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Archiv "Herzklappen-Komplex: In 32 Fällen Anklage" (03.11.2000)

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 44½½½½3. November 2000 AA2897

M

itte 1994 wurde der so genannte Herzklappen-Komplex als „die bisher größe Korruptionsaffäre im deutschen Gesundheitswesen“ auch mit kräftigem Zutun der Krankenkas- sen hochstilisiert. Ende Mai 1994 wur- den Berichte der Krankenkassen be- kannt, wonach leitende Ärzte an fast allen deutschen Herzkliniken von Her- stellern künstlicher Herzklappen Gel- der und Drittmittel angenommen und falsche Abrechnungen zulasten der Krankenkassen erstellt haben sollen.

Der Bundesverband der Ortskranken- kassen schätzte den Schaden, der den Krankenkassen entstanden war, auf mindestens 45 Millionen DM je Jahr.

Im Juli 1996 schloss die Staatsanwalt- schaft für Wirtschaftsstrafsachen in Wuppertal die Vorermittlungen ab. Die Staatsanwälte in der ganzen Bundesre- publik leiteten Ermittlungsverfahren gegen 1 860 Ärzte und Angestellte in 418 Krankenhäusern sowie gegen drei marktbeherrschende Hersteller- und Vertriebsfirmen ein. In 11 000 Einzel- fällen sollen 33 Millionen DM Gelder gezahlt worden sein, mit denen es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll. Die Krankenkassen verstiegen sich sogar zu einer Rechnung, wonach sich der „Schaden“ infolge überhöhter Abrechnungen für Herzklappen, Herz- schrittmacher, Zusatzeinrichtungen für Herz-Lungen-Maschinen und diagno- stische Hilfsmittel auf 1,5 Milliarden DM summiert haben soll.

Juni 1994: Kardiologen sollen Provi- sionen für die Bevorzugung bestimmter Krankenhäuser kassiert haben. Dezem- ber 1996: Krankenkassen zeigen zwei niedersächsische Kardiologen an, mit Mehrfachabrechnungen 100 Millionen DM zu Unrecht erhalten zu haben. No- vember 1997: Die Kassen stellen Straf- anzeige gegen zehn kardiologische Ge- meinschaftspraxen. Sie sollen Rabatte

beim Einkauf von Herzkathetern nicht an die Krankenkassen weitergegeben haben. Von den Krankenkassen ge- schätzter Schaden: mehrere Hundert Millionen DM. November 1997: Die Krankenkassen weiten ihre Ermittlun- gen wegen angeblich überhöhter Ab- rechnungen auf Radiologen und Au- genärzte aus. Die Ermittlungen, Be- schuldigungen und staatsanwaltschaft- lichen Fahndungen wurden auch auf andere Gebiete, Medicalprodukte und Medizingeräte ausgedehnt, zum Bei- spiel auf den Bereich der Onkologie.

Auch das Bundesgesundheitsministeri- um, dem von interessierter Seite Dos- siers zugespielt wurden, war anfänglich, zumindest Mitte 1994, um eine Auf- klärung bemüht – danach Sendepause.

Anfangsverdacht und wenige Verfahren

Inzwischen liegt zumindest bei der

„Herzklappen-Affäre“ der Verfahrens- abschluss der Staatsanwaltschaft Wup- pertal vor – mit eher dürftigen, wenig spektakulären Ergebnissen. Die Spit- zenverbände der Industrie, der wissen- schaftlich medizinischen Fachgesell- schaften, des Deutschen Hochschulver- bandes e.V. und der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft haben einen 24 Seiten umfassenden Verhaltenskodex Ende September publiziert, um hier zu mehr Rechtssicherheit beizutragen.

Bisher sind in 32 Fällen durch die Staatsanwaltschaft Klagen gegen Ärzte und/oder Hersteller von Produkten der Medizintechnik (vor allem Herzklap- pen) erhoben worden. Nach dem ab- schließenden Bericht der Staatsanwalt- schaft Wuppertal sind bisher fünf Ur- teile (mit Geldstrafen) ergangen. Die Krankenkassen hatten im Juli 1994 deutschen Herzchirurgen, Herzchirur-

gie-Zentren und vier Unternehmen vorgeworfen, den Krankenkassen we- gen überhöhter Herzklappenpreise (bis zu 6 000 DM pro Stück) einen Schaden von 45 Millionen DM zugefügt zu ha- ben.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin gegen Medtronic, Sorin, Bio- medica und St. Jude Medical. Zunächst wurden Ermittlungen gegen die Ver- triebspraktiken und Firmenmitarbeiter der Herzklappenhersteller und -ver- treiber vorgenommen und 2 700 Herz- chirurgen und 460 Krankenhäuser, zu- meist Herzchirurgie-Kliniken, ins Vi- sier genommen. Die Ermittlungen mündeten zwei Jahre später in Verfah- ren gegen 132 Mitarbeiter der Liefer- firmen und 1 501 Ärztinnen und Ärzte in 390 Krankenhäusern. Die Wupper- taler Staatsanwaltschaft behielt die Er- mittlung zentral gegen die Hersteller von Herzklappen (weil die Firmen in Düsseldorf und Neuss sitzen), gab aber die rund 1 400 Ermittlungsverfahren gegen Ärzte an die regionalen Staats- anwaltschaften ab.

Inzwischen wurden 1 059 Verfahren ohne Auflagen eingestellt (70 Prozent), weil die Voraussetzungen für eine An- klageerhebung nach einem Anfangs- verdacht fehlten. Bei Amtsträgern, also Beschäftigten von Universitätsklinika (öffentliche Bedienstete), fehlte zu- meist der Tatbestand der Bestechlich- keit und/oder der strafbewehrten Vor- teilsnahme. In Ermittlungen gegen lei- tende Krankenhausärzte konnten die Staatsanwälte in vielen Fällen nicht nachweisen, dass es einen direkten Zu- sammenhang zwischen der Zuwendung und der Nutzung bestimmter Medical- produkte gab und die dadurch bewirk- ten Drittmittelzuwendungen überhöht oder fehlgeleitet waren. Übrig blieben 442 Verfahren gegen Ärzte; von ihnen sind bis heute 200 abgeschlossen. Bei 32 Fällen wurde Anklage erhoben. Erst in weniger als zehn Fällen wurde ein rechtskräftiges Urteil mit der Verhän- gung einer Geldbuße verkündet, zu- meist in Verfahren gegen Nichtärzte.

Durch Einstellung gemäß § 143 a Strafprozessordnung wurden 121 Ver- fahren eingestellt; Geldbußen: insgesamt 966 000 DM; 47 Verfahren wurden durch Strafbefehle abgeschlossen (Geldstrafen:

1 220 000 DM). Dr. rer. pol. Harald Clade

Herzklappen-Komplex

In 32 Fällen Anklage

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal vermeldet

Verfahrensabschluss im Herzklappen-Komplex.

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