,Einer von euch wird ja wohl Blut se- hen können...?" Zeichnung: Tim schließlich an die Reihe kam, nahm der Doktor den Verband ab, betrachtete den Finger, machte ein ernstes Gesicht und sprach: „De Finger mutt af", wor- auf der Matrose antwortete:
„Dat hebb ick mi all dacht." —
„So, min Jung, un nu geihst Du hier öwern Korridor, wo 00 anne Dör steiht un wat Du dor makst, dat weetst Du all van sülfst, un dann kümmst Du wedder rin." —
"Krieg ick denn Narkose?" —
„Sicher, sonst kunnst Du dat nich uthollen!" — „Nee, da hew ick Angst, Narkose will ick nich und ick will dat wohl so uthol- len." — „Nee, jung, dat geiht wirklich nich." — „Wenn ick Nar- kose krieg, dann hau ick af." —
„Dann möt wi dat in örtliche Be- täubung maken." — „Krieg ick da
Hart im Nehmen
Am Ende der zwanziger Jahre saß im Wartezimmer eines prak- tischen Arztes in Bremerhaven ein Mann mit verbundenem Mit- telfinger der linken Hand. Er kam vom Hochseeschlepper
„Seefalke" der Bergungsreede- rei Schuchmann. Zum besseren Verständnis des Folgenden müssen wir hier einiges ein- schieben: Hochseeschlepper sind die stärksten und seetüch- tigsten Schlepper, die es gibt.
Wenn weit draußen und wo auch immer ein Schiff in Seenot gerät, so eilen sie dorthin, bei gutem Wetter, bei Sturm und bei Or- kan, um den Havaristen zu ret- ten, die Rettungsprämie zu kas- sieren oder — wenn das Schiff schon aufgegeben und von der Besatzung verlassen ist — dieses
„auf den Haken zu nehmen", denn dann gehören Schiff und Ladung dem, der es geborgen hat. Es versteht sich, daß für Muttersöhnchen und feinfühlige Ästheten auf einem solchen Schiff kein Platz ist.
Der Matrose im Wartezimmer war mit dem linken Mittelfinger zwischen Trommel und Trosse der Winsch gekommen, der Fin- ger war also gequetscht. Als er
'ne Sprütt?" — „Jo, dann kriegst Du 'ne Sprütt; een in'n Finger und een in 'ne Hand." —"Nee, ne Sprütt will ick awer nich — dafür hebb ick Angst." — „Jung, Jung, mit Di is dat völicht 'n Theater!"
— „Nee, keen Sprütt!" — „Wenn Du dat so hebben willst, denn willt wi man anfangen —töw man af, wenn't nich mehr geiht, dann kriegst Du doch Narkose."
Dann schritt man zur Operation.
Der Finger hing noch an einigen Hautlappen und an einer Sehne.
Als diese mit Messer und Schere durchtrennt wurden, setzte der Seemann eine schmerzliche Miene auf und knirschte mit den Zähnen. Beim Glätten des Kno- chenstumpfs stampfte er einige Male mit dem Fuß auf, und beim Anlegen der Nähte pfiff er wie- derholt durch die Zähne.
Nachdem der Verband angelegt war, begab er sich wieder auf den „Seefalken". Vom Atlantik her war Sturm gemeldet. Viel- leicht würde der „Seefalke" ge- gen Abend noch auslaufen: um Leben zu retten — um Prämien zu kassieren — um Beute zu ma- chen...
Dr. med. Hero Silomon Schölerbergstraße 22/3 4500 Osnabrück
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
POST SCRIPTUM
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2486 (88) Heft 37 vom 10. September 1986 83. Jahrgang Ausgabe A