DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Ärztliche Mitteilungen
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ISSN-Nr.: 0012-1207
POST SCRIPTUM
Fuge des Grauens
Der Oberarzt des Alexianer-Krankenhauses für Ner- ven- und Gemütskranke, Krefeld, Dr. med. Werner Petri, hat die nachstehenden Reime eines seiner Pa- tienten übermittelt, eines vierzigjährigen graduierten Ingenieurs. Die Reime wurden geschrieben, als der Patient gerade aus einer tiefen gehemmten Depression herausgekommen war. Sie sind gewiß für diejenigen Kollegen von Interesse, die sich nicht damit abfinden, daß das Erleben dieser Art von Kranksein nicht einfühl- bar sei. r-h
Da hock' ich nun, ich armer Tropf!*) Zerspringen will mir schier der Kopf!
„Synapsen" feuern wie Kanonen, Stets heißer werdend, Elektronen.
Es knistert in den Nervenzellen, Schon zittern meine „Alpha-Wellen"!
Dazwischen funkt, mir zum Verdruß, Drei kurz — drei lang — der „Thalamus"!
Auch senden aus der Tiefe Grüße Die Epi- und die Hypophyse!
Dazu wird auch noch unbequem Das kleine „limbische System"!
Mal funkt es laut, mal wieder leise, Und all' das drehet sich im Kreise.
Läuft ständig mir im Hirn herum, Cogito? Ergo sum! — sum — sum!
Im Herzen wird mir angst und bang.
So dröhnet der „Neuronen-Sang"!
Und es durchkriecht der Ganglien Windung Manch grau getönte Lustempfindung!
Pandora öffnet ihre Dose, Und ihr entsteiget die Neurose!!
Der Todesahnung dunkle Blüte Schleicht sich bizarr in mein Gemüte, Und immer heft'ger wird das Sausen, Es schüttelt mich das kalte Grausen.
Derart bedrängt von inn'rer Not, Ist bald mein Seelenleben tot.
So tief gepreßt von diesem Grauen, Verliere ich das Urvertrauen!
Die Qual des Was, Warum und Wie, Zwingt so mein Wesen in die Knie!
Zuviel Gefühl ist ungesund!
Es bringt mich völlig auf den Hund!
So hängt man schnell mich an den „Tropf"*), Und langsam wird es klar im Kopf!
Ganz leise wächst der Lebenswille, Mit ihm wächst auch die inn're Stille!
So seh' den Fall, der nunmehr klinisch, Ich heut', auf Abstand, „medizynisch"!
E. E., Patient (Ein Dulden Lernender!)
*) Anmerkung: Der Tropf erlangt doppelte Bedeutung!
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