• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "In-Vitro-Fertilisation: Ehepaare bleiben bevorzugt" (09.03.2007)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "In-Vitro-Fertilisation: Ehepaare bleiben bevorzugt" (09.03.2007)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A612 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 10⏐⏐9. März 2007

P O L I T I K

D

as Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts (BVerfG) vom 28. Februar 2007 kam für manche Juristen überraschend: Paare mit un- erfülltem Kinderwunsch, die nicht miteinander verheiratet und gesetz- lich versichert sind, haben keinen Anspruch darauf, dass die Kranken- kassen sich an den Kosten für eine In-vitro-Fertilisation (IvF) beteiligen.

Bei verheirateten Paaren überneh- men die Krankenkassen seit Januar 2004 die Hälfte der Kosten für höchstens drei Versuche. Verheira- tete und nicht verheiratete Paare sind also in Bezug auf die Finanzie- rung der künstlichen Befruchtung nicht gleichgestellt.

Der Erste Senat des obersten Ge- richts kam mit 7:1 Stimmen zu dem Schluss, es sei mit dem Grundgesetz vereinbar, „gesetzlich versicherte Partner einer nichtehelichen Le- bensgemeinschaft von der Sachleis- tung einer medizinischen Maß- nahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auszuschließen“

(Pressemitteilung des BVerfG zum Urteil vom 28. 2. 2007, 1 BvL 5/03).

Zur Begründung heißt es: Die Un- gleichbehandlung wäre im System der gesetzlichen Krankenversiche- rung nur dann nicht zu rechtfertigen, wenn die künstliche Befruchtung der Beseitigung einer Krankheit dienen würde.

IvF ist häufig die Therapie des gesunden Partners

Der Gesetzgeber habe jedoch me- dizinische Maßnahmen zur Her- beiführung einer Schwangerschaft nicht als Behandlung einer Krank- heit angesehen, sondern nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des Sozialgesetzbuchs V unterstellt, und das sei verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden. Denn bei der künstlichen Befruchtung werde oft gerade der Partner behandelt, der keine Fertilitätsstörung hat.

Auch sei es rechtens, dass der Gesetzgeber die Ehe als eine auf Lebenszeit angelegte Partnerschaft für besonders geeignet hält, die mit einer künstlichen Befruchtung ver- bundenen Belastungen und Risi- ken gemeinsam zu bewältigen. Eine

solche Regelung biete dem Kind grundsätzlich mehr rechtliche Si- cherheit, von beiden Eltern betreut zu werden. So seien Ehegatten an- ders als Unverheiratete verpflichtet, durch ihre Arbeit und ihr Vermögen die Familie zu unterhalten. Grund- sätzlich sei es aber verfassungs- rechtlich auch nicht zu beanstanden, nichteheliche Partner bei der Finan- zierung einer künstlichen Befruch- tung durch die gesetzliche Kranken- versicherung gleichzustellen mit verheirateten Paaren.

Geklagt hatte im Jahr 2002 eine damals 34-jährige, gesetzlich versi- cherte Frau, die mit ihrem 32-jähri- gen Lebensgefährten seit 1995 zu- sammenlebt. Der Mann war un- fruchtbar. Ein Kinderwunsch hätte sich deshalb nur über eine intra- zytoplasmatische Spermieninjek- tion (ICSI) verwirklichen lassen.

Der Lebensgefährte hatte vorab no- tariell die Vaterschaft für das durch ICSI erzeugte Kind anerkannt. Die Ethikkommission bei der Sächsi- schen Landesärztekammer hatte keine Bedenken, obwohl das Paar nicht verheiratet war. Die AOK Sachsen lehnte aber die Übernahme der Kosten ab. Das Sozialgericht Leipzig, bei dem die Frau Klage erhob, setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsge- richt die Frage vor, ob die Ungleich- behandlung im SGB V verfassungs- widrig sei. Sie ist es nicht, entschieden nun die obersten Richter.

Zufrieden mit dem Urteil äußerte sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD); die Ungleich- behandlung in Bezug auf die Kos- tenerstattung sei „keine Abwer- tung nichtehelicher Lebensgemein- schaften“. Anders sieht es Prof. Dr.

jur. Helge Sodan von der Freien Uni- versität Berlin (Direktor des Deut- schen Instituts für Gesundheits- recht). „Da die Ehe nach dem mo-

IN-VITRO-FERTILISATION

Ehepaare bleiben bevorzugt

Das Bundesverfassungsgericht erachtet es nicht als grundgesetzwidrig, dass unver- heiratete Paare die Kosten für die künstliche Befruchtung nicht erstattet bekommen.

GRAFIK

Lebend geborene Kinder in Deutschland, darunter nicht ehelich

1 200

900

600

300

0 Kinder in Tausend

1960 1970 1980 1990 2000 2005 Jahr 1 261 614

95 321

7 %

7 % 12 % 15 % 23 % 29 %

75 802 102 921 138 755 179 574 200 122 1 047 737

865 789

905 675

766 999

685 795

Etwa jedes dritte Kind in Deutsch- land wird nicht ehelich geboren:

Die Statistik spiegelt den gesellschaftli- chen Wertewandel zu Familie, Ehe und Partnerschaft wider.

(2)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 10⏐⏐9. März 2007 A613

P O L I T I K

dernen Familienverständnis nicht ausschließlicher Ort der Familien- gründung ist, kann diese Regelung nicht mit dem Schutz der Ehe ge- rechtfertigt werden“, sagte Sodan bei einem Symposium zur Repro- duktionsmedizin in Saarbrücken. Er sieht in der jetzigen Regelung einen klaren Verstoß gegen das Grundge- setz (Art. 3, Abs. 1).

40 Prozent der Paare sind in Ostdeutschland unverheiratet

Enttäuscht reagierte der Bundes- verband der Reproduktionsmedizi- nischen Zentren Deutschlands e.V.

(BRZ). Dr. med. Georg Wilke (1. Vorsitzender des Verbandes) sag- te, er hätte sich vor allem für die Menschen in den neuen Bundeslän- dern ein anderes Urteil gewünscht.

Denn dort lebten 40 Prozent der Paare unverheiratet zusammen. Es sei kein Zufall, dass die Vorlage des Sozialgerichts, über die jetzt das Bundesverfassungsgericht zu ent- scheiden hatte, aus einem neuen Bundesland komme. In 2005 seien 29 Prozent der Neugeborenen nicht ehelich gewesen (Grafik).

Auch unverheiratete Paare kön- nen heute eine In-vitro-Fertilisation in Anspruch nehmen, denn berufs- rechtlich ist die Behandlung auch ihnen erlaubt. Die Paare müssen dann aber die Kosten selbst tragen, oder – wenn sie privat versichert sind – die Kostenfrage mit ihrer Krankenkasse klären. „Die Feststel- lung des Bundesverfassungsge- richts, dass eine finanzielle Gleich- behandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren verfas- sungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden sei, impliziert, dass das Gericht die künstliche Befruchtung auch bei unverheirateten Paaren für erlaubt hält – so, wie es standes- rechtlich ja auch geregelt ist“, kom- mentiert Prof. Dr. jur. Jochen Taupitz, Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Mannheim.

Die Bundesärztekammer hat 2005 die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Re- produktion (ART) novelliert und da- bei unter anderem „den gesellschaft- lichen Wertewandel zu Familie, Ehe und Partnerschaft berücksichtigt“

(Dtsch Arztebl 2006; 103 [20]:

A1392). Zugleich wird das Wohl des Kindes, wie auch in der allgemeinen Gesetzgebung, gestärkt. So solle die ART grundsätzlich nur bei Ehepaa- ren angewendet werden.

Sie steht aber auch einer nicht verheirateten Frau offen, wenn der behandelnde Arzt/Ärztin zu der Ein- schätzung gelangt ist, dass sie mit einem nicht verheirateten Mann in einer festgefügten Partnerschaft zusammenlebt und der Mann die Vaterschaft an dem so gezeugten Kind anerkennt. Damit soll sicher- gestellt werden, dass das durch künstliche Befruchtung gezeugte Kind nicht ohne sozialen und recht- lichen (genetischen) Vater auf- wächst. Nach der (Muster-)Richtli- nie gibt es keinen Bedarf mehr, dass unverheiratete Paare die Zustim- mung zur Behandlung bei einer Kommission der Landesärztekam- mern einholen. In vier Bundeslän- dern ist die (Muster-)Richtlinie bis- lang umgesetzt.

In Deutschland sind schätzungs- weise zwei Millionen Paare unge- wollt kinderlos. Dass der Wunsch nach dem eigenen Kind am Geld scheitern kann, sieht auch das Bun- desverfassungsgericht. In der Be- gründung zu dem aktuellen Urteil geht es ausdrücklich auf den Rück- gang der Behandlungen ein: Im Jahr 2003 waren es circa 105 000, in 2004 rund 60 000 und in 2005 circa 56 000 Behandlungen. Denn seit In- krafttreten des Gesundheitsmoder- nisierungsgesetzes (GMG) im Janu- ar 2004 müssen verheiratete, gesetz- lich versicherte Paare die Hälfte der Behandlungskosten für künstliche Befruchtungen übernehmen. Das sind 1 700 bis 1 800 Euro pro Be- handlungszyklus. In 2003 noch hat- ten Krankenkassen maximal vier Behandlungszyklen voll bezahlt.

Jetzt werden nur noch drei Be- handlungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst, weil nach drei erfolglosen Versuchen kei- ne hinreichende Aussicht mehr auf eine Schwangerschaft bestehe (§ 27a, Sozialgesetzbuch V). Die Paare müssen mindestens 25 Jahre alt sein;

Frauen dürfen nicht älter als 40 und Männer nicht älter als 50 Jahre sein.

Für Frauen bis zum 35. Lebens- jahr liegt die Rate der klinischen

Schwangerschaften pro Embryonen- transfer dem Deutschen IvF-Register (DIR) zufolge zwischen 32 und 28 Prozent, mit höherem Lebensalter nimmt sie ab. Die Abortrate beträgt knapp 20 Prozent pro Schwanger- schaft und Transfer. Insgesamt be- kommen 43 bis 50 Prozent der Frau- en, die sich künstlich befruchten las- sen, schließlich ein Kind, oft nach mehreren Versuchen.

„Wir würden uns wünschen, dass die Politik jetzt die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts auf- greift, dass sich der Gesetzgeber in der Finanzierung auch für eine Gleichbehandlung von verheirate- ten und unverheirateten Paaren ent- scheiden könnte“, sagte Wilke. Aus dem Bundesministerium für Ge- sundheit verlautete, man sehe kei- nen Handlungsbedarf.

„IvF ist kein Instrument der Familienpolitik“

Auch nicht vor dem Hintergrund, dass die Geburtenrate in Deutsch- land sinkt, worauf Reproduktions- mediziner gern verweisen. Künstli- che Befruchtung sei eine erfolgrei- che Strategie gegen den Geburten- rückgang und volks- und betriebs- wirtschaftlich sinnvoll, so der BRZ.

Seit das erste Retortenbaby in Deutschland 1982 zur Welt kam, dürften fast 100 000 Kinder durch künstliche Befruchtung gezeugt wor- den sein. Allein zwischen 1997 und 2005 weist das DIR 93 667 Le- bendgeburten aus. Im Jahr 2003 wa- ren 16 961 Kinder nach extrakorpo- raler Befruchtung auf die Welt ge- kommen, im darauf folgenden Jahr waren es nur noch knapp 10 000.

„Das ist eine beachtliche Größen- ordnung, rechtfertigt aber nicht die Annahme, damit könnten demogra- fische Probleme gelöst werden“, so Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hop- pe, Präsident der Bundesärztekam- mer. „IvF ist kein Instrument der Familienpolitik, sondern eine auf die individuelle Situation anzu- wendende medizinische Maßnah- me.“ Hoppe sprach sich für ein Fortpflanzungsmedizingesetz aus, wenngleich ein Gesetz nicht alle Probleme der Reproduktionsmedi-

zin lösen könne. I

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Tieferes gegenseitiges Kennenlernen soll gefördert werden: Nicht nur das Gemeinsame, sondern gerade auch die Charakteristika der jeweiligen Kirche sollen Gegenstand des

- Diese Algorithmen liefern nie eine unkorrekte Antwort, jeoch besteht die M¨oglichkeit, dass keine Antwort gefunden wird.. Beispiel f¨ ur Las

Der Beitragssatz beträgt für das Jahr 2007 in der allgemeinen Rentenversicherung 19,9 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung

Die Klasse soll genau eine Deklaration einer statischen Methode public static AListModulo selection_sort( AListModulo l) {...} enthalten. Die Methode wird folgendermaßen spezifiert:.

Heft (auf den Seiten 1691 bis 1698) dokumentiert. Der zweite Arbeitsabschnitt der Kommission hat die Rege- lung und Begrenzung wissen- schaftlicher Untersuchungen an

Beide Part- ner sollten darüber aufgeklärt werden, dass letztlich auch mit aufwendigsten Aufbereitungstechniken und Testver- fahren die Möglichkeit einer Virus-

Es handelt sich dabei um Personen mit ausländischer Staats- angehörigkeit, Zugewanderte mit (Spätaussiedler) und ohne deutsche Staatsangehörigkeit sowie um deren Kinder.

Kurse (mit Zusatzgebühren): Qualitätsmanagement in der Arztpraxis (Dr. Beimert, München); Akupunktur für Dummies (Prof. Bayer, Wien); Einführung in die Ganzheitsmedizin im Alter