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Geschichte auf YouTube

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Geschichte auf YouTube

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Medien der Geschichte

Herausgegeben von Thorsten Logge, Andreas Körber und Andreas Weber

Band 2

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Geschichte auf YouTube

Neue Herausforderungen für Geschichtsvermittlung und historische Bildung

Herausgegeben von

Christian Bunnenberg und Nils Steffen

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ISBN 978-3-11-059682-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-059949-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-059698-4

Library of Congress Control Number: 2019946392

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Umschlagabbildung: Man_Half-tube / DigitalVision Vectors / gettyimages.de Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

www.degruyter.com

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Inhalt

Einleitung

Christian Bunnenberg und Nils Steffen

Broadcast yourself: history stories! Geschichte auf YouTube–eine Bestandsaufnahme 3

Kontexte

Cord Arendes

Sesamstraße und Telekolleg als Vorbilder? Erklärvideos auf YouTube als Fortsetzung des traditionellen Schul- und Bildungsfernsehens„mit anderen Mitteln“ 27

Nils Steffen

Doing History auf YouTube–Erklärvideos als Form performativer Historiografie 61

Judith Uebing

Geschichte in 10 Minuten–Wie geht das? Ein Vorschlag zur Analyse von historischen Erklärvideos auf der Plattform YouTube 71

Narration und Authentizität

Hannes Burkhardt

DDR-Geschichte auf YouTube. Alltag und Diktatur in digitalen Geschichtserzählungen des DDR-Museums (Berlin) 97 Christian Bunnenberg

Digital Storytelling im Museum–Besucher(innen) erzählen Stadtgeschichte(n) 125

Benjamin Roers

„Herrlich unprofessionell“ –Zur Authentifizierung von Geschichte(n) auf YouTube am Beispiel MrWissen2go (2012–2013) 145

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Produktion und Praxis

Mirko Drotschmann

„YouTube bietet ganz andere Möglichkeiten…“ –Interview mit dem YouTuber Mirko Drotschmann (MrWissen2go) 163

Florian Wittig

Digital Story Telling auf YouTube–Werkstattbericht von„The Great War“ 177

Partizipation

Henrike Rehders

Partizipation für alle? Partizipative Geschichtskultur auf YouTube 193 Moritz Hoffmann

Die dunkle Seite der Partizipation: Überlegungen zur Historischen Hassrede 211

Christopher Friedburg

Zwischen„Wahrheit“und„08/15 Hitlerscheisse“ –Beiträge auf YouTube mithilfe der Nutzerrollen analysierbar machen 227

YouTube und historische Bildung

Anja Neubert

„Ist auf jeden Fall ein geiles Thema!“ –TheSimpleClub als Herausforderung historischer Nonsensbildung 261

Bernhard Linke und Marie Föllen

„Rom in 3 Minuten“ –Ein Werkstattbericht über den Einsatz von Erklärvideos für Studierende der Geschichtswissenschaft 283

VI Inhalt

(7)

Diskussion und Ausblick

Jens Crueger

Digital Native History: Überlegungen zum Kulturellen Gedächtnis im digitalen Zeitalter 295

Nils Steffen und Christian Bunnenberg

Geschichte auf YouTube–ein Ausblick 315 Literaturverzeichnis 319

Autorinnen und Autoren 345

Inhalt VII

(8)
(9)

Einleitung

(10)
(11)

Christian Bunnenberg und Nils Steffen

Broadcast yourself: history stories!

Geschichte auf YouTube – eine Bestandsaufnahme

1 YouTube kills the TV-Star?

Im April 2011 eröffnete der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) die Internationale Konferenz„httpast://digitalmemoryonthenet“mit eini- gen kurzen„Gedanken zu Erinnerungskulturen online als Herausforderung für die politische Bildung“.¹ Anlass zur Tagung war der Befund, dass die klassischen Akteure der historisch-politischen Bildung wie etwa Schulen, Hochschulen, Museen, Archive, Gedenkstätten, Rundfunk- und Medienanstalten Konkurrenz bei der Erstellung und Verbreitung von Angeboten zur Vermittlung von Geschichte erhalten hatten. Eine Konkurrenz, die keiner Institution und keiner Profession verpflichtet zu sein schien, die aber trotzdem eines verband: die Nutzung der virtuellen Angebote und Kanäle des sogenanntenSocial WeboderWeb 2.0.²

Wenn es bereits seit den späten 1970er Jahren durch die Gründung von Ge- schichtswerkstätten auch in Deutschland eine Gegenbewegung zu den etablierten Formen und Formaten der akademischen und medialen Geschichtsschreibung gab, waren diese gemäß des Mottos„Grabe, wo Du stehst“vor allem in der Lokal- und Regionalgeschichtsschreibung stark vertreten und mussten entweder klas- sische Verbreitungswege für ihre Forschungsergebnisse nutzen oder alternative Publikationsformen entwickeln, die dann allerdings häufig nur über eine geringe

Krüger, Thomas: Längst Teil der virtuellen Welt, http://www.bpb.de/mediathek/882/laengst- teil-der-virtuellen-welt (25.11. 2018).

Friedburg, Christopher: Was heißt hierWeb 2.0? Überlegungen zu einem Grundbegriff in der geschichtsdidaktischen Diskussion um dendigitalen Wandel. In: Medien machen Geschichte.

Neue Anforderungen an den geschichtsdidaktischen Medienbegriff im digitalen Wandel. Hrsg.

von Christoph Pallaske. Berlin 2015. S. 8597. Hamann, Götz: Die Medien und das Medium. Web 2.0 verändert die Kommunikation der Gesellschaft. In: Web 2.0 die nächste Generation Internet.

Hrsg. von Miriam Meckel u. Katarina Stanoesvska-Slabeva. Baden-Baden 2008. S. 213227.

Bernhardt, Markus u. Christopher Friedburg:Digitalvs.Analog? Eine Kritik an Grundbe- griffen in der Diskussion um dendigitalen Wandelin der Geschichtsdidaktik und ein Versuch der Synthese vonAltemundNeuen. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 13 (2014). S. 117 133.

https://doi.org/10.1515/9783110599497-001

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Reichweite verfügten.³ Die Hoheit über die mediale und logistische Distribution von Inhalten lag weiterhin fast ausschließlich in den Händen von Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftlern, Journalistinnen und Journalisten sowie Verlege- rinnen und Verlegern, die als„Medienschaffende“die Funktionen derGatekeeper und Agenda Setterwahrnahmen und so den Zugang zu den Medien sowie die Auswahl der verbreiteten Inhalte weitgehend kontrollierten.

Erst die Öffnung des World Wide Web für die Öffentlichkeit ermöglichte – wenn auch zunächst nur mit entsprechendem informatischem Know-How–die Etablierung neuer Verbreitungs- und Rezeptionswege.⁴Diese sollten durch das verstärkte Aufkommen der sozialen Medien im Web 2.0 Mitte der 2000er Jahre von einer bis in die Gegenwart andauernden Dynamik erfasst werden, in ihren Mög- lichkeiten und Reichweiten bisher ungeahnte Erweiterungen erfahren und da- durch die traditionellen Massenmedien und im Bereich der historisch-politischen Bildung die etablierten Akteure und Institutionen zunehmend unter Druck set- zen.⁵

Die Veränderung der Medienlandschaft durch Social Media gründete vor al- lem auf den neuen Rahmenbedingungen der vernetzten Kommunikation, mit denen die klassischen Dichotomien zwischen Sender und Empfänger, zwischen Produzent und Konsument, zwischen Medienschaffenden und Publikum aufge- hoben wurden. Erstmals war es möglich, das jede und jeder durch die Nutzung der digitalen Kanäle und Angebote der Sozialen Medien mit anderen Userinnen und Usern Verbindung aufnehmen, sich dauerhaft vernetzen, mediale Inhalte aus- tauschen, für die Öffentlichkeit bereitstellen oder eben solche rezipieren, kom- mentieren, verändern und weiterverbreiten konnte.⁶

Gundermann, Christine: Öffentliche GeschichtePublic History an der Universität zu Köln. In:

Geschichte in Köln 63 (2016). S. 259270. Hier: S. 260 f. Knoch, Habbo: Wem gehört die Ge- schichte? Aufgaben derPublic Historyals wissenschaftliche Disziplin. In: Geschichtsdidaktik in der Diskussion. Grundlagen und Perspektiven. Hrsg. von Wolfgang Hasberg und Holger Thü- nemann. Frankfurt a.M. 2016. S. 303346. S. 208. Lücke, Martin u. Irmgard Zündorf: Einführung in die Public History. Göttingen 2018. S. 17. Das Zitat Grabe, wo Du stehstgeht auf den schwedischen Titel des BuchesGräv där du stårvon Sven Lindqvist aus dem Jahr 1978 zurück, das als theoretische Grundlage der Geschichtswerkstattbewegung gilt. Die Übersetzung ins Deutsche erfolgt 1989. Lindqvist, Sven: Grabe, wo Du stehst. Handbuch zur Erforschung der ei- genen Geschichte. Bonn 1989.

Marek, Roman: Unstanding YouTube. Über die Faszination eines Medium. Bielefeld 2013. S. 27 f.

Machill, Marcel u. Martin Zenker: Youtube, Clipfish und das Ende des Fernsehens? Problem- felder und Nutzung von Videoportalen. Berlin 2007.

Die Werbeagentur ethority global network GmbH mit dem Schwerpunkt Digitales Marketing und Marktforschung veröffentlicht regelmäßig einSocial Media Prismain dem um die 250 für den deutschsprachigen Raum relevanten Social-Media-Plattformen, -Tools und Anbieter in 25

4 Christian Bunnenberg und Nils Steffen

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Die dazu notwendigen Plattformen und Ressourcen stellten Anbieter wie Facebook, Twitter oder YouTube in Form von Blogs, Wikis, sozialen Netzwerken, Foren, Mikroblogs, Sharing-Plattformen, Videoportalen oder ähnlichen techni- schen Lösungen zur Verfügung.⁷ Den Nutzerinnen und Nutzer eröffneten sich durch einen niedrigschwelligen Zugang und die unkomplizierte Nutzung der Anwendungen (Stichwort: Usability) die unterschiedlichsten Optionen zur Inter- aktion mit anderen Nutzerinnen und Nutzer oder Inhalten. Die zentrale Neuerung war aber die Möglichkeit, selbst produzierte Inhalte–user generated content–in das Netz einspeisen und verbreiten zu können.⁸

Vor allem schnell wachsende Plattformen wie das Videoportal YouTube ent- wickelten sich innerhalb weniger Jahre zu neuen massenmedialen Playern, von denen die bisherigen Produzenten-Nutzer-Abhängigkeiten und etablierte Rezep- tionsmuster in Frage gestellt wurden. Das Fernsehen verlor (wie zuvor das Kino) den vorherrschenden Zugriff auf die Produktion und Verbreitung von Bewegt- bildern.⁹Während Fernsehsender und Medienanstalten mit einem redaktionell betreuten und linear aufgebauten Programm zu festen Sendezeiten nur bestimmte Zielgruppen erreichen konnten, bieten Videoportale wie YouTube, MyVideo oder ClipFish als riesige Videodatenbanken Inhalte, die von den Nutzerinnen und Nutzer individuell über Suchfunktionen gefunden und jederzeit konsumiert werden können.¹⁰ Die Zusammenstellung des Contents erfolgt allerdings nicht zielgerichtet, sondern war und ist davon abhängig, was die Netz-Community an selbst produzierten, (illegal) übernommenen, kompilierten oder geschnittenen digitalisierten Bewegtbildern auf die Plattform hochgeladen hat. Wem aber der Sinn nach einem Video zu einem bestimmten Inhalt steht, der kann hier fündig

Kategorien (z. B. Music, Travel, Food, Video) aufgelistet sind. Ein Vergleich der Prismen zeigt deutlich die Dynamik des Social Web mit dem Prinzip einer Verdrängung durch Innovation.

Janner, Karin: Blog, Facebook, Twitter, YouTube was soll ich nutzen? Orientierung im Dschungel der Tools. In: Social Media im Kulturmanagement. Grundlagen, Fallbeispiele, Ge- schäftsmodelle, Studien. Hrsg. von Karin Janner, Christian Holst u. Axel Kopp. Heidelberg 2011.

S. 2556.

Stanoesvska-Slabeva, Katarina: Web 2.0Grundlagen, Auswirkungen und zukünftige Trends.

In: Web 2.0 (wie Anm. 2), S. 1338. Bernhardt/Friedburg, Kritik (wie Anm. 2), S. 123.

Beißwenger, Achim: Audiovisuelle Kommunikation in der globalen Netzwerkgesellschaft. In:

YouTube und seine Kinder. Wie Online-TV, Web TV und Social Media die Kommunikation von Marken, Medien und Menschen revolutionieren. Hrsg. von Achim Beißwenger. Baden-Baden 2010.

S. 1336. S. 17. Allgemein: Gräßer, Lars u. Aycha Riffi (Hrsg.): Einfach fernsehen? Zur Zukunft des Bewegtbildes. München 2013.

 Graf, Joachim: Aufmerksamkeitsökonomie und Bewegtbild. In: YouTube und seine Kinder (wie Anm. 9), S. 3743. S. 40.

Broadcast yourself: history stories! Geschichte auf YouTubeeine Bestandsaufnahme 5

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werden und bei Interesse auch mehrere Videos zum selben Thema schauen–im klassischen Fernsehformat undenkbar.¹¹

Bereits zwei Jahre nach der Gründung von YouTube war die Videoplattform Thema in der seit 1997 jährlich durchgeführten ARD/ZDF-Onlinestudie. Die Stu- dienreihe versucht die„Internetentwicklung […] im deutschsprachigen Raum […] nicht nur quantitativ abzubilden, sondern gleichzeitig die dahinterliegenden Mechanismen zu betrachten“.¹² Während die Studie 2007 innerhalb der bundes- deutschen Gesellschaft noch in Onliner und Offliner trennte, um den Grad der Digitalisierung zu beschreiben, kommt sie an anderer Stelle zu folgendem Er- gebnis:

Dem Unterhaltungsbedürfnis der Jüngeren kommen die aktuellen Entwicklungen von Audio- und Videoportalen und Communitys unter dem Schlagwort Web 2.0 entgegen. Vor allem bei jüngeren Anwendern hat deren regelmäßige Nutzung zugenommen. Insgesamt 14 Prozent aller Internetnutzer schauen einmal wöchentlich Videos im Internet an. Dies sind bereits doppelt so viele wie 2006. Bei den jüngeren Onlinern ist der Nutzungsanstieg gegenüber dem Vorjahr noch beeindruckender. 46 gegenüber 22 Prozent der 14- bis 19-Jährigen und 24 ge- genüber 10 Prozent der 20- bis 29-Jährigen nutzen Videodateien mindestens einmal wö- chentlich.¹³

Geschaut wurden laut Studie vor allem Musik-Clips aber auch Videos zur Unter- haltung, die„als Kurzschnipsel auf den neuen Videoportalen wie YouTube“zur Verfügungen standen.¹⁴ Wissens- und Bildungsthemen kamen zusammen mit Beiträgen zum Sport gleichauf an vierter Stelle nach Videos mit Nachrichten.

Insgesamt legte die Erhebung aber den Schluss nahe, dass„Videoportale […] ein Treiber des Anstiegs bei der Videonutzung sind“.¹⁵

2 Geschichte im Social Web

An dieser Stelle soll ein Blick zurück zu der eingangs genannten Tagung der bpb geworfen werden, die mit dem Jahr 2011 ungefähr mittig auf der Entwicklungslinie zwischen dem Aufkommen des Web 2.0 und der Gegenwart des Jahres 2019 steht und sich mit den skizzierten veränderten digitalen Rahmenbedingungen zu be-

 Machill/Zenker, YouTube (wie Anm. 5), S. 911.

 von Eimeren, Birgit u. Beate Frees: Internetnutzung zwischen Pragmatismus und YouTube- Euphorie. In: Media Perspektiven 8 (2007). S. 362378, S. 362.

 von Eimeren/Frees, Internetnutzung (wie Anm. 9), S. 369 f.

 von Eimeren/Frees, Internetnutzung (wie Anm. 9), S. 369 f.

 von Eimeren/Frees, Internetnutzung (wie Anm. 9), S. 369 f.

6 Christian Bunnenberg und Nils Steffen

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schäftigen suchte. Auch seinerzeit wurden die Sozialen Medien als Orte und Wege einer neuen medialen Verbreitung von historisch-politischen Inhalten wahrge- nommen. Eine Wahrnehmung, die vornehmlich die marktführenden Social Me- dia-Angebote und -Kanäle in den Blick nahm– „Auschwitz auf Facebook. Anne Frank auf YouTube. Ein Tweet aus dem Holocaust Museum.“¹⁶Die Tagung fragte daher nach den„Veränderungen der Erinnerungskultur im Zeitalter von Google und Facebook“, der Zukunft der Erinnerung und den Folgen für die historisch- politische Bildung.¹⁷ Interessant ist in der Retrospektive allerdings, dass dabei nicht nur eine kulturpessimistische Perspektive eingenommen, sondern die neuen Kommunikationsformen vielmehr auch als Chance begriffen wurden, vor allem Jugendlichen wieder an die Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Geschichte heranzuführen. Und während die Tagungsteilnehmerinnen und -teil- nehmer diskutierten,machtendie Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien Geschichte; es wurden zu historischen Themen Blogs aufgesetzt, wikipedia-Arti- kel geschrieben, Twitter-Accounts angelegt und YouTube-Videos erstellt und ge- teilt.

Diese medialen Formate und Produkte erregten seit den 2000er Jahren auch zunehmend das Interesse der geschichtswissenschaftlichen, geschichtsdidakti- schen und medienpädagogischen Forschung, die sich mit unterschiedlichen methodischen Zugriffen den im Social Web vorhandenen Inhalten, deren gängi- gen Erscheinungsformen, dem Nutzungsverhalten sowie den pädagogischen und didaktischen Potenzialen auseinandersetzten.¹⁸ Augenfällig ist, dass sich die wenigsten Texte Videoplattformen wie YouTube als Untersuchungsgegenstand

 Krüger, Virtuelle Welt (wie Anm. 1).

 Krüger, Virtuelle Welt (wie Anm. 1).

 Eine Auswahl für die Social Media Plattformen Wikipedia, Twitter und Facebook: Lorenz, Maren: Geschichtsdarstellung und Geschichtsverhandlung in Wikipedia oder die Sehnsucht nach Beständigkeit im Unbeständigen. In: History goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres. Hrsg. von Barbara Korte u. Sylvia Paletschek. Bielefeld 2009.

S. 289312. Lorenz, Maren: Wikipedia als Wissensspeicher der Menschheitgenial, gefährlich oder banal? In: Erinnerungskultur 2.0Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien.

Hrsg. von Erik Meyer. Frankfurt am Main 2009. S. 207236. Hodel, Jan: Wikipedia und Ge- schichtslernen. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 63 (2012) 5/6. S. 271284. Burk- hardt, Hannes: Mythosmaschine Twitter? Fakten und Fiktionen im Social Web zu Rudolf Heß und der Bombardierung Dresdens 1945. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 17 (2018). S. 4256.

Burkhardt, Hannes: Geschichts im Social Web. Geschichtsnarrative und Erinnerungsdiskurse auf Facebook und Twitter mit dem kulturwissenschaftlichen MedienbegriffMedium des kollektiven Gedächtnissesanalysieren. In: Medien machen Geschichte, (wie Anm. 2), S. 99114. Aßmann, Sandra u. Bardo Herzig: Integrative Medienbildung in der Geschichtsdidaktik am Beispiel von TwHistory-Projekten. In: Medien machen Geschichte, (wie Anm. 2), S. 6784. Bernhardt/Fried- burg, Kritik (wie Anm. 2), S. 124.

Broadcast yourself: history stories! Geschichte auf YouTubeeine Bestandsaufnahme 7

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annehmen, sondern sich vielmehr text- und bildbasierten Social Media Angebo- ten wie der Online-Enzyklopädie wikipedia, dem Social-Network Facebook oder dem Mikrobloggingdienst Twitter zuwenden, obwohl gerade den audiovisuellen Medien im Netz das größte Verbreitungspotenzial zugesprochen wird.¹⁹

Laut der aktuellen vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mfps) zum 20. Male in Folge jährlich durchgeführten JIM-Studie (Jugend, Infor- mation, (Multi‐)Media) haben die befragten Zwölf- bis 19-Jährigen Jugendlichen in ihrem Haushalt gegenwärtig zu 99 % Zugang zu einem Smartphone und zu 98 % einen Computer oder Laptop mit Internetanschluss. Erst danach folgen die klas- sischen Medien Fernsehgerät (96 %) und Radio (87 %). Bei 97 % der Jugendlichen befindet sich das genutzte Smartphone zudem in ihrem Besitz, der Computer oder Laptop bei 69 %–hier mit deutlich fallender Tendenz gegenüber den Vorjahren– und das Fernsehgerät bei 53 %.²⁰Über die Hälfte der Haushalte nutzen über die Fernseher zusätzlich Streaming-Dienste, Mediatheken oder Pay-TV-Angebote, so dass auch hier nicht nur das Programm der Medien- und Rundfunkanstalten, sondern ebenfalls digitale Formate rezipiert werden.²¹ Das Smartphone ist und bleibt aber das Gerät der Wahl und konnte auch in der letzten Befragung seine unangefochtene Stellung als„Weltaneignungsassistent“einer ganzen Generation noch weiter ausbauen, unabhängig vom Bildungshintergrund der Jugendlichen.²²

 John, Anke: Wissen2goFrontalunterricht auf YouTube. In: Public History Weekly 5/25 (2017), DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2017-9584 (25.11. 2018). Wehen, Britta: Geschichtsvideos im Netz. In:

Praxishandbuch Historischen Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Opladen 2017. S. 237248. Kemper, Joachim: InterviewYouTube macht Geschichte. ttps://archive20.hypotheses.org/788 (25.11. 2018). Lange, Britta: EinArchiv der Er- innerungenzwischen Geschichte und Fiktion. Zeitzeugenvideos auf www.gedaechtnis-der-nati on.de. In: Geschichte erzählen. Medienarchive zwischen Historiographie und Fiktion. Hrsg. von Thomas Ballhausen, Valerie Strunz u. Günter Krenn. Wien 2014 (Medien Archive Austria).

S. 1534. An der Universität Duisburg-Essen entsteht derzeit eine geschichtsdidaktische Pro- motion zum Thema Geschichte auf YouTube: Christopher Friedburg: Die Praxis der Geschichts- kultur 2.0eine Untersuchung der von Nutzern eingebrachten Inhalte und Überzeugungen auf der Videoplattform YouTube. URL: https://www.uni-due.de/graduiertenkolleg_1919/friedburg_

christopher.php (25.11. 2018).

 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2017. S. 6 u. 8. Reuter, Theresa: Überall mit dem Smartphone online. Die JIM-Studie 2017 zur Mediennutzung der 12- bis 19-Jährigen. In: Gemeinsam Lernen. Zeitschrift für Schule, Pädagogik und Gesellschaft 4 (2018) 4.

S. 813.

 Mpfs, JIM-Sudie (wie Anm. 20), S. 7.

 Albrecht-Hermanns, Marc:Weltaneignungs-Assistent“ –immer in der (Hosen)Tasche. In:

Gemeinsam Lernen. Zeitschrift für Schule, Pädagogik und Gesellschaft 4/4 (2018). S. 3844. Der BegriffWeltanschauungsassistentgeht zurück auf den baden-württembergischen Lehrer Bob Blume (Twitter: @blume_bob).

8 Christian Bunnenberg und Nils Steffen

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Gemäß einer Selbsteinschätzung sind die Jugendlichen täglich durch- schnittlich 221 Minuten online und verwenden diese Zeit–in Mittelwerten für alle Altersgruppen, beide Geschlechter sowie die unterschiedlichen Bildungshinter- gründe – auf Kommunikation (38 %), Spiele (20 %), Unterhaltung (30 %) und Informationssuche (11 %). Das Ansehen von Online-Videos hat für Jungen dabei eine deutlich höhere Relevanz (92 %) als für gleichaltrige Mädchen (80 %)–die Entscheidung für das liebste Internetangebot fiel bei beiden Geschlechtern letztlich dann allerdings doch auf die Videoplattform YouTube, die aber weniger über die Smartphone-App als vielmehr über Computer oder Laptop genutzt wird.²³ Auch die aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Die untersuchte Gruppe der 14- bis 24-Jährigen ist, so ein zentrales Ergebnis der Studie, die erste Generation ohne sogenannte„Offliner“und wird als„Generation Internet“bezeichnet.²⁴Trotzdem weisen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Zuschreibung „Digital Natives“von sich und äußern–in Abstufungen je nach Zuordnung zu den in der Studie definierten„Internet-Milieus“ –im Umgang mit digitalen Angeboten nicht nur Euphorie, sondern auch Unsicherheit, Misstrauen und sogar Angst.²⁵ Aber auch in dieser Studie zeigt sich die Relevanz von YouTube in der Lebenswelt der Befragten, die zudem Angaben zu ihrem Nutzungsverhalten machen. Neben dem Aspekt der Unterhaltung dient die Videoplattform als Anlaufpunkt für Online- Recherchen im Zusammenhang mit Schule und Hochschule. Mehr als 85 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen nutzen das Internet zum Lernen; auf YouTube suchen sie in diesem Zusammenhang gezielt nach„Lernvideos“.²⁶

 Mpfs, JIM-Sudie (wie Anm. 20), S. 33.

 DIVSI U15-Studie, Euphorie war gestern. DieGeneration Internetzwischen Glück und Ab- hängigkeit, https://www.divsi.de/wp-content/uploads/2018/11/DIVSI-U25-Studie-euphorie.pdf (29.11. 2018).

 Die Studie identifiziert die Probanden je nachEinstellungen, Wertvorstellungen und Ver- haltensweisenals Vertreter von Internet-Milieus (Verantwortungsbedachte, Skeptiker, Pragma- tische, Unbekümmerte, Enthusiasten und Souveräne). DIVSI U15-Studie, Euphorie war gestern (wie Anm. 24), S. 30.

 DIVSI U15-Studie, Euphorie war gestern (wie Anm. 24), S. 102. Ähnliche Tendenzen weist auch eine empirische Studie auf, in der die Schülerinnen und Schüler angeben, sich mit YouTube-Vi- deos auf schulische Prüfungen vorzubereiten. Rummler, Klaus u. Karsten D. Wolf: Lernen mit geteilten Videos: aktuelle Ergebnisse zur Nutzung, Produktion und Publikation von online-Videos durch Jugendliche. In: Media, Knowledge and Education: Cultures and Ethics of Sharing/Medi- enWissenBildung: Kulturen und Ethiken des Teilens. Hrsg. von Wolfgang Sützl, Felix Stalder, Ronald Maier u. Theo Hug. Innsbruck 2012. S. 253266.

Broadcast yourself: history stories! Geschichte auf YouTubeeine Bestandsaufnahme 9

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3 Geschichte als „ user generated content “ auf YouTube

Lern- oder Erklärvideos stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus dem breiten Angebot menschlichen Filmschaffens dar, das bei YouTube hochgeladen wurde und weiterhin hochgeladen wird. Die Videoplattform YouTube wurde 2005 von den drei ehemaligen PayPal-Mitarbeitern Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim gestartet.²⁷Das erste am 23. April 2005 hochgeladene Video„Me at the Zoo“ zeigt in einer 18-sekündigen Aufnahme den Mitgründer Jawed Karim während eines Zoobesuchs vor dem Elefantengehege und steht dabei stellvertretend für die Funktion der Plattform. YouTube stellt die Technik für die Speicherung von Vi- deos, die von den Nutzerinnen und Nutzern jederzeit gestreamt werden können– d. h. die Inhalte des Videos können abgerufen werden, ohne dass große Daten- mengen übertragen werden oder eine Speicherung auf dem Ausgabegerät zu er- folgen hat. Die Abgrenzung zu Mediatheken oder Video-on-Demand-Angeboten besteht einerseits in der kostenlosen Nutzung und andererseits darin, dass vor allemuser generated contentauf die Plattform geladen werden kann. Weiterhin besteht die Möglichkeit zur Partizipation, indem Videos durch die Nutzerinnen und Nutzer kommentiert und bewertet werden können.²⁸Die Resonanz auf die Videoplattform war unmittelbar nach ihrem Start bereits so stark, dass Google die YouTube 2006 nach kaum mehr als einem Jahr Laufzeit für über eine Milliarde US- Dollar übernommen hat.²⁹

Mittlerweile ist YouTube zu einer werbefinanzierten Plattform herange- wachsen, deren Videos nicht nur von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sondern von Nutzerinnen und Nutzer (fast) jeden Alters weltweit nachgefragt werden. Die über ein Konto angemeldeten YouTube-Benutzerinnen und Benutzer nutzen individualisierbare Kanäle, über die Videos veröffentlicht, bewertet, empfohlen oder verknüpft werden können–aber nicht müssen, denn eine ein- geschränkte Nutzung der Website ist auch ohne Konto möglich. Im Juli 2015 gab das Management bekannt, dass jede Minute über 400 Stunden neues Videoma- terial auf die Plattform hochgeladen würden und im Februar 2017 verwies man

 Eine biographische Darstellung bietet Duffield, Katy: Chad Hurley, Steve Chen, Jawed Karim.

YouTube Creators. Farmington Hills, 2008.

 Rudolph, Dominik: YouTube und Fernsehen: Konkurrenz oder Ergänzung? Eine mehrstufige, vergleichende Analyse aus Nutzersicht unter besonderer Berücksichtigung der Digital Natives.

Münster 2014. Hier: S. 5557. Bernhardt/Friedburg, Kritik (wie Anm. 2), S. 126.

 Marek, Unstanding YouTube (wie Anm. 4), S. 16.

10 Christian Bunnenberg und Nils Steffen

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darauf, dass jeden Tag mehr als 1 Milliarde Stunden an YouTube-Videos abgerufen werden.³⁰

Das filmische Angebot ist in seinen Erscheinungsformen dabei schwer zu beschreiben, da es neben den selbst erstellten Videos mittlerweile auch speziell für YouTube professionell produzierte Bewegtbild-Formate und zahllose Mit- schnitte oder Kopie von Fernseh- und Kinoproduktionen gibt. Eine abschließende Liste der vorhandenen Formate scheint kaum möglich:

Beliebte Genres selbst erstellter Videos sind überwiegend unterhaltsame Formate. Neben den aus dem Fernsehen bekannten Genres wie Comedy, Parodien, Testberichte und Epic Fails (Pleiten, Pech und Pannen) sind das originäre Genres wie Lets-Plays-, Sport- und andere Performance-Videos (herausragende und teilweise gefährliche Demonstrationen des eigene und fremden Könnens), Produkt-kaufen-und-auspacken-Videos (Haul- und Unpack- Videos), Lifestyle-, Beauty- und Fashion-Videoblogs, Mashups (das sinnverändernde Kom- binieren und Zusammenschneiden unterschiedlicher Quellen), sowie Internet-Memes.³¹

Neben diesen Unterhaltungsformaten konnte sich im Bereich der Wissensver- mittlung auf YouTube vor allem das Erklärvideo als ein von den Nutzerinnen und Nutzer stark nachgefragtes Genre etablieren. Der Mediendidaktiker Karsten Wolf definiert Erklärvideos als„eigenproduzierte Filme, in denen erläutert wird, wie man etwas macht oder wie etwas funktioniert, bzw. in [denen] abstrakte Konzepte und Zusammenhänge erklärt werden“.³² Dieser Ansatz hilft, Erklärvideos von ähnlichen Formaten wie dem Lehrfilm, dem Performanzvideo oder dem Video- tutorial abzugrenzen. Lehrfilme sind im Gegensatz zu Erklärvideos professionell erstellte Produktionen, bei denen die Schwerpunkte auf der didaktischen und medialen Gestaltung liegen. Sie orientieren sich konzeptionell und ästhetisch an Angeboten des Bildungs- oder (populären) Wissenschaftsfernsehens.³³ Einen

 Die Uploadzahlen sind diesem Artikel entnommen: https://www.tubefilter.com/2015/07/26/

youtube-400-hours-content-every-minute/ (29.11. 2018). Der Hinweis auf die Zugriffzeiten finden sich im YouTube-Blog: https://youtube.googleblog.com/2017/02/you-know-whats-cool-billion- hours.html (29.11. 2018).

 Wolf, Karsten D.: Produzieren Jugendliche und junge Erwachsene ihr eigenes Bildungsfern- sehen? Erklärvideos auf YouTube. In: TeleVZIon 18/1 (2015). S. 3539. Hier: S. 35. Eine ähnliche Listeallerdings ohne Verweis auf Erklärvideosbieten die Medienpädagogen Eike Rösch und Daniel Seitz. Eike Rösch u. Daniel Seitz: YouTube als Teil der Jugendkultureine kleine Genre- kunde. In: Einfach Fernsehen? Zur Zukunft des Bewegtbildes. Hrsg. von Lars Gräßer u. Aycha Riffi.

Marl 2013. S. 4552.

 Seitz, YouTube als Jugendkultur (wie Anm. 31), S. 36.

 Karsten D. Wolf: Bildungspotenziale von Erklärvideos auf YouTube. Audiovisuelle Enzyklo- pädie, adressatengerechtes Bildungsfernsehen, Lehr-Lern-Strategie oder partizipative Peer Edu- cation? In: merz medien + erziehung, zeitschrift für medienpädagogik 59/1 (2015). S. 3036.

Broadcast yourself: history stories! Geschichte auf YouTubeeine Bestandsaufnahme 11

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Gegenpol bilden die sogenannten Performanzvideos, die einen Vorgang doku- mentieren, allerdings ohne didaktische Absichten. Eine Nachahmung des Ge- zeigten durch die Nutzerinnen und Nutzer ist zwar möglich, von den Produzie- renden aber nicht intendiert.³⁴Videotutorials wiederum verfügen zwar über eine didaktische Herangehensweise, widmen sich aber der Visualisierung von kon- kreten Handlungen oder Abläufen, die auf eine Wiederholung durch die Zu- schauerinnen und Zuschauer abzielt–in Abgrenzung zu Erklärvideos haben sie aber keine komplexen Sachverhalte zum Inhalt und gelten daher als Subgenre.³⁵ Erklärvideos hingegen zeichnen sich vor allem durch vier Merkmale aus, die eng mit den Spezifika der Videoplattform YouTube verknüpft sind: thematische sowie gestalterische Vielfalt, einen informellen Kommunikationsstil und eine Diversität in der Autoreninnen- und Autorenschaft.³⁶Während sich die Produk- tionen klassischer Bildungsangebote in Bewegtbildformaten auch an wirtschaft- lichen Rahmenbedingungen orientieren müssen und daher auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Thema und Nachfrage zu achten haben, bietet YouTube die Möglichkeit unter Ausschluss von wirtschaftlichen Erwägungen auch Spezial- themen zum Inhalt von Erklärvideos zu machen, die dann nur von einem kleinen Kreis an Rezipientinnen und Rezipienten geschaut werden. Gleiches gilt grund- sätzlich auch für die Gestaltung der Beiträge, die ebenfalls keinen Formatspezi- fika unterworfen sind. Es besteht eine Freiheit bei der Wahl des Drehortes, der Laufzeit oder dem Grad der Professionalität einer Produktion.³⁷Inwiefern diese Beliebigkeit mit den von YouTube für Kanalbetreibenden eröffneten Monetari- sierungsmöglichkeiten durch Werbeeinnahmen, den Erwartungen von Zu- schauerinnen und Zuschauer an feste Veröffentlichungsrhythmen oder ästheti- sche Mindestanforderungen bei größeren Kanälen noch gegeben ist, sei dahingestellt – Karsten Wolf spricht in diesem Zusammenhang von einer

„Selbstprofessionalisierung“ der als„YouTuber“bezeichneten Produzentinnen und Produzenten.³⁸

 Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 36.

 Karsten D. Wolf: Video-Tutorials und Erklärvideos als Gegenstand, Methode und Ziel der Medien- und Filmbildung. In: Filmbildung im Wandel. Hrsg. von Anja Hartung, Thomas Ball- hausen, Christine Trültzsch-Wijnen, Alessandro Barberi u. Katharina Kaiser-Müller. Wien 2015.

S. 121131. Hier: S. 124.

 Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 36.

 Wolf, Bildungspotenziale (wie Anm. 33), S. 31 f.

 Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 35. Wir haben uns entschieden, die Selbstbe- zeichnungYouTuberin ihrer Form als Kunstbegriff und Anglizismus auch im Sinne einer hö- heren Lesefreundlichkeit hier und im Folgenden nicht zu gendern. Nach unserem Verständnis sind selbstverständlich alle Geschlechter explizit mit eingeschlossen. Bernhardt/Friedburg, Kritik (wie Anm. 2), S. 126129.

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Ein unausgesprochener Konsens besteht allerdings bezüglich des Kommu- nikationsstils in Erklärvideos. Das Ziel ist eine Kommunikation auf Augenhöhe zwischen den Produzierenden und den Zuschauenden. Werden Abweichungen festgestellt, kann dies von den Nutzerinnen und Nutzern als nachteilig ausgelegt werden und zum Ablehnen bzw. Ignorieren des Angebotes führen.³⁹

Die Diversität in der Autorenschaft ist das größte Potenzial, das YouTube im Zusammenhang mit Erklärvideos zu bieten hat. Dieses äußert sich zum einen in der bereits erwähnten und von den klassischen Medien nicht abzubildenden thematischen Vielfalt, aber auch in dem Phänomen von Parallelproduktionen zu einzelnen Inhalten– so ergibt allein die Suchanfrage„Erklärvideo Franzö- sische Revolution“bei YouTube Dutzende Treffer zu Videos, die sich alle dem Genre„Erklärvideo“zuordnen lassen und damit zunächst gewissermaßen ein Überangebot abbilden. Mediendidaktiker sprechen in diesem Zusammenhang aber von den Vorteilen einer „selbst selektierenden Adressatenschaft“.⁴⁰Die

„Heterogenität in Bildungshintergrund, Milieu,Vorwissen, Sprache und anderen für die Gestaltung relevanten Eigenschaften der YouTube-Erklärenden“eröffnet den Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit, das für sie passende Angebot herauszufiltern.⁴¹ Damit bildet die erst Vielfalt der eingestellten Videos die ei- gentliche Grundlage für den Erfolg der Erklärformate auf YouTube.

4 Erklärvideos – die geschichtsdidaktische Perspektive

Auch für den Bereich der Geschichtsvermittlung lassen sich Erklärformate auf YouTube identifizieren, die von den zumeist jugendlichen Nutzerinnen und Nut- zer als Bildungsangebote ergänzend zum schulischen Unterricht nachgefragt werden. Als ersten Treffer zu der Suchanfrage„Erklärvideo Französische Revo- lution“ ist den Autoren dieses Beitrages das Erklärvideo„Die französische Re- volution–Die Anfänge!“des YouTube-Kanals„Geschichte–simpleclub“ange- zeigt worden.⁴² Das Video wurde am 15. September 2016 veröffentlicht, ist bis zum 30. November 2018 mehr als 500.000 aufgerufen worden und hat im selben Zeitraum 8.058 positive und 136 negative Bewertungen erhalten. In der Kom- mentarspalte haben Zuschauerinnen und Zuschauer Bemerkungen hinterlassen,

 Vgl. den Beitrag von Anja Neubert in diesem Band.

 Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 38.

 Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 38.

 Geschichtesimpleclub, https://www.youtube.com/watch?v=B1 J24_81uIc (30.11. 2018).

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die vor allem positiv ausfallen:„Um sowas einfaches zu erklären verschwenden manche Lehrer mehrere Schulstunden…“[Alien];„Ich finde das richtigggg gut, dass ich auch genau die Sachen in eure Videos packt, die man auch im Unterricht immer anspricht“ [Pokeballqueen];„Unser Geschichtslehrer war ein ‚fran. Re- volutions-Fan“…Das heißt, dass wir ein Jahr lang nur dieses Thema behandelt haben ._. Cool, dass ihr den Inhalt in knapp 6 min. erklären konntet. […]“[Joker];

„Lernen mit Euch macht soooo viel Spaß.“[Downchill].

Einige Hinweise auf die Nutzung des Videos lassen sich ebenfalls aus den Kommentaren ableiten, so wurde es sowohl zur häuslichen Prüfungsvorbereitung („Danke. Danke. Schreib morgen eine Arbeit drüber“[Unbekannt xD]) oder in unterrichtlichen Kontexten („Wie wir das heute einfach in Geschichte geguckt haben…“[Stefan Eisen]) genutzt. Inhaltlich entspricht es vor allem dem Merkmal des informellen Kommunikationsstils und bedient dabei genretypischer Formu- lierungen, die auf die Komplexität des Themas verweisen („Das ist eine etwas komplizierte Sache…“[Tonspur ab 0:08]), den Zuschauerinnen und Zuschauern aber zeitgleich eine gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema auf Au- genhöhe („… richtig spannendes Thema. Deswegen erklären wir auch in dieser Videoreihe, um was es eigentlich dabei geht.“[Tonspur ab 0:10]) ankündigen und damit„eine nicht-bedrohliche, fehlertolerante, positive Lernatmosphäre“schaf- fen.⁴³

Aus geschichtsdidaktischer Perspektive können die Erfolgsfaktoren der Er- klärvideos zu geschichtlichen Inhalten aber nicht ohne weiteres auch als solche für einen gelungenen Lehrervortrag gelten. Während von den zumeist jugendli- chen Zuschauerinnen und Zuschauern die Stärken der Videos–Verständlichkeit, Eingängigkeit, Anschaulichkeit o. ä. – vor allem in Abgrenzung zu von ihnen wahrgenommenen (vermeintlichen?) Schwächen des Geschichtsunterrichts be- tont werden, bewerten geschichtsdidaktische Analysen die in ausgewählten Vi- deos vermittelten historischen Erzählungen und Urteile bislang im Gegenzug als

„faktisch, vereinfachend und mitunter sogar plump“.⁴⁴Die Gestaltung der Bei- träge auf Videoplattformen wie YouTube ist immer einer Aufmerksamkeitsöko- nomie verpflichtet. Die konsequente Umsetzung geschichtsdidaktischer Prinzi- pien zur Unterrichtsgestaltung wie ein problemorientierter Zugriff auf den Inhalt über die Formulierung historischer Fragen, die Einbindung von Lebenswelt- und Gegenwartsbezügen, eine klare Strukturierung bei der Erklärung der historischen Sachverhalte sowie die durch die Plattform gegebene Möglichkeit zum Austausch gelten bei Produzenten und Konsumenten letztlich als Gegenstück zu einem

 Wolf, Bildungspotenziale (wie Anm. 33), S. 32 f.

 John, Wissen2go (wie Anm. 19).

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schulischen Geschichtsunterricht, in dem „sachliche Präzision und mediale Präsentation oft durch Weitschweifigkeit und Redundanz ersetzt werden“.⁴⁵Ein empirischer Nachweis über die Wirkung von Erklärvideos bei YouTube wurde allerdings für den Geschichtsunterricht noch nicht erbracht. So besteht Klä- rungsbedarf hinsichtlich der Frage, ob und wie Gemeinsamkeiten und Unter- schiede von Erklärvideos und Geschichtsunterricht zu beschreiben sind. Handelt es sich bei den Videos tatsächlich um ein wirksames Format zur Vermittlung historischer Sachverhalte? Oder entsteht dieser von den Betrachterinnen und Betrachtern kolportierte Eindruck, weil die Machart der Videos gängige Vorstel- lungen von und Erwartungen an die Vermittlung von Geschichte bedienen?

Ausgangspunkt für eine geschichtsdidaktische Untersuchung von Erklärvi- deos bei YouTube kann eine Fokussierung der Denkoperationen„Verstehen“und

„Erklären“sein, die in der Geschichtswissenschaft seit dem späten 19. Jahrhun- dert zunächst als Gegensätze aufgefasst, in der modernen Geschichtswissenschaft als Zusammenspiel von„hermeneutische[m] Verstehen und kausale[m] Erklären“ aber wieder aufgegriffen wurde.⁴⁶Hans-Jürgen Pandel verweist auf die Trivialität des Begriffes„Erklären“in pädagogisch-didaktischen Zusammenhängen, in de- nen sich die geschichtstheoretischen und historiografischen Implikationen nicht abbilden lassen.⁴⁷Er kennzeichnet das„narrative Erklären“als den„spezifischen Typ der Erklärung in der Geschichtswissenschaft“ und grenzt es damit vom

„kausalen Erklären“anhand von Ursache-Wirkungs-Ketten, dem„nomologischen Erklären“unter Anwendung von Gesetzmäßigkeiten sowie dem„probabilitischen Erklären“beruhend auf statistischen Wahrscheinlichkeitsgesetzen ab.⁴⁸Obwohl alle genannten Formen im Geschichtsunterricht genutzt werden, könne nur durch das„narrative Erklären“historische Ereignisse und Phänomen in beschreibenden Sinnzusammenhänge gebracht werden,„die erzählenden Aussagen sind gleich- zeitig die erklärenden“.⁴⁹Im Kontext internationaler Forschung wurden Erklären und Erklärungen im Geschichtsunterrichts ebenfalls unter ähnlichen Gesichts- punkten diskutiert, die Ermittlung und Beschreibung von Gütekriterien für eine als qualitätiv hochwertig empfundene und gleichermaßen wirkmächtige Erklä-

 Ebd. Anke John verweist auf die Studie zugutemGeschichtsunterricht von Johannes Meyer- Hamme, Holger Thünemann u. Meik Zülsdorf-Kersting: Was heißt guter Geschichtsunterricht?

Perspektiven im Vergleich. Schwalbach/Ts. 2012.

 Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtstheorie. Eine Historik für Schülerinnen und Schüler und Schüleraber auch für ihre Lehrer. Schwalbach/Ts. 2017. Hier: S.116.

 Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis. Schwalbach/Ts. 2013.

Hier: S.408.

 Pandel, Geschichtsdidaktik (wie Anm. 47), S. 408.

 Pandel, Geschichtsdidaktik (wie Anm. 47), S. 410.

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rung aus der Perspektive des Erklärenden wie des Rezipienten stellt aber weiter- hin ein geschichtsdidaktische Desiderat dar.⁵⁰ Die im Zusammenhang mit Er- klärvideos auf YouTube zu stellende Frage, welche Ausprägungen des Erklärens und Darstellens von historischen Zusammenhängen zum Zuge kommen und welche Auswirkungen und welchen Anteil diese letztlich auf eine nachhaltige Verstehensleistung bei den Nutzerinnen und Nutzer haben, kann in diesem Band daher nicht beantwortet werden. Es lassen sich in den einzelnen Beiträgen aber Hinweise darauf finden, unter welchen Rahmenbedingungen es für YouTuber und die Nutzerinnen und Nutzer der Plattform zu einer gelungenen Erklär- und Ver- stehenssituation durch Erklärvideos kommen kann.

5 Konzept und Struktur des Bandes

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt: Videoplattformen wie YouTube sind jung, dynamisch und werden viel genutzt: Für über 60 % der unter 18jährigen Digital Nativesist YouTube laut JIM-Studie 2017„ein probates Mittel, um sich re- gelmäßig über Themen zu informieren“und nach Google bzw. Suchmaschinen zweite Anlaufstelle für Suchen im Internet.⁵¹ Damit wird dieses Web 2.0-Angebot häufig genutzt–sowohl zur Unterhaltung als auch zur Bildung.⁵² Medienkonsum, Sehverhalten, Aufnahmevermögen und Partizipationswillen von jungen Men- schen sind an die Gegebenheiten digitaler Medien angepasst. Audiovisuell-par- tizipative Medien eröffnen damit ein enormes Potential für die historisch-politi- sche Bildung. In den Kulturwissenschaften hat man diese Plattformen bereits als

 Vgl. bspw. Chapman, Arthur: Camels, Diamonds and Counterfactuals: A Model for Teaching Causal Reasoning. In: Teaching History 112 (2013), S. 4653. Lee, Peter u. Denis Shemilt: Is any explanation better then none? Over-determined narratives, senseless agencies and one-way streets in studentslearning about cause and consequence in history. In: Teaching history 137 (2009), S. 4249. Montanero, Manuel u. Manuel Lucero: Causal discourse and the teaching of history. How do teachers explain historical causality? In: Instructional Science 2 (2011) 39, S. 109 136. An der Universität Regensburg entsteht im Bereich der Geschichtsdidaktik derzeit eine Dis- sertation mit dem ArbeitstitelPropaganda im Ersten WeltkriegEine Studie zum (multi)kau- salen Erklären im Geschichtsunterricht(Anna-Maria Ruck). Die Arbeit ist Teil des Projektes FALKE (Fachspezifische Lehrerkompetenz im Erklären), in dem neun Fachdidaktiken sowie die Sprach- und Sprechwissenschaft an der Universität Regensburg kooperieren: https://www.uni- regensburg.de/koleg/massnahmen/erklaeren-im-unterricht-falke/index.html (03.01. 2019).

 Mpfs, JIM-Sudie (wie Anm. 20), S. 46.

 Mpfs, JIM-Sudie (wie Anm. 20), S. 43:88 Prozent der Jugendlichen nutzen YouTube min- destens mehrmals pro Woche, 63 Prozent täglich.S. 32: Sollen die Jugendlichen aus dem Kosmos des Internets spontan die drei liebsten Angebote benennen, so steht YouTube mit weitem Abstand an erster Stelle und wird von fast zwei Drittel angeführt.

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partizipative Wissensräume digitaler Netzkultur erkannt, die es ermöglichen, formelles und informelles Wissen ohne (Hemm‐)Schwelle zu übermitteln. Ak- teurinnen und Akteure der Geschichtswissenschaft nutzen YouTube hingegen zwar als Marketinginstrument, um eigene Formate bekannter zu machen, eine Verwendung als Instrument der historischen Bildung ergibt sich bisher aber kaum.

Die Anzahl der deutschsprachigen YouTube-Channels, die sich mit Ge- schichte befassen, ist im Gegensatz zu englischsprachigen Formaten sehr über- schaubar. Den Vorlieben einer jungen Zuschauerschaft entsprechend sind die dort veröffentlichten Filme schnell, bunt, unterhaltsam und laden zum Kommentieren ein. Sie gehören in den Bereich des Dokutainments, wobei der Aspekt des En- tertainments auf den ersten Blick im Vordergrund zu stehen scheint. Die er- wähnten Medienresonanzanalysen hingegen zeigen, dass Jugendliche und junge Erwachsene den Inhalten dieser Filme Vertrauen schenken und mit ihnen bei- spielsweise für Prüfungen lernen.

Ausgehend von diesen Beobachtungen und Untersuchungen verschiedener Disziplinen entstand 2016 in Heidelberg zunächst die Idee zu einem Workshop, aus dem nun dieser Band hervorgegangen ist. Initialisiert von den beiden Her- ausgebern des Bandes haben die Studierenden und Young Professionals (SYP) in der AG Angewandte Geschichte/Public History im Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands (VHD) einen Nachwuchsworkshop konzipiert und organisiert: „Digital Native (Hi)stories. Neue Herausforderungen audiovisuell- partizipativer Medien für die historische Bildung und Forschung“⁵³. Dieser fand am 10. und 11. Juni 2016 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg statt.

Der Nachwuchsworkshop in Heidelberg hat allen Teilnehmenden deutlich vor Augen geführt, dass das Thema in der Forschung bis dahin kaum wahrgenommen wurde. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, eine Bestandsaufnahme aktueller Tätigkeiten und Bestrebungen in Forschung und Praxis zusammenzustellen. Die fortgeschrittenen Studierenden und Promovierenden, die auf dem Workshop vorgetragen haben, haben sich bereit erklärt, ihre Erkenntnisse zu veröffentlichen und damit einen Beitrag zum Diskurs zu leisten.

Im Rahmen der Konzeption des Bandes entstand das Bedürfnis, weitere YouTuber, Historikerinnen und Historiker sowie Didaktikerinnen und Didaktiker zu gewinnen, um die komplexen Sachverhalten aus möglichst vielfältigen Per- spektiven in den Blick nehmen zu können. So vereint der Band Autorinnen und Autoren mit unterschiedlichen Professionen und Forschungsinteressen. Das ex-

 Workshopankündigung auf H-Soz-Kult, https://www.hsozkult.de/searching/id/termine-31156 (30.11. 2018)

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plizite Ziel des Buchprojektes ist die Veröffentlichung von Beiträgen aus ver- schiedenen„Statusgruppen“und Kontexten: Dabei geht es auch darum, sehr gute Forschungsarbeiten des Nachwuchses zu Aspekten des Umgangs mit Geschichte auf YouTube und anderen sozialen Medien sichtbar und gemeinsam mit Beiträgen von etablierten Praktikerinnen und Praktikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem Diskurs der Scientific Community und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Perspektive der Praktikerinnen und Praktiker soll durch die Auswahl der Beiträge ebenso abgedeckt werden, wie schul- und hochschuldidaktische Aspekte einer Verwendung von YouTube in Bildungszusammenhängen mit (dem Fach) Geschichte.

Im Zentrum dieses Bandes steht die Untersuchung historischer Vermittlung auf YouTube. Den Orientierungsrahmen bilden drei grundlegende Leitfragen der Public Historynach derNarration, PerformativitätundAuthentizitätvon Ge- schichte.

– Narration: Wie wird Vergangenheit in diesen Medien erzählt, um einen Bei- trag zur historischen Bildung zu leisten? Inwiefern lassen sich trotz not- wendiger didaktischer Reduktion Ergebnisse geschichtswissenschaftlicher Forschung vermitteln?

– Performativität: Mit welchen Formen der Inszenierung wird Geschichte in diesen digital native (hi)stories erzählt? Wie werden Erzähler, historische Quellen und Kommentare eingebunden?

– Authentizität: Welche Faktoren lassen Erzählung und Inszenierung bei der Zielgruppe authentisch wirken? Welchen Beitrag leisten eingebundene his- torische Quellen in diesem Zusammenhang?

Ein weiterer Fragenkomplex umfasst die Möglichkeiten und Grenzen der durch die sozialen Medien eröffneten Formate der Partizipation:Unter welchen Bedin- gungen partizipieren junge Menschen in Medienangeboten wie YouTube? Welche Bildungschancen ermöglicht die Beteiligung für Nutzerinnen und Nutzer? In- wiefern beeinflusst die Partizipation Dritter die Medienrezeption von Nutzerinnen und Nutzer? Undvice versa:Wie lassen sich Nutzerinnen und Nutzer über parti- zipative Elemente in geschichtswissenschaftliche Forschung einbinden?

Der Band greift diese Überlegungen auf, fokussiert allerdings vornehmlich das Erklären von Geschichte auf YouTube und kreist dieses Phänomen durch die Beiträge aus unterschiedlichen Forschungszusammenhängen und -perspektiven ein. Die Relevanz von Erklärfilmen zu historischen Themen auf dem Videoportal YouTube als Forschungsthema zeigt sich angesichts des dargestellten Befundes mehr als deutlich und ist Ausdruck eines durch die Digitalisierung hervorgeru- fenen Medienwandels, dessen maßgeblichen Merkmale darin bestehen, etablierte 18 Christian Bunnenberg und Nils Steffen

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Formen und Formate der Vermittlung historischer Inhalte in audiovisuellen Me- dien durch neue Angebote abzulösen, zu ergänzen und zu erweitern.

Die partizipativen Möglichkeiten von Videoplattformen wie YouTube als Teil des„social webs“eröffnen vielfältige Möglichkeiten der Produktion, Distribution und Rezeption dieser Angebote. Die von der Entwicklung zunächst unter Druck gesetzten klassischen Produzenten audiovisueller Produkte der Geschichtsver- mittlung aus Journalismus und Medienanstalten reagieren angesichts der mit diesem Medienwandel einhergehende veränderten Rezeptions- und Sehge- wohnheiten großer Teile der relevanten Zielgruppen durch eine Anpassung der eigenen Angebote an die neuen Rahmenbedingungen. Nennenswert sind die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen wie privaten Fernseh- und Rundfunkan- stalten sowie das Online-Medienangebot‚funk’von ARD und ZDF, das sich an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren richtet. Letzteres nutzt gezielt Social-Media-Plattformen wie YouTube für die Verbreitung der In- halte.

Die Beiträge des Bandes sind in thematischen Blöcken zusammengefasst, die unterschiedliche Aspekte in den Blick nehmen. Unter Kontexte skizziert Cord Arendes die Mediengeschichte des traditionellen Schul- und Bildungsfernsehens und untersucht, inwiefern sich die Erklärvideos auf YouTube in eine Kontinui- tätslinie stellen lassen und markiert dadurch gleichzeitig die zentralen Unter- schiede zu den klassischen Formaten. Nils Steffen nimmt in seinem Beitrag die performative Dimension der Geschichtsvermittlung auf YouTube in den Blick, während Judith Uebing ausgehend von medienanalytischen Studien ein detail- liertes Raster für die Analyse von Beiträgen zur Geschichte auf YouTube aus ge- schichtswissenschaftlicher Perspektive entwickelt.

Die Kategorien Narration und Authentizität sind Grundlage für die Beiträge von Hannes Burkhardt, Benjamin Roers und Christian Bunnenberg. Hannes Burkhardt wirft in seinem Aufsatz einen analytischen Blick auf die Strategien und Inhalte, mit denen das DDR-Museum in Berlin Geschichte auf YouTube erzählt. Im Zentrum seiner Betrachtung stehen dabei die Fragen nach den historischen Per- spektiven und gegenwärtigen Deutungen in der Darstellung von Alltag und Dik- tatur in der DDR sowie nach der Bedeutung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen als authentisch wahrgenommene Vermittlungsinstanzen für Geschichtserzählungen auf YouTube. Benjamin Roers wählt mit der Netzpersönlichkeit MrWissen2Go einen der bekanntesten deutschsprachigen YouTuber im Bereich der Ge- schichtsvermittlung auf YouTube als Untersuchungsgegenstand, an dem er den Zusammenhang von Präsentation und Authentizität als zentrale Faktoren für ein erfolgreiches YouTube-Format beschreibt. In dem Aufsatz von Christian Bun- nenberg steht ein museales Projekt im Mittelpunkt der Betrachtung, das Bürge-

Broadcast yourself: history stories! Geschichte auf YouTubeeine Bestandsaufnahme 19

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rinnen und Bürger mit der Produktion von authentischen„Stadtgeschichte(n)“für einen YouTube-Kanal die Partizipation an der Museumsarbeit ermöglicht.

Einblicke in die Praxis und Produktionvon Erklärfilmen zu geschichtlichen Inhalten geben Florian Wittig und Mirko Drotschmann. Florian Wittig führt am Beispiel des YouTube-Kanals„The Great War“in die Bereiche der Content-Pla- nung, Social Media-Monitoring, Script-Erstellung und -Abnahme, Kanal-Mana- gement und die Planung von Drehs ein, während Mirko Drotschmann in einem Interview auf zentrale Fragen antwortet, die sich aus den anderen Beiträgen zu seinen Kanälen und der Internetpersönlichkeit MrWissen2go ergeben haben.

Den Möglichkeiten und Herausforderungen der Partizipation auf YouTube widmen sich Henrike Rehders, Moritz Hoffmann und Christopher Friedburg. Eine Einführung in die Aspekte einer partizipativen Geschichtskultur gibt Henrike Rehders, die vor allem Partizipationsformen in den Blick und bewertet kritisch deren Nutzen für eine reflektierte Auseinandersetzung mit den auf YouTube präsentierten Inhalten. Mit der„historischen Hassrede“beschreibt Moritz Hoff- mann eine spezifische Form der Partizipation, die sich in Form geschichtsrevi- sionistischer, geschichtsverfälschender und holocaustleugnender Beiträge äußert und diskutiert Strategien, mit denen diesen begegnet werden kann. Daran an- schließend fokussiert und analysiert Christopher Friedburg unter Verwendung des Nutzerrollenmodells Partizipationsmechanismen bei YouTube und veran- schaulicht seine Thesen durch eine Social-Media-Analyse von Kommentaren zu einer historischen Dokumentation.

Den Potentialen derNutzung von YouTube in Schule und Hochschulegehen die Beiträge von Anja Neubert, Bernhard Linke und Marie Föllen nach. Auf Grundlage einer empirischen Untersuchung kann Anja Neubert die Erwartungen und das Rezeptionsverhalten von Schülerinnen und Schüler nachzeichnen, deren Daten im Rahmen eines Geschichtsunterrichts mit Erklärvideos des YouTube-Kanals

„TheSimpleClub“erhoben wurden. Erklärvideos auf YouTube, so ein Ergebnis der Untersuchung, gehören zur geschichtskulturellen Lebenswirklichkeit der Schü- lerinnen und Schüler, die dieses Medium sehr diffus wahrnehmen und sehr he- terogen bewerten. Bernhard Linke und Marie Föllen reflektieren aus hochschul- didaktischer Perspektive über die Einbindung von YouTube-Videos in eine fachwissenschaftliche Veranstaltung an der Universität, stellen ein Analyseraster vor und kommen zu dem Befund, dass die Studierenden über ein hohes Maß an kritischer Distanz in der Auseinandersetzung mit den Angeboten auf YouTube verfügen.

Imabschließenden Abschnittdes Bandes entwickelt Jens Crueger in Erweite- rung der Konzepte von Jan und Aleida Assmann Überlegungen zu einem kultu- rellen Gedächtnis im digitalen Zeitalter, an dem YouTube als Erinnerungsspeicher 20 Christian Bunnenberg und Nils Steffen

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einen hohen Anteil hat. In einem Ausblick diskutieren die Herausgeber ab- schließend die Ergebnisse und benennen die zentralen Ergebnisse des Bandes.

6 Dank

Ein solches Buchprojekt kann nur gelingen, wenn viele fleißige Hände daran mitwirken. Wir danken daher an erster Stelle unseren Autorinnen und Autoren, die sich mit viel Engagement ihren Beiträgen gewidmet haben und die trotz des langwierigen Prozesses stets ansprechbar und offen gegenüber unseren Fragen und Anregungen waren. Ein besonderer Dank gilt Theresa Sisnaiske und Jörg Maack für ihre umsichtige und gewissenhafte Unterstützung bei der Zusammen- führung des Manuskripts. Wir freuen uns sehr, dass Thorsten Logge, Andreas Körber und Thomas Weber mit diesem Band die von ihnen herausgegebene Reihe

„Medien der Geschichte“bei De Gruyter Oldenbourg eröffnen. Ihnen gilt unser Dank ebenso wie Rabea Rittgerodt, die das Projekt von Seiten des Verlags mit Interesse, Wohlwollen und Flexibilität begleitete.

Bochum/Hamburg im November 2018 Christian Bunnenberg & Nils Steffen

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22 Christian Bunnenberg und Nils Steffen

Referenzen

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