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Archiv "Onkologie 2: Biomarker: Vernetzt forschen, individuell therapieren" (17.02.2012)

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A 320 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 7

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17. Februar 2012

J

ährlich erfahren derzeit circa 450 000 Menschen in Deutsch- land, dass sie Krebs haben. Für 2020 erwartet die Deutsche Krebsgesell- schaft ein Ansteigen der Malignom- neuerkrankungen auf 600 000 pro Jahr: Der demografischen Entwick- lung wegen nimmt die Anzahl der Krebsdiagnosen jährlich um etwa zwei Prozent zu.

Die Krebsmortalität hat sich seit Beginn der 90er Jahre um etwa zehn Prozent in Europa vermindert.

Gleichwohl investierten die Gesund- heitssysteme in den westlichen Län- dern viel Geld zur Behandlung von Krebspatienten in Therapien, deren Erfolgsaussichten ohne Stratifizie- rung begrenzt seien oder die auf mor- phologischen, nicht molekular auf- geschlüsselten Diagnosen beruhten, sagt Prof. Dr. med. Christof von Kal- le, Direktor am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg. Histologische Befunde von Tumoren seien – je nach Tumor - entität – nur zu 50 bis 95 Prozent korrekt für die Zuordnung zu geeig- neten Therapien. Die Ansprechraten auf Therapien in der metastasierten Situation liegen häufig bei 30 Pro- zent und weniger. „Die klinische Praxis in der Onkologie basiert nach dem Versagen einer Erstlinienthera-

pie oft auf dem Prinzip ‚Versuch und Irrtum’“, erklärt von Kalle.

Nach gängiger Lehrmeinung ent- stehen maligne Tumoren als Folge zahlreicher genetischer und epige- netischer Veränderungen, und diese sollen sich durch Genom- und Gen- expressionsanalysen (Proteom) fest- stellen lassen.

Kosteneinsparungen erhofft Allerdings bleiben Tumor-Biomar- ker im Verlauf der Erkrankung meist nicht stabil. In Therapien, die auf der Stratifizierung nach Bio- markern beruhen, liegen daher gro- ße Hoffnungen in der Onkologie:

für die Erhöhung der Effektivität der Behandlung und eine Einspa- rung von Kosten. So erwartet die American Society of Clinical Onco- logy von der – auch in Deutschland empfohlenen – Routinetestung auf das K-RAS-Onkogen beim Colon- karzinom Einsparungen von 600 Millionen US-Dollar pro Jahr, da Patienten mit mutiertem K-RAS- Gen nicht auf Inhibitoren des epi- dermal growth factor ansprechen (Nature 2011; 469: 156–7).

Die klinisch relevanten Fragen sind: Wie unterscheiden sich Tu- morzellen eines Patienten in Bezug auf das Genom und seine Expressi-

ONKOLOGIE 2: BIOMARKER

Vernetzt forschen, individuell therapieren

Biomarker werden für die Typisierung von Tumoren immer wichtiger. Aber noch kostet es zu viel Zeit und Geld, bis die klinische Relevanz eines Tumormarkers geklärt ist – ein Problem, das sich nur durch große Forschungsnetzwerke lösen lässt.

Foto: Fotolia [m]

Arbeit durch das inzwischen verab- schiedete Arzneimittelmarktneuord- nungsgesetz konterkariert. Andere existenzielle Fragen der onkologi- schen Versorgung werden zwar an vielen runden Tischen ventiliert – Taten sind bislang nicht abzusehen.

Fazit: Die Politik vermittelt nicht. Sie „doktert“ an Symptomen herum und verschiebt die Probleme – vermutlich so lange, bis angesichts der demografischen Entwicklung die Solidargemeinschaft auseinan- derbricht.

Jetzt ist die Zeit zur Umkehr Die vergangenen Jahre machen deut- lich, wie wichtig es ist, in Zeiten knapper Ressourcen Kräfte zu bün- deln und das gemeinsame Interesse an einer gute Krebsmedizin mit star- ker Stimme zu vertreten. Aber: Geld, Zeit und Energie reichen nicht aus für zwei onkolo gische Parallelinstitutio- nen (DKG und DKH). Die Bereit- schaft zur Kooperation wird zwar im- mer wieder hervorgehoben – das hört sich gut an; es fehlt aber der Wille zur Einheit. Man hat sich eingerichtet und lebt gut in und mit der Doublette.

Wenn in unserem Land Ärzte ein Mandat oder eine Funktion überneh- men, sind sie diesem verpflichtet – gleichgültig, ob sie von der Bevöl- kerung durch Spenden unterstützt werden oder durch ihre klinische beziehungsweise wissenschaftliche Arbeit beflügelt sind. Sie sind die Hoffnungsträger der Patienten; das gilt auch für die das Geld verwalten- den Banker und die Satzungen for- mulierenden Nicht-Ärzte. Sinnleere Editorials von Meinungsführern, Laborprojekte ohne Nutzenbewer- tung, Studien ohne abschließende Qualitätssicherung sind weder im Sinne der Spender noch derer, die im Zentrum aller Bemühungen ste- hen müssen – der Krebskranken.

Wenn Konkurrenz in dieser vom Wettbewerb geprägten Gesellschaft das Geschäft belebt, dann gilt das nicht für zwei Krebsinstitutionen.

Die mehr als eine Dekade alten Thesen mögen manche zur Einkehr bewegt haben – jetzt ist Zeit für

Umkehr.

Prof. Dr. med. Lothar Weißbach Der Urologe Weißbach war von 1998 bis 2000 Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft.

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17. Februar 2012 A 321 on vom gesunden Gewebe des Pa-

tienten? Lässt sich mit Hilfe des Analyseergebnisses vorhersagen, welche Therapie am wahrschein- lichsten zum Erfolg führt?

Bis 2015 sollen die Tumormate- rialien aller am NCT behandelten Patienten molekularbiologisch unter- sucht werden, vergleichbar dem Pro- gramm des Instituts für personali- sierte Onkologie am MD Anderson Cancer Center der Universität von Texas. Dabei arbeitet das NCT nicht nur eng mit dem Deutschen Krebs- forschungszentrum (DKFZ) und der Universität Heidelberg zusammen.

Es ist Teil des Nationalen Genomfor- schungsnetzes, gefördert vom Bun- desministerium für Bildung und For- schung, und eines Konsortiums deut- scher Exzellenzzentren für transla- tionale Krebsforschung. Außerdem beteiligt sich das NCT an internatio- nalen Projekten wie der vom Karo- linska-Institut in Stockholm initiier- ten Eurocan Platform. Dies ist ein Netzwerk europäischer sogenannter Comprehensive Cancer Centers.

Durch die Zusammenarbeit soll die

für eine raschere Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klini- sche Praxis notwendige „kritische Masse“ erzeugt werden: an techni- scher Infrastruktur, Kompetenz des Personals, an biologischem Material und der Zahl der Krebspatienten.

„Malignome sind molekularbiolo- gisch und pathophysiologisch hoch- komplexe Erkrankungen“, betont Prof. Dr. med. Ulrik Ringborg vom Cancer Center am Karolinska-Insti- tut in Stockholm. „Um Prävention und Früherkennung von Tumoren zu verbessern, auch mit Hilfe von Bio- markern, und neue Stratifizierungs- strategien für evidenzbasierte Thera- pien zu implementieren, reichen Ko- operationen zwischen einzelnen Ar- beitsgruppen nicht mehr aus.“ Valide Daten ließen sich nur anhand großer Mengen an Gewebeproben, die nach anerkannten standardisierten Metho- den gewonnen und gelagert würden, erzielen. Dazu bedürfe es internatio- nal koordinierter Projekte, bei denen klinische Forschung an den Exzel- lenzzentren mit Grundlagen- und präklinischer Forschung verbunden

würden. Eurocan mit 28 Zentren und Fachgesellschaften aus elf europä - ischen Ländern bietet eine solche Plattform. Sie ist für fünf Jahre mit zwölf Millionen Euro finanziell ab- gesichert. Die Plattform solle auch die klinische Forschung mit Studien fördern, in die Patienten unter Krite- rien von biologischen Markern ein- geschlossen würden, sagt Ringborg.

Kartographie der Krebsgenome Das DKFZ und andere deutsche und europäische Zentren arbeiten wiederum mit dem International Cancer Genome Consortium (ICGC) zusammen: einem weltweiten Netz- werk von Institutionen und ein in- ternationales Pendant zum Krebs- genom-Atlas-Projekt des NCI in den USA. Das ICGC untersucht zurzeit 25 000 Tumorgenome, mit je 500 Fällen in 50 Krebstypen und -subtypen molekularbiologisch als eine Kartographierung der jeweili- gen Tumormutationen in Bezug auf prognose- und behandlungsrelevan-

te Parameter.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

Sie möchten am NCT bis 2015 möglichst von jedem Krebskranken Genomanalysen machen. Was erwartet die Patienten?

von Kalle: Zunächst einmal: Jeder unserer Pa- tienten wird unabhängig davon, wer ihn über- wiesen hat und wie er versichert ist, nach den Empfehlungen eines interdisziplinär besetzten Tumorboards behandelt. Das sollte Standard sein, ist aber sicher in Deutschland noch nicht flächendeckend umgesetzt. Patienten können jederzeit auch für Zweitmeinungen bei uns vor- gestellt werden. Erkenntnisse aus den Sequen- zierungen der Krebsgenome aus den ICGC- Projekten fließen unmittelbar ein in klinische Studien am NCT, aber auch an anderen Zen- tren. Umgekehrt nutzen wir die Daten aus den Studien, um unsere Hypothesen zu überprüfen und sie im Rahmen internationaler Kooperatio- nen weiterzuentwickeln. Die Daten der retro- spektiven ICGC-Krebsgenomanalysen werden anonymisiert für die Forschung veröffentlicht, mit den Daten der bei uns untersuchten und behandelten Patienten geschieht dies nicht.

Wonach konkret suchen Sie?

von Kalle: Wir suchen nach genetischen oder epigenetischen Veränderungen, die an der Tu- morentstehung mitwirken, malignen Zellen ei- nen Wachstumsvorteil in ihrer Mikroumgebung verschaffen, dafür sorgen, dass der Tumor er- halten bleibt und dass er gegenüber Immunab- wehr oder Chemo- und Strahlentherapie resis- tent ist. Anfangs dürften etwa fünf Prozent der Information aus den Genomanalysen direkt rele- vant sein für die Therapie des einzelnen Kran- ken, weitere zehn bis 30 Prozent für die Strati - fizierung von Patienten in Studien. Dabei machen wir auch individuelle Längsschnittuntersuchun- gen, indem wir Analysen im Verlauf der Erkran- kung und Therapie wiederholen.

Tests auf einzelne Gene sind bei bestimmen Tumoren schon heute Routine. Könnten künftig Komplett-Genomanalysen in Einzel- fällen sinnvoll und finanzierbar sein?

von Kalle: Derzeit kosten Komplett-Sequenzie- rungen mehrere Tausend Euro pro Genom und

sind noch keine validierten Diagnostika. Im Jahr 2015 werden es vermutlich unter 1 000 Euro sein. Auch Kosten für den heute noch hohen manuellen Arbeitsaufwand in der Bioinformatik werden sich verringern. Einzelne Firmen arbei- ten bereits an einer CE-Zertifizierung der Se- quenzierverfahren. Wenn auf Basis einer sol- chen Analyse auch nur ein Zyklus einer falschen Behandlung oder eine Übertherapie vermieden wird, ist dies absolut kosteneffektiv. Eine Ge- samtgenomuntersuchung ist ein ergebnisoffe- nes Verfahren: Die Daten jedes einzelnen Pa- tienten können mit dem Gesamtkatalog der Krebsmutationen verglichen werden und damit auch einen wichtigen Beitrag zu seiner Ergän- zung leisten. Die BRAF-V600E-Mutationen bei Haut-, Darm- oder Schilddrüsenkrebs bis hin zum multiplen Myelom sind Beispiele. Ein Ge- samtkatalog der Mutationen des Einzeltumors maximiert die Chancen jedes Patienten auf eine erfolgreiche, medizinisch wie wirtschaftlich opti- male Therapie mit den zunehmend verfügbaren zielgerichteten Substanzen.

3 FRAGEN AN . . .

Prof. Dr. med. Christof von Kalle vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg

M E D I Z I N R E P O R T

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