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Archiv "Geschlechtstest: Ethisch höchst bedenklich" (07.09.2007)

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A2382 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 36⏐⏐7. September 2007

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ie wichtigste Frage werden- der Eltern lautet meist, ob das Kind gesund sein wird. Oft ist auch die Frage nach dem Geschlecht des Kindes für das Paar von Interesse.

Eine nicht invasive Geschlechtsbe- stimmung ist normalerweise frühes- tens ab der 16. Schwangerschafts- woche durch eine Ultraschallunter- suchung möglich (1). Invasive Maß- nahmen zur Geschlechtsbestim- mung sind in der Pränataldiagnostik die Amniozentese (15. bis 16.

Schwangerschaftswoche) und die Chorionzottenbiopsie (zehnte bis zwölfte Schwangerschaftswoche), die jedoch strenge Indikationsstel- lungen erfordern (2).

Seit Januar dieses Jahres wird im Internet unkritisch für einen neuen frühzeitigen Test zur Geschlechts- bestimmung geworben. Mit dem zum Patent angemeldeten moleku- largenetischen „Gendertest“ der Kölner Firma PlasmaGen AG kann durch eine einfache Blutentnahme der werdenden Mutter ab der achten Schwangerschaftswoche das Ge- schlecht des Kindes mit 99-prozen- tiger Sicherheit bestimmt werden.

Das Prinzip des Tests beruht darauf, dass die über die Plazenta in den mütterlichen Blutkreislauf gelang-

ten kindlichen Geschlechtschromo- somen teilweise identifiziert wer- den. Wird DNA des Y-Chromosoms nachgewiesen, kann daraus ge- schlossen werden, dass die werden- de Mutter ein oder mehrere männli- che Babys erwartet. Wird keine DNA des Y-Chromosoms nachge- wiesen, handelt es sich um einen oder mehrere weibliche Föten. In- nerhalb von zwei bis acht Tagen, nachdem zwei Milliliter EDTA-Blut der Patientin an das Labor von Plas- maGen geschickt wurden, erhält der Arzt die streng vertrauliche Aus- wertung. Aus Respekt vor dem un- geborenen Leben wird den Ärzten vom Unternehmen empfohlen, der

Patientin frühestens nach der zwölf- ten Schwangerschaftswoche Aus- kunft über das Ergebnis zu geben.

Die Kosten des Gendertests wer- den von der gesetzlichen Kranken- versicherung nicht übernommen, da der Geschlechtstest ausschließlich informativen Charakter hat und kei- ne medizinisch notwendige Unter- suchung darstellt, wie das Unter- nehmen selbst auf seiner Homepage mitteilt. Die Kosten liegen bei 149 Euro und werden von der Patientin direkt an PlasmaGen gezahlt – mit Geld-zurück-Garantie bei falschem GESCHLECHTSTEST

Ethisch höchst bedenklich

Seit Januar wird im Internet für einen neuen frühzeitigen Test zur Geschlechtsbestimmung geworben. Er eröffnet Missbrauchsmöglichkeiten – bis hin zur pränatalen Geschlechtsselektion.

Die Kosten für den Test liegen bei 149 Euro und werden von der Patientin direkt an PlasmaGen bezahlt.

Ergebnis. Der Arzt rechnet seine Leistungen in Anlehnung an die GOÄ ebenfalls mit dem Unterneh- men ab (3, 4, 5).

PlasmaGen hält den frühen Ge- schlechtstest unter anderem für Überträgerinnen X-chromosomaler Erkrankungen für sinnvoll. Der werdenden Mutter könne bei früh- zeitigem Wissen über das Ge- schlecht des Kindes bei weiblichen Föten eine Amniozentese oder Cho- rionzottenbiopsie mit der mögli- chen Komplikation eines Aborts (in beiden Fällen ein Prozent) erspart werden (2). In solchen Fällen könne der Arzt auch über eine vorzeitige Informationsweitergabe, also vor der zwölften Schwangerschaftswo- che, entscheiden (3, 4, 5).

Laut PlasmaGen ist der Gender- test sowohl durch die zuständige Regierung als auch durch die Ethik- kommission der zuständigen Ärzte- kammer geprüft worden. Von der Bezirksregierung Köln ist dem Un- ternehmen bestätigt worden, dass es sich beim Gendertest nicht um ein zulassungspflichtiges Medizinpro- dukt beziehungsweise In-vitro-Dia- gnostikum handelt. Er unterliegt demzufolge nicht den gesetzlichen Bestimmungen des Medizinproduk- tegesetzes und ist nicht zulassungs- pflichtig. Nachforschungen haben ergeben, dass die Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein ledig- lich das Verfahren der vorgeburtli- chen Geschlechtsbestimmung beur- Kontrovers

diskutiert:

www.maedchen oderjunge.de

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 36⏐⏐7. September 2007 A2383

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teilt und dem Unternehmen nicht dessen ethische Unbedenklichkeit bescheinigt hat.

Die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik (GfH) sieht in der frühzeitigen Geschlechtsbestimmung ein großes ethisches Problem. Es bestehe die Gefahr, dass vermehrt Babys des unerwünschten Ge- schlechts aus nicht medizinischer Indikation während der gesetzli- chen Frist von zwölf Wochen abge- trieben würden, befürchtet der Vor- sitzende der GfH, Prof. Dr. med.

Peter Propping. Prof. Dr. med.

Wolfram Henn vom Ethikrat der GfH bemängelt, dass der Gender- test eine Hintertür zur kriminellen pränatalen Geschlechtsselektion in Deutschland darstelle. Bedenklich sei vor allem, dass der frühe Ge- schlechtstest in Ländern wie Indien oder China auf rege Nachfrage tref- fen könne. Die GfH lehnte in einer Stellungnahme im März pränatale invasive und nicht invasive Test- verfahren, die keinen medizini- schen Zwecken dienten, definitiv ab und fordert aufgrund des großen Missbrauchspotenzials des Ge- schlechtstests ein gesetzliches Ver- bot (6, 7, 8).

In Deutschland ist der Schwan- gerschaftsabbruch bis zur zwölften Schwangerschaftswoche post con- ceptionem nach dem Beratungsmo- dell gemäß § 218 a Strafgesetzbuch straffrei, danach ist er nur aus medi- zinischer, psychologischer oder kri- minologischer Indikation erlaubt (9). Um einem Missbrauch entge- genzuwirken, lehnte der 110. Deut- sche Ärztetag im Mai die Anwen- dung neuer Labortests zur Ge- schlechtsbestimmung ohne ärztli- che Indikation vor Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche post conceptionem ab. Des Weite- ren sprach er sich entschieden gegen eine durch den Testbefund mögliche Geschlechtsselektion mittels Schwan- gerschaftsabbruch aus (10).

Gesetzlich ist die Schweige- pflicht des Arztes bis zur zwölften Schwangerschaftswoche bei be- reits vorliegendem Testergebnis al- lerdings nicht vorgegeben, sie liegt weitestgehend im Ermessen des Arztes. Ein Missbrauch kann so-

mit auch durch Verpflichtungs- erklärungen, Arztvorbehalte und den Beschluss des Deutschen Ärz- tetages nicht verhindert werden.

In der westlichen Kultur sind Mädchen und Jungen gleicher- maßen willkommen, sodass das Missbrauchsrisiko in Deutschland als relativ gering anzusehen ist. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass vor allem in Berlin gezielt Gynäkologen mit ausländischen Patientinnen von der PlasmaGen AG beworben werden. In einigen Ländern Asiens werden männliche Nachkommen aus ökonomischen und soziokulturellen Gründen prä- feriert. In Ländern wie China und Indien werden Mädchen systema- tisch abgetrieben beziehungsweise bei künstlicher Befruchtung vor der Übertragung in den Mutterleib selektiert.

In China, wo jedes Jahr rund eine Million Mädchen gezielt vor der Geburt getötet werden, tragen die männlichen Nachkommen den Fa- miliennamen weiter und versorgen die Eltern im Alter. Die 1-Kind- Politik, die die Zwangsabtreibung von Kindern beinhaltet, deren El- tern bereits ein Kind haben, hat die selektive Abtreibung von Mädchen massiv gefördert. Nach einem neu- en Gesetz drohen chinesischen Ärz- ten inzwischen jedoch bis zu drei Jahren Gefängnis, wenn sie das Ge- schlecht ungeborener Kinder preis- geben oder gar geschlechtsspezi- fische Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

In Indien, wo jedes Jahr noch mehr Mädchen vor der Geburt getö- tet werden als in China, gibt neben der traditionellen Bevorzugung der männlichen Nachkommen häufig auch die obligatorische Mitgift, die Eltern bei der Heirat einer Tochter zahlen müssen, den Ausschlag.

Auch dort ist die geschlechtsspezifi- sche Abtreibung verboten.

Experten schätzen, dass für eine gesunde demografische Entwick- lung weltweit bereits 90 bis 150

Millionen Frauen fehlen, überwie- gend in Asien. Dieses demografi- sche Ungleichgewicht wird auf die Dauer schwerwiegende politische und soziale Folgen haben. Die Ge- schlechtswahl aus sozialen Grün- den, das sogenannte social sexing, bildet mittlerweile auch in einigen anderen Ländern, wie den USA oder Großbritannien, eine Indikati- on zur Präimplantationsdiagnostik (PID). Oft wird dies mit dem Aus- balancieren des Geschlechterver- hältnisses („family-balancing“) ge- rechtfertigt (11). In den USA wird die PID an einer Vielzahl von In- vitro-Fertilisationskliniken prakti- ziert, Reglementierungen bestehen nicht. Dort wird die PID nicht nur zur Vermeidung von genetisch be- dingten Erkrankungen eingesetzt, sondern sie ist auch zur Ge- schlechtswahl als weitgehend legi-

tim anerkannt (12). In Deutschland ist die Präimplantationsdiagnostik nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. Erlaubt ist die Polkörper- biopsie, die allerdings nur Aussa- gen über Erbkrankheiten zulässt, die durch mütterliche Gendefekte ausgelöst werden. Das Geschlecht des Kindes kann damit nicht be- stimmt werden (13).

Fazit: Einem Missbrauch medizi- nisch nicht indizierter Untersuchun- gen sowohl im Rahmen der invasi- ven Pränatal- und Präimplantations- diagnostik als auch im Rahmen des nicht invasiven Gendertests kann le- diglich durch strenge, gesetzlich festgelegte Reglementierungen ent- gegengewirkt werden. Einstweilen sollten alle Gynäkologen davor ge- warnt werden, diesen ethisch höchst fragwürdigen Test anzuwenden.

Sonst werden die Paare in einen zu- sätzlichen Konflikt geführt. I Dr. med. Katharina Refardt Prof. Dr. med. Heribert Kentenich DRK Kliniken Berlin Westend, Frauenklinik Spandauer Damm 130, 14050 Berlin E-Mail: frauenklinik@drk-kliniken-westend.de

Die 1-Kind-Politik in China hat die selektive Abtreibung von Mädchen massiv gefördert.

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit3607

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A2 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 36⏐⏐7. September 2007

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LITERATUR

1. Sohn C, Tercauli S, Holzgreve W: Ultra- schall in Gynäkologie und Geburtshilfe, 2., vollständig überarbeitete Auflage;

Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York 2003, 271

2. Dudenhausen JW, Pschyrembel W: Prakti- sche Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 19. Auflage; Walter de Gruyter, Berlin New York 2001, 55–7 3. PlasmaGen AG, Homepage (2006):

www.plasmagen.de 4. PlasmaGen AG (2006):

www.maedchenoderjunge.de 5. Ärztliche Praxis, Website (2007): Gender-

test (www.aerztlichepraxis.de/

rw_2_ZIBB_Suche.htm)

6. Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e.V.: Stellungnahme zur pränatalen Ge- schlechtsbestimmung aus mütterlichem Blut in der Frühschwangerschaft. Be- schlossen von der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Humange- netik e.V. am 9. März 2007 (http://www.

medgenetik.de/sondedruck/07_03_14_

Stellungnahme.pdf)

7. Siefer W: Schwangerschaft – Sorge vor Geschlechtstest. Focus 19. 3. 2007, 11 8. o. V.: Geschlechtsbestimmung – Human- genetiker fordern Testverbot. Dtsch Arztebl 2007; 104(13): A 826

9. Dudenhausen, Pschyrembel: Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Opera- tionen, 19. Auflage; Walter de Gruyter, Berlin New York 2001, 320 10. 110. Deutscher Ärztetag: Keine Ge-

schlechtsbestimmung vor Ablauf der 12.

Schwangerschaftswoche post conceptio- nem ohne medizinische Indikation. Be- schlußprotokoll des 110. Deutschen Ärzte- tages vom 15. – 18. 5. 2007 in Münster.

(Drucksache V-43/ V-43a)

11. Schneider I: Embryonen zwischen Virtuali- sierung und Materialisierung – Kontroll- und Gestaltungswünsche an die techni- sierte Reproduktion. Technikfolgenab- schätzung 2002; 11(2): 45–55 12. Klinkhammer G: Auf dem Weg zum Routi-

neangebot – Die Entwicklung der geneti- schen Untersuchung in sieben ausgewähl- ten Ländern. Dtsch Arztebl 2004; 101(33):

A 2219–20

13. Diedrich K, Griesinger G, Behre H, Felber- baum R, Montag M, Ven HH van der, Stro- witzki T, Otte S von: Neue Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin. Dtsch Arztebl 2005; 102(9): A 587–91

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 36/2007, ZU:

GESCHLECHTSTEST

Ethisch höchst bedenklich

Seit Januar wird im Internet für einen neuen frühzeitigen Test zur

Geschlechtsbestimmung geworben. Er eröffnet Missbrauchsmöglichkeiten –

bis hin zur pränatalen Geschlechtsselektion.

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