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von Euw, M. (1994). Leben im Moor. Argumente aus der Forschung, 8, 4-14.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

FORSCHUNGSBEREICH WALDBEOBACHTUNG

Leben im Moor

Margrit von Euw

Beratungsstelle für Moorschutz

�oore sind mehr als nur Feuchtgebiete. Hier findet man Uberl!bensstrategen besonderer Art. Die Hoch-, Flach­

und Ubergangsmoore beherbergen eine einzigartige Flora und Fauna.

Was verstehen Sie unter einem Moor?

- Ein Feuchtgebiet mit weichem Untergrund.

- Etwas, das vor langer Zeit entstanden ist.

- Eine Naturlandschaft und ein Sumpfgebiet, das erhalten werden sollte.

Sumpf, der sehr gefährlich ist, in dem man ertrinken könnte.

- Nasse Wiesen mit speziellen Pflanzen.

Diese Antworten erhielt ich - von jung und alt, Frau und Mann - auf meine Frage: Was verstehen Sie unter einem Moor? Für den Wis­

senschafter sind die Wasserverhältnisse aus­

schlaggebend, um Hoch-, Flach- oder Übergangs­

moore zu unterscheiden.

Hochmoore in Höhenlagen?

Die Schweizer Hochmoore entstanden am Ende der letzten Eiszeit, als sich vor ca. 15 000 Jahren die Gletscher unter dem Einfluss des milden Klimas zurückzogen. Die Eismassen hin­

terliessen Mulden mit einem verdichteten,

wenig wasserdurchlässigen Boden. In den gröss­

tenteils wassergesättigten Böden fehlte der Sauerstoff, und die abgestorbenen Pflanzen­

reste, die sich im Wasser ansammelten, wurden nicht vollständig zersetzt, so dass Torf ent­

stand.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Im 18. Jahrhundert bedeckten etwa 100 km2 Hochmoore die Schweiz. Allein ein Viertel da­

von lag in den Tälern von Les Ponts-de-Martel und La Brevine (Ponts-de-Martel heisst "Moor­

brücken", es handelte sich um Holzstege, die es ermöglichten, die Hochmoore zu überqueren).

Heute bestehen nur noch 15 km2 Hochmoore in der Schweiz, wovon sich ein Drittel in natur­

nahem Zustand befindet, die übrigen zwei Drit­

tel sind durch Eingriffe wie Drainage, Torfab­

bau und Streunutzung vom Menschen geprägt.

Über die Hälfte aller Hochmoore der Schweiz, darunter die grössten Teile der Moore von Ro­

thenthurm und Les Ponts-de-Martel, wurden ent­

wässert. Für diese Flächen ist die traditio­

nelle Streubewirtschaftung meistens die ange­

passte Pflege, ansonsten würden diese Gebiete verbuschen. Nur natürliche, ungestörte Hoch­

moore bedürfen keiner Pflege und können sich selbst überlassen werden. Ungestörte Hochmoore bieten den Sträuchern und Bäumen sehr schlech­

te Wuchsbedingungen. Sie werden nur von klein­

wüchsigen Bergföhren vom Rand her locker besiedelt oder sie bleiben ganz baumfrei.

In der Schweiz kommen Hochmoore hauptsäch­

lich zwischen 800 und 1600 m ü. M. vor. Die Bezeichnung dieses Lebensraumes hat allerdings mit der Höhenlage nichts zu tun. Der Begriff bezieht sich auf die Form der Mooroberfläche:

Hochmoore wölben sich nach oben und erheben sich über ihre Umgebung. Die oberflächennahen Torfschichten der Hochmoore werden im Gegen­

satz zu jenen der Flachmoore ausschliesslich mit Niederschlagswasser versorgt, das nähr­

stoffarm und sauer ist. Die Moorböden wachsen jährlich durchschnittlich nur um einen Milli­

meter. Es dauert Jahrtausende, bis Torfschich-

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ARGUMENTE

AUS D E R F ORSC HUNG

Magellans Torfmoos Sphagnung magellanicum , (Quelle: Nyholm in Göttlich, 1990)

'i

Rundblättriger Sonnentau Drosera rotundifolia

(Quelle: Hallier in Göttlich, 1990)

ten von mehreren Metern entstehen können, wie sie in der Schweiz an wenigen Orten noch vor­

handen sind. Auf dem nährstoffarmen Boden können nur wenige Pflanzenarten gedeihen. Sie haben eine äusserst raffinierte Strategie zum überleben entwickelt.

Hungerkünstler überleben

■ Nur ausgesprochene "Hungerkünstler" können sich den nassen und nährstoffarmen Lebensbe­

dingungen des Hochmoores anpassen. In erster Linie sind dies die Torfmoose (Sphagnen). Sie produzieren Torf und bilden damit ihren eige­

nen Untergrund, ein dichtes, aber dennoch weiches Polster. In der Schweiz gibt es 30 verschiedene Torfmoosarten. Sie sind die Architekten des Hochmoores. Die Torfmoose speichern das Regenwasser und schaffen durch Versauerung einen für andere Pflanzen schwer

zu besetzenden Lebensraum.

■ Der rundblättrige Sonnentau (Drosera rotun­

difolia) fängt mit seinen roten Klebhaaren In­

sekten, bei deren Zersetzung Nährstoffe fre�

werden.

■ Die Rosmarinheide (Andromeda polifolia) hat eine Lebensgemeinschaft mit Wurzelpilzen

aufgebaut, um zum notwendigen Stickstoff zu gelangen.

■ Das "Chlepfibeeri" (Moosbeere, Oxycoccus quadripetalus) ist auch ein Überlebensstra­

tege. Es entwickelt dünne, fadenartige Triebe, die auf der wachsenden Torfmoosschicht

schwimmen.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Schnabel-Segge Carex rostrata

(Quelle: Hess et al., 1961)

Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum). Foto: H. Sigg.

Im Juni und Juli präsentiert sich das Schei­

dige Wollgras (Eriophorum vaginatum) mit sei­

nen weissen, watteartigen Fruchtständen sehr auffällig. Es ist ein wichtiger Torfbildner.

Und die Tiere?

Die Mooreidechse (Lacerta vivipara) ist eine der wenigen Reptilienarten, die im Moor leben.

Sie legt Wert auf die trockeneren Flächen und

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ABGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

gehört zu den wenigen lebendgebärenden Kriech­

tierarten. Die Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica) wurde erst im Jahre 1978 in der Schweiz entdeckt. Die grazile, grünliche Li­

belle bewegt sich am liebsten in der Nähe von Torfstichweihern höhergelegener Hochmoore. Der Hochmoorgelbling (Colias palaeno), ein Schmet­

terling, lebt als Raupe von der Rauschbeere (Vaccinium uliginosum). Beide sind in der Schweiz selten geworden.

Das Archiv Hochmoor

Torfböden haben die Eigenschaft, nicht nur sich selbst zu konservieren, sondern auch das meiste Material, das im Laufe der Zeit hinein­

getragen wird. Es kann sich z. B. um Holzstäm­

me, Pollenkörner, Gebrauchsgegenstände oder auch um Tierkadaver und Menschenleichen han­

deln. All dies wird im nassen Torf gut erhal­

ten, so dass anhand von Funden genaue Aussagen über frühere Kulturen gemacht werden können.

Torf ersetzen?

Die Moore werden schon lange genutzt. Im 17.

Jahrhundert waren die Wälder derart ausgebeu­

tet, dass das Holz knapp wurde (nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Norddeutschland und in Holland). Gerade Naturforscher gaben die Empfehlung, das "unterirdische Holz" abzu- .bauen und als Brennstoff zu verwenden. Mehr

als die Hälfte der Moorflächen verschwand auf diese Weise.

Auch während der beiden Weltkriege mangelte es an Holz. Die Hochmoorzerstörungen fanden

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ABGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

ihren Höhepunkt, als man die letzten gross­

flächigen Hochmoore weitgehend maschinell ab­

torfte, den Torf als Brennmaterial verwendete und die gewonnenen Flächen für die µandwirt­

schaft verfügbar machte.

Obschon Torf als Brennstoff heute kaum mehr gefragt ist, ist der Rohstoff bei den Gärtnern und Gärtnerinnen sehr beliebt. In der Schweiz werden jährlich 15 kg Torf pro Einwohner für den Gartenbau verwendet. Auf dem Markt sind heute Torf-Ersatzprodukte erhältlich, die vorwiegend aus Holzabfällen hergestellt sind.

Damit kann dieselbe Wirkung erzielt werden, nämlich Speicherung des Wassers im Boden, Lockerung und somit Durchlüftung des Bodens.

Die Hochmoore wurden bis vor kurzem noch durch den gewerblich-industriell betriebenen Torfabbau zerstört. Das hauptsächlich betrof­

fene Hochmoor Les Ponts-de-Martel (Kanton NE) war ursprünglich 15 km2 gross. Heute sind nur noch rund 1, 2 km2 erhalten. Der Abbau musste mit der Annahme der Rothenthurm-Initiative eingestellt werden.

Sind Flachmoore flach?

Ein Flachmoor passt sich dem Gelände an, muss also nicht flach sein. Im Gegensatz zu Hochmooren werden Flachmoore (auch Niedermoore genannt) durch mineralhaltiges Bodenwasser

(Hang-, Bach-, See- oder Grundwasser) ge­

speist. Die chemische Zusammensetzung des Bodenwassers ist deshalb vom Untergrund abhän­

gig, es ist nährstoffreicher als das Regenwas­

ser. Das Spektrum reicht von nährstoffarm bis

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

nährstoffreich, von kalkarm bis kalkreich, der Boden ist feucht bis nass. In der Folge sind Fauna und Flora artenreicher und vielfältiger als in den Hochmooren. Moore, die bezüglich Wasser- und Nährstoffhaushalt zwischen den Hoch- und Flachmooren anzusiedeln sind, werden Übergangsmoore genannt. Sie werden teilweise vom Regenwasser und teilweise vom Mineralbo­

denwasser vernässt.

Leben im Flachmoor

In Flachmooren bilden vor allem Seggen und Schilf den Torf. Pfeifengraswiesen, Kleinseg­

genriede, Schilfröhrichte sind zum Beispiel in Flachmooren zu finden. Die typischen Pflanzen­

arten variieren stark je nach der Zusammen­

setzung des Mineralbodenwassers, dem Wasser­

stand und der Höhenlage.

Schilfröhrichte finden wir hauptsächlich in Verlandungszonen von Seen und Flüssen. Durch Nährstoffanreicherung des Wassers und Badetou-

Flachmoor Alp Flix, Kanton Graubünden. Foto: M. Broggi.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Was Ist eine "Rots Liste"?

In "Rote Liste: Gefährdung der Farn- und Blütenpflan­

zen der Schweiz" führt Elias Landolt (1991) all diejenigen Pflanzenarten auf, die wäh­

rend mindestens 50 Jahren heimisch waren, nunmehr ausgestorben, unmittelbar vor dem Aussterben stehen oder stark Qefährdet sind.

rismus sind sie gefährdet. Die Kleinseggen­

riede sind in den Voralpen flächenmässig stark vertreten. Sie setzen sich u. a. aus Seggen, Binsen und Wollgräsern zusammen. Am besten gedeihen sie auf grundwasserfeuchten und stau­

nassen Böden.

In den Flachmooren finden sich auch sehr farbige und leider immer seltenere Blüten­

pflanzen wie die Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) . Die Blumen ragen über die Gräser der Flachmoore hinaus und bilden einen be­

eindruckenden, zart violetten Teppich.

Wer kennt nicht das Sumpfherzblatt (Parnas­

sia palustris) , bekannt auch unter dem Namen

"Studentenröschen"? Auf feuchten Wiesen und kalkhaltigen Böden finden wir viele Knaben­

kräuter. Da gibt es das "Blasse Knabenkraut"

(Orchis pallens) , das "Breitblättrige Knaben­

kraut" (Orchis latifolia) und das "Kleine Knabenkraut" (Orchis morio). Eines haben sie gemeinsam: Sie gehören zu den Arten, die in der "Roten Liste" aufgeführt sind.

Lebensgrundlage für Tiere

Für viele Tiere bildet die Flachmo�rvegeta­

tion eine Lebensgrundlage. Libellen, Tagfalter und zahlreiche Insekten sind im Flachmoor zu Hause. Auch sind viele Vögel von Feuchtgebie­

ten abhängig, denn diese Lebensräume bieten ihnen die notwendige Ruhe und Schutz zum Brü­

ten. Viele von ihnen nisten am Boden und sind deshalb darauf angewiesen, dass die Streuwie­

sen spät geschnitten werden.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Brachvogel

Numenius arquata

(Quelle: Teixelra, 1979)

Moorlandschaft Rothenthurm, Kanton Schwyz. Foto: Rothenthurm-Initia­

tive.

Die Rohrammer (Emberiza schoeniclus) baut ihr Nest aus Moos, Halmen und Blättern, brütet am Boden in Grasbüscheln und Weidegebüsch.

Ihre Nahrung findet sie in den Feuchtgebieten, Schilf- und Rohrbeständen.

Der Grosse Brachvogel (Numenius arquata) mit seinem ausgeprägten gebogenen Schnabel und seinem bräunlich feingefleckten Federkleid braucht weite, offene Riedflächen. Sein Nest baut er in Bodenmulden oder in die verheideten Flächen. Gesamtschweizerisch gibt es keine 10 Brutpaare mehr.

Und die Moorlandschaften?

Es handelt sich um grössere Gebiete, die stark durch Hoch- aber auch Flachmoore geprägt sind. Sie verfügen über Eigenschaften wie

Schönheit, Natürlichkeit, Weite als auch Ge­

schlossenheit, die unsere Empfindung anregen.

Moorlandschaften sind beeinflusst von unserer Kultur und Geschichte. Der Mensch kann und

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

(Quelle: Gore, 1983) 90

soll eine Moorlandschaft erhalten, indem er Teile sich selbst überlässt, andere aber

nutzt, pflegt, bearbeitet, geniesst und somit auch erlebt. Die vielfältige Mischung von Aktivitäten, die eine Moorlandschaft zulässt, ist für deren Erhaltung aber nicht immer unproblematisch.

■ Art. 18, Abs. 1 des Natur- und Heimatschutz­

gesetzes (NHG) lautet: "Dem Aussterben einhei­

mischer Tier- und Pflanzenarten ist durch die Erhaltung genügend grosser Lebensräume (Bio­

tope) und andere geeignete Massnahm�n entge­

genzuwirken. " Schwierig zu beantworten ist die Frage, wie viele dieser Lebensräume gesetzlich geschützt werden müssen, um die miteinander in Verbreitung der Moore auf der Erde

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• Mehr als 10% der Fläche sind Moore.

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0.5% bis 10% der Fläche sind Moore.

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Weniger als 0.5% der Fläche sind Moore.

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...

) Inseln mit bedeutenden Moorvorkommen .

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Beziehung stehenden Lebewesen zu schützen. Die Wissenschaft kann zur Beantwortung beitragen,

indem sie Daten sammelt, Beobachtungen macht und Empfehlungen abgibt. Über den Schutz der Moorlandschaften müssen Behörden, Politiker und Stimmbürger entscheiden. Wissenschaft und Politik haben eine wichtige und schwierige Aufgabe zu erfüllen, die sie nur gemeinsam lösen können.

Margrit von Euw ist Verwaltungssekretärin und betreut die Beratungsstelle für Moorschutz in administrativer und organisatorischer Hinsicht. Sie ist von der Natur begeistert und fasziniert von der Ganzheit, die in einer noch so kleinen Pflanze vorhanden ist. Der Respekt auch gegenüber allen kleinen und unscheinbaren Lebe­

wesen ist ihr ein besonderes Anliegen.

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