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Archiv "Gesundheitsversorgung in Finnland: Staat mit einem Schuß privat" (07.04.1995)

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THEMEN DER ZEIT BERICHTE/BLICK INS AUSLAND

D

ie Gesundheitsversorgung durch die öffentliche Hand hat in Finnland eine lange Traditi- on. Öffentliche Hebam- meneinrichtungen entstanden bereits im 18. Jahrhundert; gegen Ende des 19. Jahrhunderts traten Ärzte in den Dienst von Gemeinden. Eine lan- desumfassende Organisation der me- dizinischen Grundversorgung ließ aber noch lange auf sich warten (1).

Dies liegt mitunter daran, daß Finn- land ein Land mit extrem geringer Be- völkerungsdichte und großen infra- strukturellen Unterschieden ist.

In den 40er Jahren wurden die Gemeinden zum Angebot von Schwangerschafts- und Mutterschafts- beratung verpflichtet. In den 50er und 60er Jahren entstanden landesweit Krankenhäuser (1, 2). Gleichzeitig wurde die Zahl medizinischer Studien- plätze erhöht, drei neue medizinische Fakultäten wurden gegründet sowie finnische Medizinstudenten im Aus- land ausgebildet. Noch Ende der 60er Jahre stand für 1 100 Einwohner ein Arzt zur Verfügung. Die öffentliche Hand verteilte 90 Prozent der Gesund- heitsausgaben an Fachkrankenhäuser, nur zehn Prozent standen der Grund- versorgung zur Verfügung (1). Die Arzthonorare wurden ohne feste Re- gelung vom Patienten direkt entrichtet.

Aufgrund der unzulänglichen Ba- sisversorgung und rasant steigender Kosten ohne hinreichende Effizienz wurde das Gesundheitswesen 1972 grundlegend reformiert. Das neue

„Volksgesundheitsgesetz" brachte ei- ne entscheidende Wende mit einem klaren Schwerpunkt auf der Grund- versorgung. Jede Gemeinde wurde zur Einrichtung einer Gesundheits- zentrale (GZ) verpflichtet, kleinen Gemeinden erlaubte man den Zusam- menschluß zu Verbänden.

Die Pflichten der GZ wurden im Detail festgelegt. Einen Teil der Ver- sorgung hatte die Gemeinde selbst zu finanzieren, vom Staat erhielt sie auf- grund eines von ihr erstellten Bedarfs- planes eine Unterstützung von 39 bis 70 Prozent, abhängig von den finanzi- ellen Möglichkeiten der Gemeinde (3). Auf diese Weise sollten die struk- turschwachen Gebiete des Nordens und Ostens stärker unterstützt wer- den. Der Anteil der Grundversorgung an den Ausgaben der öffentlichen Hand stieg von zehn auf 40 Prozent.

Der Anteil der Ausgaben am Brutto- sozialprodukt für den Bereich Ge- sundheit lag 1991 mit neun Prozent im Spitzenfeld der europäischen Staaten.

Die Arztdichte erhöhte sich auf einen Arzt pro 400 Einwohner (1, 4). Bemer- kenswert ist die drastische Verringe- hang wies Fuchs auf die jetzt gegründe-

te „Zentralstelle der deutschen Ärzte- schaft zur Qualitätssicherung in der Medizin" hin. Diese gemeinsame, pa- ritätisch besetzte Einrichtung von BÄK und KBV soll bei der Sicherstel- lung eines hohen medizinischen Ver- sorgungsniveaus für die Bevölkerung mitwirken.

Die Festlegung von Standards sei dann problematisch, wenn sie starr be- folgt werden sollten, erklärte Dr. Kar- sten Vilmar, der Präsident der Bundes- ärztekammer. Der Arzt müsse abwei- chen können: „Das ist Therapiefrei- heit." Allerdings, schränkte Vilmar ein, das Abweichen müsse begründet sein, denn „Therapiefreiheit sollte nicht mit Narrenfreiheit verwechselt werden" Vilmar machte auf einen we- sentlichen Unterschied zwischen am- bulanter und stationärer Versorgung aufmerksam. Im Krankenhaus seien umschriebene Krankheitsbilder häu- fig, während der Arzt in der ambulan- ten Versorgung oft mit diffusen Be- schwerden konfrontiert sei. Solche ent- zögen sich der Standardisierung.

Standards beziehen sich auch auf Organisationsabläufe in der Medizin wie im Gesundheitswesen allgemein.

Darauf machte der Unterriehmensbe- rater J. A. Bijkerk, Herdecke, auf- merksam. In diesem Sinne mag denn auch der von Kassen und Politikern gern vorgebrachte und von Prof. Dr.

Klaus-Dirk Henke (Hannover) in Mainz wiederholte Hinweis zutreffen, daß im Gesundheitswesen noch Ratio- nalisierungsreserven mobilisiert wer- den könnten.

Insgesamt, das ergab das Mainzer Symposium, ist die Bereitschaft, Stan- dards zu entwickeln, weithin vorhan- den, wenn sich auch zeigt, je mehr ins Detail gestiegen wird, wie kompliziert es ist, solche zu entwickeln, so daß ein Teilnehmer (Dr. Rudolf Grupp vom Bundesgesundheitsministerium) resü- mieren konnte, daß „wir noch weit da- von entfernt sind, das medizinische Handeln in Standards und Regeln zu fassen". Grupp hält das politisch für nachteilig. Die Therapiefreiheit sei heute nämlich nicht bedroht durch me- dizinische Standards; im Gegenteil, erst deren Fehlen habe zum Eindrin- gen ökonomischer Standards ins Ge- sundheitswesen geführt.

Gisela Klinkhammer/NJ

Gesundheitsversorgung in Finnland

Staat mit

einem Schuß privat

Bodo Wagner

Mit dem Beitritt Finnlands zur Europäischen Union am 1. Januar 1995 wurde die Gemeinschaft um einen Partner bereichert, der nach bewegter Geschichte zwi- schen den ehemaligen Machtblöcken eigene Erfahrungen einbringen kann. Im Bereich der medizinischen Versorgung hat sich in Finnland ein staatliches Ge- sundheitssystem entwickelt, welches gemessen an den außergewöhnlichen Be- dingungen des ehemaligen politischen Inselstaates vor allem in den Bereichen Schwangerschafts-, Mutterschafts- und Kinderbetreuung vorbildlich und weit über seine Grenzen hinaus bekannt ist. Der Beitritt zur Europäischen Union bringt für Finnland vor allen Dingen Umstrukturierungen im Bereich medizinischer Ausbildung und Standardisierungen im Bereich medizinischer Einrichtungen.

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 14, 7. April 1995 (31) A-1005

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Abbildung 1: Gruppenpraxis in Finnlands Hauptstad Helsinki, eine von über 100

im ganzen Land Foto: dna

THEMEN DER ZEIT

rung der vorher reichlich praktizierten Hausbesuche. Grundgedanke war die Versorgung in der „Zentrale" zur Ver- meidung langer Anfahrtswege für den Arzt. Die Einführung der GZ führte so zu einer allmählichen Schwächung der persönlichen Arzt-Patientenbezie- hung. Es war keine Seltenheit, daß ein Patient im Laufe eines Jahres von zehn verschiedenen Ärzten betreut wurde, auf die Arztwahl hatte er so gut wie keinen Einfluß An einigen Gesund- heitszentralen wurden daher seit Be- ginn der 80er Jahre „Eigenarztsyste- me" geschaffen. Ein Versuch an zehn Zentralen brachte positive Ergebnis- se. In einigen Gemeinden ist der

„Hausarzt" heute wieder fester Be- standteil der Grundversorgung (5, 6) und für die Zukunft landesweit ge- plant. Mit einer weiteren Reform An- fang 1993 verlagerte der Staat die Fi- nanzierung der Gesundheitsversor- gung stärker in die Gemeinden (7).

Zweigleisige Hierarchie

Die Verantwortung für den Be- reich Gesundheit liegt beim Ministeri- um für Soziales und Gesundheit. Ihm unterstellt ist die Sozial- und Gesund- heitsverwaltung. Das Land ist in zwölf Verwaltungsbezirke aufgeteilt, deren Sozial- und Gesundheitsabteilung ist der entsprechenden Verwal-

tung der Gemeinde oder des Verbandes vorgesetzt. Auf allen Stufen erfolgt die Pla- nung nach einem Fünf-Jah- res-Entwurf, der jährlich überarbeitet wird. Die Ver- antwortung für die Grund- und Krankenhausversor- gung liegt bei den Gemein- den (1, 8). Ein Pflichtversi- cherungssystem gibt es nicht, die Gesundheitsver- sorgung wird über die Steuereinnahmen finanziert.

Den etwa 460 finni- schen Gemeinden stehen rund 230 Gesundheitszen- tralen zur Verfügung, 110 entstanden aus Gemeinde- zusammenschluß. Die Kran- kenhäuser sind auf 21 Kran- kenversorgungskreise auf- geteilt (siehe Abbildung 2).

In jedem Gebiet gibt es ein

BLICK INS AUSLAND

Zentralkrankenhaus, in dem die wich- tigsten Fachdisziplinen vertreten sind.

Die fünf Universitätskliniken verfü- gen über zusätzliche Einrichtungen und Personal, hier gibt es weitere Spe- zialabteilungen (Neurochirurgie, Ge- fäßchirurgie und so weiter). Manche Gebiete verfügen noch über Kreis- krankenhäuser, die in der Hierarchie zwischen GZ und Zentralkranken- haus geschaltet sein können.

Im öffentlichen System gelangt der Patient grundsätzlich nur nach Überweisung durch den GZ-Arzt in das Krankenhaus. Somit übernimmt die Gemeinde für ihre Einwohner die entstehenden Kosten gegebenen- falls sogar bis zur Behandlung in der Universitätsklinik. Die drastischen Sparmaßnahmen seit Anfang der 90er Jahre haben allerdings dazu ge- führt, daß gebietsfremde Patienten in der GZ und auch im Krankenhaus nur in akuten Situationen behandelt werden.

Durch Überlastung der Kranken- häuser kann es bei nicht eiligen Kon- sultationen unter Umständen äußerst lange dauern, bis der Patient zu weite- ren Untersuchungen oder Eingriffen ins Krankenhaus bestellt wird. Die Warteliste zu Hernien- oder Varizen- operationen im Krankenhaus können bis zu zwei Jahre betragen. Im Falle von Adenotomien bei Kindern zum

Beispiel hat sich dies als äußerst pro- blematisch erwiesen.

In Finnland ist die ärztliche Sprechstunde inklusive weiterer Dia- gnostik und therapeutischer Eingriffe auf dem öffentlichen Sektor für den Patienten grundsätzlich kostenlos. Die meisten Gemeinden erheben jedoch seit einigen Jahren für die ambulante Versorgung einen Pauschalbetrag von rund 18 bis 50 DM jährlich. Für die ambulante Versorgung im Kranken- haus wird ein Eigenanteil von etwa 30 DM erhoben. Ebenso hoch ist der täg- liche Eigenanteil für stationären Auf- enthalt. Für ärztlich verschriebene Medikamente bezahlt der Patient grundsätzlich 18 DM sowie 50 Prozent des Medikamentenpreises. Aufgrund von ärztlich ausgestellten Bescheini- gungen kann bei bestimmten Erkran- kungen (zum Beispiel Diabetes melli- tus, Hypertonie) der Eigenanteil auf 9 DM und 25 Prozent reduziert oder völlig aufgehoben werden (9).

Die Kostenerstattung für den ver- bleibenden Betrag erfolgt durch den staatlichen Sozialversicherungsträger (KELA). Sie übernimmt, abgesehen von einem geringen Eigenanteil des Patienten, auch die Erstattung der Fahrtkosten im Zusammenhang mit medizinischer Versorgung und zahlt Unterstützungsgelder bei bestimmten Erkrankungen sowie Beihilfen zur Re-

habilitation (10).

Neben dem landesweit garantierten öffentlichen Gesundheitssystem hat sich besonders seit den späten 80er Jahren der private Sek- tor ausgebreitet. Der Anteil hauptberuflich selbständi- ger Ärzte liegt bei sieben Prozent (2). Etwa ein Drittel der im öffentlichen System beschäftigten Ärzte hält ei- nige Stunden wöchentlich private Sprechstunde ab (1).

Eine Überweisung vom pri- vaten Sektor in eine öffentli- che Fachklinik ist möglich und verkürzt dort in aller Regel Wartezeiten. In den letzten Jahren sind in eini- gen Großstädten zuneh- mend private Krankenhäu- ser entstanden. Für private Arztbesuche werden dem Patienten etwa 60 Prozent A-1006 (32) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 14, 7. April 1995

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Helsinki

Abbildung 2: Krankenversorgungskreise und Univer- sitätskliniken, nach (2)

THEMEN DER ZEIT

der nach einem berechnetem Mittelta- rif angenommenen Kosten durch die KELA erstattet. Auch gibt es die Möglichkeit zur privaten Versiche- rung, doch ist nur ein geringer Teil der Bevölkerung privat krankenversi- chert. Nur elf Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen werden von pri- vaten Versicherern bezahlt (1).

Das Beispiel der GZ Nurmes

Den Kern der medizinischen Grundversorgung bildet die GZ. Nach dem Volksgesundheitsgesetz von 1972 sind die durch die Gemeinden anzu- bietenden Dienste vorgeschrieben (3).

In aller Regel sind die Funktionen räumlich zusammengefaßt. Bezüglich des Umfangs der einzelnen Leistun- gen vor allem bei der Krankenversor- gung unterscheiden sich die GZ. In ab- gelegenen Gebieten sind sie aus prak- tischen und wirtschaftlichen Gründen auf weitgehende Selbständigkeit ange- wiesen. Am Beispiel der Gesundheits- zentrale Nurmes wird die Grundver- sorgung dargestellt.

Nurmes ist eine Stadt in Nordka- relien und hat 11000 Einwohner. Die nächste Klinik ist das 140 km entfernt gelegene Zentralkrankenhaus in Joen- suu. Mit dem kleinen Nachbardorf Valtimo besteht seit Jahren ein Ge- meindeverband. Valtimo verfügt über eine Gesundheitsstation, in der Bera- tungsdienste sowie Basisversorgung angeboten werden. Die Dienste der Gesundheitszentrale gliedern sich in

„Gesundheitspflege und Vorsorge"

sowie „Krankenversorgung".

In den einzelnen Bereichen der

„Gesundheitspflege und Vorsorge"

sind speziell ausgebildete Pflegekräfte tätig, hier gibt es auch Arztsprechstun- den. In der Schwangerschaftsvorsorge zum Beispiel sind im Verlauf der Schwangerschaft etwa 16 Kontakte vorgesehen. Es finden Beratungsge- spräche, Grunduntersuchungen sowie Ultraschalluntersuchungen statt. 95 Prozent der Schwangeren nehmen an den Untersuchungen bereits vor dem vierten Schwangerschaftsmonat teil.

Bei akuten Problemen kann die Schwangere jederzeit Kontakt mit der GZ aufnehmen. Gegen Ende der Schwangerschaft kann sich die wer-

BLICK INS AUSLAND

dende Mutter direkt an die Schwange- renambulanz im Krankenhaus wen- den. 99 Prozent der Geburten finden im Krankenhaus statt (1).

Die „Krankenversorgung" um- faßt Akutversorgung, Vereinbarungs- sprechstunde und Bettenstation. Zu- sätzlich steht im Verantwortungsbe-

reich der GZ-Ärzte die Mitbetreuung des Altenheimes und eingeschränkt auch die Abhaltung von Hausbesu- chen. Außerdem wirken sie beratend mit bei der A-Klinik und der Einrich- tung zur Betreuung psychisch Kran- ker. Die Verteilung der Ärzte erfolgt nach Wochendienstplan.

An diagnostischen Möglichkeiten sind eine Röntgenstation sowie ein kli- nisch-chemisches Labor vorhanden.

Die moderne Ausrüstung erlaubt alle gängigen Routineaufnahmen Im be- grenzten Rahmen werden auch Kon- trastaufnahmen angefertigt. Es steht ein Ultraschallgerät mit Schallköpfen für Abdomen-, Weichteil- und gynä- kologische Sonographie zur Verfü-

gung. Ein Radiologe ist nicht vorhan- den. Im Labor werden alle wichtigen Routineuntersuchungen durchge- führt, wie zum Beispiel Blutbild, CRP, BSG, Enzymbestimmungen, Aus- scheidungsparameter und Urinunter- suchung. Zu Spezialuntersuchungen werden Proben an das Zentralkran- kenhaus oder private Labors weiterge- leitet.

Zum Notdienst ist werktags sowie an Wochenenden von Freitag bis Mon- tag ein Arzt ständig in der GZ anwe- send. Er ist in der Akut-Ambulanz tätig und auch für die Bettenstation verantwortlich. Es sind ständig zwei Krankenwagenfahrer im Dienst, wo- bei nachts einer in Rufbereitschaft zu- hause ist. Der Dienstarzt rückt nur sel- ten, in der Regel auf Anforderung der Alarmierungszentrale aus. Für den Transport ins Zentralkrankenhaus in weniger eiligen Fällen steht der Kran- kentransportwagen (KTW) eines ört- lichen Privatunternehmers zur Verfü- gung. Über die Notwendigkeit pflege- rischer oder ärztlicher Begleitung ent- scheidet der Dienstarzt.

Vielseitige Tätigkeit

In der Gesundheitszentrale sind in aller Regel Allgemeinärzte tätig, ein Teil von ihnen besitzt eine Facharzt- qualifikation. Die Grundwochenar- beitszeit beträgt 37 Stunden, zuzüglich Dienste. In Nurmes sind derzeit acht Arztstellen besetzt, je nach Größe des Einzugsgebietes können die Zahlen jedoch erheblich schwanken.

Die Tätigkeiten des GZ-Arztes sind äußerst vielseitig. Außer den di- versen Sprechstunden in der Beratung und Betreuung werden zahlreiche dia- gnostische und therapeutische Eingrif- fe durchgeführt. Da gerade in Not- dienstzeiten weder Labor noch Rönt- gen zur Verfügung stehen, kommt der klinischen Untersuchung eine bedeu- tende Rolle zu. Ein fester Bestandteil des Systems ist die ständige Möglich- keit der telefonischen Konsultation mit dem diensthabenden Facharzt des nächsten Krankenhauses. Da der GZ nur zwei KTW zur Verfügung stehen (zusätzlich ein Wagen als Reserve bei der Feuerwehr), wird die Indikation zu deren Einsatz zum Krankentrans- port ins Krankenhaus verständlicher- Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 14, 7. April 1995 (37) A-1007

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THEMEN DER ZEIT

weise streng gestellt.Die GZ verfügt über einen Operationssaal. Da kein Narkosegerät vorhanden ist, sind die Anästhesieverfahren auf Regio- nalanästhesie und Kurznarkosen be- schränkt. Der umfangreich in Chirur- gie ausgebildete Chefarzt der GZ führt in mehrwöchentlichen Abstän- den tageweise Operationen durch, vor allem Varizen- und Leistenhernien- operationen. Regelmäßig besucht ein erfahrener Chirurg die GZ. Er gibt die Möglichkeit zu Konsultationen, führt endoskopische Untersuchungen durch sowie elektive operative Eingriffe. In mehrwöchentlichem Abstand führen Fachärzte weiterer Disziplinen (Ra- diologie, Gynäkologie, Neurologie) einen Tag lang Konsultationen im Hause durch.

Neues Problem:

Arztearbeitslosigkeit

Problematisch ist die Zusammen- arbeit zwischen den Gesundheitszen- tralen und den Krankenhäusern. In den vergangenen Jahren hat der Trend bei den Krankenhäusern zugenom- men, überzählige Bettenkapazitäten durch unnötig lange Verweilzeiten in der Klinik auf Kosten der Gemeinden auszugleichen. Aufgrund der finanzi- ellen Not der Gemeinden sind lange Wege zum Facharzt in der Klinik heu-

Sieg der Sozialdemokraten

Die Finnen haben am 19. März ei- nen neuen Reichstag gewählt. Mit 28,2 Prozent der Stimmen konnten die oppositionellen Sozialdemokraten mit ihrem Präsidentschaftskandidaten Paavo Lipponen einen eindeutigen Sieg erringen. Die konservative Zen- trumspartei, die bislang mit der Ver- sammlungspartei die Regierung bil- det, erlitt mit 19,9 Prozent erhebliche Einbußen.

Die Verhandlungen über eine neue Regierungsbildung werden vor- aussichtlich erst Ende April abge- schlossen sein. Die Sozialdemokraten sollen acht der 16 Ministerposten er- halten. Unter anderem erheben sie Anspruch auf den Posten des Gesund- heits- und Sozialministers, der in Finnland in der Regel von einem Arzt besetzt wird. Sp

BLICK INS AUSLAND

te daher nicht nur räumlich zu verste- hen. Die Entscheidung über die Über- weisung in die Fachklinik verlangt vom bei der Gemeinde angestellten Arzt ein feines Gespür für seine Gren- zen. Durch das steigende Anspruchs- denken der Patienten und deren ver- stärkte rechtliche Position (11) gerät der Arzt zusätzlich unter Druck.

Ohne Zweifel ist das Freizeitbe- wußtsein besonders der jungen finni- schen Ärzte stärker ausgeprägt als das der Kollegen in der Bundesrepublik.

Abgesehen von Diensten werden die Wochenendarbeitszeiten von 37 Stun- den nur selten überschritten. Nur we- nige Ärzte arbeiten unentgeltlich. Das progressive Steuersystem motiviert nicht zur Mehrarbeit. Wegen der häu- figen und langen Freizeitausgleiche ist die Beschäftigung von kurz- und lang- fristigen Vertretern unabdingbar.

Nicht zuletzt ist dies der Grund dafür, daß Patienten mit ständig wechseln- den Ärzten konfrontiert werden.

Auch das neue „Eigenarzt-System"

vermag diesen Sachverhalt nicht zu ändern.

Zweifellos bietet der private Sek- tor dem Patienten die Möglichkeit zur freien Arztwahl. Das Angebot an pri- vaten Sprechstunden im Verhältnis zur Nachfrage ist in der Regel so groß, daß Patienten oft ohne Vereinbarung so- fort einen Termin erhalten. Bei der gleichzeitigen Behandlung der Patien- ten durch den privaten Sektor stellt sich für den GZ-Arzt immer wieder das Problem der Aktenunklarheit. Die in der privaten Sprechstunde durchge- führte Dokumentation ist für ihn nicht zugänglich, und letzte Änderungen der Therapie bleiben ihm verborgen.

Ein weiterer Makel des privaten Sektors ist das geübte Verfahren, daß Privatpatienten die „Öffentlichen" in den Schlangen zur Fachklinik überho- len. Dies steht dem Gleichheitsgedan- ken des Volksgesundheitsgesetzes ent- gegen. Ein für 1995 geplantes „Thera- pie-Garantie"-Gesetz soll dem abhel- fen. Zielvorstellung ist, dem Patienten einen Termin zur Sprechstunde inner- halb von ein bis drei Tagen bei der GZ und maximal zwei Wochen in der Kli- nik zu garantieren (12).

Ein relativ neues Problem in Finnland stellt die Ärztearbeitslosig- keit dar. Waren noch 1991 auf dem Ar- beitsmarkt reichlich freie Stellen lan-

desweit vorhanden, haben drastische Kürzungen im Gesundheitswesen in- nerhalb eines Jahres zu rapidem An- steigen der Ärztearbeitslosigkeit ge- führt. Von den etwa 13 000 approbier- ten Ärzten waren im November 1993 581 arbeitslos gemeldet (13, 14). Um die Weiterbildung junger Ärzte zu ge- währleisten, sollen 1995 staatliche Gelder zur Schaffung von 450 Schu- lungsplätzen in der Grundversorgung zur Verfügung gestellt werden.

Finnland und die Europäische Union

Allgemein werden die zu erwar- tenden direkten Auswirkungen des finnischen Beitritts zur Europäischen Union als gering eingeschätzt. Die Maastrichter Verträge haben vor allen Dingen Auswirkungen auf die Har- monisierung der Ausbildung (zwei- jährige Ausbildung nach Abschluß des Studiums zur vollständigen Approba- tion, Vereinheitlichung der Bezeich- nungen für Fachdisziplinen, Verein- heitlichung der Mindestweiterbil- dungszeiten). Weiterhin wird es zu Standardisierungen im Bereich medi- zinischer Einrichtungen bis zu Labor- verfahren kommen Verfahren zur Qualitätskontrolle werden ebenfalls standardisiert (15) Finnland befürch- tet durch die erleichterte Beweglich- keit in Europa ein Abwandern hoch- qualifizierter Kräfte auch im medizini- schen Bereich.

Bemerkenswert und im Zusam- menhang mit dem EU-Beitritt mögli- cherweise folgenreich sind die Diskus- sionen des vergangenen Sommers um eine mögliche Abkehr von der Ge- sundheitsversorgung in staatlicher Trägerschaft (16). Die letzten wirt- schaftlichen Krisenjahre haben deren Schwächen bloßgelegt. Es wäre denk- bar, daß durch den europäischen Ein- fluß die Befürworter eines Pflichtver- sicherungssystems Auftrieb erhalten.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers

Dr. med. Bodo Wagner Ojansuunkato 4a6 SF-38201 Vammala A-1008 (38) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 14, 7. April 1995

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