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Archiv "Wirksamkeit und Wirkungsgrenzen der Antihistaminika bei allergischen Erkrankungen: Ein Überblick aus theoretischer Sicht" (01.03.1979)

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Die seit 1937 bekannten „klassi- schen" Antihistaminika werden heu- te als H 1 -Rezeptor-Antagonisten (H 1 -Blocker) bezeichnet, nachdem seit 1972 auch H 2 -Rezeptorantago- nisten (H 2-Blocker) zur Verfügung stehen. Beiden Blockern entspre- chen die zwei Typen der Histaminre- zeptoren: H 1 - und H 2-Rezeptoren, durch welche die Histaminwirkun- gen vermittelt werden. Bisher haben die H 2-Blocker (Burimamid, Meti- amid, Cimetidin) 1 ) nur in der Thera- pie des peptischen Ulkus Verwen- dung gefunden, während für die H 1

-Blocker allergische Erkrankungen, insbesondere die Krankheitsbilder der anaphylaktischen Soforttypaller- gie, reserviert sind.

Lorenz hat kürzlich auch Verwen- dung von H 2 -Blockern, zusammen mit H 1 -Blockern, zur Behandlung von sog. anaphylaktoiden Reaktio- nen vorgeschlagen.

Damit wurde ein Problem aufgewor- fen, das auch die echten Allergien tangiert und das wir zum Anlaß neh- men, die Rolle des Histamins bei der Allergie und die Wirkung der Anti- histaminika im Lichte neuer Er- kenntnisse über die Funktion der beiden Histaminrezeptoren zu be- sprechen.

Dies geschieht hauptsächlich auf der Basis von Versuchen am Meer- schweinchen, dem klassischen Ver- suchstier für die Allergie- und Ana- phylaxieforschung.

1) Vergleiche Dt. Ärztebl. 75 (1978) Heft 4, Sei- te 173 ff.

Zur Charakteristik der allergischen (anaphylaktischen)

Freisetzung von Histamin und anderen Mediatoren

Im folgenden bezeichnen wir die ba- salen Mechanismen der anaphylak- tischen Soforttypallergie kurz als anaphylaktische Reaktionen und setzen sie damit den anaphylakti- schen Reaktionen im Tierversuch gleich. Das charakteristische Ele- ment ist die Histaminfreisetzung aus den Mastzellen und den basophilen Leukozyten durch Kontakt des Anti- gens mit dem an die Zelle fixierten Reagin sowie das Auftreten weiterer Mediatoren (slow reacting sub- stance-A oder SRS-A, Bradykinin, Prostaglandine). Vom Serotonin und Dopamin sehen wir im folgenden ab, weil diese Amine nur bei wenigen Spezies, z. B. nicht beim Menschen und Meerschweinchen, freigesetzt werden. Dank der Existenz spezifi- scher Histaminantagonisten wissen wir über die Funktion des Histamins bei anaphylaktischen Reaktionen weit mehr als über die anderer Me- diatoren, die wir daher global als

„histaminunabhängige" Faktoren vom Histamin abgrenzen. An ana- phylaktischen Reaktionen isolierter, blutfrei gespülter Organe ist Brady- kinin nicht beteiligt, weil es aus ei- ner Vorstufe im Blut entsteht.

Histamin ist im Körper präformiert vorhanden und kann daher sofort nach Antigenkontakt „explosiv"

freigesetzt werden, während die an- deren Mediatoren vor ihrer Freiset- zung erst neu gebildet werden. Hist- amin wird außerdem rasch elimi- niert, so daß wir zwischen einer kur-

Ähnlich wie für Noradrenalin, einen Überträgerstoff des sympathischen Nervensy- stems, werden auch für Hist- amin verschiedene Rezeptor- typen unterschieden: H,- und H 2-Rezeptoren. Zu ihrer Blok- kade werden bereits unter- schiedliche Arzneistofftypen eingesetzt. H 1 -Rezeptoren- Blocker sind alle uns geläufi- gen Antihistaminika. H 2-Re- zeptoren-Blocker werden ge- genwärtig vor allem zur Unter- stützung bei der konventio- nellen Therapie des Ulcus duodeni eingesetzt. Im folgen- den werden aufgrund tierex- perimenteller Erfahrungen die pharmakologischen Prinzi- pien erläutert, die für die Inte- gration der verschiedenen Ty- pen von Blockern der H,- und H 2 -Rezeptoren ausschlagge- bend sind.

zen histaminabhängigen und einer anhaltenden histaminunabhängigen anaphylaktischen Reaktionsphase unterscheiden können. Weil Hist- amin nach seiner Ausschüttung nur langsam von den Mastzellen resyn- thetisiert wird, nimmt die Histamin- freisetzung bei kontinuierlicher oder rasch wiederholter Antigenzufuhr schnell ab, während die histaminun- abhängigen Faktoren persistieren.

Unter graduell ansteigenden Anti- gendosen tritt im Tierexperiment die Histaminwirkung bei kleineren Anti- gendosen in Erscheinung als die der anderen Mediatoren, erreicht aber auch eher ihr Maximum.

Die Mediatoren beeinflussen sich gegenseitig in ihrer Freisetzung. So- weit hierbei Histamin im Spiele ist, zeichnen sich meist erwünschte Ef- fekte an H2 - und unerwünschte an H 1 -Rezeptoren ab. So setzt zum Bei- spiel Histamin über H 1 -Rezeptoren das spasmogene Prostaglandin und über H 2-Rezeptoren das spas- molytische Prostaglandin E2 frei. Ein H 2-Effekt ist ferner die Hemmung

Wirksamkeit und Wirkungsgrenzen der Antihistaminika

bei allergischen Erkrankungen

Ein Überblick aus theoretischer Sicht

Fritz Hahn

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 1. März 1979 575

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Antihistaminika

der Histaminfreisetzung durch Hist- amin nach Art einer negativen Rück- kopplung, die zuerst an menschli- chen Leukozyten festgestellt wurde.

Histamin, Bradykinin und SRS-A setzen aus der Nebenniere Adrena- lin frei. Die Natur der an diesem Hist- amineffekt beteiligten Rezeptoren ist noch nicht ganz geklärt, da er am Meerschweinchen durch H 1 -Blocka- de nicht vollständig unterdrückt wird. Adrenalin hemmt durch ß-Sti- mulation die Freisetzung von Hist- amin und SRS-A und antagonisiert außerdem funktionell die freigesetz- ten Mediatoren. Die Hemmung der Mediatorfreisetzung durch Histamin und Adrenalin ist intrazellulär mit Vermehrung des zyklischen AMP 2) verknüpft; durch Histamin wird die- se Wirkung an H 2-Rezeptoren aus- gelöst. Über den H 2-Rezeptor poten- ziert Histamin auch die Vermehrung des zyklischen AMP und Hemmung der Mediatorfreisetzung durch Adre- nalin an der Meerschweinchenlun- ge. In geringerem Maße wird durch die H 1 -Wirkung von Histamin (und durch a-adrenerge Stimulantien) auch zyklisches GMP 3), das die Me- diatorfreisetzung fördert, intrazellu- lär vermehrt.

Einflüsse von

Antihistaminika und Heparin auf die Histaminelimination Der enzymatische Abbau von Hist- amin über Methylierung oder Oxi- dierung wird von H 1 -Blockern in vivo nicht direkt beeinflußt. Wohl aber ließ sich nachweisen, daß H 1 -Blok- ker die Plasma-Histaminclearance im anaphylaktischen und exogenen Histaminschock beschleunigen und zu einer rascheren Anreicherung von Histamin in Leber und Niere füh- ren. Dieser Effekt beruht auf der Un- terdrückung histaminbedingter Mi- krozirkulationsstörungen, die die Diffusion von Histamin aus dem Blut verzögern.

H 2 -Blocker dagegen verlangsamen nach Versuchen an Hund und Maus das Verschwinden von Histamin aus dem Blut durch Verzögerung der Aufnahme ins Gewebe und des Abbaus.

Als ein regulativer Faktor, der den Histaminabbau fördert, ist Heparin, das bei Anaphylaxie aus den Mast- zellen ausgeschüttet wird, anzuse- hen. Heparin setzt nämlich (wie auch andere Polyanionen) Histami- nase (Diaminoxidase) aus deren De- potorganen frei; beim Meerschwein- chen ist das die Leber.

Da ferner bei einer Reihe von Spe- zies, auch beim Menschen, während des anaphylaktischen Schocks Hist- aminase im Blut erscheint und Hist- amin keine Histaminaseliberierung herbeiführt, liegt es nahe, dem He- parin die Mediatorfunktion für die anaphylaktische Freisetzung von Histaminase zuzusprechen. Aller- dings mindert das freigesetzte En- zym nicht die akuten Schocksym- ptome, sondern beschleunigt nur den Abbau des Histamins in der postakuten Schockphase.

Im Hinblick auf ältere Vorschläge, Allergien mit Histaminasepräpara- tionen oder mit Heparin zu behan- deln, dürften diese Beobachtungen Interesse verdienen.

über unterschiedliche Wirkungen von H 1 - und H 2-Rezeptoren an den anaphylaktischen Schockgeweben Histamin verursacht beim Meer- schweinchen Kontraktion der glat- ten Muskeln an Bronchien, Pulmo- nalisgefäßen und Darm, ferner Blut- drucksenkung, Erhöhung der Kapil- larpermeabilität und Steigerung der Herzaktivität mit vermehrtem Koro- nardurchfluß. Diese Wirkungen sind den anaphylaktischen Reaktionen gleichgerichtet, mit der Einschrän- kung, daß dies am Herzen nur für die erste Phase der anaphylaktischen Reaktion zutrifft.

Die spastischen Histaminwirkungen auf Bronchien, Pulmonalisgefäße und Darm lassen sich durch H 1

-Blocker vollkommen unterdrücken;

zurück bleibt aber eine vorher ver- deckte spasmolytische Wirkungs- komponente des Histamins, die erst durch zusätzliche H 2 -Blockade auf- gehoben wird. Man kann also hier von einer modulierenden Funktion

der H 2 -Rezeptoren auf die Wirkung der H 1 -Rezeptoren sprechen. Auch die Kapillarwirkung des Histamins wird durch H 1 -Blocker blockiert. Die Blutdrucksenkung wird durch H 1

-Blockade reduziert und erst durch zusätzliche H 2-Blockade aufgeho- ben. H 2-Blockade allein ist unwirk- sam. Somit ist am Blutdruck die Wir- kung der beiden Rezeptoren gleich- gerichtet, aber mit deutlicher Domi- nanz der H 1 -Rezeptoren.

Am Herzen dagegen dominieren H 2 -Effekte. Sie sind verantwortlich für die Erhöhung der Herzfrequenz und die Steigerung der Kammerkon- traktilität und haben offenbar auch eine ausschlaggebende Bedeutung für die Koronarerweiterung, da diese durch H 2-Blocker und nicht durch H 1 -Blocker gehemmt wird.

Histamin ist dank seiner leistungs- steigernden H 2 -Wirkung in der Lage, am toxisch (zum Beispiel mit Chini- din) gelähmten Herzen die Herz- funktion wiederherzustellen. Am Herz-Lungen-Präparat genügen hierzu Histamindosen, die 1 /100 der bronchospastisch wirksamen betra- gen, ein Hinweis auf eine mögliche physiologische Bedeutung dieser Histaminwirkung.

Sehr hohe Histamindosen schädi- gen das isolierte Herz durch Erzeu- gung von Leitungsstörungen. Dies ist aber ein H 1 -Effekt.

Offenbar überwiegen bei den toxi- schen Histaminwirkungen diejeni- gen, die an H 1 -Rezeptoren ausgelöst werden. In der Gesamttoxizität äu- ßert sich dies in der Steigerung der letalen Histamindosen durch H 1

-Blocker. Bei Meerschweinchen, bei denen dieser Effekt besonders aus- geprägt ist, kann die letale Dosis um das 80- bis 1600fache erhöht wer- den. Nur kommt es bei extrem ho- hen Histamindosen unter H 1 -Blok- kade zum Spättod infolge perforie- render Magenulzera, weil die Steige- rung der Magensekretion, ein H 2 -Ef- fekt des Histamins, unbeeinträchtigt bleibt.

2) AMP = Adenosinmonophosphat 3) GMP = Guanosinmonophosphat

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Wirkung der Antihistaminika auf anaphylaktische Reaktionen Im Gegensatz zu den Histaminwir- kungen werden die anaphylakti- schen Reaktionen des Meer- schweinchens wie auch die aller an- deren Spezies — mit der einzigen Ausnahme des akuten Schocks in vivo — durch H,-Blocker erstaunlich wenig beeinflußt, wenn spezifische Antihistamindosen verwendet wer- den. Das sind Dosen, die gerade ausreichen, um die Wirkung exogen zugeführten Histamins am gleichen Versuchsobjekt aufzuheben. Oft wurden zu hohe Dosen verwendet, weil man von der (unzutreffenden) Vorstellung ausging, daß endogen freigesetztes Histamin („intrinsic histamine") schlechter zu blockie- ren sei als exogenes.

Durch ein solches Vorgehen kom- men unspezifische (zum Beispiel spasmolytische) Wirkungen der An- tihistaminika auf histaminunab- hängige Komponenten der anaphy- laktischen Reaktionen ins Spiel, wo- durch die Grenzen zwischen hist- aminabhängigen und -unabhängi- gen Komponenten verwischt wer- den.

Die Wirkung spezifischer Dosen der H 1 -Blocker an der glatten Muskula- tur isolierter Organe (Lunge, Darm) besteht typischerweise nur in der Hemmung der anaphylaktischen In- itialphase und dadurch bedingter Verzögerung des Eintritts der Reak- tion, während die anschließende histaminunabhängige Phase zur vol- len Ausprägung gelangt.

Bei der lokalen kutanen Anaphylaxie sind H 1 -Blocker nur gegenüber Grenzdosen des Antigens deutlich wirksam. Praktisch ohne Einfluß sind H 1 -Blocker auf die anaphylakti- sche Blutdrucksenkung.

Am isolierten Herzen äußert sich die anaphylaktische Reaktion in einer kurzen initialen Aktivitätszunahme unter der Mitwirkung des freigesetz- ten Histamins und einer anschlie- ßenden anhaltenden Konstriktion der Koronargefäße, die zu Herz- insuffizienz und Blockerscheinun-

gen führt. Histamin ist hier nicht mehr beteiligt. H 1 - und H 2-Blocker sind unwirksam. Man kann sogar mit Histamin, als Infusion gegeben, dank seiner koronarerweiternden und herzstimulierenden Wirksam- keit diese Phase im Experiment un- terdrücken ebenso wie mit Noradre- nalin, Spasmolytika oder Dexame- thason.

Am Herz-Lungen-Präparat kommen zum Koronarspasmus als weitere Faktoren der Herzanaphylaxie der Pulmonalisspasmus und schließlich die Anoxämie als Folge des Bron- chospasmus in Betracht.

Pulmonalis- und Bronchospasmus sind an diesem Präparat ebensowe- nig wie an der isolierten Lunge durch H,-Blocker zu hemmen, wäh- rend die gleichartigen Histaminwir- kungen unterdrückt werden.

Auch der am intakten Tier durch in- travenöse Antigeninjektion ausgelö- ste Schock besitzt zwei unabhängi- ge Phasen. Normalerweise entwik- kelt sich nur die erste Phase, weil die Tiere wie nach einer Histamininjek- tion innerhalb 4 bis 5 Minuten am Bronchospasmus sterben. In diese Phase fällt ein steiler Anstieg und Wiederabfall des Histaminspiegels im Plasma. Wird aber der akute Schock unterdrückt, was mit H 1

-Blockern möglich ist, so tritt der so- genannte protahierte Schock in Er- scheinung mit Spättod nach meist eineinhalb bis zwei Stunden. Er re- präsentiert die histaminunabhängi- ge Schockphase und wird von Sym- ptomen eines kardiovaskulären Schocks auf der Basis von anaphy- laktischem Herzversagen, Gefäßläh- mung im großen Kreislauf und Kapil- larschädigung beherrscht.

Diese Symptomatik ähnelt mehr als der akute Schock den anaphy- laktischen Erscheinungen anderer Spezies und steht auch in Bezie- hung zur vaskulären Verlaufsform des menschlichen anaphylaktischen Schocks.

Eines Kommentars bedarf die auffal- lende Schutzwirkung der H 1 -Blocker auf die akute Schockphase, das

heißt auf den anaphylaktischen Bronchospasmus beim Meer- schweinchen in vivo; sie wider- spricht nämlich den Beobachtungen an der isolierten Lunge und am Herz-Lungen-Präparat. Man hat die Wirkung der H 1 -Blocker in vivo meist in dem Sinne gedeutet, daß am anaphylaktischen Bronchospas- mus des Meerschweinchens in vivo keine histaminunabhängigen Fakto- ren beteiligt seien, und damit einen Gegensatz zum bekanntlich auf H 1

-Blocker wenig ansprechenden menschlichen Asthma konstruiert.

In Wirklichkeit treten auch beim Meerschweinchen noch innerhalb der akuten Schockphase histamin- unabhängige Faktoren auf. Nur wird ihre Wirkung durch gleichzeitig aus der Nebenniere ausgeschüttetes Adrenalin unterdrückt.

Der Beweis hierfür liegt, abgesehen von dem gelungenen Nachweis ei- ner starken Adrenalinausschüttung, in der Beobachtung, daß an neben- nierenlosen oder mit ß-Blockern vorbehandelten Tieren ein anaphy- laktischer Bronchospasmus auszu- lösen ist, der absolut refraktär ge- genüber H 1 -Blockade ist.

Nach Untersuchungen an der iso- lierten Lunge oder am Herz-Lungen- Präparat wirken H 1 -Blocker und Adrenalin auf den anaphylaktischen Bronchospasmus und Pulmonalis- spasmus mit einem überadditiven Synergismus als Folge einer („ko- kainartigen") Sensibilisierung der Effektorzellen gegen Adrenalin durch H 1 -Blocker.

Dies ist eine für die kombinierte An- wendung von H 1 -Blockern und Kate- cholaminen in der Asthmatherapie nicht unwichtige Beobachtung.

Ein besseres Modell für das menschliche Asthma als das durch intravenöse Antigeninjektion ausge- löste Lungenemphysem ist das durch Antigeninhalation erzeugte Meerschweinchenasthma. Hier fehlt die starke Adrenalinausschüttung, und die histaminunabhängigen Fak- toren kommen zur vollen Entfaltung.

H 1 -Blocker unterdrücken infolge-

578 Heft 9 vom 1. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Antihistaminika

dessen die Entwicklung asthmati- scher Symptome nicht, sondern schieben nur bei kontinuierlicher Antigenbeatmung ihren Beginn hin- aus.

Kombination von Kr-Blockern mit H 2-Blockern?

Untersuchungen über die kombi- nierte Wirkung von H 1 - und H 2-Blok- kern auf anaphylaktische Reaktio- nen sind zu spärlich, um ein Urteil über den Wert einer solchen Thera- pie zu erlauben.

Von leichten Allergiefällen abgese- hen, ist der Anteil des Histamins am Gesamtgeschehen zu gering und die Dominanz der H 1 -Rezeptoren über die H 2-Rezeptoren in den toxischen Wirkungen des Histamins zu groß, als daß ein positiver Effekt der Kom- bination merkbar ins Gewicht fallen könnte. Zudem überwiegen ja bei den H 2-Rezeptoren eher günstige Effekte. Tatsächlich wurde in vitro die kutane Anaphylaxie des Meer- schweinchens durch H 2-Blocker (Burimamid) verstärkt, wie ange- nommen wird durch Hemmung des Histaminabbaus.

Beim Asthma müßte sich — theore- tisch — die Wirkung der H 2-Blocker wegen der Unterdrückung der spas- molytischen Histaminkomponente ungünstig auswirken, wenn auch diese Erwartung am Modell des Hundeasthmas nicht bestätigt wur- de.

Der kritische Punkt ist der anaphy- laktische Kreislaufschock, da an der Histaminkomponente des Blut- druckabfalls auch H2 - Rezeptoren beteiligt sind.

Bei der anaphylaktischen Hypoten- sion muß aber das primäre Ziel die Behandlung der ganz im Vorder- grund stehenden histaminunabhän- gigen Komponente mit Adrenalin und Glukokortikoiden sein. Dabei wird durch das Adrenalin auch die Histaminkomponente funktionell miterfaßt, und zwar in wirksamerer Weise als durch Antihistaminika. Für eine zusätzliche spezifische Anti-

histaminbehandlung reichen H 1 -Blocker aus, zumal ein Effekt in die- sem Falle weniger im spezifischen Antagonismus gegen Histamin als in der sensibilisierenden Wirkung für Adrenalin seine Ursache hat.

Anders liegt das Problem beim ana- phylaktoiden Schock. Dieser kommt durch sogenannte Histaminliberato- ren zustande, die nicht als Antigene durch Vermittlung der Reagine, son- dern direkt zur Histaminausschüt- tung aus der Mastzelle führen. Dazu gehören unter anderen auch Phar- maka, Röntgenkontrastmittel und Plasmaexpander. Letztere wirken meist speziesspezifisch.

Eine Reihe von Beobachtungen deutet darauf hin, daß die anaphy- laktoiden Reaktionen nicht unter Beteiligung der charakteristischen histaminunabhängigen Faktoren der Anaphylaxie verlaufen. Sie können daher mehr oder weniger als reine Histaminvergiftungen aufgefaßt werden, wenn man von möglichen Eigenwirkungen der Histaminlibera- toren absieht. So läßt sich zum Bei- spiel der Schock durch Anaphylato- xin, einen Histaminliberator für das Meerschweinchen, durch H 1 -Blok- ker hemmen, ohne daß es zu dem histaminunabhängigen protrahier- ten Schockverlauf wie im anaphy- laktischen Schock kommt.

Am Hund ließ sich der Bronchospas- mus nach Curare, einem typischen Histaminliberator auch für den Men- schen, im Gegensatz zum anaphy- laktischen Bronchospasmus durch H 1 -Blocker unterdrücken. Ebenfalls beim Hunde ließ sich die für diese Spezies spezifische hypotensive Re- aktion auf Kollidon (Periston®) ge- nauso wie der Histamineffekt durch H 1 -Blocker im Gegensatz zur ana- phylaktischen Hypotension (partiell) inhibieren.

Mit H 1 - und H 2 -Blockern in Kombi- nation konnten Lorenz den Haemac- cel®-Schock bei Hunden und Lorenz und Mitarbeiter „allergoide" und

„anaphylaktoide" Reaktionen bei menschlichen Probanden unter- drücken. Auch die bei Ratten durch Röntgenkontrastmittel ausgelöste

Blutdrucksenkung ließ sich durch kombinierte Anti-H 1 - und Anti-H 2- Behandlung voll aufheben. Obwohl H 1 -Blocker allein zur Hemmung der toxischen Histaminwirkungen in der Mehrzahl der Schockgewebe ausrei- chen würden, ist infolge der Beteili- gung von H 2 -Rezeptoren an der ana- phylaktoiden Hypotension die zu- sätzliche Anwendung von H 2-Blok- kern indiziert. Die Therapie mit Adrenalin und Glukokortikoiden, die bei dem anaphylaktischen Kreislauf- schock unumgänglich ist, erscheint kaum angebracht.

Zusammenfassung

Histamin nimmt unter den Mediato- ren der anaphylaktischen Soforttyp- allergie eine Sonderstellung ein.

Wegen der raschen Freisetzung und Elimination dominiert es in der Frühphase und ist durch spezifische Antagonisten blockierbar.

Bei rechtzeitiger Anwendung und bei leichteren Formen der Allergie entfalten die Histaminantagonisten ihre optimale Wirksamkeit, sind aber als unterstützende Mittel auch bei den schweren Formen angebracht.

Durch Sensibilisierung der Gewebe für Adrenalin wirken sie indirekt auch auf die histaminunabhängigen Komponenten der Allergie.

Die Antihistaminbehandlung der All- ergie sollte sich auf die klassischen Histamin-H 1 -Rezeptor-Antagonisten beschränken. Die H 2 -Rezeptor-Ant- agonisten sind nicht indiziert, da bei der toxischen Histaminwirkung die H 1 -Rezeptoren dominieren und H 2 -Rezeptoren eine Reihe er- wünschter Histaminwirkungen ver- mitteln.

Bei der Behandlung des anaphylak- tischen Kreislaufschocks steht die Ausschaltung der dominierenden histaminunabhängigen Schockfak- toren durch Adrenalin und Gluko- kortikoide im Vordergrund; Hist- aminwirkungen werden dadurch ebenfalls antagonistisch beeinflußt.

Antihistaminika (H 1 -Blocker) haben bestenfalls subsidiäre Wirkung durch einen gewissen permissiven

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Ganzkörperzähler

Der Ganzkörperzähler, Whole-body- counter, ist eine Meßanordnung zum Nachweis geringster Radioakti- vitätsmengen im menschlichen Kör- per.

Er wird bei der Strahlenschutzüber- wachung und für spezielle klinische Untersuchungen eingesetzt; dane- ben dient er wissenschaftlichen Zwecken in der biophysikalischen Forschung.

In einem sorgfältig abgeschirmten Meßraum geeigneter Größe, zum Beispiel mit den Abmessungen 2,30 m mal 1,50 m mal 2,00 m, sind um den auf einer Untersuchungsliege befindlichen Patienten Detektoren zum Nachweis der aus dem Gesamt- körper austretenden Gammastrah- len angeordnet.

Die von den Detektoren gelieferten Impulse werden in einer Elektronik oder einem Computer analysiert und erlauben bei geeigneter Auswertung Aussagen über Art und Menge der inkorporierten Radionuklide.

Entsprechend sind die wesentlichen Teile und Kennzeichen eines Ganz- körperzählers

• die Abschirmung des Meß- raumes,

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die Art der Strahlendetektoren,

• die Auswerteelektronik.

O Abschirmung

Die Abschirmung eines Ganzkörper- zählers ist von besonderer Bedeu- tung, da von ihr die Reduzierung des die Messung geringster Aktivitäts- mengen störenden Nulleffektes abhängt.

Die Reduktion des Nulleffektes ist erforderlich, da die im Ganzkörper- zähler nachzuweisenden Strah- lungsintensitäten im allgemeinen wesentlich unter dem natürlichen Strahlenpegel liegen. Der Nulleffekt

rührt von der Höhenstrahlung und der terrestrischen Umgebungsstrah- lung sowie von den in den Bau- und Abschirmmaterialien selbst vorkom- menden Radioisotopen her.

Aus diesem Grunde ist man be- strebt, für die Abschirmung mög- lichst Materialien aus dem „Vor- atomzeitalter" zu verwenden, die si- cher frei von künstlichen Radionu- kliden sind, zum Beispiel Stahlplat- ten von der Panzerung gesunkener Kriegsschiffe.

Ebenso werden möglichst älteres, relativ strahlungsarmes Blei und ra- dioaktivitätsarmer Quarzsand für Abschirmzwecke verwandt.

Durch sorgfältige Filterung des Luft- durchsatzes können Radon- und Thoron-Folgeprodukte zurückge- halten werden, wodurch eine zu- sätzliche Reduktion des Nulleffektes erreicht wird.

49 Detektoren

Die Detektoren der ersten Ganzkör- perzähler enthielten flüssiges Szin- tillator-Material in einem doppel- wandigen Hohlzylinder, in den der liegende Patient hineingeschoben wurde.

Die in der Szintillatorflüssigkeit durch die Gammastrahlen erzeugten Lichtblitze wurden durch Fotomul- tiplier in elektrische Spannungsim- pulse umgewandelt und anschlie- ßend von der Elektronik analysiert.

Der Vorteil dieser Detektor-Form mit flüssigen Szintillatoren ist die gute Meßgeometrie, da alle in beliebiger Richtung emittierten Gamm -aquan- ten vom Detektor erfaßt werden und dadurch eine sehr niedrige Nach- weisgrenze erreicht wird.

Ihr Nachteil ist das schlechte ener- getische Auflösungsvermögen, so daß die Energie der Gammastrahlen und damit die Art des Radionuklids nur schwierig festzustellen war.

Heute werden bei Ganzkörperzäh- lern im allgemeinen großvolumige Kristalle als Strahlungsdetektoren Effekt für Katecholamine. Dagegen

ist bei anaphylaktoiden Reaktionen durch Histaminliberatoren, bei de- nen Histamin der vorherrschende Faktor ist, eine Kombinationsthera- pie mit H 1 - und H 2-Rezeptorantago- nisten, vor allem im Hinblick auf den Kreislaufkollaps, durchaus in Be- tracht zu ziehen.

Literatur

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Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Fritz Hahn (Emeritierter Professor der Pharmakologie

an der Universität Freiburg i. Br.) Stollenweg 10

7801 Wittnau

580 Heft 9 vom 1. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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