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Archiv "Biomedizin: Präzisere Vorschriften" (28.01.2005)

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m 25. Januar wurde in Straßburg das Zusatzprotokoll zur Konven- tion über Menschenrechte und Biomedizin, biomedizinische Forschung betreffend, in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zur Zeichnung ausgelegt. Dieses Protokoll präzisiert die wichtigen und teilweise umstrittenen Punkte unter anderem zur Forschung an Nichteinwilligungsfähi- gen. Zur Vorgeschichte: Am 4. April 1997 wurde im spanischen Oviedo das

„Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin“ zur Zeichnung ausgelegt.

Am 1. Dezember 1999 trat die so ge- nannte Konvention von Oviedo in Kraft, nachdem die fünf vorgeschriebe- nen Ratifizierungen erreicht waren. In- zwischen wurde das Abkommen von 16 Staaten ratifiziert, 15 weitere Staaten haben das Übereinkommen unterzeich- net. Deutschland hat bisher nicht ge- zeichnet. Die Konvention soll dem Ziel dienen, „die Würde und die Identität aller Menschen“ zu schützen und „jeder- mann ohne Diskriminierung die Wah- rung seiner Integrität sowie seiner son- stigen Grundrechte und Grundfreihei- ten im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin“ zu gewährlei- sten (Artikel 1). Das Übereinkommen will im Bereich der Biomedizin einen menschenrechtlichen Mindeststandard sichern. Die Möglichkeit der Staaten, einen über die Konvention hinausge- henden Schutz zu gewährleisten, wird nicht beschränkt (Artikel 27).

Diese Konvention versucht als erstes gesetzlich bindendes internationales in- ternationales Instrument, die Anwen- dung von Biologie und Medizin am Menschen mit seiner Würde und seiner Identität zu vereinbaren. Sie stützt sich

dabei unter anderem auf internationale Konventionen zum Schutz der Men- schenrechte und berücksichtigt gedank- lich andere mit dem gleichen Ziel er- stellte Texte, zum Beispiel den Nürnber- ger Kodex oder die Deklaration von Helsinki. Zu den wesentlichen Bestim- mungen der Konvention selbst gehört das Erfordernis der freiwilligen Zustim- mung nach gehöriger Aufklärung – „in- formed consent“ – bei jeder medizini- schen Maßnahme.

Europaweite Schutzvorschriften

„Eine Einwilligung lässt sich bei ei- nem Gesunden leicht einholen, nicht je- doch bei einem Kranken, der nicht mehr sprechen kann, einem Kleinkind oder einem geistig verwirrten Erwach- senen“, begründet der Europarat die Notwendigkeit der Festlegung von eu- ropaweiten Schutzvorschriften. Die Konvention beschränkt die Möglichkeit von Studien, in denen die Gesundheit des einzelnen Teilnehmers nicht direkt verbessert wird, auf bestimmte, genau umrissene Fälle und unterstellt sie der strengen Kontrolle wissenschaftlicher und ethischer Gremien. Das Überein- kommen schränkt „medizinische Studi- en an nichteinwilligungsfähigen Patien- ten strikt ein, lässt aber ausnahmsweise Forschungsarbeiten zu, die eine Verbes- serung des Gesundheitszustands der betreffenden Person oder von an den gleichen Störungen leidenden Personen erlauben sollen (zum Beispiel For- schung, die nur an Kindern, jedoch aus- schließlich in deren Interesse vorge-

nommen werden kann), soweit diese nur minimale Risiken und Belastungen mit sich bringen“.

Die Konvention hat dem Europarat zufolge „eine europaweite Diskussion über diese Fragen in Gang gesetzt.

Während einige Länder bestimmte Ar- tikel als zu restriktiv ansahen, zeigten sich andere, darunter Deutschland, ganz im Gegenteil über die unzurei- chende Schutzwirkung einiger Artikel beunruhigt.“ In Bezug auf Artikel 18 (Schutz von Embryonen), aber auch Artikel 17 Absatz 2 (Schutz von einwil- ligungsunfähigen Personen bei For- schungsvorhaben, die nicht zu deren ei- genem unmittelbaren Nutzen sind) soll die Diskussion und Beratung in der En- quete-Kommission des Bundestages

„Ethik und Recht der modernen Medi- zin“ berücksichtigt werden. Darüber hinaus werde die Bundesregierung et- waige Empfehlungen des Nationalen Ethikrats abwarten, teilte das Auswärti- ge Amt mit.

Der Ministerrat empfahl im Jahr 1991 dem Ad hoc Committee of Ex- perts on Bioethics, dem späteren CDBI (Steering Committee on Bioethics), Zu- satzprotokolle zur Konvention vorzu- bereiten, um die Konvention zu konkre- tisieren und weiterzuentwickeln. Veröf- fentlicht wurden bisher das Zusatzpro- tokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen vom 12. Januar 1998 und das Zusatzprotokoll über die Trans- plantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs zum Überein- kommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 24. Januar 2002. Das P O L I T I K

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A176 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 428. Januar 2005

Biomedizin

Präzisere Vorschriften

Ende Januar liegt das Zusatzprotokoll zur Konvention über Menschenrechte und Biomedizin betreffend medizinische Forschung zur Zeichnung aus.

Foto:Caro

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Protokoll, das jetzt zur Zeichnung aus- gelegt wird, wurde am 30. Juni letzten Jahres veröffentlicht. Ein zusätzlich vorgelegter erläuternder Kommentar berücksichtigt die Diskussionen im CDBI ebenso wie die Anmerkungen und Forderungen der Delegationen.

Entsprechend der Konvention for- dert das Zusatzprotokoll in Artikel 1, die „Würde und Identität aller Men- schen zu schützen und jedem ohne Dis- kriminierung die Integrität und andere Rechte und fundamentale Freiheiten im Hinblick auf jeden Forschungsein- griff im Bereich der Biomedizin zu ga- rantieren“. In Artikel 3 wird der Vor- rang des Menschen (Primacy of the hu- man being) betont: „Die Interessen und das Wohlergehen des an Forschung be- teiligten Menschen sollen Vorrang ha- ben vor dem alleinigen Interesse von Gesellschaft oder Wissenschaft.“ For- schung an Menschen soll freiwillig und nur dann zulässig sein, wenn eine Alter- native fehlt (Artikel 4 und 5). So sollen dem Kommentar zufolge beispielsweise invasive Methoden dann nicht zulässig sein, wenn weniger invasive oder nichtinvasive Methoden zu vergleich- baren Ergebnissen kommen. Forschung am Menschen soll auch dann nicht er- laubt sein, wenn vergleichbare Ergeb- nisse durch andere Methoden, wie zum Beispiel Computermodelle oder Tier- versuche, zu erreichen sind. Diese Al- ternativen dürften allerdings ebenfalls nicht unethisch sein.

Informed consent

Forschung darf dem Zusatzprotokoll zufolge keine Risiken und Belastungen für den Menschen verursachen, die nicht im Verhältnis zu den potenziellen Nutzen stehen. Wenn davon auszuge- hen ist, dass eine Forschung möglicher- weise keinen unmittelbaren Nutzen (benefit) für den Forschungsteilnehmer haben könnte, darf solche Forschung nur bei akzeptablen minimalen Risiken und Belastungen für den Patienten oder Probanden vorgenommen wer- den. Im Kommentar wird dazu ein Bei- spiel genannt: Ein höherer Grad an Ri- siko und Belastung könnte bei einer neuen Therapie für eine fortgeschritte- ne Krebserkrankung hingenommen

werden, wohingegen das gleiche Risiko und die gleiche Belastung zur Verbesse- rung der Behandlung bei einer leichten Infektion inakzeptabel seien.

Jedes Forschungsprojekt muss sich einer unabhängigen Prüfung auf seine ethische Akzeptanz durch eine Ethik- kommission unterziehen (Artikel 9).

Die Person, die an einem Forschungs- projekt teilnimmt, soll eine angemesse- ne Information in verständlicher Form erhalten. Diese Information soll doku- mentiert werden. Die Informationen sollen den Zweck, den Gesamtplan und die möglichen Risiken und Nutzen des Forschungsprojekts enthalten (Artikel 13). Keine Forschung darf ohne die in- formierte, freie, ausdrückliche, spezifi- sche und dokumentierte Einwilligung der betroffenen Person vorgenommen werden (informed consent). Diese Ein- willigung darf zu jeder Phase des For- schungsprojekts zurückgezogen wer- den (Artikel 14).

Forschung an Nichteinwilligungs- fähigen darf unter bestimmten Bedin- gungen vorgenommen werden: Das Er- gebnis der Forschung hat für die Ge- sundheit des Betroffenen tatsächlichen und unmittelbaren Nutzen. Forschung von vergleichbarer Wirksamkeit kann an einwilligungsfähigen Personen nicht vorgenommen werden. Die betroffene Person muss über ihre Rechte und die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzvor- schriften informiert werden, es sei denn, die Person ist nicht in der Lage, Infor- mationen aufzunehmen. Die notwendi- ge Einwilligung muss durch den gesetz- lichen Vertreter oder eine gesetzlich vorgesehene Behörde oder Person nach vorheriger Information schriftlich do- kumentiert und unter Berücksichtigung früherer Äußerungen und Wünsche der Person gegeben werden. Die Meinung eines Minderjährigen soll im Verhältnis zum Alter und zur Reife berücksichtigt werden.

In Ausnahmefällen und unter Beach- tung der gesetzlich vorgeschriebenen Schutzvorschriften darf auch ohne un- mittelbaren Nutzen für den Nichteinwil- ligungsfähigen geforscht werden, und zwar dann, wenn die Forschung das Ziel hat, zu einer beträchtlichen Verbesse- rung des wissenschaftlichen Verständ- nisses über den Zustand, die Krankheit oder Störung beizutragen. Diese Kennt-

nisse sollten geeignet sein, dem Betrof- fenen zu nutzen oder Personen, die sich in der gleichen Altersstufe befinden oder die unter der gleichen Krankheit oder Störung leiden oder sich in dem gleichen Zustand befinden. Die For- schung darf nur mit einem minimalen Risiko oder einer minimalen Belastung für den Einzelnen verbunden sein.

Minimales Risiko

Der erläuternde Kommentar nennt Beispiele für Forschung mit minimalem Risiko und minimaler Belastung: Ent- nahme von Körperflüssigkeiten ohne invasiven Eingriff wie Speichel- oder Urinproben oder nichtinvasive diagno- stische Maßnahmen wie Sonographie oder Röntgenaufnahmen. Der Kom- mentar räumt allerdings ein, dass auch diese Eingriffe für bestimmte Teilneh- mer Risiken oder Belastungen mit sich bringen können, die nicht als minimal zu bezeichnen sind. Das Zusatzprotokoll regelt in Kapitel VI (Besondere Situa- tionen) die Forschung für zwei Situatio- nen, in denen Menschen nicht fähig sind einzuwilligen. Dazu gehört die For- schung in klinischen Notfallsituationen (Artikel 19) und die Forschung an Per- sonen, denen die Freiheit entzogen ist (Artikel 20). Forschung an diesen Perso- nen soll dann erlaubt sein, wenn ver- gleichbare Ergebnisse an Personen, de- nen nicht die Freiheit entzogen wurde beziehungsweise die sich nicht in klini- schen Notfallsituationen befinden, nicht zu erlangen sind. Sie soll auch nur dann zulässig sein, wenn die Forschung das Ziel hat, ein Höchstmaß an Ergebnissen für die Gesundheit von der Freiheit ent- zogenen Menschen oder Menschen in klinischen Notfallsituationen zu erzie- len, und sie darf nur ein minimales Risi- ko und eine minimale Belastung ein- schließen. Ähnliches gilt auch für For- schung an Schwangeren und an Frauen in der Stillzeit (Artikel 18).

Eine Unterzeichnung des Zusatz- protokolls setzt die Unterzeichnung des Übereinkommens voraus.

Gisela Klinkhammer P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 428. Januar 2005 AA177

Die Konvention über Menschenrechte und Biomedizin und das Zusatzprotokoll Biomedizinische Forschung können abgerufen werden unter www.aerzteblatt.de/plus0405.

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