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A634 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 10⏐⏐10. März 2006
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ie Ausstellungsmacher, Thomas Linden und Norbert Moos, hatten sich vor zwei großformatige Porträts postiert, als sie die Fotografien zum Thema „Der verletzbare Körper“ vorstell- ten. Das linke Bild zeigte ei- nen Mann mit kurz geschnit- tenen hellen Haaren, einen Revolver in der Hand und ein süffisantes Lächeln um den Mund, das rechte einen dunk- len Typ mit jovialem Lachen und einer Maschinenpistole.Die beiden Porträts stam- men von dem Brasilianer Manuel Nunes, der eine Bild- folge über Folter-Opfer und Folter-Täter fotografierte. Man hätte auch, so Linden und Moos, Gefolterte zeigen kön- nen, doch habe man sich bewusst auf die Täter be- schränkt. Der „Rest“ bleibt der Vorstellungskraft des Be- trachters überlassen. Und der kann sich sehr gut vorstellen, was die beiden Herren anzu- richten vermögen.
Die Ausstellung im Kölner Forum für Fotografie verzich- tet auf die aus der Presse be- kannten Reporterbilder zer- fetzter Körper. Die Künstler, durchweg namhafte Fotogra- fen, bilden vielmehr präzise,
mit kaltem Auge und empfind- samem Sinn für die Szenerie und die Person hinter der Fas- sade Krankheit, Verfall, To- desnahen und Tod ab. Das ist mal grausam, mal tröstlich, manchmal sogar schön.
Die perfekte Stilisierung Nunes, der Fotograf der Fol- terknechte, hat auch das Sterben seines (krebs-)kran- ken Vaters festgehalten, die Schläuche in Nase und Brust, die Injektionen, aber auch das häusliche Leben um ihn her- um, eine tröstliche, fast heitere Atmosphäre, würdiges Ster- ben im Kreis der Familie.
Überhaupt nicht familiär hingegen sind die Inszenie- rungen des Todes von Izima Kaoru. Dieser ist ein bekann- ter Modefotograf, der sich seit etwa zehn Jahren immer wie-
der mit Todesszenarien be- schäftigt. Was er als Modefo- tograf gewohnt ist, lässt er auch bei diesem Thema nicht:
die perfekte Stilisierung. In der Kölner Ausstellung sind drei Bilder zu sehen: ein lich- ter Wald, grün bis auf einen kleinen Blütenbaum, inmit- ten des Grüns eine Kiste. De- ren Inhalt wird von Bild zu Bild deutlicher – eine als Tote drapierte Schauspielerin, um- geben von Spielsachen und
allerlei symbolischem Tand, schön, einsam und makaber.
Ganz ohne Körper kommt die Fotografin Lucinda Dev- lin in „The Omega Suites“
aus. Mit diesen „Suiten“ sind die Hinrichtungsstätten ame- rikanischer Gefängnisse ge- meint. Devlin leuchtet sie makellos aus, als gehe es um Katalogbilder. Die technische Schönheit des Bildes kontra- stiert mit dem grausamen Be- stimmungszweck.
Walter Schels hat in der Kinderonkologie in Hamburg- Eppendorf fotografiert, so Elvira, die 17 Monate und Jannik, der sechs Jahre alt wurde. Abgebildet sind zwar Kinder, doch sie haben vom Baum der Erkenntnis geges- sen und sind den betroffenen Betrachtern weit voraus.
Die Kölner Ausstellung ver- sammelt neben den Genann- ten Fotos von Bernd Hölsken, Peter Hendricks, Vardi Kaha- na, Nobuyoshi Araki, Dung Phuong, John Kaplan und Tho- mas Höpker. Das Forum für Fotografie geht auf die priva- te Initiative des Arztes und Sammlers Dr. Norbert Moos (in Verbindung mit dem Galeristen Thomas Zander) zurück. Norbert Jachertz
Fotografie
Baum der Erkenntnis
Das Kölner Forum für Fotografie zeigt „verletzbare Körper“, die sich hinter glatter Fassade verbergen.
Die Ausstellung „Der verletz- bare Körper“ läuft bis zum 9. April, Eintritt frei. Anschrift:
Schönhauser Straße 8, 50968 Köln, Ruf: 02 21/3 40 18 30. In- ternet: www. forum-fotografie.
info. – Geöffnet: Mittwoch bis Freitag 14 bis 18, Samstag 12 bis 18, Sonntag 12 bis 16 Uhr.
Feuilleton
Foto:Forum für Fotografie
Dung Phuong: Napalmnarben bei vietnamesischer Mutter