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Archiv "Geschichte des Gesundheitsunterrichts und der Gesundheitserziehung in den Schulen" (17.03.1977)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

GESCHICHTE DER MEDIZIN

Gymnastische Übungen

zur Erhöhung der Wehrhaftigkeit Aber die Einsicht über die Notwen- digkeit der Gesundheitsförderung ließ sich nicht unterdrücken. 1859 gingen dem Abgeordnetenhaus zwei Petitionen zu, die Regulative aufzuheben. Das wurde vom Mini- ster abgelehnt, aber er versprach, wirkliche Mängel zu beseitigen (15).

1860 wurden durch einen Ministe- rialerlaß die Provinzialschulkolle- gien und die Regierungen angewie- sen, der ausgedehnten Einführung des Turnunterrichts erhöhte Auf- merksamkeit zuzuwenden und nach drei Monaten zu berichten, dieses aber nicht nur aus pädago- gischer und gesundheitlicher Ein- sicht, sondern auch weil richtig be- triebene gymnastische Übungen zur Erhöhung der Wehrhaftigkeit beitragen (16).

Darauf verfügte z. B. die Regierung in Potsdam, daß in allen Elemen- tarschulen täglich eine halbe Stun- de Turnunterricht erteilt wurde (17).

Durch den Ministerialerlaß vom 21.

März 1862 wurde angeordnet, „daß fortan in allen Volksschulen der Unterricht der männlichen Jugend in den gymnastischen Übungen"

nach dem vom König genehmigten

„Leitfaden für den Turn-Unterricht

in den Preußischen Volksschulen"

erteilt wird. Auch dem Unterricht in den Seminaren wurde dieser Leit- faden zugrunde gelegt (18).

Zwei Jahre später wurde auf Grund einer Denkschrift des Berliner- Turnlehrer-Vereins und der Befür- wortung durch die Berliner Medizi- nische Gesellschaft auch die Be- deutung „des Turnens für Mädchen in pädagogischer und hygienischer Beziehung" vom Ministerium aner- kannt, aber die Einführung der frei- en Entschließung der Eltern und Gemeinden überlassen (19).

Neuer Leitfaden für den Turnunterricht

1866 war der Turnunterricht so weit durchgeführt, daß von den 52 preu- ßischen Lehrerseminaren bereits 46 in der Central-Turn-Anstalt aus- gebildete Lehrer hatten, während in den Gymnasien und Realschulen noch ein größerer Mangel an quali- fizierten Turnlehrern vorhanden war. 1868 wurde der „Neue Leitfa- den für den Turnunterricht in den Preußischen Volksschulen" in allen Elementarschulen und den Lehrer- seminaren eingeführt, und 1869 den Lehrern empfohlen, sich gründlich mit dem Leitfaden ver- traut zu machen, auch durch Be- handlung in den Lehrerkonferen-

Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811), Pädagoge und Philanthrop — Stich von Steinla

zen mit dem Hinweis, daß auch für die Jugend die Leibesübungen notwendig sind (20).

Der Einfluß Virchows

Ein neuer Anstoß zur Beachtung der Gesundheitserziehung der Schüler ging von der Denkschrift des Prof. Dr. Virchow „über gewis- se, die Gesundheit benachteiligen- de Einflüsse der Schulen" aus. Sie erschien 1869 und wurde auch im Centralblatt für die gesamte Unter- richtsverwaltung in Preußen veröf- fentlicht (21). Als besonders nach- teilige Einflüsse auf die Gesundheit werden — wie schon bei Dr. Linser genannt —

1. die Augenübel,

2. die Congestionen des Blutes zum Kopf (Kopfweh, Nasenbluten), 3. die Verkrümmung der Wirbel- säule,

4. die Erkrankungen der Brustein- geweide,

5. die Erkrankungen der Unter- leibs- und Verdauungsorgane erkannt. Virchow empfiehlt die Zu- sammenarbeit von Schulmännern und Ärzten zur Lösung der großen Aufgabe, die körperliche und gei- stige Gesundheit des nachwach-

Geschichte

des Gesundheitsunterrichts und der Gesundheitserziehung in den Schulen

Gerhard Schwarz

Fortsetzung und Schluß

762 Heft 11 vom 17. März 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Gesundheitsunterricht

senden Geschlechts zu erhalten und fortzubilden.

Daraufhin wurden durch Ministerial- erlaß vom 31. Januar 1870 (22) Ärz- te und Lehreraufgefordert, das erfor- derliche Material für die zu ergrei- fenden Maßnahmen zu sammeln, und die Regierungen und Provin- zialschulkollegien ermahnt, binnen 6 Monaten sich zu äußern und die möglich erscheinenden Maßregeln in Vorschlag zu bringen. In dem Bericht eines Provinzialschulkolle- giums wird darauf hingewiesen, daß die Schulen nicht ohne weite- res für die Schäden verantwortlich sind „und daß jedes Kind beim Ein- tritt in die Schule einer ärztlichen Untersuchung unterzogen werden müßte, die jedes Jahr wiederholt werden sollte. Erst dann ließe sich feststellen, wie sich die Gesundheit dieses Kindes während seines Schulbesuches gestaltet und wie sich seine Schäden und Schwä- chen 'entwickelt haben" (23).

Anleitung

zu vernünftiger Lebensweise

„Die Allgemeinen Bestimmungen"

vom 15. Oktober 1872 (24) unter Mi- nister Falk, die fast ein halbes Jahrhundert die Grundlage für die Gestalt der preußischen Volks- schule und für die Gesundheitser- ziehung in ihr bildeten, verlangen in der Naturbeschreibung an erster Stelle die Behandlung vom „Bau und Leben des menschlichen Kör- pers" auch in der einfachsten Landschule. Nach den „Methodi- schen Weisungen" von 1908 (25) soll der Unterricht „anatomische Ein- zelheiten" nur insoweit behandeln,

„als es zum Verständnis der Funk- tionen des Körpers notwendig ist.

Die Hauptaufgabe dieses Unter- richts ist die Anleitung zu einer vernünftigen Lebensweise", die im einzelnen des näheren umschrie- schrieben wird.

Auch auf die „Verhütung und Ver- breitung übertragbarer Krankhei- ten" und auf die Bekämpfung des Alkoholismus durch die Schule so- wie auf die Belehrung der Kinder

J. C. F. Gutsmuths, 1759 bis 1839

über die Bedeutung einer vernünf- tigen Zahnpflege wurde in beson- deren Erlassen hingewiesen (26).

Die Gestaltung der Schule und ihrer Gesundheitserziehung nach dem verlorenen Krieg 1918 mit der folgenden Revolution wurde im Januar 1920 durch den Entwurf für das Grundschulgesetz vorangetrie- ben. So konnte das Gesetz bereits im April 1920 verkündet werden (28). Erst jetzt wurden die Forde- rungen Rochows von 1776 und Süverns von 1817 endlich erfüllt.

Leitsätze

zur hygienischen Erziehung Die anschließende Reichsschulkon- ferenz konnte unter großer Beteili- gung der Regierungsvertreter sämt- licher deutscher Länder und Öster- reichs sowie der Verteter der Schu- len und Hochschulen, der Pädago- gen und der Jugendbewegung im Reichstagsgebäude vom 11. bis 19.

Juni 1920 tagen. Dabei wurden in einem besonderen Ausschuß unter Leitung des Hygienikers Professor Dr. Selter, Königsberg, auch die Fragen der Gesundheitserziehung in der Schule behandelt und fol- gende Leitsätze angenommen:

1. Die hygienische Erziehung der Schüler ist notwendig zur Verbes- serung der gesundheitlichen Le- bensbedingungen und als Voraus- setzung der gesundheitsgemäßen Lebensführung der Schüler selbst.

Sie ist die Grundlage der Verbrei- tung hygienischer Lehren im Volk, der Bekämpfung der Volkskrank- heiten und der Hebung der Volks- kraft. Die hygienische Erziehung der Schüler ist daher an allen Schulen und auf allen Stufen durchzuführen.

2. Die hygienische Erziehung in der Schule hat durch die Lehrer zu erfolgen. In geeigneten Fällen ist die Mitwirkung des Arztes geboten.

3. Die hygienische Erziehung der Schüler setzt die hygienische Vor- bildung aller Lehrer voraus, die nach einheitlichen Grundsätzen für die Lehrer aller Lehranstalten durchgeführt werden soll. Sie hat im besonderen Anatomie, Physiolo- gie und Hygiene zu umfassen und ist durch eine Prüfung nachzuwei- sen.

4. Die hygienische Erziehung soll das ganze Schulleben durchdrin- gen. Jedes Unterrichtsfach kann ihr dienstbar gemacht werden, be- sonders der naturwissenschaftliche Unterricht. Aber auch besondere Unterrichtsstunden in der Hygiene sind in allen Schulen einzuführen.

5. Es ist Vorsorge zu treffen, daß in der Übergangszeit, bis die ord- nungsgemäße hygienische Vorbil- dung der Lehrer allgemein durch- geführt ist, auch die bereits im Amte befindlichen Lehrer in geeig- neter Weise zur hygienischen Er- ziehung der Schüler befähigt wer- den (29).

Daß die hygienische Erziehung in der Schule durch den Lehrer zu er- folgen habe, ist auch von der wis- senschaftlichen Pädagogik eindeu- tig bejaht worden.

Der Philosoph Frischeisen-Köhler bezeichnet die Reichsschulkonfe- renz als „ein geschichtliches Er-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 11 vom 17. März 1977 763

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Gesundheitsunterricht

eignis von bleibender Bedeutung, da auf ihr zum erstenmal in Deutschland die Schule und Erzie- hung als eine zentrale und ge- meinsame Kulturangelegenheit des ganzen Volkes erfaßt worden sei", und Ziegler selbst schreibt darin:

„In der Tat war es überraschend, wie schnell sich eine Annäherung und der bewußte Wille zur positi- ven Mitarbeit fast überall einge- stellt hatte" (30).

Die Leitsätze fanden bei den Päd- agogen, Ärzten und den Regierun- gen ein starkes Echo. Noch im selben Jahr forderte „Der Deut- sche Verein für Schulgesundheits- pflege" in einer Entschließung eine zielbewußte und planmäßige Ge- sundheitserziehung in allen Schu- len. Und die „Gesellschaft Deut- scher Naturforscher und Ärzte"

und die „Deutsche Hygienische Gesellschaft" verlangte durch ihren Vorsitzenden in einem Schreiben an das Reichsministerium des In-

nern vier Jahre später, „endlich vom Wort zur Tat überzugehen" (31).

Auch das „Deutsche Zentralkomi- tee zur Bekämpfung der Tubercu- lose" und die „Gesellschaft Deut- scher Fürsorgeärzte" forderten in schriftlichen Eingaben, daß „bei dem kommenden Reichsschulge- setz Gesundheitserziehung als Pflichtfach in die Lehrpläne aller Schulen aufgenommen werde" (32).

In Preußen hatte man in den

„Richtlinien zur Aufstellung von Lehrplänen für die oberen Jahr- gänge der Volksschule" von 1922 (33) und den „Richtlinien für die Lehrpläne der Höheren Schulen"

von 1925 der Biologie des Men- schen und der gesundheitlichen Belehrung einen weit größeren Umfang als bisher eingeräumt.

Erziehung

zur Eigenverantwortung

Der Ministerialerlaß vom 10. Febru- ar 1926 suchte der grundsätzlichen Bedeutung der Gesundheitserzie- hung in der Schule gerecht zu wer- den. Er forderte für sämtliche

Gutsmuths schrieb als Erzieher in Schnepfental/Thüringen ein Buch über Gymnastik für die Jugend. Abbildungen (6): Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin

Schulen gebührende Berücksichti- gung im Gesamtplan des Unter- richts.

Die gesundheitlichen Belehrun- gen sollen nicht auf den natur- kundlichen Unterricht beschränkt bleiben, sondern während der gan- zen Schulzeit bei jeder Gelegen- heit und in den verschiedenen Schulfächern überall da gegeben werden, wo es zwanglos gesche- hen kann. Darüber hinaus soll der Schüler durch nachhaltige Be- lehrung an die ständige Be- achtung der notwendigen Ge- sundheitsregeln gewöhnt und sein Verantwortungsgefühl sowohl für die eigene Lebensführung als auch für die freudige Mitarbeit an der Gesunderhaltung unseres Volkes dauernd geweckt werden. Zur Er- reichung dieser Forderung sollten die im Amte stehenden Lehrer und Lehrerinnen durch besondere Lehrgänge befähigt werden (34).

Die 1927 auf Veranlassung des Reichsministeriums des Innern vom Reichsgesundheitsamt ausge- arbeiteten „Richtlinien für die ge- sundheitliche Belehrung der Lehrer und Schüler an Volks-, Mittel- und höheren Schulen sowie an Frauen-, Fach- und Berufsschulen" wurden nach längeren Beratungen von Pädagogen und Ärzten, 1929 durch die Regierungen der Län- der den Schulen zur Kenntnis ge- geben (35). Sie gehen in der Stoffauswahl bis in Einzelheiten und bilden auch heute noch eine geeignete Grundlage für die Stoff- auswahl.

Die Auswirkung dieser Richtlini- en auf den Unterricht in den Schu- len wurde auf einer Veranstaltung des Reichsausschusses für hygie- nische Volksbelehrung im Oktober 1932 behandelt und als wichtiger Ansatz gutgeheißen (36).

Der Gesundheitsunterricht sowie die Gesundheitserziehung in den Schulen braucht jetzt nicht völlig neu aufgebaut zu werden, sondern kann an die Entwicklung, die bis zum Jahre 1932 erreicht war, an- knüpfen um sie unter Berücksich- tigung der heutigen Verhältnisse mit kritischer Sicht zu gestalten.

Ferner sei auf die Berliner Schul- lehrpläne hingewiesen, wo „die Biologie des Menschen" als um- fassender Begriff von Gesundheits- unterricht und -erziehung in das Lehrerbildungsgesetz von 1958 auf- genommen worden ist.

In Göttingen wird für die Studen- ten des Faches Leibeserziehung, die als Berufsziel das Lehramt an Realschulen und Gymnasien an- streben, je eine einstündige Vorle- sung über Sporthygiene und Ge- sundheitserziehung von mir gehal- ten. — Ein bescheidener Anfang.

Anschrift des Verfassers:

Akadem. Dir.

Dr. med. Gerhard Schwarz Leiter der sportmedizinischen Beratungsstelle

der Universität Göttingen

Sprangerweg 2, 3400 Göttingen

764 Heft 11 vom 17. März 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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