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Archiv "Serie: Sexuelle Funktionsstörungen – Paartherapie bei sexuellen Funktionsstörungen" (24.03.2000)

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o different die Perspektiven und Ergebnisse der großen therapeutischen Schulen auch sein mögen, sie gehören zusammen.

Denn jede Schule greift eine, höch- stens zwei ätiopathogenetisch rele- vante Dimensionen heraus: die un- bewusst-psychische, die funktional- somatische, die paardynamische und so weiter. Dem erweiterten ätiologi- schen Blick aber sind alle epistemo- logisch denkbaren Dimensionen von Bedeutung, weil sie geeignet sind, Erhellendes beizutragen. Schließlich enthält in Wirklichkeit jede ätiopa- thogenetische Gleichung die Unbe- kannten, die dem Untersucher we- gen seines eingeengten krankheits- theoretischen oder persönlichen Blicks oder aus prinzipiellen Grün- den verschlossen bleiben.

Ätiologische Dimensionen

Alle Faktoren der wissen- schaftstheoretisch getrennten Di- mensionen, die im Textkasten Ätio- pathogenetische Dimensionen aufge- führt sind, können, mehr oder weni- ger vermittelt, von pathogenetischer Bedeutung sein. Nur wenn ein Fak- tor sehr stark ausgeprägt ist, treten die anderen zwangsläufig oder auch

notwendigerweise in den Hinter- grund. Das gilt für existenzielle Be- dingungen ebenso wie für körperli- che. Befindet sich eine Frau mit Ex- zitationsstörungen auf der Flucht, kommt eine Sexualtherapie gar nicht infrage, weil die sexuelle Sphäre als etwas „Luxuriöses“ ganz in den Hin- tergrund getreten ist. Werden die Nervi erigentes eines Mannes durch- trennt, bestimmen die Gesetze der Mechanik das Resultat und nicht die Bedeutungs- und Bedingungszusam- menhänge des Lebendigen.

In erweiterter pragmatischer Hinsicht könnten wir uns jedoch die getrennt gehaltenen Dimensionen als Konstellationen benennbarer pa- thogenetischer Faktoren unter- schiedlichen Gewichts konkret vor- stellen. Welches Gewicht wir einem Faktor oder einem Faktorenbündel beimessen, hängt allerdings wieder- um von unserer disziplinären und persönlichen Orientierung ab. Die einen werden sich auf die frühe Ge- schichte des Individuums beziehen.

Die anderen werden die Störung am besten lerntheoretisch verstehen können. Wieder andere werden, wie

der Verfasser in diesem Aufsatz, den Blick vor allem auf die Geschichte eines Paares und deren Dynamik richten. Noch andere werden an die soziale Lage des Patienten und des Paares oder gar an die allgemeine kulturelle Entwicklung denken. Da- bei werden heutzutage einige auf der

„gender difference“ von Männern und Frauen insistieren. Ganz andere werden ihr Augenmerk auf den Kör- per richten, eher im Sinne früher Ex- positionen durch Beeinträchtigun- gen, Traumen und Erkrankungen oder ganz direkt.

Medizinische Diagnostik und Therapie

Weil sich körperliche Krank- heiten seelisch niederschlagen und seelische Krankheiten körperlich, sollten sexuelle Störungen eigent- lich nicht in psychogene und organo- gene aufgeteilt werden. Aus wis- senschaftshistorischen, disziplinären und damit unabweisbar pragmati- schen Gründen sind wir jedoch ge- zwungen, das, was eigentlich zusam- mengehört, getrennt zu betrachten und oft auch zu behandeln. Einen heute in der Medizin möglichen und durchaus üblichen Untersuchungs- gang zeigt der Textkasten Medizini-

Serie: Sexuelle Funktionsstörungen

Paartherapie bei sexuellen Funktionsstörungen

Volkmar Sigusch

Seit Jahren ist die von der klinischen Sexualwissenschaft ent- wickelte Paartherapie bei sexuellen Funktionsstörungen die erfolgreichste und folglich auch anerkannteste Sexualthera- pie. Zugleich ist dieses auf Masters und Johnson zurückge- hende Verfahren ein gelungenes Beispiel für den Versuch, Ver- haltenstherapie und Psychoanalyse zu integrieren. Nach ein-

leitenden Bemerkungen zur Ätiologie und zur gegenwärtigen medizinischen

Diagnostik und Therapie werden das Konzept und die Regeln der Paartherapie dargestellt.

Schlüsselwörter: Paartherapie, sexuelle Funktionsstörungen, sexuelle Dysfunktionen, Ätiopathogenese

ZUSAMMENFASSUNG

Couple Therapy in Sexual Disorders

Following introductory remarks upon etiology and medical therapy of sexual dysfunctions concepts and techniques of cou- ple therapy are described. This type of psychotherapy inaugu- rated by Masters and Johnson has been further developed in Germany by clinical sex research over the past three decades. It

is nowadays in sexual disorders the most successful and thus also the highest regarded form of sex

therapy. This treatment is also a successful example of the en- deavor to integrate behavioral therapy and psychoanalysis.

Key words: Sexual dysfunctions, couple therapy in sexual disorders

SUMMARY

S

Institut für Sexualwissenschaft (Direktor: Prof.

Dr. med. Volkmar Sigusch) des Klinikums der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frank- furt am Main

(2)

sche Diagnostik, wobei die Metho- den im Fortgang für den Patienten lästiger, schmerzhafter und am Ende riskant werden.

Wie eine invasive Diagnostik vermieden werden kann, indem „Sil- berne Erfahrungssätze“ der klini- schen Sexualwissenschaft berück- sichtigt werden, wurde andernorts ausführlich dargestellt (4). Beispiels- weise kann eine relevante Organo-

genese der Störung mit hoher Wahr- scheinlichkeit ausgeschlossen wer- den, wenn der beim Koitus impoten- te Patient rigide morgendliche Erek- tionen hat oder berichtet, bei der Masturbation sei „alles normal“.

Auch biografische Umstände und anamnestische Tatsachen erlauben es nicht selten, vorwiegend seelisch bedingte von vorwiegend körperlich bedingten Störungen differenzial-

diagnostisch abzugrenzen. Welche körperlichen Erkrankungen und No- xen zu bedenken sind, wird im Text- kasten Organische Faktoren und Er- krankungen dargestellt.

Schließlich kann dem Textkasten Organotherapien bei sexuellen Funk- tionsstörungen entnommen werden, welche medizinischen Therapien heute in der Praxis eine Rolle spie- len. Wichtig ist, dass bei allen se- xuellen Funktionsstörungen zuerst eine relevante Grunderkrankung behandelt wird. Eine Behandlung mit männlichen Sexualhormonen kommt bei der Erektionsstörung nur dann infrage, wenn ein pathologisch erniedrigter Testosteronwert im Se- rum mehrfach nachgewiesen und die Gefahr für die Entstehung eines Prostatakarzinoms so weit wie ir- gend möglich ausgeschlossen wor- den ist. Von den angeblich prosexu- ellen Substanzen spielt in der Praxis nur Yohimbin eine nennenswerte Rolle. Die arterien- und venenchir- urgischen Eingriffe haben bisher nicht den Erfolg gebracht, den erste Mitteilungen versprochen hatten.

Penisprothesenimplantationen sind heute wegen anderer Behandlungs- möglichkeiten kaum noch als Ulti- ma-ratio-Eingriff zu rechtfertigen.

Die Schwellkörper-Autoinjektions- therapie (SKAT) und die Mechano- therapien, insbesondere mit Vakuum- Erektionssystemen, sind nach unse- rem Eindruck durch die Marktein- führung von Sildenafil nicht nennens- wert in ihrer praktischen Bedeutung reduziert worden.

Masters-Johnson- Therapie

Insgesamt sind heute die medizi- nischen Behandlungsmöglichkeiten ungleich vielfältiger und sehr viel er- folgversprechender als vor 30 Jah- ren. Damals verfügten Somato- wie Psychotherapeuten kaum über ge- eignete Therapieverfahren. Aller- dings veröffentlichten zu dieser Zeit die US-amerikanischen Sexualfor- scher William H. Masters und Virgi- nia E. Johnson ein Behandlungs- verfahren bei sexuellen Funktions- störungen, das Therapiegeschichte machen sollte. Es war zwar theore- Ätiopathogenetische Dimensionen

sexueller Störungen Körperliche Dimension

Labilisierung durch Fehlbildungen und Vorschädigungen, auslösende Traumen, Krankheiten und Substanzen, somatisches „Entgegenkom- men“ und „Körper-Selbst“ im psychoanalytischen Sinn und anderes.

Bewusst-psychische Dimension

Angst vor Schwangerschaft, Sanktionen der Herkunftsfamilie, Ge- schlechtskrankheiten und anderes. Traumatisierung durch Übergriffe, persönliche und soziale Einbrüche, Leistungsanforderungen, Selbstbeob- achtung und -kontrolle, Vermeidungsverhalten und anderes.

Unbewusst-psychische Dimension

Biografische Weichenstellungen, Traumen, Konflikte, Ängste, individu- elles Trieb- und Abwehrgeschehen, Selbstverstärkungsmechanismen, un- bewusste Partnerwahl und Partnerschaftskonflikte und anderes.

Disziplinäre Dimension

Verwissenschaftlichung und Disziplinierung von Geschlecht, Sexualität, offenes oder verdecktes Bild vom Menschen, Schulbildung, Regelung der fachlichen Zuständigkeiten, in den jeweiligen Methoden liegende Be- grenzungen und Verzerrungen und anderes.

Therapeutische Dimension

Art und Ziel der verschiedenen Therapien, Ökonomie des Therapie- marktes, Versorgungsangebote, Ein- oder Ausschluss von Auffälligkeiten als Krankheit, iatrogene Störungen, „blinde Flecken“ der Therapeuten und anderes.

Soziale Dimension

Einkommens-, Wohn-, Arbeits- und Freizeitverhältnisse, familiäre, part- nerschaftliche oder freundschaftliche Einbindung, Erwartungshorizonte, Kommunikationsstrukturen, Informations- und Lerndefizite und ande- res.

Kulturelle Dimension

Symbolische und nichtsymbolische Bedeutung von Normalität und Nor- mativität, Privatheit und Öffentlichkeit, Intimität und Sexualität, Struk- tur von Generationen-, Geschlechter- und Sexualverhältnissen, Definiti- on von Abweichungen und anderes.

Existenzielle Dimension

Krieg und Vertreibung, Flucht und Heimatlosigkeit, Folter und Todesur- teil, maligne Erkrankung und Todesdrohung.

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tisch kaum begründet, schien aber erfahrungsgesättigt und überaus er- folgreich zu sein. Die Erfolgsrate be- trug bei mehr als 500 behandelten Paaren rund 80 Prozent. Die Rück- fallquote betrug fünf Jahre nach Ab- schluss einer erfolgreichen Therapie bei mehr als 300 Paaren rund fünf Prozent.

Von diesen Erfolgen der Ma- sters-Johnson-Therapie konnten die Vertreter anderer Psychotherapie- verfahren nur träumen. Der Erfolgs- bericht der amerikanischen Kolle- gen kam also vielen wie gerufen.

Auch hier begann man sofort, die neue Methode in die Praxis umzuset- zen, nachdem das Buch von Masters und Johnson für eine deutsche Aus- gabe (2) bearbeitet worden war. In einem umfangreichen Forschungs- projekt der Hamburger Univer- sitätsabteilung für Sexualforschung wurde schließlich das Verfahren durchleuchtet, kontrolliert, theore- tisch begründet, an die hiesigen Ver- hältnisse angepasst und mit dem Stück Psychologie des Unbewussten und des Paarkonflikts versehen, das unverzichtbar schien. Die von den Hamburger Kolleginnen und Kolle- gen im Verlauf von inzwischen 25 Jahren entwickelte und in vielen Weiterbildungskursen vermittelte Paartherapie haben Arentewicz und Schmidt (1) zusammenfassend dar- gestellt. Ihr Buch sei allen inter- essierten Ärzten empfohlen.

Wenn auch die Erfolgsraten, die Masters und Johnson in den 50er- und 60er-Jahren erreicht hatten, in- ternational von niemandem bestä- tigt werden konnten, so waren doch die meisten Forscher sehr zufrieden.

Denn Erfolge stellten sich nach vie- len Studien bei zwei Dritteln bis drei Vierteln der behandelten Paare ein.

Und das, obgleich die Erfolge strik- ter kontrolliert und zunehmend Störungen wie die sexuelle Lustlo- sigkeit beklagt wurden, die schwer zu behandeln sind. Außerdem wur- den nicht mehr eher unaufgeklärte und unerfahrene Patienten aus einer ländlichen Region behandelt, denen allein schon durch Informationen und Übungen geholfen werden konnte, wie es offensichtlich bei Ma- sters und Johnson nicht selten der Fall war.

Medizinische Diagnostik, insbesondere bei chronischen Erektionsstörungen I. Basisuntersuchung

– allgemeine Anamnese

– gezielte Anamnese (relevante Krankheiten, Operationen,

Unfälle, Medikamente, Nikotin, Alkohol, Rauschdrogen, Kontakt mit Chemikalien und so weiter)

– allgemeine körperliche Untersuchung mit Inspektion der

sekundären Geschlechtsmerkmale, Blutdruckmessung und Abdomen- Becken-Sonographie

– Untersuchung der Genitalien mit Ano-Rektalbefund

– Labordiagnostik (Blutbild, Blutzuckerprofil beziehungsweise Glukosetoleranztest, Leberstatus, Blutfette, Kreatinin und anderes) – Hormonstatus (Testosteron, Prolaktin, LH, FSH, Östradiol

und anderes)

II. Spezielle, physisch nichtinvasive Untersuchungen

– Messung der nächtlichen Penis-Tumeszenz (NPT) im Schlaflabor oder ambulant mit Erektiometer nach Jonas, Snap-gauge-band oder RigiScan

– Penis-Doppler-Sonographie mit Penis-Arm-Blutdruck-Index (PBPI) – psychosexueller Fragebogen, Psychometrie (Minnesota multiphasic

personality inventory, Freiburger Persönlichkeits-Inventar, Derogatis sexual functioning inventory)

III. Spezielle, physisch invasive Untersuchungen

– Schwellkörper-Injektionstest (SKIT) mit vasoaktiven Substanzen wie Papaverin und Phentolamin („Papaverin-Test“) in ansteigender Dosis – Messung der Bulbocavernosusreflex-(BCR-)Latenzzeit

– somatosensibel evozierte Potenziale (SSEP) des Nervus pudendus – spezielle neurophysiologische Untersuchungen

– Urethrozystographie und Urethrozystometrie

– Arteriographie (beispielsweise selektive Pharmako-Penis- Arteriographie der A. dorsalis penis und der A. profunda penis) – Kavernosographie und Kavernosometrie (beispielsweise

Durchfluss-Kavernosographie über Dialysepumpe mit NaCl-Infusion zur Erzeugung einer artefiziellen Erektion)

Organotherapien bei sexuellen Funktionsstörungen Behandlung der Grunderkrankung

Arzneimittel

Sexualhormone, prosexuelle Substanzen, insbesondere Yohimbin, Sildenafil, Absetzen/Ersetzen von induzierenden Arzneimitteln

Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) Chirurgische Eingriffe

Penisprothesenimplantation, arterienchirurgische Eingriffe, venenchirurgische Eingriffe

Mechanotherapien

Erektionsringe, Vibrationsgeräte, Vakuum-Erektionssysteme

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Konzept der Paartherapie

Wird nach der gegenwärtigen Theorie und Praxis der Paartherapie bei uns gefragt, müssen zunächst ei- nige Grundannahmen erwähnt wer- den. Eine ist, dass sich ein befriedi- gendes Sexualverhalten nicht von al- leine einstellt, sondern gelernt wer- den muss, wobei Sexualität nicht nur aus Vorstellungen und Gefühlen be- steht, sondern auch aus Körperer- fahrungen. Eine andere ist, dass am Entstehen und Aufrechterhalten ei- nes sexuellen Symptoms beide Part- ner beteiligt sind, also nicht nur der so genannte Symptomträger.

So kann das sexuelle „Versa- gen“ des einen Partners für den an- deren die seelische „Funktion“ ha- ben, sich in dieser Beziehung sicher zu fühlen, eigene Ängste und eigenes sexuelles „Versagen“ nicht erkennen zu müssen. Er wird folglich unbe- wusst dafür sorgen, dass das Sym- ptom bestehen bleibt. In der konkre- ten Therapie gerät der „symptom- freie“ Partner nicht selten dann in ei- ne Krise, wenn diese Abwehr, wenn diese Kollusion außer Kraft gesetzt wird, weil der Partner mit der Ejacu- latio praecox oder die Partnerin mit dem Vaginismus nicht mehr „ver- sagt“.

Die genannten Prämissen haben zu der Konzeption geführt, durch körperzentrierte Übungen einen Lernprozess zu ermöglichen und im- mer beide Partner gleichzeitig zu be- handeln.

Entscheidend ist, dass die Pati- enten in einer festen Beziehung le- ben, dass beide Partner an einer Be- handlung interessiert sind und sie die sexuelle Problematik als zentrales Hindernis für eine befriedigende Be- ziehung erleben. Indiziert ist die Paartherapie nach allgemeiner Auf- fassung bei chronischen Sexualstö- rungen, unabhängig von der Schwere der neurotischen und der Partner- schaftskonflikte und auch unab- hängig von der Art der sexuellen Symptomatik. Als kontraindiziert wird diese Therapieform dann ange- sehen, wenn eine akute Psychose oder eine Suchtkrankheit vorliegt, unter Umständen auch bei vorausge- gangenen schweren sexuellen Trau-

matisierungen. ✁

Organische Faktoren und Erkrankungen, die beim Mann und/oder bei der Frau sexuelle Dysfunktionen bedingen und/oder

eine Sexualstörung mitbedingen können Schwere Allgemeinerkrankungen

Nervale Erkrankungen und Traumen

Schädel-Hirn-Traumen, Temporallappenerkrankungen, Zustand nach Hirntumoroperation, Schlaganfall,

M. Parkinson, Tabes dorsalis, Multiple Sklerose, Spina bifida, Rückenmarkserkrankungen, Querschnittslähmungen,

Bandscheibenvorfall, Conus-Cauda-Syndrom, Polyradikulitis, Polyneuropathie, Läsionen des autonomen oder somatischen Nervensystems und anderes.

Endokrine und metabolische Erkrankungen

Diabetes mellitus, chronische Hepatopathien, chronische

Niereninsuffizienzen, primärer hypergonadotroper Hypogonadismus (beispielsweise Klinefelter-Syndrom), sekundärer hypogonadotroper Hypogonadismus (beispielsweise Hypophysenerkrankungen), Hyperprolaktinämie, Hypothyreose, Hyperthyreose, M. Cushing, M.

Addison, feminisierende oder maskulinisierende Tumoren und anderes.

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Arteriosklerotische, thrombotische und posttraumatische Prozesse sowie kongenitale Gefäßanomalien im Bereich der Becken- und Genitalarterien, koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Hypertonie, Pelvic-steal-Syndrom, undichte Schwellkörpervenen und anderes.

Urogenitale Fehlbildungen, Erkrankungen und Traumen Beim Mann: Phimose, Paraphimose, Penisdeviationen, Hypospadie, Epispadie, Hydrozele, Induratio penis plastica, Entzündungen, Neoplasmen, Beckenfraktur, Penisfraktur, Zustand nach Priapismus und anderes; bei der Frau: vaginale Fehlbildungen, Entzündungen, Endometriose, Narbenbildungen, Neoplasmen und anderes.

Operative Eingriffe im Abdominal-, Becken- und Urogenitalbereich

Beim Mann: abdominale Aortenoperationen, lumbale Sympathektomien, retroperitoneale Lymphadenektomien,

Prostatektomien, Blasen-, Kolon- und Rektumoperationen, Zustand nach Nierentransplantation, Zustand nach Penisprothesenoperation, Zustand nach Impotenz-Revaskularisationsoperation und anderes;

bei der Frau: Episiotomien, Vulvektomien, Hysterektomien,

Ovarektomien, Scheiden-, Blasen-, Kolon- und Rektumoperationen, Operationen bei Neoplasmen und anderes.

Arzneimittel

Antihypertensiva, Psychopharmaka, Hormone und Antihormone und anderes.

Alkohol Straßendrogen

beispielsweise Amphetamine, Methaqualon, Heroin, Kokain Chemikalien

beispielsweise Blei, Arsen, Tetrachlorkohlenstoff, Xylol

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Wie sieht nun das Setting aus?

Beim inzwischen klassischen Setting behandelte ein Therapeutenpaar, immer eine Frau und ein Mann, ein Paar „massiert“, das heißt zwei bis drei Wochen lang jeden Tag. Das hatte sicher viele Vorteile. Die Paare konnten die Belastungen des Alltags von der Kinderbetreuung bis hin zum Stress bei der Arbeit einmal hinter sich lassen und fanden auf der Therapeutenseite ein geschlechts- spezifisches Gehör.

Heute ist das Setting sehr viel variabler. Es gibt Paartherapien mit nur einem Therapeuten in „verteil- ter“ Praxis, das heißt es finden ein- oder zweimal wöchentlich Sitzungen statt, insgesamt 20 bis 40. Es gibt aber auch Paargruppen, die von ei- nem Therapeutenteam behandelt werden. Nach gegenwärtigem For- schungsstand sind die Erfolge, ge- messen am Zurücktreten oder Ver- schwinden der Symptome, weitge- hend unabhängig von der Art des Settings (3).

Regeln und Übungen

Bei den beiden ersten Sitzungen der Paartherapie handelt es sich um Einzelgespräche, in denen eine ausführliche biografische Partner- schafts- und Sexualanamnese erho- ben wird. In der dritten Sitzung wer- den dann die Ergebnisse dieser Ge- spräche gemeinsam erörtert, wobei der Therapeut oder das Therapeu- tenteam damit beginnt, im Sinn der genannten Grundannahmen eine an- dere Sicht der Probleme zu vermit- teln.

Am Ende der dritten Sitzung er- hält das Paar die erste „Hausaufga- be“: Die Partner sollen sich bis zur nächsten Sitzung zweimal eine halbe bis eine Stunde lang Zeit nehmen, um einander abwechselnd zu strei- cheln. Masters und Johnson nannten diese Übung „Sensate Focus“.

Im Verlauf der Behandlung wer- den dann von dem Paar nacheinan- der verschiedene Übungen absol- viert, die hier nur kursorisch genannt werden können:

❃ Sensate Focus I: Mit dieser bereits erwähnten Übung wird be- gonnen, wobei die Brüste und die

Genitalien nicht gestreichelt werden sollen.

❃ Sensate Focus II: Jetzt dürfen auch die Brüste und die Genitalien gestreichelt werden, allerdings soll eine sexuelle Erregung weder inten- diert noch erwartet werden.

❃ Erkundendes Streicheln: Bei diesem Sensate Focus werden die Genitalien des Partners mit den Au- gen und anschließend mit den Hän- den exploriert, um sich vertraut zu machen.

❃ Stimulierendes Streicheln:

Jetzt streicheln die Partner einander, bis sich Erregung einstellt, lassen diese aber wieder abklingen, um sie erneut hervorzurufen. Nach mehr- maligem Aufkommen und Abklin- gen der Lust dürfen sich die Partner durch nichtkoitale Praktiken bis zum Orgasmus reizen.

❃ Einführen des Penis: Der Mann liegt auf dem Rücken, die Frau führt in der Hockstellung den Penis ein und legt sich dann auf den Mann. Ohne Koitusbewegungen verharren die Partner in dieser Posi- tion, bis die Erektion abgeklungen ist. ❃ Erkundender und stimulie-

render Koitus: In der zuletzt genann- ten Stellung erkundet die Frau, im- mer wieder von Pausen unterbro- chen, welche Beckenbewegungen lustvoll sind. Der Mann „spiegelt“ in späteren Übungen diese Bewegun- gen. Wie beim stimulierenden Strei- cheln exploriert das Paar das Auf und Ab der Erregung. Nach einigen Übungen darf es beim Koitus zum Orgasmus kommen.

❃ Koitus in verschiedenen Stel- lungen: Das Paar erkundet andere Koituspositionen und weitere Mög- lichkeiten der Stimulation.

Neben den gemeinsamen Übun- gen gibt es auch Einzelübungen, die der körperlichen Selbsterfahrung dienen sollen. Ist das Leitsymptom Vaginismus oder Ejaculatio praecox, kommen spezielle Übungen hinzu.

Immer werden die Erfahrungen mit den Übungen in der darauf folgen- den Therapiestunde im Detail be- sprochen. Alle Übungen werden mehrfach wiederholt. Erst wenn eine Übung von beiden Partnern angst- frei erlebt wurde, wird weitergegan- gen.

Dabei ist eine neue Übung stets in die bereits bekannten und als an- genehm erlebten Erkundungen ein- gebettet.

Anweisung und Deutung

Das Geheimnis der Wirksam- keit der Paartherapie-Übungen be- steht wahrscheinlich darin, dass die Therapeuten Regeln festsetzen und Anweisungen geben. So werden die sexuellen Begegnungen hinsichtlich Frequenz, Dauer, Praktik sowie Ak- tivität/Passivität vorgegeben, gilt ei- ne Vetoregel, ein monatelanges Koi- tusverbot und so weiter.

Aus der Sicht der Lerntheorie können die Patienten im Schutz die- ser Regeln notwendiges Lernen in kleinen Schritten nachholen, falsche und blockierende Vorstellungen ab- bauen, lustvolle Erfahrungen ma- chen und Mut fassen. Durch den Aufbau der Therapie soll ein Teu- felskreis, der so genannte Selbstver- stärkungsmechanismus, durchbro- chen werden. Er besteht darin, dass ein sexuelles Symptom, das vielleicht zunächst nur in einer bestimmten Si- tuation, beispielsweise unter Alko- holeinfluss, aufgetreten ist, durch die nachfolgenden Erwartungsängste verfestigt wird.

Psychoanalytisch gesprochen, bewirken die Verhaltensanweisun- gen eine Über-Ich-Entlastung. Un- bewusste Abwehrmechanismen, die zu dem sexuellen Symptom geführt haben, werden geschwächt oder außer Kraft gesetzt. Bei günstigem Verlauf können andere Abwehrvor- gänge, die nicht mehr so störend sind, die Überhand gewinnen. Aus der Sicht der Psychoanalyse sind nicht Anweisung, Übung und bewus- ste Reflexion die Kernpunkte der Therapie, sondern die fokussierte deutende Arbeit am unbewussten Konflikt des Paares.

Analytisch orientierte Paarthe- rapeuten werden also darauf achten, wie sich der Paarkonflikt am Um- gang mit den Anweisungen zu erken- nen gibt. Sie werden sich nicht auf das Ermutigen, den Abbau bewus- ster Ängste und das körperliche Funktionieren verlassen. Denn sie sind davon überzeugt, dass ein sexu-

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elles Symptom einer unbewussten

„Logik“ folgt, gewissermaßen „im Recht“ ist und einen „Sinn“ hat, der nicht ungestraft missachtet werden darf. Folglich werden sie auf die Übertragungsangebote der Patien- ten eingehen. Das allerdings kann die „Masters-Johnson-Therapie“ er- heblich komplizieren, ja sogar um ihren Ruf bringen, in vielen Fällen anhaltend wirksam zu sein.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-776–781 [Heft 12]

Literatur

1. Arentewicz G, Schmidt G (eds): Sexuell gestörte Beziehungen. Konzept und Tech- nik der Paartherapie. 3. Auflage Stuttgart:

Enke 1993.

2. Masters WH, Johnson VE: Impotenz und Anorgasmie. Wiss. Bearb. Sigusch V, Mey- enburg B. Frankfurt a. M.: Goverts Krüger Stahlberg 1973.

3. Schmidt G: Paartherapie bei sexuellen Funktionsstörungen. In: Sigusch V (ed):

Sexuelle Störungen und ihre Behandlung.

3., erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000 (in Vorbereitung).

4. Sigusch V (ed): Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. 3., erweiterte Auflage. Stutt- gart: Thieme; Göttingen: Vandenhoeck &

Ruprecht 2000 (in Vorbereitung).

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Volkmar Sigusch Institut für Sexualwissenschaft Klinikum der J. W. Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main

E-Mail: Sigusch噝em.uni-frankfurt.de IInn ddeerr SSeerriiee „„SSeexxuueellllee FFuunnkkttiioonnssssttöörruunn-- g

geenn““ ssiinndd bbiisshheerr eerrsscchhiieenneenn::

((11))Editorial „Störungen der männli- chen Sexualfunktion“, Sökeland J, Tölle R: Dt Ärztebl 2000; 97:

A-309–310 [Heft 6]

((22))Schopohl J, Haen E, Ullrich T, Gärtner R: „Sildenafil (Viagra)“. Dt Ärztebl 2000; 97: A-311–315 [Heft 6]

((33))Stief C G, Truss, M C, Becker A J, Kuczyk M, Jonas U: „Pharmakolo- gische Therapiemöglichkeiten der Erektionsstörung“. Dt Ärztebl 2000; 97: A-457–460 [Heft 8]

((44))Hartmann U: „Psychosomatische Aspekte bei Erektionsstörungen“.

Dt Ärztebl 2000; 97: A- 615–619 [Heft 10]

Familienmitglieder, darunter in der Mehrzahl Frauen, tragen die Hauptlast bei der Pflege und Versor- gung von Patienten, die in absehbarer Zeit sterben werden. Dies zeigt eine Untersuchung an 988 Patienten und 915 pflegenden Personen in fünf Städ- ten und einem ländlichen Bezirk der Vereinigten Staaten. Allerdings gibt es zwischen den Untersuchungsorten starke Unterschiede.

So genießen jeweils mehr als neunzig Prozent der Patienten Hilfe von Familienangehörigen, außer in Brooklyn. Dort sind es nur 78,8 Pro- zent. 28,7 Prozent der Patienten dort benötigen bezahlte Pflegekräfte. In Birmingham, Alabama, sind es nur 8,1 Prozent, im ländlichen Mesa County in Colorado 17,2 Prozent, also nahe dem Durchschnitt aller Bereiche von 15,1 Prozent. Die Pflegenden waren zu 72,1 Prozent Frauen, Ehegatten, Kin- der, Geschwister, Eltern, Schwieger- kinder und andere. Unterschiede gab es bei den verschiedenen Pflegekate- gorien: Für den Transport wurde über- wiegend (in drei Viertel der Fälle) von Familienangehörigen gesorgt. Aber selbst fachliche Krankenpflege besor- gen Angehörige in 42,4 Prozent der Fälle, und persönliche Betreuung (Hy-

giene, Ernährung) kam zur Hälfte von ihnen. Die Untersuchung beschränkte sich auf Patienten mit Krebs, Herz- krankheiten und obstruktiven Lun- generkrankungen, deren Prognose nach Ansicht der behandelnden Ärzte höchstens noch sechs Lebensmonate betrug. Dabei fällt auf, dass Krebspati- enten prozentual weniger Pflegebe- dürfnisse hatten als die Patienten der anderen Indikationen. Nur vier Pro- zent der Pflege und Betreuung wurden von unbezahlten Freiwilligen gelei- stet, und dabei spielte es keine Rolle, ob der Patient einer religiösen Gruppe angehörte oder nicht.

Eine Verallgemeinerung der Er- gebnisse auf alle Pflegefälle von Ster- benden ist wegen der Beschränkung auf die drei Indikationen nicht mög- lich. So wurden beispielsweise AIDS- Patienten von vornherein nicht in die

Studie aufgenommen. bt

Emanuel EJ, Fairclough DL, Slutsman J, Alpert H, Baldwin D, Emanuel LL: Assi- stance from family members, friends, paid care givers, and volunteers in the care of terminally ill patients. N Eng J Med 1999; 341: 956–963.

Dr Ezechiel J. Emanuel, Department of Clinical Bioethics, Warren G. Magnuson Clinical Center, National Institutes of Health, Bethesda, MD 20892-1156, USA

Pflege von Sterbenden in den USA

Da Fiberendoskope nicht auto- klavierbar sind, muss eine optimale Desinfektion der kontaminierten Ge- räte gewährleistet sein. FDA-Stan- dards verlangen eine 45-minütige Des- infektion mit Glutaraldehyd zwei Pro- zent bei 25 Grad, der Testkeim Myco- bakterium chelonae muss dabei um sechs Zehnerpotenzen reduziert wer- den. Die Autoren überprüften die derzeitigen Empfehlungen. Durch ma- nuelle Reinigung ließ sich nur eine Reduktion um vier Zehnerpotenzen erreichen. Nach zehnminütiger Expo- sition einer zweiprozentigen Glutaral- dehydlösung (Cidex) war bei zwei von zehn Experimenten noch keine Keim- reduktion um sechs Zehnerpotenzen gewährleistet. Erst nach Spülung mit 70-prozentigem Isopropanol und an- schließender Trocknung erfüllten alle Geräte die Anforderungen an eine

High-Level-Desinfektion. Auch nach 45-minütiger Exposition von Glutaral- dehyd war bei einem von 18 Experi- menten das Ziel noch nicht erreicht, wohl aber nach Spülung mit Alkohol.

Die Autoren empfehlen deshalb, zu- sätzlich zur Desinfektion mit Glutaral- dehyd, bei der offensichtlich zehn Mi- nuten ausreichen, eine anschließende Spülung mit 70-prozentigem Alkohol, um dessen bakterizide Wirkung wäh- rend des Trocknungsvorgangs zu nut-

zen. w

Kovacs BJ, Chen YK, Kettering JD, Aprecio RM, Roy I: High-level desin- fection of gastrointestinal endoscopes.

Are current guidelines adequate? Am J Gastroenterol 1999; 94: 1546–1550.

Division of Gastroenterology, Depart- ments of Microbiology and Hospital Epi- demiology, Loma Linda University, Medi- cal Center, Loma Linda, Kalifornien, USA.

Desinfektion von Endoskopiegeräten

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