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Archiv "Dialog zwischen Ärzten und Politikern — aber keine „Klientel-Politik“" (22.11.1990)

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Dialog zwischen Ärzten und Politikern

— aber keine „Klientel-Politik"

Horst Günther')

Im Bereich der Sozialpolitik und des Gesundheitswesens war das Ge- setz zur Strukturreform im Gesund- heitswesen das prägende gesetzgebe- rische Ereignis der ausklingenden Legislaturperiode. Selten in den letz- ten Jahren waren der „Schlachten- lärm" so laut und der „Pulverdampf"

so dick wie beim GRG (den verun- glückten Kurztitel „Gesundheits-Re- formgesetz" verwende ich ungern).

Das GRG hat ohne Frage Auseinan- dersetzungen und Irritationen mit sich gebracht. Aber das Gesetz ist mittlerweile akzeptiert. Vor allem ist bemerkenswert, wie bald sich die Wogen geglättet haben angesichts ei- nes zunächst heftig umstrittenen Ge- setzesvorhabens. Dies ist um so be- achtlicher, wenn man an den Verlauf des Blankschen Reformversuchs in den 60er Jahren zurückdenkt. Da- mals galt die politische Grundüber- einstimmung zwischen Union und Arzteschaft als viel weitergehend.

Aber damals kam es über dem Ge- setzentwurf zum Bruch. Heute kommt es in der Folgezeit nach In- krafttreten des Gesetzes zunehmend zu fruchtbarer Zusammenarbeit.

Darin liegt ein großes Verdienst nicht zuletzt auch der Verantwortli- chen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung. Die CDU/CSU ist eine große Volkspartei, gegen die es seit 1982 auf der Bundesebene keine politi- schen Mehrheiten gibt. Das ist ein Erfolg. Aber noch vielmehr ist es ei- ne Verpflichtung, nämlich die Ver- pflichtung, einem entspechend weit- gehenden Interessenspektrum Be- rücksichtigung und Anerkennung zu verschaffen. Denn nur das schafft und legitimiert politische Mehrhei- ten. Ich bezweifele auch, daß eine Interessengruppe sonderlich gut

*) Der Verfasser ist Vorsitzender der Ar- beitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU- Bundestagsfraktion

fährt, wenn sie weniger auf die Inte- grationsfähigkeit der großen Volks- partei CDU/CSU setzt als auf die In- teressenvertretung im Sinne einer

„Klientel-Politik". Nicht, daß ich diesen Weg abwerten will. „Klientel- Politik" kann durchaus zur Profilie- rung von Standpunkten entschei- dend beitragen. Das ist zum Teil wichtig und nützlich. Aber es besteht auch die Gefahr der Überprofilie- rung von Standpunkten zum Scha- den des sachlichen Anliegens.

Sozialpolitik, auch Gesundheits- politik, lebt vom Miteinander. Dabei sollte man sich über die wechselseiti- gen Ausgangs- und Grundpositionen nicht im Unklaren lassen. Vielleicht sind in der Vergangenheit in dieser Hinsicht Fehler gemacht worden. Je- denfalls sollte im Dialog zwischen Ärzten und Politikern zuerst geklärt werden, was jede Seite will und in- wieweit sie den Positionen des Ge- genüber folgen kann, ohne in einen unüberbrückbaren Gegensatz so- wohl zur eigenen Anhängerschaft wie auch zu den — möglicherweise gemeinsamen — Gegnern zu geraten.

Es geht nicht, wenn etwa Ärzte oder Zahnärzte der Union Positionen ab- trotzen wollen, mit denen die Union im eigenen sozialpolitisch orientier- ten Lager oder bei ihren politischen Gegnern nicht bestehen und nicht standhalten kann.

Vordringliche Aufgaben in der nächsten Legislaturperiode . . .

Wenn ich vor diesem Hinter- grund gefragt werde, welche Aufga- ben ich als sozialpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu den vordringlichen in der näch- sten Legislaturperiode zähle und bei denen ich mir Unterstützung seitens der Arzteschaft erhoffe, so nenne ich an erster Stelle die Verwirklichung

eines freiheitlichen, gegliederten und selbstverwalteten Gesundheits- wesens in den fünf neuen Bundes- ländern. Meine Fraktion hat größten Wert darauf gelegt und entscheidend dafür gesorgt, daß wir sofort mit der Einführung des gegliederten Systems in den neuen Ländern beginnen.

Aber wir befürchten, daß die Bereit- schaft zur Niederlassung sich in so kurzer Zeit auf breiter Linie schwer- lich so wird durchsetzen können, wie es wünschenswert ist.

. . . Einführung des gegliederten Systems

Einführung des gegliederten Sy- stems, insbesondere der gegliederten Krankenversicherung, bedeutet mei- nes Erachtens auch, daß wir den 16 oder 17 Millionen hinzugekomme- nen Bundesbürgern nicht einerseits dieses gegliederte System anbieten und dieses andererseits als grundle- gend reformbedürftig darstellen dür- fen. Ich meine daher, daß die vielbe- rufene Organisationsreform nur au- ßerordentlich behutsam angegangen werden darf. Ich habe jedenfalls gro- ßes Mißtrauen gegen die immer wie- der geforderten Risikoausgleiche.

Sie laufen auf kassenartenüber- greifende Finanzausgleichsverfahren hinaus und stellen damit die beste- hende Gliederung gerade in Frage.

Die Risikoverwerfungen zu behaup- ten, ist eine Sache, sie zu belegen ist etwas ganz anderes. Das kann man schon heute im Hinblick auf die im.

Gesetz bereits vorgesehenen kassen- arteninternen Ausgleichsmechanis- men auf Landesverbandsebene be- obachten. Dabei wachen die beteilig- ten Krankenkassen des Landesver- bandes sehr sorgfältig darüber, was ausgeglichen werden soll und was dabei von der den Ausgleich verlan- genden Kasse gegebenenfalls selbst zu vertreten ist. Vielleicht sind man- che Kasseneinheiten zu klein geglie- dert. Vielleicht benötigen wir lei- stungsfähigere Einheiten. Darüber nachzudenken erscheint mir vielver- sprechender als das Schielen nach rechnerischen Risiko- und Finanz- ausgleichen.

Dt. Ärztebl. 87, Heft 47, 22. November 1990 (19) A-3703

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Ambulant vor stationär

. . . Einschränkung der Arzneiausgaben

Eine weitere wichtige Aufgabe in meiner Prioritätenliste ist die Ein- schränkung der Arzneimittelausga- ben und, mehr noch, des Arzneimit- telverbrauchs. Ich verkenne nicht, wie segensreich für den Kranken ein richtig eingesetztes Arzneimittel sein kann. Deshalb liegt es mir fern, die Arzneimittelindustrie zu verteufeln.

Andererseits bin ich mir klar dar- über, daß auch der Verzicht auf Arz- neimittel, sei es bei Befindlichkeits- störungen, sei es bei Kranheitser- scheinungen in Folge ungesunder Lebensweise, gleichermaßen wichtig und für den Patienten vorteilhaft sein kann.

. . . und die Absicherung des Pflegerisikos

Die Sozialpolitik wird sich in der nächsten Wahlperiode auch mit der Frage der Absicherung des Pflegeri- sikos eingehend befassen müssen.

Dazu liegen auch bereits eine Reihe von Vorschlägen vor. Ich denke, bei dieser Aufgabe dürfen wir den Ge- sichtspunkt der Eigenverantwortung und der Eigenvorsorge auf keinen Fall vernachlässigen.

Ich erwähne das auch deshalb, weil Eigenverantwortung und soziale Vorsorge leicht in einen Widerstreit und Gegensatz geraten können und weil dieser Gegensatz in den manch- mal unterschiedlichen Bewertungen von Politik und Ärzteschaft zu Fra- gen der sozialen Sicherung immer wieder eine erhebliche Rolle spielt.

Deshalb denke ich, daß die Ärzte- schaft auch dieses Thema der sozia- len Absicherung des Pflegefallrisikos aufmerksam begleiten wird. Denn es wird möglicherweise mit einer wich- tigen Weichenstellung verbunden sein, wie künftig soziale Sicherung sich weiterentwickelt. Vorsorge schon heute ist erforderlich und nicht lediglich der Rückgriff auf ein Umlagefinanzierungsverfahren, das einen Teil der heute schon mögli- chen Vorsorge in eine fernere Zu- kunft verschiebt. 3

Dieter Thomae*)

Der Schlüssel zu einer Verbes- serung der Gesundheitsversorgung liegt in einer strengen Einhaltung des Prinzips, daß ambulant vor sta- tionär gehen muß. Das gilt sowohl für die Anbindung an die präventive, kurative und rehabilitative ambulan- te Versorgung als auch für einen nahtlosen Ubergang zu sozialen Ver- sorgungsformen und zu stationären Vorsorge- und Rehabilitationsein- richtungen.

Wir Liberalen wollen daher die Abstimmung zwischen den behan- delnden und einweisenden niederge- lassenen Ärzten und den Kranken- häusern verbessern. Außerdem soll- ten die Möglichkeiten der vorstatio- nären Diagnostik und der nachsta- tionären Krankenhausbehandlung optimal genutzt werden. Wir Freien Demokraten setzen uns auch für ei- ne gemeinsame Standortplanung für medizinisch-technische Einrichtun- gen und Geräte und für das koopera- tive Belegarztwesen ein.

Zwei zentrale Fragen werden uns neben der Organisationsreform der Krankenkassen im Bereich der Gesundheitspolitik in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen: die anstehende Krankenhausreform und die Pflegeproblematik. Zu beiden Bereichen haben wir Liberale klare Konzepte, die wir in den anstehen- den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl durchsetzen wollen.

Einer der schwerwiegendsten Mängel des geltenden Krankenhaus- rechts ist die Krankenhausplanung mit ihren Konsequenzen für die Ko- stenträger. Planungsentscheidungen auf Länderebene sind nicht flexibel genug, weil örtliche politische Inter- essen den notwendigen Bettenabbau unmöglich machen. Wir wollen da- her die Abkehr von der staatlichen Krankenhausplanung und den Über- gang zur vertraglichen Sicherung des

*) Der Verfasser ist Obmann der FDP-Frak- tion im Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung.

Krankenhausangebots. Das heißt je- doch nicht, daß wir eine einheitliche Front der Krankenkassen gegen die Krankenhäuser wollen. Vielmehr setzt die FDP auf den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen.

Gewiß wird die Abschaffung der Krankenhausplanung politisch nicht ad hoc durchsetzbar sein. Als Zwi- schenschritt sollten die Krankenkas- sen bei der Fortschreibung der Be- darfspläne als gleichberechtigte Partner einbezogen werden. Gegen den Hauptfinanzierungsträger dür- fen keine Planungsentscheidungen getroffen werden. Außerdem muß nach Ansicht der Liberalen der Kon- trahierungszwang für Plankranken- häuser und Kliniken fallen. Beide Forderungen werden wir als zentrale Punkte in die Koalitionsverhandlun- gen einbringen.

Für den Bereich der Pflege wol- len wir eine freiwillige private Versi- cherung. Eine Zwangsversicherung lehnen wir ab, selbst wenn sie privat organisiert wäre. Für sechs Prozent betroffene Versicherte eine solche Zwangsversicherung aufzubauen, ist unsinnig. Wir bauen auf die Eigen- verantwortung des einzelnen.

Eigenverantwortliches Denken muß aber gerade in diesem Bereich durch Anreize gefördert werden, weil die jüngeren Menschen sich erst daran gewöhnen müssen, selbständig für das Alter vorzusorgen. Als flan- kierende Maßnahmen haben wir da- her vorgeschlagen, die Vermögens- bildung zweckgebunden um weitere 312 DM auszubauen; einen zusätzli- chen Steuerabzugsbetrag für den Abschluß einer Pflegeversicherung bei den Sonderausgaben einzufüh- ren, der auch von den Kindern in Anspruch genommen werden kann, wenn sie eine Versicherung für ihre Eltern abschließen; schließlich eine Begrenzung des Rückgriffs der Sozi- alhilfe auf eigenes Vermögen des Pflegebedürftigen und auf seine Un- terhaltsverpflichteten ab einer Vor- sorge-Mindesthöhe.

A-3704 (20) Dt. Ärztebl. 87, Heft 47, 22. November 1990

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