Hohe Anforderungen, wenig Ressourcen:
Arbeitszeiten in der Alten- und Krankenpflege
baua: Fakten
Nicht erst seit der SARS-CoV-2 Epidemie sind Pflege- kräfte mit besonders belastenden Arbeitsbedingungen konfrontiert. Sie erleben hohe physische und psychische Arbeitsanforderungen, die sich im Stresserleben und in gesundheitlichen Beschwerden widerspiegeln.1 Neben physischen und psychischen Anforderungen stellt auch die Arbeitszeit einen wichtigen Faktor für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit dar.
Welche arbeitszeitlichen Anforderungen in Pflegeberufen vorherrschen, wird im Folgenden auf Basis der BAuA- Arbeitszeitbefragung 2019 dargestellt. Dabei werden Al- ten- (n = 124) und Krankenpflegekräfte (n = 332; inkl. Ge- sundheits-, Kinderkrankenpflegekräfte, Hebammen und Entbindungspflegekräfte) mit Beschäftigten in anderen Berufen (n = 8.119) verglichen.
Betrachtet werden abhängig Beschäftigte im erwerbsfähi- gen Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Die Einteilung in die Berufsgruppen erfolgt anhand der „Klassifikation der Beru- fe 2010“ der Bundesagentur für Arbeit (81301-81323 und 81352-81394: Krankenpflege; 82101-82194: Altenpflege).
Insgesamt arbeiten deutlich mehr Frauen als Männer in Pflegeberufen (Frauenanteil in der Altenpflege: 81 % und in der Krankenpflege: 82 %).
Arbeiten zu atypischen Zeiten
Über die Hälfte der Beschäftigten in der Alten- (57 %) und Krankenpflege (59 %) arbeitet regelmäßig zu atypischen Zeiten vor 7 Uhr oder nach 19 Uhr (vgl. Abb. 1). Große Teile der Pflegekräfte (87 % bzw. 85 %) arbeiten zudem re- gelmäßig am Wochenende. Vor allem in der Krankenpflege (61 %), aber auch in der Altenpflege (37 %) wird zumin- dest gelegentlich auch nachts gearbeitet. Beschäftigte in anderen Berufen arbeiten deutlich seltener zu atypischen Zeiten (19 %), am Wochenende (38 %) oder nachts (18 %).
Beschäftigte in der Pflege arbeiten häufig nachts sowie an Wochenenden und überdurchschnittlich oft in Rufbereitschaft. Gleichzeitig arbeiten sie seltener in Vollzeit. Das zeigen Analysen auf Basis der BAuA- Arbeitszeitbefragung 2019. In der Krankenpflege sind zudem besonders häufig verkürzte Ruhezeiten zu verzeichnen. Ferner berichten Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege von einem geringen Einfluss auf ihre Arbeitszeitgestaltung.
Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst
Im Vergleich zu anderen Erwerbstätigen leisten sowohl Altenpflegekräfte als auch Krankenpflegekräfte etwas häu- figer Bereitschaftsdienste (vgl. Abb. 2). Darüber hinaus ist Rufbereitschaft in der Alten- (20 %) und Krankenpflege (15 %) deutlich stärker verbreitet als in anderen Berufen (6 %) und führt auch häufiger zu einem tatsächlichen Ar- beitseinsatz.
Teilzeit und kurze Ruhezeiten
Beschäftige in der Pflege haben durchschnittlich geringe- re vertragliche Wochenarbeitszeiten (32 bzw. 33 Stunden) als andere Erwerbstätige (vgl. Abb. 3). Das ist vor allem auf die höhere Teilzeitquote in der Alten- (55 %) und Kran- kenpflege (50 %) gegenüber dem geringeren Anteil bei Abb. 2 Anteil Beschäftigter mit regelmäßigem Bereitschafts- dienst, Rufbereitschaft und Inanspruchnahme von Ruf- bereitschaft in Prozent
25 20 15 10 5 0
Andere Erwerbstätige Krankenpflege
Altenpflege
Bereitschaftsdienst Rufbereitschaft Inanspruchnahme Rufbereitschaft 6
20 15
8 5
15 13
6 5 Abb. 1 Anteil Beschäftigter mit atypischen Arbeitszeiten, Wochenend- und Nachtarbeit
57 % 37 %
85 % 59 %
61 % 18 %
19 % 38 % 87 %
Altenpflege Krankenpflege Andere Erwerbstätige
Wochenendarbeit Atypische Arbeitszeit Nachtarbeit
baua: Fakten Hohe Anforderungen, wenig Ressourcen: Arbeitszeiten in der Alten- und Krankenpflege
2Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de, Internet: www.baua.de |
Autorinnen/Autoren: Roland Strauß, Dr. Anita Tisch, Laura Vieten und Jonas Wehrmann, Redaktion: Dr. G. Meilicke, Gestaltung: R. Grahl (BAuA) | doi:10.21934/baua:fakten20210119 | Februar 2021
schäftigte in der Krankenpflege nahezu ebenso häufig wie andere Erwerbstätige (sehr) viel Einfluss auf den Zeitpunkt von Urlaub oder freien Tagen nehmen können (60 % bzw.
62 %), kann dies nur knapp die Hälfte der Altenpflegekräf- te.
Fazit
Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege arbeiten durchschnittlich häufiger zu atypischen Zeiten und haben weniger Möglichkeiten, die Arbeitszeit nach ihren Bedürf- nissen flexibel zu gestalten. Damit fehlt ihnen eine wichti- ge Ressource, um die hohen physischen und psychischen Anforderungen ihres Berufs zu bewältigen. Es sollte daher stets kritisch geprüft werden, inwiefern bei der Schicht- plangestaltung Rücksicht auch auf persönliche Belange genommen werden kann. Darüber hinaus helfen verläss- liche Arbeitszeiten, berufliche und private Anforderungen besser zu bewältigen.
anderen Erwerbstätigen (23 %) zurückzuführen. Wie auch andere Erwerbstätige arbeiten Beschäftigte in der Pflege häufig länger als vertraglich vereinbart.
Abb. 3 Durchschnittliche vertraglich vereinbarte und tatsäch- liche Wochenarbeitszeit in Stunden
Um ausreichende Erholung zu ermöglichen, haben Be- schäftigte nach § 5 Abs. 1 ArbZG grundsätzlich Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen.2 In den Pflege- berufen gelten jedoch häufig gesetzliche, tarifvertragliche oder betriebliche Ausnahmeregelungen, die eine Verkür- zung der Mindestruhezeit ermöglichen (§ 5 Abs. 2 ArbZG).
Tatsächlich berichtet etwa die Hälfte der Krankenpflege- kräfte (51 %) davon, mindestens einmal im Monat Ruhe- zeiten von weniger als elf Stunden zu haben (vgl. Abb. 4).
Bei den Altenpflegekräften ist es etwa jede bzw. jeder Vierte (26 %), bei anderen Erwerbstätigen jede bzw. jeder Sechste (17 %).
Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung
Kranken- und Altenpflegekräfte haben vergleichsweise we- nig Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeitszeit. Während etwa 46 % der anderen Beschäftigten (sehr) viel Einfluss auf ihren Arbeitsbeginn und ihr Arbeitsende nehmen kön- nen, trifft dies nur auf 15 % der Beschäftigten in der Kran- kenpflege und auf 8 % der Beschäftigten in der Altenpfle- ge zu. Ähnlich wenig Einfluss haben Pflegekräfte darauf, sich flexibel ein paar Stunden freinehmen zu können (vgl.
Abb. 5).
Mehr als die Hälfte aller Krankenpflegekräfte und fast zwei Drittel der Altenpflegekräfte können zudem kaum Einfluss auf den Zeitpunkt ihrer Pausen nehmen. Während Be-
Weiterführende Informationen
1 M. Lück, M. Melzer: Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege – Höhere Anforderungen, mehr gesundheitliche Beschwerden. BIBB/BAuA- Faktenblatt 31. Dortmund: BAuA 2020
doi: 10.21934/baua:fakten20200108
2 L. Ratermann, N. Backhaus, C. Brauner, A. Tisch:
Verkürzte Ruhezeiten: Auswirkungen auf die Ge- sundheit und die Work-Life-Balance. baua: Bericht kompakt. Dortmund: BAuA 2019
doi: 10.21934/baua:berichtkompakt20191030
Altenpflege Krankenpflege Andere Erwerbstätige Vertragliche Wochenarbeitszeit Tatsächliche Wochenarbeitszeit 15
0 5 10 20 25 30 35 40 45
32 36
33
37 39
35
Abb. 4 Anteil Beschäftigter mit verkürzten Ruhezeiten
... Arbeitsbeginn und -ende
... Stunden freinehmen
... Zeitpunkt der Pausen
... Urlaub/
Tage freinehmen
46 15
8
45 11
9
58 43
35
62 60 49
0 10 20 30 40 50 60 70
Altenpflege Krankenpflege Andere Erwerbstätige (Sehr) viel Einfluss auf
Thema des Vortrags - Vortragende(r) (Titel, Vorname, Name) 1
26 % 51 % 17 %
Altenpflege Krankenpflege Andere Erwerbstätige
17 %
26 % 51 %
Abb. 5 Anteil Beschäftigter mit viel bzw. sehr viel Einfluss auf ihre Arbeitszeitgestaltung in Prozent
Altenpflege Krankenpflege Andere Erwerbstätige