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Nicht auf nationale Schultern abwälzen

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© 2015 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 1617-9439/15/0707-3 Physik Journal 14 (2015) Nr. 7 3 M E I N U N G

Meinung von Prof. Dr. Ullrich Pietsch, Universität Siegen. Der Experimentalphysiker ist Vorsit- zender der European Synchrotron User Organization (ESUO).

Q

uellen hochbrillanter Syn- chrotronstrahlung und Freie-Elektronen-Laser (FELs) sind ein wesentliches Element der euro päischen Forschungsland- schaft. Sie erzeugen breitbandige kontinuierliche Röntgenstrahlung bzw. mono chromatische Femto- sekunden-Röntgenpulse. Dieses hochwertige „Licht“ ermöglicht vielfältige Experimente, beispiels- weise die vollständige Struktur- aufklärung von organi schen oder anorganischen Kris tallen bzw.

„Schnappschüsse“ von temporären Zwischenzuständen bei struktu- rellen Phasenumwandlungen.

So wichtig wie die Verfügbarkeit dieser Quellen selbst ist es, Nutzern aus ganz Europa den Zugang zu ihnen zu ermöglichen. Innerhalb des 7. Rahmenprogramms der EU konnten dazu in der Vergan- genheit alle Wissenschaftler auf eine großzügige und effiziente Förderung bauen – unabhängig davon, ob in ihrem Heimatland eine Quelle oder ein nationales Förderprogramm existiert. Pro- gramme des „Transnational Access“

(TNA) standen ihnen und Nutzern anderer europäischer Großgeräte wie Neutronenquellen offen, um Reisemittel und eine Nutzungspau- schale zu beantragen. Dabei war für die Bewilligung ausschließlich die wissenschaftliche Qualität des eingereichten Messzeitantrages entscheidend.1) Doch nun ist der gesamteuropäische Zugang zu den Lichtquellen bis auf Weiteres unter- brochen, da beide Programme im Mai 2015 ausgelaufen sind bzw. im Februar 2016 auslaufen werden.

Für uns Nutzer ist schwer nach- vollziehbar, dass der 2013 veröffent- lichte erste Programmaufruf des neuen EU-Forschungsrahmenpro- gramms Horizon2020 keine Mög- lichkeit vorgesehen hat, weiterhin TNA-Mittel zu beantragen. Aus Sicht der EU-Kommission sollte

das erfolgreich implementierte System nunmehr in die Verantwor- tung nationaler Förderung über- gehen. Doch mehr als 50 Prozent der europäischen Staaten besitzen überhaupt keine oder keine aus- reichenden nationalen Förderpro- gramme für Experimente an euro- päischen Strahlungsquellen. Daher ist die European Synchrotron User Organisation (ESUO), welche die Interessen der rund 30 000 europäischen Nutzer vertritt, der Überzeugung, dass sich die TNA- Programme nicht auf nationale Schultern abwälzen lassen.

Um die Europäische Kommis- sion und das für derartige Förder- projekte zuständige Programm- komitee umzustimmen, hat die ESUO einen Hilferuf veröffent- licht2) und eine koordinierte Lob- byaktion initiiert. Wir haben den Kontakt zu den nationalen Vertre- tern der Forschungspolitik gesucht, die über die Ausgestaltung von Hori zon2020 entscheiden, um sie von der politischen Relevanz des TNA für Europa zu überzeugen.

Diese Anstrengungen scheinen sich gelohnt zu haben, denn der zweite Aufruf, der in diesem Jahr veröffentlicht wird, soll eine Fort- setzung des TNA wieder möglich machen – aufgrund der Unterbre- chung allerdings de facto nicht vor Herbst 2016. Zudem werden wohl nur zehn Millionen Euro für vier Jahre zur Verfügung stehen und damit nur etwa die Hälfte der bis- herigen Mittel. Damit können wir uns nicht zufrieden geben, gerade angesichts der neuen Herausfor- derungen, denen wir gegenüber stehen: dem Anstieg der absoluten Nutzerzahlen, dem verstärkten Zugang von Nutzern aus Osteuro- pa, der gesteigerten Attraktivität von Synchrotronexperimenten für industrielle Nutzer sowie den be- grenzten Forschungsbudgets vieler europäischer Staaten.

Gemeinsam mit den europä- ischen Zentren für Synchrotron- strahlung, wie DESY in Hamburg, SOLEIL in Paris oder Max IV in Lund, wird die ESUO daher wei- ter für ausreichende TNA-Mittel kämpfen und aktiv das neue Pro- gramm sowie die künftige euro- päische Infrastruktur für Licht- quellen mitgestalten. Unser Ziel wird es insbesondere auch sein, eine gesamteuropäische Nutzerge- meinschaft zu bilden, analog zur deutschen Nutzergemeinschaft, die vom „Komitee Forschung mit Synchro tronstrahlung“ vertreten wird. Um die Wettbewerbsfähig- keit gegenüber Nordamerika und Asien weiter zu steigern, sollten viele Fragen europäisch und nicht national beantwortet werden, z. B. ob es ausreichende Experimen tiermöglichkeiten für die Katalyse forschung gibt. Daher ist auch eine Finanzierung auf europäischer Ebene sinnvoll und langfristig notwendig. Allerdings ist abzusehen, dass dafür leistungs- fähigere Förderinstrumente erfor- derlich sind, z. B. mit einer Voll- kostenfinanzierung der Messzeit für europäische Nutzer. Damit ein- her geht die Vision eines virtuellen, gesamteuropäischen Synchrotron- labors mit abgestimmten Regeln und einer einheitlichen Begutach- tungsprozedur, unabhängig von na- tionalen Regularien der jeweiligen Lichtquelle.3) Doch bis dahin liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Nicht auf nationale Schultern abwälzen

Für die europäische Forschungslandschaft ist es essenziell, auch weiterhin allen Wissenschaftlern den Zugang zu Großgeräten zu ermöglichen.

Ullrich Pietsch

1) So haben innerhalb der letzten Jahre über 5000 Wissenschaftler von den TNA-Program- men CALIPSO bzw. Bio- Struct-X profitiert.

2) J. Synchr. Rad. 21, 638 (2014)

3) Elemente dieser Zu- kunftsvision wurden be- reits in CALIPSO gelegt.

Das Portal www.wayfor- light.eu bietet umfas- sende Informationen über alle an europä- ischen Quellen verfüg- baren Experimente und einen einheitlichen Zu- gang für die Antragstel- lung von Messzeitpro- jekten an.

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