Wenn Bundesgesundheitsmini- ster Horst Seehofer zufälligerweise Postkarten sammeln sollte, dann kann er sich auf rosige Zeiten freu- en. Wenn nicht, dann wird er sich al- ler Voraussicht nach in einigen Wo- chen zumindest ein deutliches Bild davon machen können, was große Teile der Bevölkerung von seinem Gesundheits-Strukturgesetz halten.
Rote Karten für Bonn: Gut eine Mil- lion davon könnten bald in Seehofers Posteingang sein.
Kassenärzte wollen nicht stillhalten
Daß die Kassenärzte angesichts der geplanten gravierenden Ein- schnitte in die ambulante Versor- gung keineswegs stillhalten werden, hatte der Vorsitzende der Kassen-
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Das letzte Pflaster, das wir für sie haben, wird ein Trostpflaster sein.
Plakate in der Praxis: Der Text klärt Patien- ten über die Folgen der Malus-Regelung auf
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ärztlichen Bundesvereinigung, Dr.
Ulrich Oesingmann, bereits unmit- telbar nach dem Bekanntwerden der Seehoferschen Eckpunkte zum Ge- sundheits-Strukturgesetz angekün- digt. Auch die Patienten sollten wis- sen, was da unter Umständen auf sie zukommt. Jetzt erfahren sie es: mit Hilfe einer großangelegten Plakatak- tion in den Wartezimmern.
Schwerpunkt der Aufklärungs- kampagne ist die von Bonn ange- strebte Malus-Regelung, wonach niedergelassenen Ärzten ein festes Arzneimittelbudget vorgegeben wer- den soll. Vier Plakate mit verschie- denen Motiven sind von einer Stutt- garter Agentur dazu entworfen wor- den. Der Tenor: Wenn Seehofer sein Gesetz durchbringt, dann können unter Umständen wichtige Medika- mente nicht mehr zu Lasten der Kas- sen verordnet werden. Ist nämlich das Arzneimittelbudget erschöpft, müßten Patient oder Arzt alle weite- ren Präparate aus eigener Tasche zahlen.
Patientenbriefe weisen auf Konsequenzen hin
Auf diese Konsequenzen weisen neben den Plakaten auch vorbereite- te Patientenbriefe hin, die gemein- sam mit den „roten Karten für Bonn" in den Arztpraxen ausliegen werden. Die Karten selbst tragen fol- gende Aufschrift: „Ich will, daß mein Arzt mir auch weiterhin jedes für mich und meine Familie notwendige Medikament auf Kosten meiner Krankenkassen verschreiben kann.
Ich will nicht, daß meinem Arzt die Verschreibung von Medikamenten begrenzt wird, und wenn er es den- noch tut, die Mehrkosten dafür von ihm oder mir bezahlt werden sollen."
Die Initiatoren dieser Aktion, die Kassenärztliche Bundesvereini- gung und die Kassenärztlichen Ver-
einigungen der Länder, haben fol- genden Ablauf festgelegt. Jede KV wird Plakate und je 100 rote Karten und Patientenbriefe für jede Arzt- praxis in ihrem Bereich ordern.
Wenn die Patienten mit dem Stand- punkt der Ärzte übereinstimmen, sollen sie die Karten in der Praxis unterschreiben. Die Ärzte wiederum geben die ausgefüllten Karten an ih- re KV. Von dort aus werden sie ge- sammelt und weitergeleitet.
Die Rechnung, die der Aktion zugrundeliegt, ist relativ einfach,
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Die Vorstellung,. aus ihrem Lachen konnte bitterer Ernst werden, ist unerträglich.
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Liebe Eltern: Mit dem Arzt für die Gesund- heit der Kinder — Protest gegen das Gesetz
zeigt aber zugleich die eindrucksvol- le Breitenwirkung der Kampagne auf: Rund 90 000 Praxen werden be- liefert. Beteiligt sich nur die Hälfte der Praxen und dann auch nur die Hälfte der vorgesehenen Patienten- zahl, kommen immer noch mehr als eine Million Protestkarten zusam- men.
Der Bundesgesundheitsminister, so scheint es, wird also mit einem
„heißen Herbst" rechnen können. Es werden nicht allein die Kassenärzte, allzu oft von der Politik als Lobby- isten gebrandmarkt, Protest einle- gen, sondern auch die Patienten — mit roten Karten für Bonn ... JM
Proteste gegen die Malus-Regelung
Rote Karten für Bonn ...
Plakataktion in den Wartezimmern der Kassenärzte
A1 -2602 (18) Dt. Ärztebl. 89, Heft 31/32, 3. August 1992