sensibilisiert werden können. Inzwi- schen ist eine ansehnli- che Literatur dazu ent- standen; und nun legt erfahren und rundum kompetent Werner Stuk- ke — durchaus als Er- gänzung — seine Einfüh- rung und Beschreibung zur Frage: Was ist die Balint-Gruppe? vor.
Stuckes Stil vermittelt, wessen er sicher ist. Er ver- zichtet auf große Manöver, bedient sich eher gelegent- licher Apercus, ganz wie es Balint im persönlichen Um- gang tat, der den inhalts- vollen Witz (im altdeut- schen Sinne) als natürli- chen Umgangston hand- habte, um sich seinen Ge- sprächspartnern nahe zu zeigen.
Werner Stucke hat seine Schrift über die Balintgrup- pe sehr grundsätzlich an- gelegt. Nach der Einfüh- rung schildert er kurz den Lebensweg Michael Ba- lints, und dann läßt er ein Verzeichnis der Veröffent- lichungen wissenschaftli- cher Arbeiten desselben folgen. Das ergibt eine Ein- stimmung, die nicht nur Respekt und das Gefühl der Verläßlichkeit pflanzt, sondern auch durch den Nachweis von Fakten dar- stellt, wes Kind die Praxis ist.
Die Arbeitsweise der Ba- lintgruppen gliedert Stucke in die praktizierten Stilrich- tungen auf und macht sie an ihren Grenzsituationen deutlich.
Als Ziel der Balint-Grup- penarbeit führt der Autor unter anderem an, daß da- mit das „Arzten" wieder mehr Freude mache und der Umgang mit Problem- patienten erleichtert wer- de. Für welche Fachrich- tungen die Balint-Gruppen- arbeit geeignet ist, zählt Stucke nicht nur auf, son- dern das stellt er durch ei- ne klärende Auseinander- setzung mit dem Thema dar; Bemerkungen zur psy- chosomatischen Medizin nehmen einen zentralen
Platz ein, und schließlich gelingt es ihm, mit einiger Akribie, den Unterschied zwischen Balint-Gruppen- arbeit und Selbsterfah- rungsgruppen deutlich darzustellen.
Der Heranbildung von Gruppenleitern widmet der Autor viel Aufmerksamkeit,
DIE BALINTGRUPPE
Weher Stuae
Helga Hess, Werner Kö- nig, Jürgen Ott (Hrsg.):
Psychotherapie — Integra- tion und Spezialisierung, VEB Georg Thieme, Leip- zig, 1980, 133 Seiten, 22 Abbildungen, Broschur, 10 DM (Auslieferung für die Bundesrepublik und West- berlin: Kunst und Wissen Erich Bieber, Stuttgart) Schüler von Kurt Höck, der die „intendierte dynami- sche Gruppenpsychothera- pie" auf der Grundlage der
marxistisch-leninistischen Ethik und des dialektisch- historischen Materialismus begründet hat, berichten über ihre Erfahrungen bei der psychotherapeutischen
hängt davon doch die Zu- kunft der Methode ab.
Fehlentwicklungen im Sin- ne von „Balintoiden" sind als negative Lehrstücke tauglich, und so fehlt auch ein diesbezügliches Kapitel nicht.
Nach der umfänglichen Sachdarstellung folgt ein praktischer Teil mit Erfah- rungszeugnissen aus der Balint-Gruppenarbeit von Ärzten der verschiedensten Fachbereiche. Ein streng gesiebtes, allgemeines Li- teraturverzeichnis zum Thema ergänzt Werner Stuckes Plädoyer für das Arzt-Sein mit Ohr, Herz, Hand und Verstand.
Boris Luban-Plozza, Locarno
Werner Stucke: Die Balint- gruppe, Deutscher Ärzte-Ver- lag, Köln-Lövenich, 1982, 146 Seiten, broschiertes däv-Fach- taschenbuch, 19,80 DM
Behandlung von seelisch kranken Patienten. Es wer- den auch Schriften und An- sichten westlicher Autoren herangezogen. Gemäß der Aufgabenstellung der Au- toren sind Neurosen nicht mehr die vordergründig psychotherapeutisch be- handlungsbedürftigen Lei- den, sondern der Modell- fall, an welchem ätiopatho- genetische, diagnostische und therapeutische Erfah- rungen gewonnen und mit entsprechenden Modifika- tionen und Ergänzungen auf andere Erkrankungen übertragen werden.
H.-J. von Schumann Düsseldorf
Ausgabe A