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Späte Würdigung [Rezension der Ausstellung "Entfesselte Form - 50 Jahre Frankfurter Quadriga" im Frankfurter Städel]

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AUSSTELLUNGEN

FRANKFURT Stadel • Entfesselte Form -

50 Jahre Frankfurter Quadriga • Bis 5. Januar 2003

Späte Würdigung

Otto Greis (1913-2001), Die Hexe, 1952; Städel, FrankfurtlMain

J

edenfalls sollte man an dieser Ausstellung nicht Vorbeigehen.“ Als Doris Schmidt am 17. Dezember 1952 in der „Frankfurter Allgemei­

nen Zeitung“ mit diesem Satz ihre Besprechung einer kleinen Galerieausstellung beendete, konnte wohl niemand ahnen, daß diese Ausstellung in die Kunstgeschichte der Nach­

kriegszeit eingehen würde, ln der Zimmergalerie Franck im Frankfurter Westend waren insgesamt 13 abstrakte Bilder von vier Malern zu sehen: Karl Otto Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz und Bernard Schultze.

Auf dem Plakat und der Einla­

dungskarte waren sie als „neu- expressionisten“ angekündigt.

Doch noch am Eröffnungs­

abend verfaßte der Dichter Rene Hinds ein hymnisches Gedicht, in dem er die vier Künstler zur „Quadriga“ ver­

einte, und dieser Begriff setzte sich durch.

Die „Quadriga“ war keine Künstlergruppe wie „junger westen“ in Recklinghausen oder „ZEN 49“ in München, es gab kein Manifest, kein ge­

meinsames ästhetisches Pro- 2058

gramm. Aber es war in Deutschland die erste Manife­

station einer Kunst, die heute unter der Sammelbezeichnung

„Informel“ zusammengefaßt wird und die, rückblickend be­

trachtet, als die zentrale Inno­

vation in der bildenden Kunst der 1950er Jahre angesehen werden kann.

Trotz der wirkungsgeschicht­

lichen Bedeutung dieses Ereig­

nisses, dem Ludwig Baron Döry bereits 1959 im Histori­

schen Museum in Frankfurt eine Erinnerungsausstellung ausrichtete und die Kunsthisto­

rikerin Ursula Geiger 1987 eine umfangreiche Untersuchung widmete, und trotz des späte­

ren Erfolges ihrer Protagoni­

sten - K. O. Götz beispielswei­

se war an der Düsseldorfer Kunstakademie Lehrer von Künstlern wie Gotthard Graubner, Friedemann Hahn, Sigmar Polke, Gerhard Rich­

ter, Rissa, HA Schult und Franz Erhard Walther geriet die „Quadriga“ im offiziellen Kunstgeschehen Frankfurts mehr und mehr in Vergessen­

heit. Galerien und Banken sprangen in die Bresche.

Und die Museen? Das Muse­

um für Moderne Kunst besitzt Werke aller vier Maler. Zu se­

hen waren sie dort noch nie.

Nun aber, anläßlich des 50- jährigen Jubiläums der „Qua- driga“-Ausstellung, findet im Städel unter dem etwas pathe­

tisch geratenen Titel „Entfes­

selte Form“ eine umfangreiche Ausstellung zum Thema statt.

Es war eine gute Idee von Ku­

ratorin Sigrid Hofer, nicht vier kleine Retrospektiven der Künstler aneinanderzureihen, sondern stattdessen die kunst­

historischen Voraussetzungen und den internationalen Kon­

text der „Quadriga“ darzustel­

len.

Die Ausstellung beginnt nicht mit dem Jahr 1952, sie en­

det mit ihm. Daß das Vorhaben überhaupt realisiert werden konnte, ist der Binding Kultur­

stiftung zu verdanken, die den diesjährigen Kulturpreis den Malern der „Quadriga“ verlieh und das Preisgeld dem Städel überließ. So lobenswert solche Fördermaßnahmen der Wirt­

schaft sind, so bedenklich er­

scheint es, daß es ohne die Bierbrauerei Ausstellung und Katalog wohl schlichtweg nicht gegeben hätte.

Gezeigt werden 135 Werke von über 50 Künstlerinnen und Künstlern. Im Vorraum zur Ausstellung sind verschiedene Dokumente, Schriftquellen und Fotografien ausgestellt so­

wie kleinformatige Kunstwerke aus dem Gästebuch von Klaus Franck, dessen Nachlaß aufge­

funden und für die Ausstellung erstmals ausgewertet werden konnte. Willi Baumeister und Camille Bryen, Giuseppe Ca- pogrossi und Constant, Paul Jenkins und Boris Kleint, Ma­

ria Lassnig und Arnulf Rainer, Raoul Ubac und viele andere haben sich im Gästebuch ver­

ewigt und bezeugen, daß die von 1949 bis 1962 existierende Zimmergalerie Franck ein Zentrum der internationalen Nachkriegsavantgarde war.

Die Präsentation im großen Ausstellungssaal ist in drei Ab­

schnitte gegliedert. Im Zen­

trum der inhaltlichen wie auch räumlichen Konzeption befin­

det sich ein „white cube“, in welchem die zwölf noch erhal­

tenen Bilder der „Quadriga“-

Ausstellung zusammengetra gen sind (Bernard Schultze hat eines seiner Bilder später wil­

der übermalt).

Dieser nucleus der Ausste lung wird flankiert von Ab­

schnitten, die „Kunstszene Frankfurt 1942 bis 1952“ und

„Kunstszene Paris 1942 bis 1952“ überschrieben sind. Hier begegnen uns vor weiß un grau gefaßten Wänden einer seits deutsche Künstler wie Ernst Wilhelm Nay, Siegfried Reich an der Stolpe. 00°

Ritschl und Hans Steinbrenner und andererseits Künstler der internationalen Avantgaide- die sich nach dem Zweite11 Weltkrieg in Paris versamme

te. ,

Werke der jüngeren Ecole Paris (Jean Bazaine, Jean-PaU Riopelle, Pierre Soulages) ha'1 gen neben solchen der GrupPe COBRA (Appel, Constam- Corneille, Jorn), Werke v°n Dubuffet, Fautrier, Hartung- Michaux und Wols neben s°

chen von Sam Francis un Jackson Pollock.

So macht die Ausstellung ld vielfältigen international Vernetzungen, den kunsthist0 rischen Kontext deutlich. 1 welchem sich der Durchbiuc^

zur Abstraktion bei den vl|’

Künstlern der „Quadriga“ v0 zog. Dabei setzt Ausstellung architekt Holger Wallat ad Transparenz und GroßzügC keit. Offene architektonisc Einbauten ermöglichen Durc blicke und Sichtachsen und zen die Exponate optisch z einander in Beziehung.

Der gehaltvolle Katalog vt ^ sammelt Essays verschieden^

Autoren zur kulturellen Szc Frankfurts in den 50er Jahre 7 zur Kontroverse um Abstra

on und Figuration in Fra’

reich nach 1945 sowie zur zeption amerikanischer rei in Westdeutschland. Ne ® Beiträgen der Künstler f>n sich verschiedene Text- Bilddokumente, darunter oben erwähnte „Quadriga^

Gedicht von Rene Hinds s°"^

Auszüge aus den Tagebüchi-1^

von Ludwig Baron Döry u dem Fotoalbum der Zinn111"

galerie Franck.

Katalog 28 Euro

Christoph Zusch^

WELTKUNST/Heft 1 Originalveröffentlichung in: Weltkunst 72 (2002), Nr. 13, S. 2058

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