DIGITALER FINANZPLATZ
4 Die Volkswirtschaft 1–2 / 2022
haben dem Mobile Banking auch die neuen so- genannten Neobanken.
Neobanken gewinnen an Terrain
Die Neobanken – meist junge Techfirmen – gel- ten als Vorreiter der digitalen Transformation von Geschäftsmodellen im Banking. Weil sie in der Regel über keine Bankfilialen verfügen, ist auch das entsprechende Preismodell deutlich günstiger als jenes der klassischen Banken.
Derzeit beschränken sich die Angebote von Neobanken vorwiegend auf Basisdienst- leistungen wie den Zahlungsverkehr. Einige Anbietende weiten das Angebot aber bereits auf komplexere Produktfelder wie die Alters- vorsorge aus. Andere setzen auf Ökosysteme, die auch branchenfremde Angebote wie bei- spielsweise Versicherungsdienstleistungen oder den Zugang zu Flughafenlounges ein- schliessen.
Momentan zählen Neobanken in der Schweiz gemäss unseren Schätzungen und basierend auf Angaben der einzelnen Marktteilnehmer rund 600 000 Kundinnen und Kunden. Den grössten Marktanteil hat derzeit das britische Fintech Revolut.3 Aber auch Schweizer Anbieter wie Neon, Zak, Yuh, Yapeal oder Flowbank ver- zeichnen hohe Wachstumsraten.
Der durchschnittliche Neobank-Nutzer ist jung, männlich, gut gebildet und einkommens- stark, wie eine Studie des Instituts für Finanz- dienstleistungen Zug und des Beratungsunter- nehmens TI&M aus dem Jahr 2021 zeigt.4 Allerdings gibt derzeit erst weniger als 1 Prozent der Kundschaft eine Neobank als ihre Haupt- bank an. Wie man aus dem diesbezüglich weiter fortgeschrittenen Markt von Grossbritannien weiss, kann sich dies über die nächsten Jahre aber rasant ändern.
F
rüher gingen wir in eine Bankfiliale, heute loggen wir uns auf einer App am Smart- phone ein: In der Schweiz nutzt bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung Mobile Banking.1 Die durchschnittliche Wachstumsrate der Log-ins ins Mobile Banking beträgt seit 2018 jährlich 46 Prozent (siehe Abbildung auf S. 6).Inzwischen liegt die Anzahl Smartphone- Log-ins bereits über dem klassischen E-Banking am Lap- oder Desktop. Erstaunlicherweise wird aber – trotz der praktischen Scan- und Pay-Funk- tion am Handy – lediglich jede fünfte Trans- aktion über das Smartphone gemacht. Über 80 Prozent der Transaktionen werden weiterhin im E-Banking ausgelöst. Durch die Einführung der QR-Codes auf den Einzahlungsscheinen wer- den künftig aber wohl vermehrt Transaktionen über das Smartphone durchgeführt. Hingegen schauen sich viele Mobile-Banking-Nutzende mindestens wöchentlich ihren Kontostand in der mobilen App an.
Der Siegeszug des Mobile Banking liess in der Schweiz eher lange auf sich warten. So lag der Anteil von Mobile-Banking-Nutzern im Jahr 2016 erst bei 13 Prozent.2 Einerseits gelang es vielen traditionellen Banken lange nicht, ihren Kundinnen und Kunden den Zusatznutzen von Mobile-Banking-Apps zu verdeutlichen.
Andererseits gab es Sicherheitsbedenken sei- tens der Kundschaft. Zum Siegeszug verholfen
Die Bank im Hosensack
Nach zögerlichem Start ist «Mobile Banking» in der Schweiz angekommen: Inzwischen gibt es mehr Logins auf dem Smartphone als im klassischen E-Banking. Statt auf Bankfilialen setzen Neobanken wie Revolut daher ausschliesslich auf das Handy. Andreas Dietrich
Abstract Das Smartphone verändert das Banking: Mittlerweile gibt es in der Schweiz bereits mehr Mobile-Banking-Logins über das Handy als über Lap- und Desktop. Diesen Trend begünstigt haben auch sogenannte Neo- banken, die über keine Filialen mehr verfügen. Anbieter wie Revolut, Neon, Zak, Yuh, Yapeal oder Flowbank zählen in der Schweiz bereits mehr als eine halbe Million Kundinnen und Kunden. Der Margendruck im Bankge- schäft dürfte daher steigen. Das Smartphone setzen wir zudem vermehrt auch fürs Zahlen an der Kasse ein: Im Jahr 2022 werden schätzungsweise 9 Prozent aller Retail-Transaktionen in der Schweiz über Mobile Payment gemacht.
1 Dietrich, Leutenegger und Bayley (2021).
2 Dietrich, Duss und Gysel (2017).
3 IFZ und ti&m (2021).
4 IFZ und ti&m (2021).
FOKUS Immer mehr Bankgeschäfte lassen
sich über eine App ausführen.
SHUTTERSTOCK
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Mobile- und E-Banking-Log-ins in der Schweiz (2018–2020)
Die Gründe für die Nutzung von Neobanken sind gemäss Kundenangaben geringere Kos- ten und ein besseres Nutzererlebnis («User Experience»). Aus Sicht der herkömmlichen Banken ist dieser Befund zumindest auf den ersten Blick beruhigend, denn beide Faktoren sind grundsätzlich durch sie kopierbar. Es stellt sich aber natürlich die Frage, ob sich die herkömmlichen Institute auch tatsächlich in diese Richtung bewegen werden. Der Druck auf Preise und Margen im einfachen Bankgeschäft dürfte für klassische Banken aber auf alle Fälle steigen.
Zahlen mit dem Handy
Das Smartphone wird auch je länger, je häufiger für den «direkten» Bezahlvorgang eingesetzt («Mobile Payment»). Dabei fristete das Zahlen über eine App an der Kasse, im Onlineshop, unter Freunden oder beim Bezahlen der Parkuhr hierzulande lange Zeit ein Nischendasein. Die Entwicklung im Bereich des mobilen Bezahlens verlief zu Beginn ähnlich langsam wie jene beim Mobile Banking.
Mobile Payment ist in der Zwischenzeit aber in der breiten Bevölkerung angekommen und dürfte zukünftig weiter stark zulegen. Im Juli 2021 waren bereits 3,5 Millionen Einwohner in der Schweiz – dies entspricht fast der Hälfte der Bevölkerung über 12 Jahre – beim inländischen
Marktführer Twint registriert. Neuste Zah- len zeigen, dass Mobile Payment damit in der Schweiz weit mehr genutzt wird als in den Nachbarländern Deutschland oder Österreich.5
Twint kommt in der Schweiz auf einen Marktanteil von 75 Prozent. Das restliche Viertel teilen sich internationale Branchenriesen wie Apple, Paypal, Samsung oder Google auf. Der Erfolg von Twint mag erstaunen, denn oft hiess es, nationale Marktteilnehmer hätten gegen- über den grossen Techfirmen keine Chance. An- bieter wie Twint oder ähnliche Bezahllösungen in Dänemark, Schweden oder Spanien belegen aber das Gegenteil.
In Zukunft wird Mobile Payment weiter- hin an Bedeutung gewinnen: Für das Jahr 2022 schätzen wir, dass rund 390 Millionen Trans- aktionen via Mobile Payment gemacht werden.6 Dies entspricht einem Wachstum von über 60 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Mobile Payment käme somit im Jahr 2022 bei den Trans- aktionen auf einen Marktanteil von 9 Prozent.
Mobile Bezahllösungen und auch Debitkarten werden künftig dabei vor allem auf Kosten von Bargeld weiterhin an Bedeutung gewinnen.7
Bankfiliale der Zukunft
Insgesamt lässt sich festhalten: Das Kunden- verhalten hat sich schon seit geraumer Zeit ver- ändert, und die Nutzung von digitalen Dienst-
5 Twint (2021).
6 Dietrich und Wernli (2021a).
7 Dietrich und Wernli (2021b).
DIETRICH, LEUTENEGGER UND BAYLEY (2021). MEDIAN; N= 17 BANKEN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT
Mobile Banking (Smartphone) E-Banking (Computer) 250 Index (Jan 18=100)
Lockdown
200
150
100
50
Jan. 18
Sep. 18 März 18
Nov. 18 Mai 18
Jan. 19
Mai 19
Sep. 19 Nov. 19
Jan. 19 März 20
Mai 20 Juli 20
Sep. 20 Juli 18
März 19
Juli 19
FOKUS
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Literatur
Dietrich, A., Duss, C. und Gysel, S. (2017). Verbreitung von Online und Mobile Banking: Erste Zahlen für den Schweizer Markt, IFZ Retail Banking Blog, 20. Juli.
Dietrich, A., Leutenegger, A., Bayley, S. (2021). Mobile Banking wächst – ist aber noch kein Transaktionskanal: Die Entwicklungen im Überblick, IFZ Retail Banking Blog, 1. Februar
Dietrich, A. und Wernli, R. (2021a). Mobile Payment Studie Schweiz 2020.
Dietrich, A. und Wernli, R. (2021b). Bargeld wird bald nicht mehr das wichtigste Zahlungsmittel in der Schweiz sein, IFZ Retail Banking Blog, 29. März.
IFZ und ti&m (2021). Trendstudie Banken 2021.
Twint (2021). Die Schweiz führt im Mobile Payment, 14. Juli.
Andreas Dietrich
Leiter Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ), Professor für Banking und Finance, Hochschule Luzern
leistungen nimmt zu. Es gibt viele Beispiele im Markt, dass eine solche Entwicklung in einer ersten Phase eher evolutionär und linear ver- läuft. Nicht zuletzt die Erfahrungen im Bereich Mobile Banking oder Mobile Payment zeigen aber auf, dass nach dem Erreichen einer ge- wissen Schwelle die Marktdurchdringung rasch voranschreiten kann. Ab diesem Zeitpunkt verlaufen die Entwicklungen nicht mehr linear.
Die Pandemie hat die Trends dabei noch be- schleunigt.
Das Smartphone entwickelt sich zum zen- tralen Zugang für Bankgeschäfte: Vor allem einfache Routinetransaktionen werden künftig fast ausschliesslich schnell und einfach über das Smartphone erledigt. Das Smartphone wird also für viele Anwendungsfälle eine Art «Bankfiliale der Zukunft». Für komplexe Themen – zum Bei- spiel eine Beratung für eine Hypothek oder eine Vorsorge – wird hingegen auch mittel- bis lang- fristig weiterhin ein Berater oder eine Beraterin für ein klärendes Gespräch beigezogen werden.
Die Bedürfnisse der Kundschaft sind allerdings heterogen, und es ist schwierig, eindeutige Muster zu erkennen. Dies ist ein typisches Anzeichen dafür, dass sich das Banking in einer Transformationsphase befindet. Für die
traditionellen Institute bedeutet dies: Sie müs- sen sowohl die alten Verhaltensmuster von Kunden bedienen als auch Kunden mit neuen Bedürfnissen und Gewohnheiten gerecht wer- den – vorausgesetzt, sie möchten wie heute die Gesamtheit aller Kunden bedienen.