• Keine Ergebnisse gefunden

Kulturgeschichtliche Bedeutung vergorener Getränke

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Kulturgeschichtliche Bedeutung vergorener Getränke"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 2/99 47 ROLANDBILL, EIDGENÖSSISCHEFORSCHUNGSANSTALTWÄDENSWIL

n früher Zeit kam dem Alkohol eine völlig andere Bedeutung zu als heute, zumindest in den west- lichen Kulturen. Leichtere alkoholische Getränke wie Bier, Wein und Met – im siebten Jahrtausend v. Chr.

bereits den Sumerern bekannt – waren gleichzeitig Nahrungs- wie Genussmittel und lieferten Kalorien, ohne den Magen zu belasten.

Wein und Bier in der Ernährung der Antike

Mit der Ausbreitung des Ackerbaus wurde der Mensch sesshaft. Es bildeten sich grössere Siedlungen, Städte entstanden und Menschen lebten plötzlich auf en- gem Raum beisammen. Das vorhandene Wasser wur- de oft durch Abfälle aller Art in Mitleidenschaft gezo- gen und bald einmal durch Tiere und Fäkalien ver- schmutzt und verseucht. Epidemien von Ruhr oder Cholera sind Zeugen dieser Zeit. Unter solchen Be- dingungen kam den vergorenen Getränken eine be- sondere Stellung in der Ernährung des Menschen zu:

Wein und Bier waren frei von gefährlichen Keimen!

Verschmutztes Trinkwasser konnte damit aufbereitet werden, da neben dem Alkohol die natürlichen Säu- ren, vor allem die Essigsäure, die vorhandenen Erre- ger vernichteten.

Die alten Kelterungs- und Brauverfahren lieferten Getränke mit niederem Alkoholgehalt, weshalb die GETRÄNKEKULTUR

Giftigkeit von Alkohol und dessen berau- schende Wirkung eine untergeordnete Rolle spielten. Bier war lange das Ge- tränk der einfachen Leute, während Wein den begüterten Schichten vor- enthalten blieb. Geschätzt wurden die alkoholischen Getränke wegen der guten Haltbarkeit sowie dem Nährwert, besonders hinsichtlich der enthaltenen Vitamine und Mi- neralstoffe. Es war schlicht das Ge- tränk zur Erfrischung und Stärkung.

Das altgriechische Wort «akratizo- mai» bedeutet übersetzt einerseits

«frühstücken», andererseits aber auch

«unverdünnten Wein» trinken. Wenn wir uns heute gewohnt sind, «Brot und Butter» zum Frühstück zu essen, so haben die alten Griechen aus gu- ten Gründen das Brot in Wein oder Bier getunkt. Mit einem solchen Frühstück liess sich der oft eintöni- ge, harte Alltag bestimmt leichter meistern.

Die heilende Wirkung von Alkohol

In der medizinischen Fachliteratur wird öfters als äl- teste Überlieferung eine Keilschrifttafel der Sumerer aus dem Jahre 2100 v. Chr. mit ei- nem Arzneimittelverzeichnis auf- geführt. Darin finden sich thera- peutische Anwendungen unter Verwendung von Alkohol. Bier und Wein dienten während die- ser Zeit als einzige Analgetika.

In den medizinischen Schrif- ten des berühmten Arztes Hippo- krates aus Kos (460–370 v. Chr.) finden sich exakte Beobachtun- gen von Therapiemethoden mit gezieltem Einsatz von Alkohol.

Wein wird zur Wundbehandlung und als fiebersenkendes Medika- ment (mit Wasser im Verhältnis 1:25 verdünnt), als Stärkungsmit- tel und zur Kräftigung des Ma-

Kulturgeschichtliche Bedeutung vergorener Getränke

Alles im Leben hat seine zwei Seiten. Die berauschende Wirkung alkoholischer Getränke ist zwar längst bekannt, trotzdem sind sie oft Begleiter festlicher Anlässe. Moderater Konsum – so belegt es die medizinische Forschung – ist der Gesundheit förderlich, trotzdem birgt der Alkohol auch bestimmte Risiken.

I

Quelle: Alkoholverbrauch EAV 0 l

20 l 40 l 60 l 80 l 100 l 120 l 140 l

1880/1884 1903/1912 1913/1922 1923/1932 1933/1938 1939/1944 1945/1949 1950/1955 1956/1960 1961/1965 1966/1970 1971/1975 1976/1980 1981/1985 1986/1990 1991/19951893/1902

Wein Obstwein Bier

Abb. 2: Traube und Wein sind Symbole in der christlichen Religion.

Abb. 1: Pro-Kopf-Verbrauch vergorener Getränke zwischen 1880–1995

(2)

SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 2/99

48

gen-Darmtraktes empfoh- len. Neben der allgemei- nen Verwendung von Wein zur heilenden Behandlung gibt es bereits bei Hippo- krates ausführliche Passa- gen über die unterschiedli- che Wirkung der verschie- denen Weinsorten. Grie- chischer Wein der Antike enthielt üblicherweise Ge- würze oder eine Mischung verschiedener Rauschmit- tel wie etwa Atropin oder Skopolamin aus der Tollkir- sche. Die hellenistische Er- kenntnis der Behandlung von Leib und Seele blieb fast ein Jahrtausend lang die massgebende Therapie der abendländischen Medi- zin. Erst im 19. Jahrhundert verdrängte die stürmische Entwicklung der pharmazeutischen Forschung den Wein als Heilmittel, widerlegt hat sie seine Heilkräfte jedoch nie. Bis heute finden sich immer noch alko- holische Getränke, wie etwa Branntwein als Lösungs- vermittler und Stabilisator in den Rezepturen homö- opatischer Arzneien, oder wir entdecken geheimnis- volle Flaschen mit stärkendem Gewürzwein in den Auslagen von Apotheken in verschiedenen Regionen unseres Landes.

Gebrannte Wasser

Die natürliche Vergärung der Früchte und Trauben stösst, selbst bei hohen Zuckergehalten, bei etwa 16 Volumenprozent Alkohol, an eine Grenze. Die Hefe verträgt einfach keine höheren Alkoholgehalte. Es musste, um zu hochprozentigen alkoholischen Ge- tränken zu gelangen, zuerst die Methode der Destilla- tion erfunden werden. Um das Jahr 700 herum be- merkten arabische Alchimisten, dass Alkohol bei tie- feren Temperaturen als Wasser verdampft und sich beim Abkühlen zuerst wieder verflüssigt. Aus dem arabischen «kuhl», der Essenz von Stoffen, wurde

dann im spanischen Umfeld «al-kuhul und später «al- cohol». Führend in der europäischen Brennkunst – et- wa um das Jahr 1100 herum – war die medizinische Schule von Salerno im Süden Italiens. Hochprozenti- ge Wasser nannte man «Aqua vitae», was übersetzt

«Wasser des Lebens» bedeutet und den Stellenwert dieser Getränke im Mittelalter zeigt. Die Kunst der Destillation erlaubte erstmals die Gewinnung von hochprozentigem Alkohol, der nicht nur als Allheil- mittel gegen Läuse, Flöhe und Kahlheit wirkte, son- dern auch Mut verlieh und ausserdem die Gesichts- farbe verbesserte. Gegen die Pestepidemien waren zwar auch die scharfen Getränke wirkungslos, doch machte die schmerzstillende und gemütserhellen- de Wirkung des Alkohols das Leiden etwas erträg- licher.

Der Umgang mit Alkohol

So bedeutungsvoll alkoholische Getränke in allen Epochen für die Gesundheit und Ernährung des Men- schen waren, so verhängnisvoll können die Auswir- kungen des Alkohols sein. Ob in der Antike oder in der heutigen Zeit, Exzesse und negative Erlebnisse bei übermässigem Konsum alkoholischer Getränke sind in ausreichender Zahl in der Literatur nachzule- sen. Bereits im alten Griechenland hält bekanntlich Dionysos eine Weinrebe in der Hand, die er zuerst in einen Vogelknochen, als sie grösser wird, in einen Lö- wenknochen und schliesslich zum Schutz in ein Eselsbein pflanzt. Aus diesem Mythos entstand der sinnvolle Trinkspruch, dass man beim Weingenuss zuerst wie ein Vogel zwitschert, sich dann stark wie ein Löwe fühlt und sich am Schluss wie ein Esel be- nimmt.

Jede Zeit prägt ihr eigenes Weltbild – auch das von der Geschichte des Alkohols. Vergorene Getränke er- freuen sich aber nach wie vor grosser Beliebtheit und sind oft erwünschte Begleiter fröhlicher Anlässe und festlicher Tafelrunden. Wenn wir den unbestrittenen gesundheitlichen Nutzen der Inhaltsstoffe alkoholi- scher Getränke bei moderatem Konsum würdigen wollen, so können wir die dunklen Seiten des Alko- hols wohl kaum aus unserem Alltag verbannen. Die Kenntnis der Kulturgeschichte zeigt uns aber deut- lich, dass der bewusste Genuss vergorener Getränke in allen Epochen auch seine guten Seiten hatte, denn immerhin enthält ein Liter Wein nicht nur einen Ach- tel des täglichen Nahrungsbedarfs, sondern eben auch neun Zehntel der guten Laune.

Literatur

Vallee B.L.: Kleine Kunstgeschichte des Alkohols; Spektrum der Wissenschaft, 62–67, August 1998.

Köhnlechner M.: Die Heilkräfte des Weins; F. Herbig-Verlag München, 1978.

Johnson H.: Weingeschichte; Hallwag-Verlag Bern, 1989.

GETRÄNKEKULTUR

Importance des boissons fermentées dans l’histoire des civilisations

Un bref historique des boissons alcooliques montre qu’elles ont de tous temps eu leur place dans les civilisations humaines. En s’ini- tiant à l’histoire de l’alcool au fil des civilisations, on comprend mieux son rôle ambivalent: tantôt il est source de gaieté et de convivialité, tantôt il déchaîne les forces sombres qui sommeillent au fond des êtres. Une chose en revanche est connue depuis la nuit des temps et maintenant confirmée par la recherche médicale mo- derne: consommées avec modération, les boissons alcooliques peuvent être tout à fait salutaires.

R

ÉSUMÉ

Abb. 2: Antike Kup- fergeräte zur Her- stellung hochprozen- tiger alkoholischer Getränke.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Aromenorchester aus der reifen Frucht von Waldbeeren, süßlicher Vanille, Anklängen von Gewürzen und wunderbarer Komplexität. 0,75 l

(Teiggebäck wahlweise mit Hackfleischfüllung; mit Käsefüllung; mit Hirtenkäsefüllung; mit Spinatfüllung; mit Kartoffelfüllung.) Ein Teigkranz nach Wahl mit Tomaten, Gurken,

Gemäß der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) (Verordnung (EU) Nr. 1169/2011) und der Kenntlichmachungsbestimmungen § 9 der Zusatzstoff Zulassungsverordnung (ZZuIV) weisen

auch für unsere Gäste, die von Allergien und Unverträglichkeiten betroffen sind, möchten wir gute Gastgeber sein.. Daher erhalten Sie sämtliche Informationen zu den in unseren

eine faszinierende Teekomposition mit Sencha, Blüten und fein fruchtigem Mango - Zitrusgeschmack.

Seit 2003 werden Hemer Weine nach veganen Bedingungen hergestellt und tragen das EcoVin - Label... Köstliche Weinauslese

Verveine hilft bei der Verdauung und wird sehr geschätzt für seine natürliche und beruhigende

Villa Hochdörffer/ Deutschland / Pfalz 0,2l 6,50 € Blauer Portugieser Gutswein QbA halbtrocken 1l 25,90 €.. Der granatrote Portugieser präsentiert sich fruchtbetont