Bekanntgabe der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Vertriebsstopp für 62 Metamizol-haltige Kombinationsschmerzmittel
Das Bundesgesundheitsamt (BGA) in Berlin hat mit Bescheid vom 27. April 1987 die Zulassung von 27 Mezamizol-haltigen Kombinationsschmerzmitteln widerrufen; für weitere 35 Metamizol-haltige Kombinations- schmerzmittel wurde das Ruhen der Zulas- sung angeordnet. Die Anordnungen des Bun- desgesundheitsamtes haben sofortige Wir- kung mit der Folge, daß die Mittel ab sofort nicht mehr vertrieben werden dürfen. Sie be- treffen die in der Anlage aufgeführten Arznei- mittel.
Das BGA teilt weiterhin mit:
Der Grund für die Anordnungen ist die Ausweitung des Spektrums unerwünschter Arzneimittelwirkungen durch die Kombina- tion verschiedener Wirkstoffe in diesen Arz- neimitteln. Die Stoffe, mit denen Metamizol in den 62 Arzneimitteln kombiniert war, ha- ben jeweils spezifische Risiken, die in den Be- scheiden des Amtes im einzelnen aufgeführt sind, aber keinen angemessenen zusätzlichen Nutzen.
• Deswegen ist nach Ansicht des BGA, auch wegen der erheblichen Risiken des Wirk- stoffes Metamizol, die Ausweitung des Spek- trums unerwünschter Wirkungen bei diesen Arzneimitteln nicht vertretbar. Sie sind daher bedenklich im Sinne des Arzneimittelgeset- zes. Metamizol-haltige Schmerzmittel tragen insbesondere das schwerwiegende Risiko der Agranulozytose (kritische Verringerung wei- ßer Blutzellen im Blutbild), die zwar selten vorkommt, aber tödlich verlaufen kann.
Arzneimittel, die den Wirkstoff Metami- zol ohne einen Kombinationspartner enthal- ten, dürfen unter den im November 1986 an- geordneten Einschränkungen weiterhin ver- trieben werden, da ihre Anwendung insoweit vertretbar ist. Die Mittel sind inzwischen re- zeptpflichtig.
Bei den Kombinationspartnern in den Schmerzmitteln, deren Zulassungen widerru- fen wurden, handelt es sich v. a. um schmerz- stillende (analgetische) Wirkstoffe, B-Vit- amine und zentralwirksame Stoffe.
Die Arzneimittel, für die das Ruhen der Zulassung angeordnet ist, enthalten als Kom- binationspartner krampflösende (spasmolyti- sehe) Wirkstoffe. Das BGA ist der Ansicht, daß die Risiken dieser Präparate auf der Basis des derzeitigen wissenschaftlichen Erkennt- nisstandes ebenfalls größer sind als der beleg- te Nutzen. Allerdings ist nach der Ankündi- gung des Widerrufes durch das Bundesge- sundheitsamt aus Kreisen der betroffenen pharmazeutischen Unternehmer in Aussicht gestellt worden, daß eine sorgfältige, klinische Prüfung zur Frage des Nutzens und der Risi- ken dieser Kombinationsschmerzmittel durch- geführt werden wird. Da dies längere Zeit in Anspruch nehmen wird, wurde für diese Mit- tel das Ruhen der Zulassung, befristet auf den 30. Dezember 1988, angeordnet.
Nachdem das BGA im November 1986 die Absicht angekündigt hatte, die Zulassung von 134 Metamizol-haltigen Kombinations- schmerzmitteln zu widerrufen, haben die pharmazeutischen Unternehmer für 72 dieser Arzneimittel auf die Zulassung verzichtet
oder Wirkstoffe eliminiert. Diese Arznei- mittel sind nicht mehr oder in veränderter Zu- sammensetzung im Verkehr. Für die übrigen 62 Schmerzmittel hat das BGA nunmehr durch die Anordnung vorn 27. April 1987 die o. a. Arzneimittelsicherheitsmaßnahmen ge- troffen.
Das Bundesgesundheitsamt macht bei die- ser Gelegenheit die pharmazeutischen Unter- nehmer erneut darauf aufmerksam, daß sie nach den Vorschriften des Arzneimittelgeset- zes ihr Arzneimittelangebot jeweils dem wis- senschaftlichen Erkenntnisstand anzugleichen haben, und zwar auch ohne entsprechende Veranlassung des BGA.
• Der vom Bundesgesundheitsamt ange- ordnete Vertriebsstopp für Metamizol-haltige Kombinationsschmerzmittel betrifft laut BGA folgende Arzneimittel:
Alacetan Schmerztabletten (Tabletten) Algo-Spasmex (Zäpfchen, Tabletten, In- jektionslösung)
Alho-Rheum (Dragees)
Analget-Ebs für Kinder (Zäpfchen) Analget-Ebs (Tropfen)
Analget-Ebs für Erwachsene (Zäpfchen) Analspas-n für Erwachsene (Zäpfchen) Analspas-n für Kinder (Zäpfchen) Avafortan (Dragees, Zäpfchen, Injek- tionslösung)
Bort (Zäpfchen, Dragees, Injektionslö- sung)
Brausende Spalt (Tabletten)
Buscopan Compositum (Dragees, Zäpf- chen, Tropfen, Injektionslösung) Butylscopolamin Comp.-Ratiopharm (Lacktabletten)
Contradolor S (Tabletten)
Dolo-Adamon N (Injektionslösung, Zäpf- chen, Filmtabletten)
Dolojudolor (Injektionslösung, Mantel- tabletten)
Judolor Comp. (Manteltabletten) Neosal-N (Zäpfchen, Tropfen, Filmtablet- ten)
Neuro-Brachont (Injektionslösung, Dra- gees)
Neuro-Comp.-Ratiopharm (Filmtablet- ten, Injektionslösung)
Neurotrope Vitamine Comp.-Ratiopharm (Injektionslösung)
Phenylbutazon mit Dipyron Tablet (Dra- gees)
Prigenta i. m. (Injektionslösung) Prigenta i. v. (Injektionslösung) Spasmo-Hyoscin Comp. Supp. für Er- wachsene (Zäpfchen)
Spasmo-Inalon N (Lösung)
Spasmo Metazol (Kinderzäpfchen, Zäpf- chen, Tabletten)
Spasmoreduct (Zäpfchen, Filmtabletten) Spasmo-Rowachol (Zäpfchen)
Spasmo-Rowatinex (Zäpfchen) Supp. Trospium Comp. (Zäpfchen) Trospium Comp.
Wahapyrin (Tabletten) ❑
nen Ärzte (Böcker) stehen. Es ist durchaus denkbar, daß es in einer Reihe von Fällen, bei denen in der Vergangenheit zuerst einmal ein Be- ruhigungsmittel verordnet wurde, nun gleich zum Einsatz eines Neuro- leptikum oder eines Antidepressi- vum kommt.
Darüber hinaus ist in dem be- trachteten Zeitraum 1982 bis 1985 eine beachtenswerte Zunahme der von Kassenärzten abgerechneten Gebühren-Ziffern für Psychiatrie und Psychotherapie festzustellen.
Die Zuwachsraten insbesondere bei den übenden Verfahren und bei den psychotherapeutischen Leistungen liegen etwa im Bereich der KV Nie- dersachsen zwischen + 29 und + 91 Prozent.
Überträgt man dieses regionale Ergebnis auf die Bundesrepublik und West-Berlin, dann ist der Schluß erlaubt, daß eine größere Zahl früherer Beruhigungsmittel- Rezepte ersetzt wurde durch eine Intensivierung des Arzt-Patienten- Verhältnisses.
In gewissem Sinn ergäbe eine solche Zunahme von zuwendungs- intensiven Leistungen der Ärzte, verbunden mit einem dadurch mög- lich werdenden partiellen Verzicht auf Verschreibung von Beruhigungs- mitteln, eine Strukturkomponente ganz besonderer Art. Wie sich ein solcher Therapiewandel aber auf die Ausgaben der Krankenkassen aus- wirken würde, kann erst nach Ver- abschiedung des neuen HVM abge- schätzt werden.
Unabhängig von der Gesamt- entwicklung der Beruhigungsmittel- Verordnungen ist der Rückgang der Barbiturat-Rezepte um fast vierzig Prozent besonders bemerkenswert, da dieser Trend voll den im Rah- men der ärztlichen Fortbildung ge- setzten Zielen entspricht und somit als Beweis für die Effizienz dieser Bemühungen der ärztlichen Selbst- verwaltungs-Körperschaften gelten kann.
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