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Archiv "„Kinder wollen zu Hause sterben„" (17.10.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DIE REPORTAGE

"Kinder wollen zu Hause sterben"

D

ie Bad Godesberger Stadthal- le wimmelt von Menschen.

Von allen Seiten strömen noch mehr heran, die zur Podi- umsdiskussion zum Thema „Kin- derkrebs — die Situation krebs- kranker Kinder in der Bundesre- publik" wollen. Anlaß der Veran- staltung, die Petra Kelly, Bundes- tagsabgeordnete der Grünen, or- ganisiert hat, ist die zum Teil kata- strophale Versorgung junger

Krebspatienten in der Bundesre- publik, bedingt durch den Ärzte- und Personalmangel in Kliniken.

Petra Kelly hat, was nur wenige wis- sen, 1973 die „Grace-P.-Kelly-Ver- einigung zur Unterstützung der Krebsforschung für Kinder e. V."

gegründet. Die Gründung war eine Reaktion auf den Tod ihrer elfjähri- gen Schwester Grace, die an einem Augen-Sarkom starb.

Im Foyer sind Bücher- und Infor- mationstische aufgebaut. Beson- ders voll ist es dort, wo die Bücher von Elisabeth Kübler-Ross liegen, die eingeladen ist und im Podium mitdiskutieren soll. Dr. Kübler- Ross hat sich weltweit einen Na- men als Sterbeforscherin ge- macht. Begeisterung für diese Frau liegt in der Luft. Ganz sicher ist Frau Kübler-Ross ein Grund gewesen zu kommen, wenn nicht der Grund. Eine Frau sagt nach- denklich: „Bestimmt würden viele Leute hier eine Menge darum ge- ben, mal eine halbe Stunde allein mit ihr zu sprechen."

Im Podium sitzen außer Petra Kel- ly und Dr. Franz Alt zwei Vertreter von Elterngruppen. Inzwischen haben sich im ganzen Bundesge- biet Eltern krebskranker Kinder zu 25 Initiativen zusammengeschlos- sen. Podiumsteilnehmer sind ebenso Ministerialdirigenten und zwei Ärzte. Wer also auf einen Vortrag von Elisabeth Kübler-

Ross gehofft hat, wird enttäuscht.

Mancher hat darauf gehofft. Fra- gen, die völlig den Rahmen der Veranstaltung sprengen, wie

„Gibt es ein Leben nach dem Tod?", werden direkt an Dr. Küb-

ler-Ross gerichtet. Viele, die zum Mikrofon in der Saalmitte gehen,

erzählen von sich; Mütter, die Kin- der durch Krebs verloren haben, Krankenschwestern, die auf der Intensivstation mit Sterbenden umgehen. Sie wollen über Emo- tionen sprechen, über Wut, Schmerz, Trauer, Überlastung — und viele wollen eine Antwort von Dr. Kübler-Ross. Das beweist schon der Beifall, den die Sterbe- forscherin bekommt, als sie den aufeinanderfolgenden Eingangs- statements entgegenhält, viele Zuhörer seien wohl wegen des

„Menschlichen" gekommen.

Das „Menschliche", das sie an- spricht, ist nicht von der politi- schen Dimension des Themas zu trennen. Letztendlich, das zeigen die Publikumsmeinungen und auch die Einschätzungen der bei- den Ärzte, wird durch den Ärzte- und Personalmangel an den onko- logischen Kinderkliniken die Bela- stung der Eltern und des medizini- schen Personals noch erhöht. El- ternvertreter berichten, daß Eltern inzwischen dazu übergegangen seien, Planstellen für Ärzte und Therapeuten selbst zu finanzie- ren. Prof. Dr. Schellong, Direktor der Universitäts-Kinderklinik Mün- ster, schildert den Hintergrund der heutigen Situation: In der Bundesrepublik werden, so Dr.

Schellong, drei Viertel aller krebs- kranken Kinder in rund 20 Klini- ken behandelt. So konzentriere sich die Versorgung vor allem auf Universitätskliniken. Da sich die pädiatrische Onkologie aber erst in den 70er Jahren zu einem Spe- zialgebiet entwickelt habe, erklärt Dr. Schellong, sei sie im sowieso veralteten Personalschlüssel der Kliniken nicht gesondert berück- sichtigt.

Per Gesetz, das erläutern die Mi- nisterialdirigenten (Dr. Friedrich Besch, Ministerium für Wissen- schaft und Forschung in Nord- rhein-Westfalen; Dr. Klaus Achen- bach, Bundesministerium für Ar- beit und Sozialordnung), seien die

Länder für die Universitäten und diese für die Universitätskliniken zuständig. Die Universitäten ent- schieden aber eigenständig über alle Stellenbesetzungen. Über die Auswirkungen der Personalein- sparungen hilft mancherorts gera- de ein Bundesförderungspro- gramm hinweg, das zehn Univer- sitätskliniken für die onkologische Pädiatrie je eine Arzt- und zwei Schwesternstellen bis Ende die- ses Jahres sichert.

Die finanzielle Zurückhaltung der Bundesregierung ist umstritten.

Die Freiheit von Forschung und Lehre sei eine vorgeschobene Be- hauptung, wurde argumentiert.

Denn die Universitätskliniken hät- ten schon längst die Versorgung der Bevölkerung und damit staat- liche Aufgaben übernommen.

Was das alles für betroffene Eltern heißt, schildern sie selbst deut- lich: Mithilfe im Krankenhaus, um überlasteten Schwestern zu hel- fen, Vernachlässigung der rest- lichen Familie, besonders der Ge- schwister. An einem Abend wird die erschreckende Fülle der Bela- stungen deutlich, denen Betroffe- ne ausgesetzt sind. So verweist Dr. Kübler-Ross auf ihr Konzept der Laiengruppe. Danach soll ei- ne vorbereitete „Armee von Frei- willigen" Familien mit krebskran- ken Kindern helfen, sowohl bei der Hausarbeit als auch bei der Bewältigung der psychischen Pro- bleme. Auf ihre Behauptung,

„Kinder wollen auch lieber zu Hause sterben", reagiert, den Trä- nen nahe, eine Krankenschwe- ster, die ihr erbost entgegenhält, daß viele in der Klinik blieben, weil sie sich Hilfe versprächen, auch von völlig beanspruchten Schwestern. Genauso hart ant- wortet ein Vater, als eine Frau sich für die Laiengruppen und gegen ständige Aufenthalte im Kranken- haus einsetzt: „Haben Sie ein krebskrankes Kind? Wissen Sie, was Sie da sagen?" Sabine Dauth 3046 (22) Heft 42 vom 17. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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