Fazit: Die deutsche Ärzteschaft über- altert und bekommt zugleich Nach- wuchsprobleme. Bedingt durch die Al- tersstruktur werden immer mehr Ärzte in den nächsten Jahren in den Ruhe- stand treten. Da die Bevölkerungszahl ebenfalls rückläufig ist, bleibt die Ein- wohner-Arzt-Relation im Wesentlichen unverändert. Ausnahmen ergeben sich bei der Allgemeinmedizin. Dort wird es zu Versorgungsengpässen – in erster Li- nie in den neuen Bundesländern – kom- men, wenn nicht entschieden gegenge- steuert wird. Zugleich muss es gelingen, bei rückläufigen Absolventenzahlen, überproportional viele junge Ärzte für die Allgemeinmedizin zu gewinnen.
Die ambulante Versorgung dürfte auch von Entwicklungen im stationären Sektor betroffen sein. Dort sind mit der möglichen Änderung des Arbeitszeit-
gesetzes aufgrund des EuGH-Urteils vom 3. Oktober 2000 und der Ein- führung des DRG-Vergütungs-Systems bemerkenswerte Umwälzungen im Gange, deren Auswirkungen auf den ambulanten Sektor derzeit noch nicht absehbar sind.
Bedenklich muss schließlich die Ent- wicklung stimmen, dass immer weniger Medizinstudenten ihr Studium abschlie- ßen und immer mehr Absolventen ei- nes Studiums der Humanmedizin letzt- lich nicht ärztlich tätig werden.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 544–547 [Heft 9]
Anschrift des Verfassers:
Dr. rer.pol. Thomas Kopetsch Kassenärztliche Bundesvereinigung Herbert-Lewin-Straße 3, 50931 Köln
T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 9½½½½1. März 2002 AA547
Folgende Vertragsarztgrup- pen werden in den nächsten Jahren deutlich kleiner:
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2004: Augenärzte
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2005: Radiologen
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2006: Allgemein/Praktische Ärzte, Frauenärzte, Kinder- ärzte
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2007: HNO-Ärzte, Urolo- gen, Internisten
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2008: Chirurgen, Hautärzte, Orthopäden
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elativ wenig ist derzeit über Armut und Reichtum in Deutschland so- wie soziale Ausgrenzung bekannt.Als einen ersten großen Schritt bei der Analyse der Lebenslagen wertete Prof.
Dr. Richard Hauser, Universität Frank- furt am Main, den Armuts- und Reich- tumsbericht der Bundesregierung, den diese vor einem Jahr vorlegte. Er soll die Grundlage für künftige Strategien zur Armutsbekämpfung bilden und regelmäßig aktualisiert werden. In- zwischen seien jedoch viele „weiße Flecken“ in dem Bericht identifiziert und weitere Gutachten in Auftrag ge- geben worden, berichtete Hauser während der von der Hans-Böckler- Stiftung des DGB organisierten Konfe- renz „Verteilungsberichterstattung – Perspektiven aus deutscher und eu- ropäischer Sicht“ in Berlin.
Für die Analyse von Reichtum feh- len bislang Datenquellen, die ein reali- stisches Bild geben würden. Eine Studie soll demnächst jedoch Aufschluss über die Verteilung von Reichtum in Deutsch- land geben. Dazu sollen die Einkom- mensstatistik kombiniert mit anderen Erhebungen wie dem Mikrozensus und dem sozio-ökonomischen Panel genutzt werden. Besonders sehr hohe Einkom- men und Vermögensbestände konnten bisher nicht erfasst werden.
Auch das Ausmaß der „verdeckten Armut“ ist bisher weitgehend unbe- kannt. Denn neben den Sozialhilfeemp- fängern gibt es viele Menschen, die so- zialhilfeberechtigt wären, diese Unter- stützung jedoch nicht in Anspruch neh- men. In Belgien beträgt der Anteil 40 Prozent, gemessen an dem der Sozial- hilfeempfänger. Für Deutschland geht das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung etwa von der gleichen Größenordnung aus.
Nur unzureichend beleuchtet der Armuts- und Reichtumsbericht die Le- benssituation von extrem unterversorg-
ten Menschen. Ein Forschungsprojekt soll künftig Daten aus verschiedenen Quellen über diejenigen liefern, die am Rande der Gesellschaft stehen und bei denen das soziale Sicherungssystem nicht greift, beispielsweise bei Ob- dachlosen oder Straßenkindern. Eine empirische Dokumentation von Aus- grenzungstendenzen gibt es weder in Deutschland noch in einem anderen europäischen Staat.
Kooperation innerhalb der EU
„Die nationale Armuts- und Reich- tumsberichterstattung wird nach dem Beschluss des Bundestages vom Okto- ber 2001 wissenschaftstheoretisch und empirisch auf ein breiteres Fundament zu stellen sein“, erklärten Peter Semrau und Uwe Müllenmeister-Faust vom Bundesministerium für Arbeit und So- zialordnung. Deutschland wolle sich um eine engere Kooperation auf eu- ropäischer Ebene im Rahmen der „of- fenen Koordinierung“ bemühen. Ob- wohl Sozialpolitik eine nationale Ange- legenheit der Mitgliedsstaaten ist, sol- len durch einen Erfahrungsaustausch effektive Strategien im Sinne der „best practices“ identifiziert und allgemein nutzbar gemacht werden. Dazu legte die Bundesregierung ebenso wie die an- deren EU-Mitgliedsstaaten einen „Na- tionalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2001 bis 2003“ vor. Dieser ist im Gegen- satz zum Armuts- und Reichtumsbe- richt prospektiv und maßnahmenorien- tiert. Entsprechend der vom Europäi- schen Rat im Dezember 2001 in Nizza vereinbarten Ziele konzentriert sich der Aktionsplan auf die Integration in den Arbeitsmarkt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine verbes- serte Effektivität und Zielgenauigkeit der Hilfe. Dr. med. Eva A. Richter