Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 24⏐⏐12. Juni 2009 A1215
S E I T E E I N S
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ahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit verab- schiedete der Bundestag jetzt ein Gesetz mit weitreichenden Folgen für die gesundheitliche Versor- gung in Deutschland. Im Rahmen eines Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform billigte das Parlament am 29. Mai mit großer Mehrheit ein Bundeskrebs- registerdatengesetz. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt nannte den Beschluss gar „den Durchbruch für die Bewertung des Krebsgeschehens in ganz Deutschland“.Eine solche Aussage ist durchaus nicht übertrieben.
Denn bisher besteht in Deutschland hinsichtlich der Krebsregistrierung ein großes Manko: Ein einheitliches zentrales Krebsregister existiert nicht. Stattdessen führt – basierend auf dem Ende 1999 ausgelaufenen freizü- gigen Krebsregistergesetz des Bundes – fast jedes Bun- desland sein eigenes epidemiologisches Krebsregister und erfasst die Daten zum Krebsgeschehen ganz unter- schiedlich. Dabei bleiben beklagenswerte Lücken, denn nicht in allen Bundesländern werden die Krebserkran- kungen flächendeckend gemeldet.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass es der Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsbezogener Krebs- register in Deutschland bislang noch schwerfällt, aus- sagekräftige epidemiologische Kennziffern zu Krebs- erkrankungen zu berechnen und präzise Aussagen zum Krebsgeschehen zu formulieren. Auch Unterschiede zwischen einzelnen Regionen hinsichtlich der Häufig- keit bestimmter Karzinomarten oder ungünstiger Über- lebensraten lassen sich momentan nur vage feststellen.
Das längst überfällige Bundeskrebsregisterdaten- gesetz, auf das sich Bund und Länder geeinigt haben, wird nun endlich Abhilfe schaffen. Am Robert-Koch- Institut (RKI) wird ein Zentrum für Krebsregisterdaten eingerichtet werden, das die Meldungen aus den Län-
dern zentral sammelt und auswertet. Das Gesetz ver- pflichtet die Landeskrebsregister, einmal im Jahr ihre Daten an das RKI zu übermitteln. Umgekehrt sollen die bundesweit aufbereiteten Daten und Bewertungen in- nerhalb von sechs Monaten den Ländern zur Verfügung gestellt werden. Gemeinsam sollen die Landeskrebs- register und das Zentrum für Krebsregisterdaten Me- thoden und Standards zur einheitlichen Datenerfassung und -übermittlung entwickeln. Zudem soll die Öffent- lichkeit künftig alle zwei Jahre mit einem aktuellen Bericht zu den Häufigkeiten und Entwicklungen von Krebserkrankungen in Deutschland rechnen können.
Die Bedeutung solcher Untersuchungen und Berich- te ist nicht zu unterschätzen. Für die Krebsforschung sind sie unverzichtbar. Durch sie können Ärztinnen und Ärzte sowie Forscher erkennen, welchen Einfluss bestimmte Risikofaktoren auf die Entstehung von Krebs haben. Auch die Qualität der therapeutischen Versor- gung von Krebspatienten und die Effektivität bevölke- rungsbezogener Früherkennungsprogramme lassen sich so erst beurteilen.
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin
BUNDESKREBSREGISTER
Gesetz bringt den Durchbruch
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann