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Ökonomen sind wie Ärzte | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Die Volkswirtschaft  7 / 2020 53 DIE SICHT DER CHEFÖKONOMEN

Beata Javorcik ist Chefökonomin bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in London

In Krisenzeiten erwartet die Bevölkerung von Regierungen und Fachleuten Sicherheit und Taten. Standen zu Beginn der Covid-19-Pande- mie Epidemiologen im Mittelpunkt der Wahr- nehmung, rücken nun aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise die Ökonomen ins Rampen- licht. Von uns werden Prognosen und Rezepte zur Genesung der angeschlagenen Volkswirt- schaften erwartet. Aber für einmal fällt es uns paradoxerweise leichter, in die längerfristige Zukunft zu blicken. Wie könnte diese aussehen?

Erstens werden infolge der Krise die globalen Wertschöpfungsketten umgestaltet: Die Kosten- optimierung rückt zugunsten der Resilienz in den Hintergrund. Im Fokus stehen nun extreme Wetterereignisse und politische Umwälzungen.

Letztere könnten zu höheren Zöllen führen. Da- von würden die Industrieländer profitieren, die dank Automatisierung einen Teil der Produk- tion ins Inland zurückholen können. Chancen eröffnen sich dabei auch für die Partnerländer der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in Osteuropa und im West- balkan. Diese Staaten stehen bei Investoren ge- wöhnlich nicht zuoberst auf der Liste, durch ihre geografische Nähe gewinnen sie nun aber an At- traktivität. Damit einher gehen aber auch höhere Kosten und mehr Inflation. Dabei ist eine etwas höhere Inflation durchaus willkommen, da sich damit die durch die Pandemie verursachte hohe Staatsverschuldung etwas reduzieren liesse.

Zweitens könnte die Krise zu einem politischen Umdenken in der Steuerpolitik führen – bis vor Kurzem noch undenkbar. Angesichts der höheren Staatsschulden werden sich die Re- gierungen nach neuen Steuereinnahmen um- sehen müssen und dabei wohl auch die stärke- re Besteuerung von Technologiegiganten und multinationalen Unternehmen in Erwägung

EINBLICK VON BEATA JAVORCIK

Ökonomen sind wie Ärzte

ziehen. So dürfte ein kürzlich von der Orga- nisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eingebrachter Vor- schlag an Zustimmung gewinnen: Staaten sol- len für alle auf ihrem Boden erbrachten Leis- tungen Steuern erheben dürfen, auch wenn die betreffenden Unternehmen über keine physische Präsenz verfügen. Zudem könnte sich die Idee eines weltweiten Mindestansat- zes für die Unternehmenssteuer durchsetzen.

Bekenntnis zum Freihandel

Schliesslich wird man nicht länger die Augen verschliessen können vor der Aushöhlung der weltweiten Handelsregeln. Populistische Re- gierungen könnten Zölle erhöhen und die- sen Schritt mit der nationalen Sicherheit und Eigenständigkeit begründen. Die Bilder von an der Grenze blockierten Lieferungen von Schutzausrüstung sind noch ganz frisch und dürften protektionistischen Massnahmen brei- te Unterstützung garantieren. Zudem wird man nur allzu leicht argumentieren können, dass Ausgleichsmassnahmen gemäss WTO-Recht notwendig seien, um den Binnenmarkt vor sub- ventionierten Importgütern aus Ländern zu schützen, in denen seit dem Lockdown auch Privatunternehmen staatlich unterstützt wer- den. Um hier Gegensteuer zu geben, hilft nur ein weltweites Bekenntnis zum Freihandel.

Wie Ärzte können auch Ökonomen nur Rat- schläge erteilen und Rezepte verschreiben.

Gerade in Krisenzeiten und Momenten höchs- ter Gefahr bringen Menschen manchmal den Mut und die Entschlossenheit auf, das Steuer herumzureissen und den Kurs zu korrigie- ren. Jetzt könnte ein solcher Moment sein.

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