Statistische Mechanik, SS21: ¨ Ubung 5 - L¨ osung
Abgabefrist: Mi., 19. Mai 2021, 8:00 a.m.
Besprechung: Fr., 21. Mai 2021
Bsp. 1: Relativistisches ideales Fermigas
4 Punkte Die Dichte eines idealen Fermigases sei so hoch, dass ¯h/(V /N)1/3 mc gilt. Dann sind die meisten Impulse hochrelativistisch, p mc, und man kann n¨aherungsweise die Beziehung ≈cp verwenden.
(a) Bestimmen Sie f¨ur diesen Fall den Fermiimpuls und die Fermienergie.
L¨osung: Die Quantisierung der Impulse folgt aus den Randbedingungen. Die Zahl der Zust¨ande ist daher unabh¨angig von der Energie-Impuls-Beziehung. Wenn sich die Teilchen in einer kubischen Box des VolumensV =L3 befinden, dann haben wir f¨ur jede Richtung
λn= 2L
n →pn= π¯h
L n n= 1,2,3, ... (1) Die thermodynamische Energie und die Teilchenzahl sind gegeben durch
E(T, V, µ) = X
~ p,sz
pnp
N(T, V, µ) = X
~ p,sz
np
(2)
wobei
n= 1
eβ(−µ)+ 1 . (3)
Die Quantenzahlen sind (~p, sz). Die Abst¨ande zwischen zwei benachbarten Impulsen
∆p=π¯h/Lsind in einem makroskopischen Volumen V sehr klein gegen¨uber den mittleren Impulsen, ∆p p. Deswegen k¨onnen wir die Summe ¨uber die diskreten Impulse durch ein Integral approximieren
X
~ p
X
sz
= 2
∞
X
nx=1
∞
X
ny=1
∞
X
nz=1
≈2 Z ∞
0
dnx Z ∞
0
dny Z ∞
0
dnz
= 2 L π¯h
3Z ∞
0
dpx Z ∞
0
dpy Z ∞
0
dpz
= 2 V (2π¯h)3
Z d3p
(4)
wobei der Faktor 2durch die Summe ¨uber sz kommt und die eigentliche Form des Volu- mens keine Rolle spielt.
Die Teilchenzahl ergibt sich somit zu N(T, V, µ) = X
~ p,sz
np = 2V (2π¯h)34π
Z ∞
0
dp p2 n
≈ 2V (2π¯h)34π
Z ∞
0
dp p2 Θ(F −) = 2V (2π¯h)34π
Z pF
0
dp p2
= 2V (2π¯h)3
4π 3 p3F
(5)
Dabei haben wir verwendet, dass n −T−−→0→ Θ(F −), wobei Θ die Heavyside-Funktion ist. Der Fermiimpuls ist bei T →0 der maximale Impuls des Elektrons mit der h¨ochsten Energie
pF = (3π2)13h¯N V
13
. (6)
Auch im nicht-relativistitschen Fall gilt pF ∝
N V
13
. Die Fermienergie f¨ur relativistische Teilchen ist demnach
F =cpF = (3π2)13¯hcN V
13
. (7)
Zum Vergleich: f¨ur nicht-relativistische Teilchen ist die Fermienergie gegeben durch F = p2F
2m = (3π2)23 ¯h2 2m
N V
23
. (8)
(b) Welche EnergieE0(V, N) und welchen Druck P(V, N) hat das System f¨ur T ≈0?
L¨osung:
F¨ur T = 0 sind alle Energie-Niveaus unter der Fermienergie besetzt. Jedes Niveau hat zwei Teilchen mit entgegengesetzten Spins. Mit Gleichung (2) und unter der Bedingung, dass die Summe ¨uber die Impulse nur bis zum Fermiimpuls l¨auft, folgt dass
E0(V, N) = 2V (2π¯h)34π
Z pF
0
dp p2 cp= 2V
(2π¯h)3πcp4F
= 2V
(2π¯h)3πp3FF
= 3
4N F .
(9)
P =−∂E
∂V =−X
~ p,sz
∂p
∂V np . (10)
Mit ∂∂Vp =−3V1 p folgt
P = 1 3V
X
~ p,sz
pnp = E 3V
T→0
= 1 4
N F
V . (11)
Bsp. 2: Der weiße Zwerg
17 Punkte Ein weißer Zwerg ist im Wesentlichen ein entartetes Elektronengas - gemixt mit einer Menge an Atomkernen - die die negativen Ladungen ausgleicht und die Anziehungskraft bereitstellt, die den Stern zusammenh¨alt. In dieser Aufgabe werden wir den Weißen Zwerg als Kugel mit gleichm¨aßiger Dichte modellieren. Weiße Zwerge neigen zwar dazu extrem heiß zu sein, dennoch ist es in dieser Aufgabe eine hervorragende N¨aherung, T = 0 zu setzen.
(a) Zeigen Sie, dass die potentielle Gravitationsenergie einer Kugel mit gleichm¨aßiger Dichte, der Masse M und dem Radius R gegeben ist durch
Ugrav =−3 5
GM2
R . (12)
L¨osung: Wir betrachten den Weißen Zwerg als Kugel mit Radius r und Masse m =
4π
3 ρr3. Diese Kugel k¨onnen wir als Summe aller existierenden Kugelschalen der Dickedr und Masse dm= 4πρr2dr auffassen. Um eine weitere Kugelschale aus dem Unendlichen hinzuzuf¨ugen k¨onnen wir die potentielle Energie dieser Schale betrachten
dU = Gmdm
r =−dUgrav . (13)
Um nun all diese Schalen aufzusummieren, k¨onnen wir unendlich d¨unne Schalen betra- chten, und somit die Summe durch ein Integral approximieren
Ugrav =−G Z R
0
dr1 r
ρ4π 3 r3
4πρr2
=−Gρ2(4π)2 3
Z R
0
drr4
=−G M
4π 3 R3
2(4π)2 3
R5
5 =−3 5
GM2 R .
(14)
(b) Angenommen, der Stern enth¨alt ein Proton und ein Neutron f¨ur jedes Elektron und die Elektronen sind nicht relativistisch, zeigen Sie, dass die gesamte kinetische Energie des Elektronengases gegeben ist durch
Ukin = 0.35 ¯h2M5/3
mem5/3p R2 . (15) L¨osung: Die kinetische Energie eines nicht-relativistischen Fermigases ist
Ukin = 3
5N F = 3
5N(3π2)23 ¯h2 2me
N V
23
, (16)
wobei N die Anzahl der Elektronen ist. Da Protonen und Neutronen nahezu gleich schwer sind und das Elektron vernachl¨assigbar leicht ist, kann man die Gesamtmasse folgendermaßen approximieren
M =N(me+mp+mn)≈N 2mp . (17) Daraus folgt
Ukin= 3 5
M
2mp(3π2)23 ¯h2 2me
2mM
p
4π 3 R3
23
≈0.348 ¯h2M5/3 mem5/3p R2
.
(18)
(c) Der Gleichgewichtsradius RE des Weißen Zwergs ist derjenige, der die Gesamtenergie Ugrav+Ukin minimiert. Skizzieren Sie die Gesamtenergie als Funktion von R und finden Sie eine Formel f¨ur den Gleichgewichtsradius als Funktion der Masse. Erh¨oht oder ver- ringert sich der Radius mit zunehmender Masse? Macht das Sinn?
L¨osung: Die Gravitationsenergie Ugrav ∝ −R1 und die kinetische EnergieUkin ∝ R12. Die Summe beider Energien entspricht der Gesamtenergie des Systems, Utot =Ugrav +Ukin. Um das Minimum der Gesamtenergie zu finden betrachten wir die Ableitung
∂Utot
∂R R=RE
= 0
∂
∂R
0.348 h¯2M5/3 mem5/3p R2 − 3
5 GM2
R
R=RE
= 0 .
(19)
Figure 1: Verlauf von Ugrav ∝ −R1, Ukin∝ R12 und Utot =Ugrav +Ukin
RE = 1.16 ¯h2 Gmem
5
p3
1
M13 . (20)
Je gr¨oßer die Masse des Weißen Zwerges, desto kleiner ist der Gleichgewichtsradius. Was zuerst antiintuitiv erscheint l¨asst sich jedoch leicht nachvollziehen indem man bemerkt, dass die gravitative Energie, die den Stern kompakter macht, schneller mit der Masse w¨achst als die kinetische Energie.
(d) Berechnen Sie den Gleichgewichtsradius und die Dichte f¨ur M = 2×1030 kg, also f¨ur einen Weißen Zwerg mit der Masse der Sonne. Wie viel gr¨oßer ist die Dichte im Vergleich zu der Dichte von Wasser?
L¨osung:
Mit G = 6.672×10−11kg sm32, me = 9.11×10−31kg, mp = 1.673×10−27kg und h¯ = 1.056×10−34J s folgt ein Gleichgewichtsradius von
RE ≈7162km , (21)
etwas gr¨oßer als der Radius der Erde, RErde = 6371km. Wir approximieren die Dichte, indem wir die Gesamtmasse durch das Volumen teilen
ρE = M
4π
3 R3E = 1.3×109kg
m3 . (22)
Die Dichte von Wasser entspricht etwaρH2O ≈103mkg3. Damit ist die Dichte eines Weißen Zwerges etwa 1.3 Million mal gr¨oßer als die Dichte von Wasser.
(e) Berechnen Sie die Fermi-Energie und die Fermi-Temperatur f¨ur den in Teil (d) betra- chteten Fall. Ist die N¨aherung T = 0 g¨ultig?
L¨osung: Die Fermienergie ist
F = (3π2)23 ¯h 2me
N V
23
= (3π2)23 ¯h 2me
M 2mp
3 4πR3E
23
= 3.12×10−14J = 1.95×105eV .
(23)
Das entspricht einer Fermi-Temperatur von TF = F
kB = 1.95×105eV
8.617×10−5eVK = 2.26×109K . (24) Zum Vergleich, die Temperatur im Zentrum der Sonne entspricht etwa TS = 15×106K.
Nat¨urlich entspricht die eigentliche Temperatur des Weißen Zwerges nicht der Fermi- Temperatur, sondern liegt weit darunter. Die W¨armeenergie der Elektronen ist viel kleiner als die kinetische Energie. Deshalb ist T ≈0 f¨ur diese Aufgabe eine passable N¨aherung.
(f) Nehmen wir jetzt an, dass die Elektronen im Weißen Zwerg h¨ochst relativistisch sind.
Zeigen Sie, dass die gesamte kinetische Energie der Elektronen nun proportional zu 1/R anstelle von 1/R2 ist. Er¨ortern Sie, dass es f¨ur einen solchen Stern keinen stabilen Gleichgewichtsradius gibt.
L¨osung: Die Ergebnisse aus Aufgabe 1(a) und 1(b) - die Fermienergie und die Gesamten- ergie f¨ur ein hochrelativistisches Fermigas bei T ≈0- lassen sich hier anwenden
Ukin= 3
4N F = 3
4N(3π2)13¯hc N
V 13
= 3
4(3π2)13¯hc M 2mp
43 3 4πR3
13
= 0.571¯hcM mp
43 1 R
(25)
Wenn wir nun die totale Energie berechnen Utot =
0.571¯hc
M 43
− 3 GM2
1
(26)
stellen wir fest, dass sowohl kinetische als auch gravitative Energie mit R1 skalieren. Deswe- gen gibt es kein stabiles Minimum. Da in den jeweiligen Koeffizienten der Energien nur die Masse keine Konstante ist, ist diese ausschlaggebend daf¨ur, ob sich der Weiße Zwerg bis ins unendliche ausdehnt oder dem gravitativen Kollaps unterliegt.
Um dar¨uber zu entscheiden vergleichen wir Koeffizienten der Energien. Die Masse, bei der die Koeffizienten gleich sind, beschreibt den ¨Ubergang zwischen Expansion und grav- itativem Kollaps.
0.571¯hcM mp
43
= 3
5GM2 . (27)
Man sieht dass ab einer gewissen Masse der gravitative Kollaps eintritt. Mehr dazu in (g).
(g) Der ¨Ubergang vom nichtrelativistischen zum ultrarelativistischen Regime erfolgt ungef¨ahr dort, wo die durchschnittliche kinetische Energie eines Elektrons gleich seiner Ruheenergie mec2 ist. Ist die nicht relativistische N¨aherung f¨ur einen Weißen Zwerg mit einer Masse gleich der Sonnenmasse g¨ultig? Ab welcher Masse w¨urde ein weißer Zwerg relativistisch und damit instabil werden?
L¨osung:
F¨ur nichtrelativistische Elektronen betr¨agt die Durchschnittsenergie kin = Ekin
N = 3
5F . (28)
F¨ur das Beispiel aus (e), ein Weißer Zwerg einer Sonnenmasse, hatten wir gefunden, dass F = 1.95×105eV. Darus folgt, dass die Durchschnittsenergie eines Elektrons der Masse mec2 = 5.11×105eV
kin = 1.18×105eV kin
mec2 ≈0.231 (29)
betr¨agt. Ein Weißer Zwerg mit einer Sonnenmasse kann daher gerade noch als nicht- relativistisch betrachtet werden, allerdings ist das keine sehr gute N¨aherung. Wir Vergle- ichen nun den Fall einer Sonnenmasse, 0.231
M
4 3
mit dem kritischen Fall, bei dem mkin
ec2 = 1,
0.231 M
4
3
= 1
M
4 3
instabil
Minstabil ≈3M .
(30)
Ein Weißer Zwerg mit nur einer Sonnenmasse ist daher wahrscheinlich stabil, auch wenn unsere N¨aherung nicht sehr pr¨azise ist. Eine exaktere Rechnung als diese liefert, dass ab
einer Masse von etwa 1.4M der Weiße Zwerg kollabiert. Man nennt dies das ’Chan- drasekhar Limit’. Hier ber¨ucksichtigt man unter anderem die relativistische Energie- Impuls Beziehung der Elektronen und die Dichte wird nicht als uniform angenommen.
Ein ¨Uberschreiten dieser Grenze resultiert in einem Kollaps. Der weitere Prozess wird generell als ’Supernova’ beschrieben, welche Ihrerseits pr¨aziser klassifiziert werden kann.
Bsp. 3: Energie eines idealen Bose-Gases
4 Punkte (a) Zeigen Sie, dass die Gesamtzahl der Quanten in einem idealen Bose-Gas ausgedr¨uckt
werden kann als
N = V
λ3 g3/2(z) , (31)
wobei z = eβµ, p = p2/2m, λ = 2π¯h/√
2πmkT und g(z) ist eine verallgemeinerte Riemannsche Zetafunktion (genauer ist dies der Polylogarithmus, welcher mit der Rie- mannschen Zetafunktion ¨ubereinstimmt, wenn z = 1 ist.)
gν(z) =
∞
X
l=1
zl
lν . (32)
L¨osung:
Die mittleren Besetzungszahlen eines idealen Bosegases sind np = 1
eβ(p−µ)−1 . (33)
Damit berechnen wir die folgende Anzahl an Quanten
N =X
~ p
1
eβ(p−µ)−1 =X
~ p
∞
X
l=1
e−β(p−µ)l
≈
∞
X
l=1
zl V (2π¯h)3
Z
d3pe−βp
2 2ml
=
∞
X
l=1
zl V (2π¯h)34π
Z ∞
0
dpp2e−βp
2 2ml
=
∞
X
l=1
zl V (2π¯h)34π
rπ 2
m β
32 1 l32
= V X∞ zl
3 = V
g3(z) .
(34)
(b) Zeigen Sie anhand des Ergebnisses aus Teil (a), dass die Energie eines idealen Bose-Gases gegeben ist durch
E = 3 2KTV
λ3 g5/2(z) . (35)
Hinweis:
−1 β
∂
∂l
e−βp
2 2ml
= p2 2m
e−βp
2 2ml
(36)
L¨osung: Mit dem Hinweis l¨asst sich das Ergebnis aus der vorherigen Aufgabe benutzen E =X
~ p
p
eβ(p−µ)−1 =X
~ p
p
∞
X
l=1
e−β(p−µ)l
≈
∞
X
l=1
zl V (2π¯h)3
Z
d3pp2 2me−βp
2 2ml
=
∞
X
l=1
zl V
(2π¯h)34π
−1 β
∂
∂l Z ∞
0
dpp2e−βp
2 2ml
=
∞
X
l=1
zl
−1 β
∂
∂l V
λ3 1 l32
= 3 2kT V
λ3
∞
X
l=1
zl l52 = 3
2kT V λ3g5
2(z) .
(37)
Bonusaufgabe: Bosegas im Oszillator
3 Punkte Das Kondensat eines idealen Bosegases im harmonischen Oszillator besteht aus den N0
Teilchen im Grundzustand. Wenn ein Kondensat vorliegt, dann lautet die Teilchenzahlbe- dingung
N =N0+ Z ∞
0
dnx Z ∞
0
dny Z ∞
0
dnz 1
exp[β¯hω(nx+ny+nz)]−1 , (38) Die Oszillatorenergien sind = ¯hω(nx+ny +nz+ 3/2). In den Ausdruck f¨ur die mittleren Teilchenzahlen wurde µ = 3¯hω/2 eingesetzt; dies gilt, wenn ein endlicher Bruchteil aller Teilchen im Grundzustand ist.
Schreiben Sie den Integranden als geometrische Reihe P∞
l=1 exp(−[...]l) und f¨uhren Sie die Integration aus. Bestimmen Sie N0 als Funktion der Temperatur.
L¨osung:
Aus ¨Ubung 3 kennen wir x−11 = P∞ l=1
1 x
l
. Somit k¨onnen wir jede einzelne Integration separat ausf¨uhren und wir erhalten
N =N0+
∞
X
l=1
Z ∞
0
dne−β¯hωnl3
=N0+
∞
X
l=1
1
(β¯hωl)3 =N0+ζ(3) kT
¯ hω
3
.
(39)
Aufgel¨ost nachN0 ergibt das N0(T) =N
1− ζ(3) N
kT
¯ hω
3
=N
1−T Tc
3
, (40)
wobei Tc = ¯hω
N ζ(3)
13
die ¨Ubergangstemperatur ist, bei der der Kondensatanteil gegen 0 geht.