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Archiv "Ambulanter Hospizdienst: „Lasst mich doch zu Hause sterben“" (03.10.2008)

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A2086 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 40⏐⏐3. Oktober 2008

T H E M E N D E R Z E I T

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enschen sagen zu müssen, dass ihnen medizinisch nicht mehr geholfen werden kann und dass sie nur noch eine sehr be- grenzte Lebenszeit haben, gehört zu den schwierigsten ärztlichen Auf- gaben. Noch schwerer kann es wer- den, die betroffenen Patienten bis in den Tod zu begleiten. Dennoch sind ambulante Hospizdienste auch bei Ärzten noch wenig bekannt. „Wir er- leben es immer wieder, dass die Pati- enten oder ihre Angehörigen erst sehr spät den Weg zu uns finden“, berichtet Marietta Fastabend vom Hospizverein Erftstadt e.V. „Wür- den wir früher eingeschaltet, so könnten wir oft viel mehr für die Menschen tun und die persönliche Begleitung in der letzten Lebenspha- se intensiver und besser gestalten.“

Die Betreuung durch einen am- bulanten Hospizdienst aber ist nach der Erfahrung von Dr. Stephan Mönninghoff (Lennestadt) nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für den behandelnden Haus-

arzt eine große Entlastung: „Ich muss sehr viel weniger Hausbesu- che bei unheilbar Kranken und ster- benden Patienten machen, werde deutlich seltener nachts gerufen und weiß doch, dass meine Patienten in enger Abstimmung mit mir auch in dieser schweren Lebensphase sehr gut versorgt sind“, erklärt der Pal- liativmediziner, der eng mit dem häuslichen Hospiz- und Palliativ- dienst der Caritasstation Lenne- stadt und Kirchhundem zusam- menarbeitet.

Dieser ist seit dem Jahr 2000 als Modelldienst im Land Nordrhein- Westfalen und seit 2006 als aner- kannter Hospiz- und Palliativdienst etabliert, wobei zum Team Lenne- stadt und Kirchhundem – anders als es sonst beim ambulanten Hospiz- dienst üblich ist – 16 hoch qualifi- zierte Fachkräfte aus Pflege, Sozial- arbeit und Theologie gehören.

„Die Zahl der ambulanten Hos- pizdienste ist in den vergangenen zwölf Jahren stetig gestiegen“,

sagt Benno Bolze, Geschäftsführer des Deutschen Hospiz- und Pallia- tivverbands e.V. (DHPV), der so- wohl die ambulanten als auch die teilstationären und stationären Hos- pize vertritt. Rund 1 450 ambulante Hospizdienste gibt es nach Angaben des gemeinnützigen Vereins, auf dessen Internetseite (www.hospiz.

net) über ein Postleitzahlen-Such- system regional nach entsprechen- den Einrichtungen gesucht werden kann.

Umfassende Betreuung

Der häusliche Hospizdienst kommt dem Wunsch der meisten Menschen entgegen: „Lasst mich doch zu Hau- se sterben“ – diese Bitte äußern vie- le Menschen im Angesicht des To- des. „Durch unser umfassendes Hilfsangebot können wir diese Bitte fast immer erfüllen“, so Thomas Ludwig, der den häuslichen Hos- pizdienst der Caritasstation in Len- nestadt leitet. Der Sozialarbeiter und Diplom-Religionspädagoge schildert das breite Angebot, mit dem unheilbar Kranke in der Sauer- landregion betreut werden: „Wir sorgen für eine umfassende pallia- tive Betreuung und arbeiten dabei sehr eng mit den Ärzten vor Ort, dem Ehrenamt und mit Seelsorgern aller Konfessionen zusammen.“

Welche Hilfe benötigt wird, hängt direkt von den Bedürfnissen des Sterbenden ab. Dieser wird in Lennestadt primär durch eine Pal- liativschwester und damit stets durch eine ausgebildete Fachkraft betreut. Sie umsorgt den Kranken und das – wenn möglich und ge- wünscht – in enger Zusammenarbeit mit dessen Angehörigen. Sie eruiert die Bedürfnisse und sorgt dafür, dass diese bestmöglich erfüllt wer- den. Dazu gehören pflegerische, aber auch psychosoziale Aufgaben.

AMBULANTER HOSPIZDIENST

„Lasst mich doch zu Hause sterben“

Wenn kurative Hilfe nicht mehr möglich ist, betreuen in der letzten Lebensphase ambulante Hospizdienste die Patienten sowie ihre Angehörigen und sorgen für eine persönliche Begleitung bis in den Tod.

Foto:Caritasstation Lennestadt-Kirchhundem

Mobile Betreuer:

Mitarbeiter des häuslichen Hospiz- und Palliativdienstes der Caritasstation Lennestadt und Kirchhundem

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 40⏐⏐3. Oktober 2008 A2087

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„Wir erstellen zum Beispiel in enger Absprache mit dem Kranken sein persönliches Schmerzproto- koll, überwachen die schmerzmedi- zinische Betreuung, und wir sorgen gegebenenfalls auch dafür, dass Kontakt zum Arzt aufgenommen wird, wenn beispielsweise die Schmerzmedikation an die sich än- dernden Bedürfnisse angepasst wer- den muss“, schildert Palliativ- schwester Marlene ihren Arbeitsall- tag in Lennestadt. Seit fast zehn Jah- ren betreut die examinierte Alten- pflegerin, die eine Zusatzausbil- dung in Palliativpflege absolviert hat, sterbende Menschen.

„Ich empfinde diese Arbeit als sehr erfüllend, weil ich direkt sehe, dass ich den Menschen helfen kann“, erzählt die Hospizschwester, zu deren Kernaufgaben die pallia- tiv-pflegerische Betreuung gehört, die in enger Absprache mit dem Arzt erfolgt. Darüber hinaus kümmern sich die Mitarbeiter des ambulanten Hospizdienstes in enger Vernetzung mit dem Ehrenamt um psychosozia- le Fragen und Nöte.

Nicht pflegerisch, sondern allge- mein den Betroffenen helfend, ar- beiten die Mitarbeiter im ambulan- ten Hospiz in Erftstadt: „Wir helfen bei Behördengängen, wenn ein An- trag auf Hilfsmittel zu stellen ist, oder wenn es darum geht, eine neue Verordnung oder Pflegeeinstufung zu bekommen. Wir begleiten die Pa- tienten zur Chemotherapie, wenn sie dies wünschen, und wir sind da, wenn sie über den Tod und das Ster- ben sprechen möchten und über ihre Ängste und Befürchtungen“, sagt Dorothee Ohrner, die ebenfalls als Koordinatorin im Hospizverein e.V.

Erftstadt tätig ist.

Offen für Gespräche über den Tod und das Sterben

Wie umfassend die Aufgaben sind, weiß Marietta Fastabend, die den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer in Erftstadt koordiniert: „Wir versu- chen, eine Art Netz für den Patien- ten und seine Angehörigen zu span- nen, das sie auffängt, wenn sie Hilfe brauchen.“ Der Kontakt zum behan- delnden Arzt, das Vermitteln von Palliativstationen, wenn der Patient trotz aller Bemühungen doch nicht

zu Hause verbleiben kann, und im- mer wieder das einfache „Da-Sein“, wenn es um die Auseinandersetzung mit dem bevorstehenden Tod geht oder darum, loszulassen und viel- leicht noch Dinge oder Aussöhnun- gen zu erledigen, die dem Sterben- den wichtig sind – das alles gehört zu den Aufgaben, die der häusliche Hospizdienst übernimmt.

Sterbebegleitung ist für die Hos- pizmitarbeiter eine Selbstverständ- lichkeit, viele von ihnen sind zugleich als Trauerbegleiter ausgebildet und kümmern sich nach dem Tod auch um die Hinterbliebenen. „Wie das Sterben und der Tod, so sind auch die Trauer und das Abschiednehmen weitgehend aus dem öffentlichen und auch aus dem persönlichen Bewusst- sein ausgegrenzt“, erklärt die ehren- amtliche Hospizmitarbeiterin und Trauerbegleiterin Maria Herwartz aus Erftstadt.

Ihrer Erfahrung nach wissen auch viele Ärzte nicht, mit den Nöten der Angehörigen und den sich mög- licherweise daraus ergebenden ge- sundheitlichen Störungen umzuge- hen. Und auch in solchen Fällen ver- steht sich der ambulante Hospiz- dienst, der oft auch ein Trauercafé unterhält, als Ansprechpartner.

Im Idealfall arbeitet die Einrich- tung wie in Lennestadt in direkter Nachbarschaft und enger Koopera- tion mit einem stationären Hospiz und einem Krankenhaus sowie einer Palliativstation zusammen. „Solche idealen Voraussetzungen sind aber leider nicht überall gegeben“, sagt Pflegedienstleiterin Edith Kapitza.

Was der Patient tatsächlich braucht, ist individuell ganz unter- schiedlich: „Es gibt nicht wenige Menschen, die über ihre Ängste und über das bevorstehende Sterben mit ihren Angehörigen sprechen wollen, dies aber aus der hohen emotionalen Betroffenheit heraus nicht allein schaffen. Auch dann stehen wir hel- fend zur Seite, und es ist oft sehr entlastend für alle Betroffenen, wenn ein Außenstehender einfach nur da ist“, so Dorothee Ohrner.

Selbstverständlich stehen in der Begleitung Sterbender immer wie- der auch spirituelle Fragen an. „Un- sere Mitarbeiter sind offen für sol- che Fragen und darin geschult, sich

auf Sinnfragen und auf Gottesbilder einzulassen, und das gilt für alle reli- giösen Anschauungen“, erklärt Tho- mas Ludwig und macht gleich deut- lich, dass Offenheit gegenüber un- terschiedlichen Weltanschauungen und Religionen für ihn kein Schlag- wort ist: „Wir haben kürzlich die Möglichkeiten unseres häuslichen Hospizdienstes sogar in der hiesi- gen Moschee vorgestellt.“

Ärzte sollten die Adresse ihren Patienten geben

Dass es Hilfsmöglichkeiten wie den häuslichen Hospizdienst gibt, spricht sich dennoch nur zögerlich herum. „Die Betreuungsmöglich- keiten sind noch viel zu wenig be- kannt“, meint Marietta Fastabend.

Wir würden uns wünschen, dass alle Ärzte in der Region unsere Adresse auf ihrem Schreibtisch liegen haben und sie im Bedarfsfall an die Patien- ten weitergeben.“

Dies geschieht allerdings immer häufiger, denn es gibt zunehmend auch jene Patienten, die sich relativ rasch, nachdem sie erfahren haben, dass sie unheilbar krank sind, an den Hospizverein wenden. „Einige Pa- tienten kommen frühzeitig und fra- gen gezielt, was nun zu regeln ist, und was getan werden kann, um in Ruhe zu Hause sterben zu können, und sie besprechen genau mit uns, wie sie sich ihre letzte Lebensphase vorstellen und welche Begleitung sie wünschen“, berichtet Fastabend.

Ihrer Ansicht nach hat das auch damit zu tun, dass in unserer Gesell- schaft immer mehr Menschen allein leben. „Diese Menschen brauchen umfassende Hilfe bis hin zur Rund- umbetreuung, wenn sie unheilbar krank werden und wenn sie zu Hau- se sterben wollen“, sagt Ohrner.

Ihnen diesen letzten Willen zu er- füllen, für sie da zu sein und damit den Betroffenen, den Angehörigen und den behandelnden Ärzten Ent- lastung zu bieten, so verstehen die Mitarbeiter in den häuslichen Hos- pizen ihre Aufgabe. I Christine Vetter

Weiterführende Informationen:

Deutscher Hospiz- und Palliativverband e.V.

Aachener Straße 5, 10713 Berlin Telefon: 0 30/8 32 22 38 93 E-Mail: dhpv@hospiz.net Internet: www.hospiz.net

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