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Archiv "Personalmanagement im Krankenhaus: Mitarbeiterorientierung ist Chefsache" (10.02.2012)

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A 278 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 6

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10. Februar 2012

D

as Thema Mitarbeiterattrakti- vität von Krankenhäusern ist längst nicht mehr nur ein ethisches Thema für Personaler, Gewerkschaf- ter oder Gutmenschen, sondern ein wirtschaftliches Thema, von dem das Überleben des Hauses langfristig abhängt. Gemäß dem Prinzip, dass man auch bei großem Hunger nicht alle Saatkartoffeln verzehren darf, wenn im nächsten Jahr wieder ge- erntet werden soll, müssen Kranken- häuser deshalb ihren Fokus auf Effi- zienz und Innovation erweitern und auf den langfristigen Erhalt ihrer wichtigsten Ressource lenken: Es geht um Mitarbeitergesundheit, -mo- tivation, Aus- und Weiterbildungs- qualität. Eine kurzfristige maximale

„Ausnutzung“ der aktuellen Fach- kräfte und ein gutes Bewerberaus- wahlverfahren ist nicht mehr aus- reichend, um den Personalbe- stand eines Krankenhauses lang- fristig zu sichern.

In einer Forschungsarbeit am Lehrstuhl für nachhaltiges Ma-

nagement an der Bremer Universi- tät untersuchten die Autorin und Andrea Hahn empirisch, wie Kran- kenhäuser das Thema „Nachhaltig- keit im Personalmanagement“ in der Praxis umsetzen. Dabei war das Spannungsverhältnis von Effizienz- und Substanzorientierung ein Fo- kus. Gemeint ist der ökonomisch optimierte Einsatz von Fachkräften einerseits und der Erhalt von Quali- tät, Motivation, Gesundheit plus der zahlenmäßige Erhalt der Ärzte und Pflegekräfte andererseits.

Personal wird verwaltet Experten des Krankenhauswesens wurden anhand von teilstrukturier-

ten Leitfadeninterviews befragt und die Aussagen mittels eines ana-

lytisch interpretativen Verfah- rens ausgewertet. Die Arbeit mündet in Handlungsanwei-

sungen für das Kranken- hausmanagement.

In den Krankenhäusern ist die Per- sonalverantwortung in der Regel ei- nem zentralen Bereich, dem Per - sonalwesen, zugeordnet, das häufig noch in einer starren, hierarchisch orientierten Verwaltung von Personal vorwiegend administrative Aufgaben erfüllt. Strategische Zielorientierung, die über die vier bis fünf Jahre der Geschäftsführerverträge hinausgeht, und Personalentwicklungsabteilun- gen, in denen Kernelemente des be- trieblichen Gesundheitsmanagements integriert sind, gibt es kaum. Dabei sind individualisierte und flexible Anstellungsverträge und Arbeitszei- ten notwendig, um hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und halten zu können. Auch flache Hierarchien, niederschwellige Rückmeldestruktu- ren seitens der Mitarbeiter und in - terdisziplinäre Kooperationsformen wie Fallbesprechungen, die dem ge-

sellschaftlichen Wertewandel Rech- nung tragen, sind rar.

In den meisten Krankenhäusern findet sich auf allen Ebenen die Ein- PERSONALMANAGEMENT IM KRANKENHAUS

Mitarbeiterorientierung ist Chefsache

Der Fachkräftemangel gefährdet die Mitarbeitersubstanz der Krankenhäuser.

Ein nachhaltiges Personalmanagement, das auf Mitarbeitergesundheit, -motivation sowie Aus- und Weiterbildungsqualität setzt, ist aber immer noch die Ausnahme.

Falsche Priori - täten: Nicht die Finanzknappheit ist

das Zukunftspro- blem der Kranken- häuser, sondern der grassierende Fach-

kräftemangel.

Foto: iStockphoto

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A 280 Deutsches Ärzteblatt

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10. Februar 2012 stellung „Patientengesundheit geht

vor Mitarbeitergesundheit“. Dabei gibt es beim Einzelnen eine hohe Bereitschaft, eigene zeitliche, kräfte- mäßige, gesundheitliche und fami- liäre Grenzen zu überschreiten. Die- se Diskrepanz in der Einstellung ge- genüber der Gesundheit von Mitar- beitern und der von Patienten zeigt, dass das Berufsethos „Patienten- wohl“ oft als Wirtschaftsfaktor ver- standen wird, aus dem sich Wettbe- werbsvorteile ergeben, es aber keine Grundeinstellung ist, die Gesundheit des Menschen an sich zu fördern.

Die langfristige Gesundheit der Mit- arbeiter sollte aber angestrebt wer- den. Dazu gehören die Individuali- sierung von Arbeitsplatzbedingun- gen, das Schaffen von Reflexions- räumen zur inneren Standortbestim- mung (Supervisionen, Fallbespre- chungen) oder auch Formen der schrittweisen Wiedereingliederun- gen von Mitarbeitern, die etwa nach einem Burn-out an den Arbeitsplatz zurückkehren. Auch die Förderung gesunder Lebensbedingungen durch Zusammenarbeit mit Fitnessstudios, verpflichtende betriebsärztliche Rou- tineuntersuchungen für Mitarbeiter, vernetzt mit niederschwelligen Be- ratungsangeboten durch Externe in den Bereichen Partnerschaft, Erzie- hung, Sucht, Burn-out, Lebenshilfe sowie eine freundliche, transparente und kooperative Unternehmenskul- tur können Teil einer umfassenden Gesundheitsförderung sein.

Nur das Patientenwohl zählt Nicht nur die Gesundheit von Mitar- beitern, sondern auch die des ganzen Hauses wird oftmals durch finanziell kurzfristige Entscheidungen gefähr- det, indem Ressourcenverbrauch und Ressourcennachschub nicht so ge- steuert werden, dass die Basis lang- fristig ausgewogen und damit die Substanz erhalten bleibt. Es findet auch nur selten eine strategische und systematische Analyse der Pflege- schulabsolventen und Medizinstudie- renden nach Zahl, Laufbahn, Motiva- tion und Ausbildungsqualität statt.

Und es gibt auch nur sporadische In- vestitionen in Bildungseinrichtungen.

Die permanent präsente, naive Idealisierung, dass Effizienz und Substanzerhalt gleichzeitig möglich

seien, führt in vielen Krankenhäusern dazu, dass über einen strategischen, systematischen Umgang mit diesen Spannungsfeldern nicht nachgedacht wird. Führungskräfte können sich der Auseinandersetzung mit kriti- schen Fragestellungen entledigen, in- dem sie das Problem an die nächst untergeordnete Führungsebene ab- schieben. Beispiel: „Liebe Stations- leitung, achten Sie bitte darauf, dass die Pflegekräfte keine Überstunden machen. Außerdem muss der OP- Plan durchgezogen werden. Als Füh- rungskraft erwarten wir von Ihnen, dass Sie das hinbekommen!“ Durch solches Delegieren landet in der Pra- xis die Hauptbelastung oft beim mitt- leren oder unteren Management.

Häufig entstehen konfliktreiche Si- tuationen, in denen das strukturelle

Phänomen des Konflikts übersehen und der Konflikt auf persönlicher Ebene ausgetragen wird.

In den meisten Krankenhäusern ist das Drängende so präsent, dass nicht nach Strategie und langfristi- gem Überleben gefragt wird. Immer wieder gibt es zum Beispiel Proble- me, wenn ein Mitarbeiter oder eine Führungskraft sich gegen eine effi- ziente Vorgehensweise und zuguns- ten substanzorientierter Prämissen entscheidet. Solche Entscheidungs- spielräume müssten eigentlich je- weils für die nachfolgende Hierar- chieebene durch die Führungskraft aufgezeigt und damit legitimiert werden. Im Idealfall weiß die Stati- onsleitung, dass sie heute die er- schöpfte ältere Mitarbeiterin pünkt- lich nach Hause schicken darf und dass es o. k. ist. Und der ärztliche Direktor sollte sich sicher sein, dass es in Ordnung ist, wenn er einen be- sonders qualifizierten Oberarzt ein- stellt, der nur eine bestimmte Stun- denzahl zu arbeiten bereit ist. In den meisten Krankenhäusern gibt es ei- nen solchen Spielraum jedoch nicht.

Auch müsste geregelt sein, mit wel- chen Tauschmöglichkeiten Sonder- konditionen von Mitarbeitern begeg-

net werden kann, damit diese nicht im freien Spiel der Kräfte auf den Abteilungen ausgetragen werden.

Ein Beispiel: In gut geführten Häu- sern sind Mitarbeiter über 60 Jahre vom Nachtdienst befreit. Dafür ha- ben Mitarbeiter mit schulpflichti- gen Kindern Vorfahrt bei der Ur- laubsplanung in den Schulferien und bei den großen kirchlichen Fei- ertagen. Diese Tauschoptionen soll- ten transparent im Haus kommuni- ziert werden.

Mehr Spielräume eröffnen Führungskräfte müssen auch in der Wahrnehmung der substanzorien- tierten Nachhaltigkeit und dem Um- gang mit den Spannungsfeldern ge- schult und begleitet werden. Bei subjektiv empfundener hoher Be- lastung muss es möglich sein, dass zumindest die Führungskräfte Un- terstützung finden – durch bedarfs- orientiertes, freiwilliges, externes und hoch professionelles Coaching.

Anders als in anderen Branchen spielt dieser Ansatz im Kranken- hauswesen (noch) keine Rolle.

Dabei müsste substanzorientierte Nachhaltigkeit über die obere Füh- rungsebene der Einrichtungen einge- führt und integriert werden. Bei ih- nen liegt der Schlüssel, den nachfol- genden Mitarbeitern die Wahrneh- mung der Unvereinbarkeit der Span- nungen und den Spielraum für den Umgang damit zu eröffnen und ih- nen dafür Begleitung anzubieten. Sie müssen nicht die alltäglichen Ent- scheidungsoptionen der Abteilungen aufzeigen. Dies kann besser in den jeweiligen Professionen, Ebenen und Abteilungen alltagsspezifisch erar- beitet werden. Aber den Rahmen vorzugeben, innerhalb von dem sub- stanzorientierte Entscheidungen ge- troffen werden dürfen, liegt in Füh- rungsverantwortung. Dort, wo Mit - arbeiter sich ausschließlich selbst schützen müssen, ihr gelegentliches Nein gegenüber stets drängenden All- tagserfordernissen aus Selbsttreue, aus Verantwortung gegenüber ande- ren Autoritäten ihres Lebens oder übergeordneten Werten (etwa der Be- rufsethik) ableiten müssen, bedeutet dies für das Krankenhaus immer das Risiko des Mitarbeiterverlustes.

Birgit Bergmann

In den meisten Krankenhäusern ist das Drängende so präsent, dass nicht nach Strategie gefragt wird.

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