• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "St. Petersburg Prachtbauten der Zarenzeit" (26.11.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "St. Petersburg Prachtbauten der Zarenzeit" (26.11.1999)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A-3053

V A R I A

ohl kaum eine andere russi- sche Stadt lockt mehr westliche Be- sucher an als St. Pe- tersburg. 1703 von Peter dem Großen nach dem Krieg ge- gen Schweden gegründet und zum bedeutenden Hafen und zur Zarenresidenz ausgebaut, spiegeln sich die Rollen, die die Stadt in der russischen Ge- schichte spielte, in der drei- fach wechselnden Namensge- bung wider. Der Niedergang des Zarenregimes 1914 führte zu der Umbenennung in Pe- trograd; 1925 bis 1991 hieß die Stadt als Folge der russi- schen Revolution Leningrad und seit 1991 nun wieder Sankt Petersburg. Obwohl das Stadtbild, das durch breite Straßen und barock-klassizi- stische Paläste und Kirchen geprägt ist, fast ausschließlich auf die Bautätigkeit der Za- renzeit zurückgeht und als das schönste Rußlands gilt, fiel die Entscheidung zugunsten des alten Namens nur mit knapper Mehrheit. Vor allem die Ge- neration, die die Stadt Lenin- grad von Herbst 1941 bis An- fang 1944 gegen die deutsche Belagerung erfolgreich vertei- digte, wehrte sich verständli- cherweise dagegen. Denn in dem alten Namen der Stadt kam für sie eine Deutsch- freundlichkeit des Zaren Peter

I. zum Ausdruck, die man nach der schweren Zeit der Blockade, die fast eine Million Be- wohnern der Stadt das Leben kostete, wohl kaum erwar- ten konnte. Den- noch ist St. Peters- burg auch heute die Stadt Peter des Großen und nicht Lenins, der sich nach dem Exil nur kurze Zeit hier aufhielt.

Gegenüber der Peter-und- Paul-Festungsan- lage, am südli- chen Newa-Ufer erstreckt sich der auf vier Bauten verteilte Gebäu- dekomplex der Eremitage, der ei- nes der berühm- testen Museen der Welt beherbergt.

Schon unter Pe-

ter dem Großen, der dort sei- nen ersten Winterpalast hatte – die Sommerresidenz war der etwa 25 Kilometer außerhalb liegende Peterhof – wurden einzelne Kunstwerke ange- kauft. Das von Francesco Rastrelli im russischen Barock erbaute Winterpalais wird be- stimmt durch blaue Mauern

mit einem Schwarm weißer Säulen und vergoldeten Schmuckelemen- ten. Dort befin- den sich die Prunk- räume Peter des Großen, während das im neben der Eremitage gele- genen Marmor- palais unterge- brachte Lenin- Museum 1991 entfernt wurde.

So schnell und radikal reagiert man in Rußland auf Veränderun- gen.

Den Grund- stein für die Mu- seumsbestände der Eremitage, die Kunstwerke von der Stein- zeit bis zur Ge- genwart umfas- sen, legte je- doch Katharina II. die Große (1762 bis 1796), die im Kauf- rausch die zunächst kleine Sammlung vervielfachte. Die Zahl der Exponate ver- größerte sich noch einmal durch die russische Revo- lution, indem die aus Pri- vatbesitz beschlagnahmten Kunstwerke hierhergebracht wurden.

Während die Sammlung durch Auslagerung und Ein- kellerung zwei Weltkriege un- beschadet überstand, litt sie unter der Plünderung eines in Geldnot geratenen Diktators.

Ende der zwanziger Jahre ver- anlaßt die Regierung Stalins den Verkauf bedeutender Meisterwerke aus russischen Museen. Die Eremitage büßte hierbei zwar nicht viele, aber einen großen Teil ihrer bedeu- tendsten Meisterwerke von Raffael, van Eyck, Tizian und Rembrandt ein.

Da es nicht möglich ist, an einem Tag auch nur die wich- tigsten Kunstwerke zu sehen – widmete man jedem Exponat nur etwa 30 Sekunden, so brauchte man mehrere Jahre –, empfiehlt sich eine vorherige Orientierung und Sondierung je nach Interessenlage – die unübersichtliche Beschilde- rung vor Ort bietet hierbei nur wenig Hilfe, ebensowenig sind Bücher in deutscher Sprache zu erhalten. Man sollte sich daher die Reiseführer mit- bringen.

Das Russische Museum

Wesentlich besser präsen- tiert sind die Exponate des 1898 gegründeten Russischen Museums im Michaelpalais.

Der Palast ist seit 1898 Muse- FEUILLETON

Für eine Kulturreise in die

russische Stadt sollte man sich Zeit nehmen. So

könnte man mehrere Jahre in

der Eremitage verbringen, wenn

man jedem Exponat 30 Sekunden

widmet.

St. Petersburg

Prachtbauten der Zarenzeit Prachtbauten der Zarenzeit

Zarskoje Selo: Katharinenpalast 1752 bis 1756 von Francesco Bartolommeo Rastrelli erbaut

W

Fotos: Ulrike Fuchs

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 47, 26. November 1999 (53)

(2)

um und lohnt den Besuch schon allein wegen seiner hervorragenden Sammlung russischer Ikonen und russi- scher romantischer Malerei.

Leider sind die Bestände auf weitere Paläste der Stadt ver- teilt und werden häufig um- gruppiert.

Bemerkenswert ist, daß das Russische Museum das einzige im Land ist, dem seit den achtziger Jahren ein nen- nenswerter Ankaufetat für Gegenwartskunst zur Verfü- gung steht. Hier finden sich neben den Werken des sozia- listischen Realismus auch wieder Werke der Vertreter der russischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts wie Kasimir Malewitsch, Alexander Rodtschenko, Marc Chagall oder Wladimir Tatli, die bis vor wenigen Jahren in Rußland noch totgeschwie- gen wurden.

Neben den Palästen sind auch die meisten Kirchen der Stadt Museen und wie diese ihres ursprünglichen Zwecks beraubt, wenngleich seit 1990 vereinzelt auch wieder Gottes- dienste in ihnen gehalten werden, wie zum Beispiel in der Isaakkathedrale, der größten, aber nicht schönsten Kirche der Stadt.

Der anstelle eines Vorgän- gerbaus zwischen 1815 und 1848 im klassizistischen Stil errichtete Bau hat einen rechteckigen Grundriß mit vier vorgelagerten Portiken.

Seine Baugeschichte verdeut-

licht, warum St. Petersburg auch nördlichstes Venedig ge- nannt wird. Denn rund 20 000 Baumstämme wurden benötigt, um in dem sumpfigen Gelände ein Fundament für den etwa 300 000 Tonnen schweren Ko- loß der Kirche zu sichern. In dem zu den größten sakra- len Kuppelbauten der Welt

gehörenden Bau mit überdi- mensionalen Ausmaßen mani- festiert sich das Prestige-Stre- ben der russischen Zaren. Un- terschiedlichste Marmorarten, Edel- und Halbedelsteine wur- den verwendet.

Die zwischen 1753 und 1762 im russischen Barock er- richtete St.-Nikolaus-Marine- Kathedrale ist eine der weni- gen in St. Petersburg, in der zu allen Zeiten russisch-or- thodoxe Gottesdienste abge- halten wurden. Das ist im In- nenraum deutlich spürbar, denn diese Kirche lebt. Hier findet man Ikonen anbe- tende Gläubige, und mit et- was Glück kann man eine kirchliche Zeremonie beob- achten, wie beispielsweise ei- ne inzwischen wieder erlaub- te Taufe. Prunkstücke des Gotteshauses sind der vergol- dete Ikonostas in der Ober- kirche und die zahlreichen hervorragenden Ikonen. Der Geruch von Räucher- und Bienenwachskerzen erfüllt den Raum und vermittelt eine Vorstellung von kirchlich rus- sischer Tradition, die in dem eher westlichen St. Peters- burg sonst selten zu finden ist.

Die einzige auch im Außenbau typisch russische Kirche in St. Petersburg ist die farbenprächtige Auferste- hungskirche, auch Erlöser- oder Blutkirche genannt.

Nach jahrelanger Restaurie- rung ist sie jetzt wieder zu- gänglich. Eines der auffal- lendsten Gebäude in St. Pe- tersburg ist die Kasaner Ka- thedrale, mit deren Bau Zar Peter I. den römischen Peters- dom zu kopieren suchte. Seit 1932 beherbergt diese von dem russischen Architekten Andrej Woroichin erbaute Kirche das Museum für Ge- schichte der Religion und des Atheismus, das seit 1991 Mu- seum der Religionsgeschichte heißt. In solchen nur schein- bar äußerlichen Umbenen- nungen spiegelt sich der Kurs der Reformpolitik wider.

Kein Aufenthalt in St. Peters- burg sollte ohne einen Besuch in Gärten und Sommerresi- denzen der Zaren enden, von denen Peterhof die bekannte- ste ist.

In dem riesigen, gut ge- pflegten Parkgelände mit al- tem Baumbestand ließ Peter der Große zu Beginn des 18.

Jahrhunderts zunächst das Schlößchen Monplaisir er- richten, in das er sich zu den Trinkgelagen mit seinen Freunden zurückzog.

Sommerresidenzen Wenige Jahre später ka- men der Große Palast und der symmetrisch davor ange- legte Park mit den an Ver- sailles erinnernden Wasser- spielen und dem zur Bootsan- legestelle führenden Meeres- kanal hinzu. Mit großem Auf- wand und liebevoller Detail- arbeit sind Schloß und Park nach den Verwüstungen durch die deutsche Belage- rung wiederhergestellt wor- den.

Während Peterhof durch seine Lage am Meer einen besonderen Reiz erhält, überwältigt Zarskoje Selo durch seine Pracht. Mehrere Architekten arbeiteten im

Laufe der Jahre an dem großen Katharinenpalast, in den Katharina I. auch das Peter dem Großen vom Preußenkönig Friedrich Wil- helm I. geschenkte Bern- steinzimmer einbauen ließ.

Da es den Russen nicht ge- lungen war, dieses Zimmer vor den anstürmenden deut- schen Truppen auszubauen, wurde die Bernsteinverklei- dung von den Deutschen ent- fernt und nach Königsberg gebracht, sicher nicht, um sie dort für die Russen aufzu- bewahren. Die Frage, ob sie beim Sturm auf Königsberg unterging oder versteckt wurde, konnte auch eine russische Sonderkommission nach jahrelanger Suche nicht beantworten. 1979 entschloß man sich daher, den Raum zu rekonstruieren. Besondere Be- achtung im prunkvollen In- neren des Palastes verdienen die kunstvoll intarsierten Fußböden. Der weitläufige Katharinenpark ist zu einem Teil als französischer Garten, zum anderen als englischer Park angelegt.

Nur fünf Kilometer von Zarskoje Selo entfernt liegt Pawlowsk, die Sommerresi- denz des Zaren Paul I. Der im Stil eines römischen Landhau- ses mit bekrönendem Tam- bour und flacher Kuppel er- baute Palast wirkt durch seine klassische Monumentalität.

Besichtigen kann man die Pa- raderäume im Obergeschoß und die Privatgemächer im Erdgeschoß, deren Ausstat- tung auf Maria Fjodorowna zurückgeht. Die Besichtigung der gut erhaltenen oder re- staurierten Prachtbauten der Zarenzeit sollte den Touristen aber nicht den Blick für das heutige Rußland verstellen, das sich dem Besucher dieser Stadt viel schwerer er- schließt. Wer jedoch der Ge- schichte der Zaren nach- spüren will, die Fähigkeit be- sitzt, hinter bröckelnden Fas- saden den ursprünglichen Glanz zu erkennen und den kühlen Charme der Stadt der 300 Brücken schätzen- lernt, der wird nicht nur ein- mal nach St. Petersburg reisen. Dr. Ulrike Fuchs A-3054

V A R I A FEUILLETON

Der Winterpalast, der die Eremitage beherbergt

Kasimir Malewitsch:

Marfa und Wanjka, 1909 bis 1910, Russisches Museum, St. Petersburg

(54) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 47, 26. November 1999

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Es sind noch einige Beiträge (Chronik) eingegangen, die wir gern zur Kenntnis geben möchten. Ende Juli ist nun meine Zeit als Pfarrer von Harsum, Algermissen und Asel zu

für † Günther Köbel für Verstorbene der Familie Knauf (Sti) für die Lebenden u.. Wolfgang

Auch gibt es eine weitere Neuigkeit zu berichten: ab Feber 2021 werden für den Verein TiereHelfenLeben, die praktischen Einheiten für die Therapiebegleit-

Weil sich in diesem Jahr nur sehr wenige Kinder für die Sternsingeraktion in Donsbrüggen gemeldet haben, können nicht mehr alle Haus- halte besucht werden. Das Orga-

Unter dem Kreuz Jesu wird Maria nicht nur unsere Mutter, sondern auch unser Vor- bild?. Sie wird zum Weg des Menschen zu

Und ich schaute nach Céline und Julie, um mit ihnen diese Frage zu besprechen, ob wir nicht vielleicht irgendwo anders, aus der Zeit-Reise aussteigen könnten, nicht unbedingt

‚Die alte, neue Holzfassade sei zwar nicht aus dem Nachbarort, jedoch eine zu 100 Prozent recycelte Holzschalung, die hier im Taunus nun die Chance auf ein zweites Leben erhält

12.15 Uhr Eisenbach Taufgottesdienst des Kindes Joshua Gattinger 14.00 Uhr Würges Taufgottesdienst des Kindes Nicolas Fritz 18.00 Uhr Niederselters Rosenkranzgebet an