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Vermögensverteilung und staatliche Aktivität

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Academic year: 2022

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Vermögensverteilung und staatliche Aktivität

Zur Theorie distributiver Prozesse im Interventionsstaat

Cay Folkers

(2)

Die Untersuchung hat das Ziel, eine theoretische Analyse der Funktionen und Bestimmungsgründe der Vermögensverteilung unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zu den ökonomischen Aktivitäten des Staates zu entwerfen. Sie will zu einer Neuformulierung von Konzepten und Systemzusammenhängen der Vermögensverteilung beitragen, um eine fundierte Beurteilung verteilungspolitischer Maßnahmen des Staates bezüglich des Vermögens zu ermöglichen.

Cay Folkers wurde 1942 in Lübeck geboren. 1962-1967 Studium der Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin; 1967-1971 Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Hamburg, 1971 Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Hamburg, 1971-1977 Dozent an der Universität Hamburg, 1976 Habilitation für das Fach Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. Seit 1977 ordentlicher Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Hohenheim, Stuttgart.

Cay Folkers

Vermögensverteilung und staatliche Aktivität

(3)
(4)

FINANZWISSENSCHAFTLICHE SCHRIFTEN

Herausgegeben von den Professoren

Albers. Krause-Junk, Littrnann,Oberhauser. Pohrner. Schmidt

Band14

Verlag Peter D. Lang A

FRANKFURT AM MAIN· BERN

(5)

Cay Folkers

Vermögensverteilung und staatliche

Aktivität

Zur Theorie distributiver Prozesse im Interventionsstaat

Verlag Peter D. Lang ~

FRANKFURT AM MAIN· BERN

(6)

Open Access: The online version of this publication is published on www.peterlang.com and www.econstor.eu under the interna- tional Creative Commons License CC-BY 4.0. Learn more on how you can use and share this work: http://creativecommons.

org/licenses/by/4.0.

This book is available Open Access thanks to the kind support of ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft.

ISBN 978-3-631-75248-7 (eBook) Folkers, Cay:

Vermögensverteilung und staatliche Aktivität : zur Theorie distributiver Prozesse im Inter=

ventionsstaat / Gay Folkers. - Frankfurt am Main; Bern : Lang, 1981.

(Finanzwissenschaftliche Schriften; Bd. 14) ISBN 3-8204-6191-4

NE:GT

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Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

ISBN 3-8204-6191-4

©

Verlag Peter D. Lang GmbH, Frankfurt am Main 1981 Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck oder Vervielfältigung, auch auszugsweise, in allen Formen wie Mikrofilm, Xerographie, Mikrofiche, Mikrocard, Offset verboten.

Druck und Bindung: fotokop wilhelm weihert KG, darmstadt

(7)

Die vorliegende Untersuchung stellt die um einen Abschnitt gekürzte und geringfügig veränderte Fassung einer Arbeit dar, die im Jahre 1976 als Habilitationsschrift vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg angenommen wurde. Die Arbeit wurde im März 1976 abgeschlossen und später lediglich redaktionell überarbeitet. Trotz der erheblich ver- zögerten Drucklegung wurden Beiträge, die nach Fertigstellung der einzelnen Abschnitte der Arbeit erschienen sind, nicht nachträglich berücksichtigt, so daß der ursprüngliche Inhalt unverändert geblieben ist. Soweit erkennbar, wären durch Ein- beziehung der seither erschienenen Untersuchungen keine we- sentlichen Modifikationen in den Aussagen notwendig geworden.

Mein Dank gilt meinem Lehrer Professor Dr. Konrad Littmann, der mir wichtige Anstöße für die Untersuchung vermittelt und die Arbeit in verschiedener Hinsicht gefördert hat, sowie Professor Dr. Dr. Harald Scherf, der die Arbeit ebenfalls wesentlich unterstützt hat. Mein Dank gilt weiterhin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die mir durch ihre groß- zügige finanzielle Förderung die Möglichkeit gab, die Unter- suchung innerhalb einer überschaubaren Zeitspanne abzuschlie- ßen.

Stuttgart-Hohenheim, April 1980

Cay Folkers

(8)
(9)

Seite

ABKURZUNGSVERZEICHNIS VI

SYMBOLVERZEICHNIS VII

A. EINLEITUNG 1

B. VERMÖGEN UND VERMÖGENSVERTEILUNG 5

I. Begriff und Konzepte des Vermögens 5 1. Elemente eines allgemeinen Vermögensbegriffs 5 2. Die grundlegenden Vermögensarten

3. Verfügung und Personenbezogenheit des Vermögens

7

8

4. Privates Konsumtivvermögen 11

5. Öffentliches Konsumtivvermögen 13 6. Privates und öffentliches Produktivvermögen 18 7. Privates und öffentliches Geldvermögen 19

8. Das Bewertungsproblem 23

II. Die Vermögensfunktionen 26

1. Vermögensfunktionen und Vermögenstheorie 26

2. Die Nutzungsfunktion 29

3. Die Verwertungsfunktion 31

4. Die Machtfunktion 32

5. Die Ubertragungsfunktion 35

6. Schlußfolgerungen 35

III. Die Kategorien der Vermögensverteilung 36 1. Verteilungsgesamtheit und Verteilungstyp 36 2. Personelle und funktionelle Vermögens-

verteilung 40

3. Strukturelle Vermögensverteilung 43 4. Verteilungskategorien und Theorien der

Vermögensverteilung

IV. Individuelle Vermögensbildung und Vermögens- verteilung

46

48 1. Grundlegende Konzepte der Verteilungstheorie 48 2. Ein einfaches Modell der Akkumulation und

Vermögensverteilung 51

3. Eine neoklassische Modellvariante 61 4. Einflußfaktoren der Vermögensverteilung

aus mikroökonomischer Sicht 66

(10)

C. ÖKONOMISCHE UND SOZIALE ZUSAMMENHÄNGE DER

VERMÖGENSVERTEILUNG 68

I. Klassenstruktur und ökonomische Verteilungs-

analyse 68

1. Die Bedeutung und Entwicklung von Klassen- vorstellungen in bisherigen Untersuchungen

des Vermögensproblems 68

2. Die Klassenbildung in strukturellen Kon-

zepten der Vermögensverteilung 73 II. Vermögensrechnung und Kreislaufanalyse 80

1. Eine umfassende gesamtwirtschaftliche

Vermögensrechnung 80

2. Eine vereinfachte gesamtwirtschaftliche

Vermögensrechnung 84

3. Die Beziehungen zwischen Nominal- und

Realverteilung des Vermögens 88

4. Die Beziehungen zwischen Einkommens-

und Vermögensverteilung 90

5. Die Beziehungen zwischen Einkommensver- wendung und Verteilung des Vermögens-

zuwachses 95

III. Das makroökonomische Gleichgewicht der

Vermögensverteilung 99

1. Das "solide" Wachstumsgleichgewicht 99 2. Ein makroökonomisches System zur Analyse

von Wachstums- und Verteilungsprozessen 102 3. Die Profitrate im soliden Wachstums-

gleichgewicht 108

4. Alternative Theorien des Verteilungs- prozesses bei ungleichgewichtiger Ver-

mögensverteilung 117

5. Die Determinanten der gleichgewichtigen Vermögensverteilung in alternativen

Verteilungstheorien 120

IV. Die langfristige Inzidenz vermögenspoliti-

scher Maßnahmen 124

1. Maßstäbe der Ungleichheit 124

2. Grundprobleme der Inzidenz bei dynamischer

Betrachtung 128

3. Dossers Konzept der dynamischen Inzidenz 132 4. Dynamische Inzidenz im stetigen Wirt-

schaftswachstum 135

5. Dynamische Inzidenz bei ungleichgewichtiger

Entwicklung 139

(11)

D. DIE PRIVATE VERMÖGENSVERTEILUNG AUS

NEOKLASSISCHER SICHT 145

I. Das Grundmodell mit konstanten Klassen-

sparquoten und staatlicher Aktivität 145 1. Der bisherige Stand der Diskussion 145 2. Darstellung des Grundmodells 148 3. Analyse und Interpretation der ablaufenden

Prozesse 153

4. Die Bestimmungsgründe der Vermögens-

verteilung 157

5. Optimale Besteuerung im Hinblick auf die

Vermögensposition der Arbeitnehmer 160 6. Die Wirkungen der Staatsverschuldung auf

Vermögensverteilung und optimale Besteuerung 165 II. Endogene Bestimmung der individuellen

Akkumulationstätigkeit 169

1. Die grundlegenden Konzepte 169 2. Ein Modell des Sparverhaltens der Klassen 172 3. Das modifizierte Grundmodell 180 4. Eine Alternative zum Konzept der

Lebenszeit-Akkumulation 183

III. Verallgemeinerungen des neoklassischen

Konzepts 188

1. Klassenspezifische Lohnunterschiede bei

homogener Arbeitsleistung 188

2. Ein genereller neoklassischer Mechanismus 192 3. Vermögensverteilung und neoklassischer

Mechanismus: Ein Fazit 194

E. DIE PRIVATE VERMÖGENSVERTEILUNG AUS

NEOKEYNESIANISCHER SICHT 196

I. Das Grundmodell mit konstanten Klassenspar-

quoten und staatlicher Aktivität 196 1. Darstellung des Grundmodells 196 2. Analyse und Interpretation der ablaufenden

Prozesse 200

3. Die Beziehungen zum vorliegender- theore-

tischen Schrifttum 205

4. Die Verteilungswirkungen einer veränderten

Staatsquote 211

(12)

II. Verallgemeinerungen des neokeynesianischen

Grundmodells 213

1. Unterschiedliche Ertragsraten für Geld-

und Sachvermögen 213

2. Gewinneinbehaltung und Verteilungsprozeß 216 3. Implikationen einer variablen strukturellen

Einkommensverteilung 219

III. Ein angebotsorientiertes Modell mit endo-

gener Bestimmung der Kapitalistensparquote 223 1. Darstellung des angebotsorientierten Modells 223 2. Analyse und Interpretation der ablaufenden

Prozesse 227

3. Implikationen einer konstanten Staatsquote 231 4. Die Wirkungen der Staatsverschuldung auf

die Vermögensverteilung 233

5. Endogene Bestimmung der Gewinneinbe-

haltungsquote 237

6. Vermögensverteilung und neokeynesianische

Theorie der Einkommensverteilung: Ein Fazit 241 F. DIE VERMÖGENSVERTEILUNG IM INTERVENTI0NSSTAAT 245

I. Die grundlegenden Konzepte 245

1. Machtfunktion und Vermögensverteilung 245 2. Die allgemeine Profitquotenfunktion 249

3. Die Fortschrittsfunktion 256

4. Die spezielle Profitquotenfunktion 260 5. Die Investitions- und Sparfunktionen 263 6. Der ökonomisch-politische Modellmechanismus 265 II. Darstellung und Analyse der ablaufenden

Prozesse 270

1. Das vollständige Gleichungssystem des Modells 270 2. Das Gleichungssystem im totalen lang-

fristigen Gleichgewicht 276

3. Lösung und Existenzbedingungen des Gleich-

gewichts bei konstanter Profitquote 278 4. Ungleichgewichtige Prozesse und Stabilität

des Gleichgewichts bei konstanter Profitquote 285 5. Lösung und Prozeßablauf des generellen

Modells 290

(13)

III. Die Vermögensverteilung zwischen ökonomischen Abhängigkeiten und staatlichem Eingriff 299 1. Alternative Staatsaktivitäten und ihre

Inzidenz im modellmäßigen Zusammenhang 299 2. Die Bedingtheiten der Inzidenz im

Entwicklungsprozeß 304

3. Die vermögensmäßige Inzidenz direkter Steuern auf die Klasseneinkommen und

indirekter Steuern 312

4. Die Inzidenz von Steuern auf Gewinn-

einkommen 318

5. Die Beurteilung alternativer Maßnahmen zur Realisierung einer gleichmäßigeren

Vermögensverteilung 321

G. PRIVATE VERMÖGENSVERTEILUNG UND ÖFFENTLICHES

VERMÖGEN 329

1. öffentliches Vermögen als Gegenstand der

Verteilungsanalyse 329

2. Verteilungseffekte des öffentlichen

Produktivvermögens 332

3. Verteilungseffekte des öffentlichen

Konsumtivvermögens 338

4. Verallgemeinerungen der Vermögensbeziehungen des Verteilungsmodells bei Berücksichtigung

des öffentlichen Vermögens 341

5. Modifikationen der Verhaltensfunktionen des Verteilungsmodells aufgrund der Effekte des

öffentlichen Vermögens 346

6. Änderungstendenzen der bisherigen Modell- ergebnisse bei Einbeziehung des öffentlichen

Vermögens 350

H. ZUSAMMENFASSUNG 354

LITERATURVERZEICHNIS 361

(14)

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AER

AStA EJ EM EN ET FA NF GM HdF HdSW IER JEL JET JNS JPE K NBER OEP PF QJE REStat REStud SVS NF szvs WWA ZfN ZgS

The Arnerican Economic Review (PP: Papers and Proceedings) Allgemeines Statistisches Archiv The Economic Journal

Econometrica Economica

Ekonomisk Tidskrift Finanzarchiv, Neue Folge Gewerkschaftliche Monatshefte Handbuch der Finanzwissenschaft

Handwörterbuch der Sozialwissenschaften International Economic Review

The Journal of Economic Literature The Journal of Economic Theory

Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik The Journal of Political Economy

Kyklos

National Bureau of Economic Research Oxford Economic Papers

Public Finance / Finances publiques The Quarterly Journal of Economics The Review of Economic Statistics / The Review of Economics and Statistics The Review of Econornic Studies

Schriften des Vereins für Socialpolitik, Neue Folge

Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik

Weltwirtschaftliches Archiv Zeitschrift für Nationalökonomie

Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

(15)

SYMBOLVERZEICHNIS a Bevölkerungsanteil A (Arbeits)bevölkerung b Investitionsquote B Budgetsaldo C Konsum

d Staatliches Haushaltsdefizit bezogen auf das Sozialprodukt E Erbschaft

F Forderungen

g Anteil am privaten Vermögen

G Staatliche Ausgaben für Güter und Dienste h Anteil am volkswirtschaftlichen Gesamtvermögen I Investition

k Kapitalintensität

K Kapitalbestand, volkswirtschaftliches Realvermögen 1 Lohnsatz

L Lohneinkommen

m Staatsschuld bezogen auf das Sozialprodukt M Staatsschuld

n Wachstumsrate der Bevölkertmg N Beschäftigung

p Preisindex P Profj_teinkommen r Zinssatz

s Sparquote S Ersparnis t Zeitindex T Steueraufkommen U Nutzenindex

v Kapitalkoeffizient V Öffentliches Vermögen

w Kapitalkoeffizient des öffentlichen Vermögens W Vermögensbestand

y Pro-Kopf-Einkommen

Y Nettosozialprodukt zu Marktpreisen Z Zinszahlungen des Staates

(16)

a Produktionselastizität des Kapitals

ß Anteil des Geldvermögens am Gesamtvermögen des Staates y Quote der staatlichen Realausgaben am Sozialprodukt

E: Staatlicher Budgetsaldo bezogen auf die Staatsausgaben n Anteil des Geldvermögens am Gesamtvermögen der Arbeit-

nehmer

K Konsumquote bezüglich des Vermögens A Anteil der Arbeitnehmer am Lohneinkommen

'IT Profitquote

p Diskontierungsrate cr Sparquote

T Steuersatz w, ~ Wohlfahrtsindex Subskripte:

A Arbeitnehmer G Staat

H Haushalte i Laufindex

K Kapitalisten pr privat

u Unternehmungen Superskripte:

b brutto C konsurntiv d direkt D Nachfrage g gesamt i indirekt 1 laufend n netto ö öffentlich p produktiv r real s Angebot

u Unternehmungen

w Vermögen

(17)

A. EINLEITUNG

Nicht erst in unseren Tagen ist die wirtschaftliche und so- ziale Problematik der ungleichen Vermögensverteilung in das Zentrum der Diskussion gerückt. Schon vor einer Reihe von Ge- nerationen war sie im wissenschaftlichen wie im politischen Bereich ein vielbeachtetes Thema, das damals wie heute zu einer Fülle höchst unterschiedlicher Pläne mit dem Zielei- ner Korrektur der vom jeweiligen Standpunkt als unerwünscht angesehenen Aspekte führte. Das ausgehende neunzehnte und das beginnende zwanzigste Jahrhundert wiesen allerdings in- sofern eine abweichende Situation auf, als sie durch die Exi- stenz und Neubegründung divergierender theoretischer Schulen gekennzeichnet waren, welche die zugrundeliegenden Phänomene der Vermögensverteilung zu erklären trachteten, während man

im neueren theoretischen Schrifttum eine bemerkenswerte Lücke auf diesem Gebiet feststellen muß.

Die Verminderung des wissenschaftlichen Interesses am Vermö- gensproblem dürfte im wesentlichen durch die mit dem zweiten Viertel dieses Jahrhunderts aufziehende Beschäftigungsfrage

und die von ihr ausgelöste Renaissance des Kreislaufgedankens in der Nationalökonomie zu erklären sein. Diese Entwicklung enthält auch den Schlüssel für die auffallende Beobachtung, daß in wissenschaftlichen Arbeiten fast stets die Stromgröße

"Vermögensbildung", nicht jedoch die Bestandsgröße "Vermögen"

behandelt worden ist. Die Vermögensverteilung wurde überwie- gend als Nebenprodukt der Theorie der Einkommensverteilung angesehen, ohne daß ihre besonderen Probleme hinreichende Würdigung fanden.

Die vorliegende Untersuchung setzt sich das Ziel, eine theo- retische Analyse der Funktionen und Bestimmungsgründe der Vermögensverteilung in der modernen Wirtschaft unter besonde- rer Berücksichtigung der Beziehungen zu den ökonomischen Ak- tivitäten des staatlichen Sektors zu entwerfen. Der Bezug auf die Staatstätigkeit erklärt sich zum einen aus der Tat-

(18)

sache, daß der Interventionsstaat nicht nur im Bereich der rechtlichen Normensetzung, sondern zunehmend auch durch seine laufende Ausgaben- und Einnahmentätigkeit sowie seine Schul- den- und Vermögensdispositionen bestimmend auf die private Vermögensverteilung einwirkt. Ohne Erfassung dieser Faktoren würde jeder Erklärungsversuch somit unvollkommen bleiben.

Der zweite Grund liegt darin, daß die Analyse zu einer Fun- dierung staatlicher Verteilungspolitik bezüglich des Vermö- gens beitragen will und unter diesem Aspekt eine Erfassung und Beurteilung der verschiedenen denkmöglichen Eingriffsin- strumente anstrebt.

Die vorliegende Arbeit versucht, innerhalb eines übergreifen- den Beziehungssystems die nach dem gegenwärtigen Stand der Theorie ableitbaren Aussagen über die Vermögensverteilung und ihre Beeinflussung systematisch zu erfassen und theore- tisch aufzuarbeiten, um auf dieser Grundlage Weiterentwick- lungen vorzuschlagen. Die Untersuchung ist in zweifacher Weise abgegrenzt: sie beschränkt sich mit einer Ausnahme auf den gesamtwirtschaftlichen Aspekt der Fragestellung und schließt Verteilungsänderungen infolge von strukturell oder inflationär bedingten Wertänderungen des Vermögens aus 1 ).

Beide Abgrenzungen sind ausschließlich methodisch begründet.

Sie verfolgen das Ziel, bestimmte makroökonomische Phänomene möglichst deutlich herauszuarbeiten, ohne jedoch die rela- tive Bedeutung der einzelnen Aspekte ausdrücken zu wollen.

Eine geplante Ergänzung um den mikroökonomischen Ansatz mußte angesichts der Fülle der hier zur Diskussion stehenden Fragen ausgeklammert werden und einer gesonderten Unter- suchung vorbehalten bleiben.

In Abschnitt B geht es um grundlegende Fragen jeder Vermögens- untersuchung wie Begriffe, Konzepte und ökonomische Funktionen des Vermögens, daraus abzuleitende Kategorien der Vermögens- 1) Vgl. hierzu z.B. Ziercke, M., Die redistributiven Wirkungen

von Inflationen, Göttingen 1970

(19)

verteilung sowie elementare Beziehungen zwischen Bildung und Verteilung des Vermögens. In Abschnitt C wird die Vermögens- verteilung im ökonomischen und sozialen Kontext erfaßt. Dabei werden die Fundamente der theoretischen Analyse durch die Be- stimmung von Klassenstrukturen und die Ableitung spezifischer Referenzrelationen, vor allem eines volkswirtschaftlichen Gleichgewichts der Vermögensverteilung, gelegt. Als eine we- sentliche Konsequenz dieser Analyse wird ein neues Konzept der dynamischen Inzidenz des Vermögens entwickelt.

In den Abschnitten D und E erfolgt eine Analyse der Vermö- gensverteilung auf der Grundlage der geläufigsten gesamtwirt- schaftlichen Verteilungstheorien. Dabei finden die Konzepte der früheren Abschnitte für alle Ansätze in gleicher Weise Verwendung, so daß die divergierenden Modelle neoklassischer und neokeynesianischer Provenienz hinsichtlich ihrer Voraus- setzungen und Implikationen verglichen werden können. Die Funktion dieser Abschnitte besteht darin, eine exakte Dar- stellung der aus den verfügbaren Theorien ableitbaren theo- retischen Aussagen zu geben und zugleich aufzuzeigen, von welcher - z.T. recht engen - theoretischen Basis unterschied- liche vermögenspolitische Vorstellungen bewußt oder unbewußt ausgehen. Zugleich werden die Ansatzpunkte für einen ver- besserten theoretischen Entwurf markiert.

In Abschnitt F wird ein gesamtwirtschaftliches Modell der Vermögensverteilung vorgestellt, welches als Konsequenz aus den aufgezeigten Kritikpunkten der bisherigen Ansätze die wesentlichen Vermögensfunktionen berücksichtigt und staat- liche Interventionen als Teil des Modellmechanismus, nicht jedoch wie bisher üblich als exogene Störung, erfaßt. Außer- dem wird auf die in den früheren Ansätzen notwendige, re- striktive Annahme stetigen Wirtschaftswachstums im Prozeß der Vermögensverteilung verzichtet. Auf der Grundlage dieses Modells werden die Interaktionen zwischen privatwirtschaft-

lich und staatlich bedingten Abhängigkeiten der Vermögensver- teilung aufgezeigt und die verschiedenen Maßnahmen der Ver-

(20)

mögenspolitik einer erneuten, umfassender fundierten Beur- teilung unterzogen. Die Schlußbetrachtung in Abschnitt G weist auf Modifikationen der bisherigen Aussagen hin, die

aus einer Berücksichtigung des öffentlichen Vermögens für die private Vermögensverteilung resultieren.

(21)

B. VERMÖGEN UND VERMöGENSVERTEILUNG I. Begriff und Konzepte des Vermögens

1. Elemente eines allgemeinen Vermögensbegriffs

Jede Vermögensanalyse setzt bei der augenfälligen Beobach- tung an, daß ein generell akzeptierter Vermögensbegriff bis- her nicht existiert 1). Dieses Faktum scheint sich zunächst als Konsequenz unzulänglicher wissenschaftlicher Bemühungen darzustellen, dürfte indessen primär aus den unterschied- lichen Zielsetzungen oder Ansatzpunkten der jeweiligen Unter- suchungen und den - damit meist verbundenen - ideologischen Grundpositionen der Autoren resultieren. Die inhaltliche Be- stimmung der Vermögensbegriffe ist meist allein auf den spe- zifischen Kontext der jewefligen Untersuchung ausgerichtet, so daß bei Diskussionen häufig fast unüberwindbare Verstän- digungsschwierigkeiten entstehen. Diese Gefahr läßt es not- wendig erscheinen, einen Oberbegriff zu entwerfen, der die Gesamtheit aller betrachteten Phänomene umfaßt und als Be-

zugspunkt für die unterschiedlichen Begriffsausprägungen ver- wendet werden kann.

Zur begrifflichen Erfassung beliebiger Vermögensgesamtheiten erscheint es nützlich, systemindependente und systemspezifi- sahe Elemente zu unterscheiden. Der Oberbegriff "Vermögen"

und einige fundamentale Teilgesamtheiten sind unabhängig von der Wirtschafts- und Rechtsordnung durch systemindependente Tatbestände zu bestimmen, denn Vermögen existiert - in be- stimmten grundlegenden Erscheinungsformen - in jeder Volks- wirtschaft. Für die spezifischen Arten des Vermögens und die unterschiedlichen Vorteile, die es verschafft, hat jedoch die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft wesentliche Bedeu- tung. Daher muß die Bildung weitergehender Teilgesamtheiten bei systemspezifischen Tatbeständen anknüpfen.

1) Vgl. z.B. Herrmann, K.A., Art. Vermögensstatistik, in:

HdSW Bd. 1 1 ( 1 9 6 1 ) , S . 1 4 9

(22)

Die mit dem Begriff "Vermögen" zu umschreibenden ökonomi- schen Tatbestände müssen folgende drei Grundbedingungen er- füllen. 1. Sie stellen Bestandsgrößen dar. 2. Sie beinhalten Objekte, d.h. Güter und Rechte, über welche die Wirtschafts- subjekte einer Volkswirtschaft in bestimmter Weise verfügen oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu verfügen in der Lage sind. 3. Die Objekte müssen ökonomisch bewertet oder be- wertbar sein 1l.

Diese Elemente eines allgemeinen Vermögensbegriffs sind sy- stemindependent und haben beispielsweise keinen unmittelbaren Bezug zu dem in entsprechendem Zusammenhang häufig genannten Eigentumsbegriff - sei es in dem engen sachenrechtlichen Zu- sammenhang des§ 903 BGB oder in dem weiteren Verständnis des Art. 14.1 GG 2 ). In der Tat ist der Vermögensbegriff als solcher nicht an die Rechtsfigur individuellen Eigentums oder an die Marktpreisbildung gebunden. Dagegen sind die jeweili- gen Ausprägungen der Verfügung und die Formen der ökonomi- schen Bewertung von den herrschenden Institutionen der Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bestimmt. Die Verwechslung dieser beiden Argumentationsebenen scheint eine wesentliche Ursache für die häufig beklagte Vermengung der Begriffe "Vermögen" und "Eigentum" zu sein 3 ).

Der Vermögensbegriff umschreibt somit unabhängig von gegebe- nen Ordnungsvorstellungen den Bestand an ökonomischen Ver- fügungsmöglichkeiten der Subjekte eines Wirtschaftsraumes als Inbegriff heterogener Objekte, die in einer ökonomischen 1) Damit wird nicht notwendig eine Marktpreisbildung impli-

ziert, die gelegentlich als Konstituens für den Vermögens- begriff zu fungieren scheint. Vgl. z.B. Seeberg, S., Eigentum und Vermögen, Ein Beitrag zum Wandel ihrer Funk- tionen, JNS 175 (1963), S. 511

2) Siehe dazu u.a. Reiser, L., Art. Eigentum (II), in: HdSW Bd. 3 (1961),

s.

41 oder Conrad, H. et al., Art. Eigentum, in: Staatslexikon Bd. 2 (1958), Sp. 1066

3) Auf die Notwendigkeit einer strikten Trennung beider Be- griffe verweist u.a. Preiser; siehe Preiser, E., Die öko- nomische Problematik der Eigentumsverteilung, in:

Preiser, E., Wirtschaftspolitik heute, München 1967,

s.

161

(23)

Beziehung zu den Wirtschaftssubjekten stehen. Diese Objekt- subjekt-Beziehung bedarf der Konkretisierung, wenn von den Vermögensverhältnissen einer spezifischen Volkswirtschaft die Rede ist. Sie kann einerseits als Datum in die Vermö- gensanalyse eingehen, andererseits selbst - beispielsweise innerhalb einer normativen Theorie - als Variable betrachtet werden. Der letztere Ansatz wird zwar häufig mit dem Hinweis auf elementare Prinzipien der Weltanschauung oder der Rechts- ordnung aus dem Bereich der ökonomischen Theorie verwiesen, er muß jedoch im Hinblick auf seine unmittelbaren ökonomi- schen Konsequenzen als legitimer Bestandteil einer wirt- schaftswissenschaftlichen Behandlung des Themas verstanden werden.

2. Die grundlegenden Vermögensarten

Zur Bestimmung von Teilgesamtheiten des Vermögens ist in einer ersten Abgrenzung auf das Subjekt-Objekt-Verhältnis in einem strikt individuellen und somit systemindependenten Bezug abzustellen. Unter diesem Aspekt sind Humanvermögen und Nichthumanvermögen zu unterscheiden. Das erstere, auch als Arbeitsvermögen 1 ) der Wirtschaftssubjekte bezeichnet, umfaßt ihre ökonomisch verwertbaren Eigenschaften und Fähig- keiten; sie können angeboren oder durch Ausbildung bzw.

Ubung erworben sein und dementsprechend vermehrt oder ver- mindert werden.

Das Nichthumanvermögen, gelegentlich etwas mißverständlich auch als "Kapitalvermögen" bezeichnet2l, ist in seiner Ge- samtheit mit dem Sachvermögen der Volkswirtschaft identisch, sofern, wie in der vorliegenden Untersuchung grundsätzlich unterstellt, eine geschlossene Volkswirtschaft betrachtet 1) Siehe Krelle, W., Schunck, J., Siebke, J., Uberbetrieb-

liche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer, Tübingen 1968,

s.

14

2) So z.B. bei Fecher, H., Inzidenzprobleme finanzpoliti- scher Mittel zur Vermögensumverteilung, in: Albers, W., Hrsg., öffentliche Finanzwirtschaft und Verteilung I, SVS NF 75/I, Berlin 1974, S. 100

(24)

wird. Das Sachvermögen setzt sich seinerseits aus Konsumtiv- 1) und Produktivvermögen zusammen, d.h. aus Beständen von Ver- brauchs- und Gebrauchsgütern, welche den Haushalten unmittel- bar zur Verfügung stehen bzw. stehen können, sowie den Be- ständen an produzierten und unproduzierten Faktoren in Form von Anlage- und Vorratsvermögen.

Für weitere Abgrenzungen wird ein Wirtschaftssystem unter- stellt, in dem nicht alle Verfügungen über Vermögen von einer einzigen Instanz ausgehen, das ansonsten jedoch eine belie- bige Ordnung aufweisen kann. Damit wird die Ebene systemin- dependenter Aussagen verlassen. Da der Verfügungswille der einzelnen Instanzen über Sachvermögen nach Art und Umfang nicht notwendig mit den von ihnen kontrollierten Beständen übereinstimmen wird, müssen die Instanzen untereinander Be- ziehungen aufnehmen, die sich in Verpflichtungen bzw. Forde- runqen niederschlagen. Die Nettoforderungsposition jeder In- stanz stellt für diese ein besonderes Vermögensobjekt, das in einem geldwirtschaftlichen System als (positives oder nega- tives) Geldvermögen bezeichnet wird. Während diese Bestände sich in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung saldieren, sind sie für Verteilungsanalysen von besonderem Interesse. Sachver- mögen und Geldvermögen umfassen das Nichthumanvermögen jeder einzelnen Instanz.

3. Verfügung und Personenbezogenheit des Vermögens

Bis zu diesem Punkt galten sämtliche Definitionen für Wirt- schaftssysteme mit recht unterschiedlichen Verfassungen. Für weitergehende Strukturierungen der Vermögensmasse ist eine genauere Definition der betrachteten Ordnung und damit eine Spezifizierung der Verfügung und der Subjektbeziehung des Vermögens notwendig. Im folgenden wird ein dezentralisiertes, gemischtwirtschaftliches System mit Privateigentum am Kon- 1) Der meist verwendete Terminus "Gebrauchsvermögen" er-

scheint als zu eng für den erfaßten Tatbestand

(25)

sumtiv- und Produktivvermögen unterstellt. Erst mit einer derartigen Spezifizierung kann ein Verteilungsproblem konkret bestimmt werden.

Wirft man einen Blick auf die eingangs formulierten drei Ele- mente des Vermögensbegriffs, so scheint in diesem Wirtschafts- system der Schlüssel zur Verfügung über Vermögen durch das Eigentum gegeben zu sein. In der Tat stellen die Eigentums- rechte der natürlichen und juristischen Personen sowie des Staates ein erstes Kriterium für die Verfügung dar, sofern das Nichthumanvermögen zur Debatte steht. Das Eigentum stellt indessen auch für diesen Teilbereich des Vermögens nur eine von mehreren Grundlagen der Verfügung dar, denn die im Eigen- tum eines Subjekts befindliche Sache kann auf unterschied- liche Weise der Herrschaft eines oder mehrerer anderer Indi- viduen unterliegen. Diese haben zwar kein Eigentum, wohl aber eine spezielle Verfügungsmacht an dem Objekt. Andere Teil- bereiche der Verfügung stehen aber gleichzeitig dem juristi- schen Eigentümer zu, auch wenn er im wirtschaftlichen Sinne nur teilweise einen Anspruch hat. Hinzu kommt, daß auch an Forderungen kein Eigentumsrecht bestehen kann.

Die Verfügung über Vermögensobjekte kann in der betrachteten Wirtschaftsordnung zumindest folgende Tatbestände umfassen:

1. Verfügung über die eigene Person und ihre ökonomische Lei- stung, 2. Verfügung über Sachvermögen aus Eigentum im recht- lichen und wirtschaftlichen Sinn, 3. Verfügung über Sachver- mögen aus juristischem Eigentum ohne einen (vollen) Anspruch im wirtschaftlichen Sinn, 4. Verfügung über Sachvermögen in fremdem, nicht zuletzt öffentlichem Eigentum aufgrund unter- schiedlicher Nutzungsrechte, 5. Verfügung über Forderungen oder forderungswerte Rechte. Sämtliche dieser Verfügungsmög- lichkeiten können einzeln oder gemeinsam für die Definition des Gegenstandes von Verteilungsanalysen herangezogen werden.

Sie implizieren nicht nur unterschiedliche Verteilungsgrö- ßen, sondern bedingen auch unterschiedliche Verhaltensbezie- hungen der Wirtschaftssubjekte. Eine umfassende Analyse des

(26)

Vermögensproblems kann allein wegen der Verhaltensinterde- pendenzen keinen Aspekt völlig außer acht lassen.

Die Verfügungsmacht wird zwar von Individuen ausgeübt, sie muß hingegen im Falle juristischer Personen und staatlichen Eigentums nicht an die Person gebunden sein. Daher kann man aufgrund der eigentumsmäßigen Zuordnung personengebundenes privates, nicht-personengebundenes privates und (nicht-per- sonengebundenes) öffentliches Vermögen unterscheiden. Da je- des Vermögen irgendwelchen Individuen dient, d.h. personen- bezogen ist 1 ), sind die privaten körperschaftlichen Vermögens- bestände für bestimmte Fragestellungen den Anteilseignern zu- zurechnen, auch wenn diese einen Teil ihrer Verfügungsrechte delegiert haben. Dabei entsteht die Notwendigkeit, die nomi- nalen Anteilswerte um die Reserven bzw. Kapitalverluste der Körperschaft zu korrigieren. Bei einer Verteilungsanalyse ist auf die Unterschiede zu einer unmittelbaren Verfügung der In- dividuen über Vermögen sowie auf divergierende Einflußmöglich- keiten entsprechend dem jeweiligen Anteilssatz am Eigenkapi- tal der Körperschaft bzw. auf Besonderheiten der Einflußnahme über spezielle Stimmrechte abzustellen. Dabei zeigt sich

deutlich, daß das Eigentumsrecht allein zwar den Ausgangspunkt, jedoch keine hinreichende Basis für die Analyse der Vermögens- position abgibt.

Eine konsequente Anwendung des Prinzips der Personenbezogen- heit kann nicht auf das private Vermögen beschränkt bleiben, sondern muß auch das öffentliche Vermögen umfassen; es gibt nämlich ebenfalls Nutzungen an Individuen ab, auch wenn diese keine anteilsmäßigen Eigentumsrechte und keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit haben. Es unterliegt hingegen keinem Zweifel, daß das öffentliche Vermögen den Status und das öko- nomische Verhalten der Wirtschaftssubjekte beeinflußt. Die

1) Vgl. Oberhauser, A., Finanzpolitik und private Vermögens- bildung, Köln-Opladen 1963, S. 13. Bei Weisser findet sich demgegenüber auch die Vorstellung nicht-personenbe- zogenen Vermögens; siehe Weisser, G., Art. Vermögen und Vermögenspolitik, in: HdSW Bd. 11 (1961), S. 163

(27)

überwiegend anzutreffende Beschränkung der Vermögensanalysen auf den privaten Sektor kann daher nicht überzeugen. Die Fül- le der Probleme, die bei einer Erfassung und Messung der im Zusammenhang mit dem öffentlichen Vermögen zu beachtenden Beziehungen auftreten, übersteigt allerdings bei weitem die-

jenigen des nicht-personengebundenen privaten Vermögens.

4. Privates Konsumtivvermögen

Innerhalb des Sachvermögens wird zunächst das Konsumtivver- mögen betrachtet, welches nach dem geläufigen Schema gewöhn-

lich in privates und öffentliches unterteilt wird. Praktisch alle bisher vorgelegten Untersuchungen zur Vermögensvertei- lung beschränken sich auf das private Produktivvermögen. Das private Konsumtivvermögen gilt in der Periode seiner Beschaf- fung als verbraucht und geht fiktiv in die Stromgröße Konsum der jeweiligen Beschaffungsperiode ein. Drei Gründe machen dieses Vorgehen verständlich. Einerseits sind aus naheliegen- den Ursachen statistische Daten über diesen Bestand und seine Abschreibungen nicht verfügbar, andererseits hat sich die ökonomische Theorie mit dieser Vermögenskategorie weit weni- ger beschäftigt als mit dem Produktiv- und Geldvermögen 1l, drittens schließlich hat diese Vermögensart in den Zielvor- stellungen der unterschiedlichsten vermögenspolitischen Kon- zepte kaum eine Rolle gespielt.

Zum privaten Konsumtivvermögen werden herkömmlicherweise alle nicht gewerblich genutzten Anlagen und Vorräte im pri- vaten Sektor gerechnet, d.h. alle längerlebigen Gebrauchs- güter im Haushaltsbereich, Verbrauchsgütervorräte für den Haushaltsbedarf, aber auch nicht gewerblich genutzte Grund- stücke und Gebäude(teile). Gelegentlich wird darauf verwie- sen, die letztere Kategorie müsse wegen der einem Ertrag 1) Dieses Argument, das sich bei Oberhauser, l.c., S. 14 findet, muß auch heute noch - wenngleich mit gewissen Einschränkungen - als gültig angesehen werden

(28)

vergleichbaren kalkulatorischen Eigenmiete eine Sonderstel- lung erhalten 1 ). Da jedoch ein kalkulatorisches Nutzungsent- gelt auch für jedes andere Gebrauchsgut angesetzt werden könnte und das Verbrauchsvermögen den Kauf der entsprechen- den Güter im Konsumzeitpunkt erübrigt, reduziert sich das Argument auf einen Praktikabilitätsgesichtspunkt: allenfalls wegen der besonderen Bedeutung des Grundvermögens für die private Vermögensbildung könnte eine besondere Hervorhebung dieser Kategorie angezeigt erscheinen. Eine entsprechende Feststellung gilt auch für die Konvention, das Vorratsvermö- gen innerhalb des Konsurntivvermögens nicht zu berücksichti- gen. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden 2 ), daß ein sol- ches vorgehen nur aus technischen, nicht jedoch aus systema- tischen Gründen vertretbar ist, da die Entscheidungen über Vermögensbildung oder Vermögensumschichtung wegen der Substi- tutionsbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Vermögens- arten auch durch derartige Vermögensbestände beeinflußt wer- den können.

Die Bedeutung des privaten Konsurntivvermögens besteht somit neben der aus ihm abzuleitenden Nutzenstiftung vor allem in seinem Einfluß auf die Vermögensdispositionen der Individuen.

Es sollte daher nicht a priori aus theoretischen Untersuchun- gen zur Vermögensverteilung ausgeklammert werden. Dennoch mag es in begründeten Fällen vertretbar sein, das private Konsurntivvermögen vollständig oder teilweise zu vernachlässi- gen, wenn Untersuchungsziel und statistische Möglichkeiten dies nahelegen. So mag auch die Herauslösung des Verbrauchs- vermögens oder des nicht in Immobilien angelegten Gebrauchs- vermögens gerechtfertigt sein, wenn die ökonomischen Konse- quenzen dieses Vorgehens beachtet werden.

1) Vgl. z.B. Föhl, C., Wegner, M., Kowalski, L., Kreislauf- analytische Untersuchung der Vermögensbildung in der Bundesrepublik und der Beeinflußbarkeit ihrer Verteilung, Tübingen 1964,

s.

3

2) Siehe Fecher, H., l.c., S. 101

(29)

Ganz anders geartet ist die Problematik des durch lange Tra- dition geprägten Begriffs des öffentlichen Konsurntivvermö- gens. Herkömmlicherweise versteht man darunter denjenigen Teil des staatlichen Sachvermögens, der nicht gewerblich ge- nutzt, d.h. nicht in Staatsunternehmen angelegt ist 1 ). Es umfaßt den gesamten Komplex der Sozial- und Infrastrukturan- lagen wie z.B. öffentliche Gebäude, Straßenbauten, Verwal- tungs- und Bildungseinrichtungen etc. Diese Abgrenzung kann vom Standpunkt der neueren Theorie öffentlicher Ausgaben nicht als befriedigend angesehen werden. Nur ein Teil dieses Vermögens, wie z.B. staatliche Kultureinrichtungen, ein Teil der Verwaltung und der Straßenbauten, gibt unmittelbar Nut- zungen an die privaten Haushalte, d.h. an den Konsumbereich ab, während wesentliche Anteile als Faktorleistungen an den Produktionsbereich anzusehen sind. Naturgemäß ist eine Ab- grenzung dieser beiden Teilsphären äußerst schwierig, was z.B. besonders extrem im Falle von Anlagen zur inneren und äußeren Sicherheit in Erscheinung tritt.

Trotz der Probleme einer praktischen Abgrenzung erscheint es für ein theoretisch überzeugendes Konzept des öffentlichen Vermögens notwendig, eine klare Trennungslinie zwischen bei- den Kategorien zu ziehen. Als öffentliches Produktivvermögen soll im folgenden jener Teil des nicht gewerblich genutzten staatlichen Sachvermögens bezeichnet werden, welcher direkt oder indirekt inputs an den volkswirtschaftlichen Produk- tionssektor abgibt. Diese inputs können substitutiven oder komplementären Charakter zu privaten inputs haben und können materieller oder immaterieller Art sein; sie sind typischer- weise durch veränderte Produktionsbeziehungen, d.h. in der Regel durch erhöhte Faktorproduktivitäten,darzustellen2l.

1) Vgl. z.B. Föhl, C. et al., Kreislaufanalytische Unter- suchung . . . , S. 3

2) Vgl. dazu z.B. Folkers, C., Lineare Programmierung staat- licher Aktivität, Diss. Hamburg 1971, vor allem Kap. III

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Ist im folgenden von öffentlichem Konsumtivvermögen die Rede, so wird damit stets derjenige Teil des staatlichen Sachver- mögens umschrieben, welcher unmittelbar Konsumnutzungen an

Individuen abgibt, wie z.B. öffentliche Parks oder Teile von Verkehrs- bzw. Bildungseinrichtungen. Nur wenige Vermögens- teile der öffentlichen Hand können vollständig und eindeutig auf den Konsumbereich bezogen werden, vielmehr müssen sie wohl unausweichlich mit einer gewissen Willkür beiden Berei- chen anteilig zugerechnet werden.

Dabei sind zwei unterschiedliche Verfahren möglich. Bei be- stimmten Vermögensgütern können die Komponenten, welche kon- sumtive Leistungen abgeben, physisch von denjenigen getrennt werden, welche produktiv eingesetzt werden; demgemäß werden sie in getrennte Vermögensteile disaggregiert. Schwieriger erscheint das Verfahren in dem Falle, wenn öffentl.iches Ver- mögen dem Konsum- und Produktionsbereich im gleichen Maße zur Verfügung steht, ohne daß eine Rivalität bei der Nutzung auftritt 1). In diesen Fällen ist zwar der gesamte betroffene Vermögenskomplex zugleich konsumtiver und produktiver Natur, er muß jedoch beiden Einsatzbereichen entsprechend seiner Leistungsabgaben anteilsmäßig zugerechnet werden, damit eine Doppelzählung vermieden wird. Das eigentliche Bewertungspro- blem ist in diesem Fall im übrigen das gleiche wie bei phy- sisch trennbaren Vermögenskategorien, sofern nicht eine Be- wertung zu Kosten erfolgt. Berücksichtigt man den gegenwär- tigen Stand der cost-benefit analysis, so kann eine Abgren- zung und Bewertung nach der Leistungsabgabe eher Orientie- rungsdaten als verläßliche quantitative Auskünfte vermitteln.

Es scheint indes, daß nicht nur vom Standpunkt der Vertei- lungsanalyse verstärkte empirische Arbeit in dieser Richtung notwendig ist.

1) Vgl. zu diesem Begriff Musgrave, R.A., Provision for Social Goods, in: Margolis, J., Guitton, H., Eds., Public Economics, London etc. 1969, S. 126

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Unterstellt man, das öffentliche Konsumtivvermögen wäre ein- deutig abgegrenzt, so stellt sich unmittelbar das nächste, nicht minder wichtige Problem unter dem Stichwort der Per- sonenbezogenheit. Entsprechend dem Verfahren, bei körper- schaftlichen Unternehmungen über die organisatorisch bedingte Delegation der Verfügung hinweg die Vermögensmasse den An- teilseignern zuzurechnen, dabei zugleich jedoch die Konse- quenzen dieser Organisationsform für den Verteilungsprozeß im Auge zu behalten, kann man den Versuch einer Zurechnung des öffentlichen Konsumtivvermögens auf die Individuen un- ternehmen, ohne dabei die Besonderheiten der staatlichen Vermögensdisposition unberücksichtigt zu lassen. Während der

letztere Problemkreis für die Vermögensfunktionen eine Rolle spielt, sei hier zunächst auf Ansätze einer Zurechnung des öffentlichen Konsumtivvermögens eingegangen.

Bei reinem öffentlichem Konsumtivvermögen, welches im Sinne der reinen öffentlichen Güter Samuelsonscher Prägung 1 ) allen Individuen gleichermaßen zur Verfügung steht, scheint zu- nächst kein internes Verteilungsproblem aufzutreten, viel- mehr scheint man jedem einzelnen die Gesamtheit dieses Ver- mögens zurechnen zu müssen 2 ). Die Folge wäre, daß eine distri- butive Bedeutung dieser Position lediglich im internationalen Vergleich gegeben ist. Diese Sicht der Dinge erscheint in- dessen wenig befriedigend, wenn man berücksichtigt, daß auch ein gleiches Konsumniveau in der Regel mit ungleichen Nutzen- schätzungen der Individuen einherzugehen pflegt. Eine logisch überzeugende Verteilungsanalyse des öffentlichen Vermögens setzt somit die Kenntnis der diesbezüglichen individuellen Präferenzen voraus 3

>.

Es bedarf allerdings keiner Diskussion, daß damit eine unübersteigbare Hürde für praktische Vertei- 1) Samuelson, P.A., The Pure Theory of Public Expenditure,

REStat 36 (1954), S. 387 - 389 2) Siehe z.B. Fecher, H., l.c.,

s.

109

3) Vgl. die analogen Feststellungen über die Verteilung öffentlicher Güter bei Aaron, H., Mc Guire, M., Public Goods and Income Distribution, EM 38 (1970), S. 907

(32)

lungsrechnungen errichtet ist. In Anbetracht dieser Lage könnte man als einen Ausweg möglicherweise die angesprochene Gleichverteilung auf die Bevölkerung ansehen. Dennoch sollte diese nur durch ihre Einfachheit bestechende Lösung auch un- ter den gegebenen Bedingungen nicht ohne weiteres akzeptiert werden. Meist werden jedenfalls bessere Formeln als der Pro- Kopf-Anteil aufzufinden sein. Als Beispiel seien die Rüstungs- anlagen betrachtet.

Die Landesverteidigung dient nicht nur dem Schutzwirtschaft- licher Güter, sondern in gleicher Weise der generellen Be- hauptung einer gesellschaftlichen und individuellen Lebens- ordnung im weitesten Sinne. Dennoch werden Individuen, die eine ausgeprägte Adaption an die herrschenden Mechanismen bewerkstelligen, d.h. "erfolgreich" sind, im Durchschnitt ein besonders starkes Interesse an der Erhaltung der Ordnungs- form haben, welche die Basis ihres Lebenserfolges darstellt.

In einem marktwirtschaftlichen System kann die private Ver- mögensposition als ein wesentlicher, durchaus repräsenta- tiver Indikator des Erfolges betrachtet werden. Konsequen- terweise könnte als Kriterium für die Zuordnung des Rüstungs- vermögens gemäß der Nutzungsstärke die Verteilung des pri- vaten Vermögens angesetzt werden. Daraus würde anstelle der nivellierenden Wirkung einer gleichen Pro-Kopf-Verteilung eine Verschärfung der absoluten Ungleichheit der privaten Vermögensverteilung resultieren. Bei anderen öffentlichen Vermögensteilen, welche vorwiegend von den weniger vermögen- den Schichten genutzt werden, weil sie als Substitute für bestimmte Arten privaten Vermögens zu betrachten sind, wäre ein umgekehrter Effekt zu verzeichnen.

Diese einfachen Ansätze der Zuordnung werden in vielen Fäl- len um zusätzliche, weiter differenzierende Indikatoren zu ergänzen sein. Mit den erwähnten Uberlegungen wird keines- falls schon eine endgültige Lösung des Problems skizziert, vielmehr werden einige Ansatzpunkte für eine Diskussion ak- zentuiert, die im wissenschaftlichen Schrifttum bisher kaum

(33)

zu finden ist, mit großer Wahrscheinlichkeit jedoch an Be- deutung zunehmen wird. Dabei wird aufgrund der unüberwind- lichen Schwierigkeiten "direkter" Methoden der Nutzenmessung die Entwicklung überzeugender Indikatoren eine zentrale Rolle spielen.

Der größere Teil des öffentlichen Konsumtivvermögens genügt allerdings nicht den strengen Kriterien der Nutzenabgabe entsprechend den reinen öffentlichen Gütern. Vielmehr wird dabei in der Regel ein Gruppenkonsum 1) alimentiert, welcher

jeweils nur bestimmten Bevölkerungsteilen zur Verfügung steht, die ihrerseits wiederum nicht notwendig ein gleiches Leistungsniveau erhalten müssen 2 ). Je nach Art und Grad der Disaggregation in der Verteilungsanalyse ist somit die Inzi- denz von Typen und Intensitäten öffentlicher Leistungsabga- ben zu untersuchen. Auch hier dürften wieder Indikatoren - unterstützt von demoskopischen Explorationen - zu denkbaren Verteilungsschlüsseln führen. Als besonders problematisch werden sich dabei alle jene Vermögensobjekte erweisen, welche

- wie z.B. die Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen - Ele- mente des Gruppenkonsums mit solchen der gleichen Konsumtion durch alle Individuen verbinden. Es erscheint kaum vorstell- bar, wie eine Trennung und Zuordnung derartiger Komponenten ohne Elemente der Willkür möglich sein kann.

Die Uberlegungen bis zu diesem Punkt mögen deutlich gemacht haben, daß das öffentliche Konsumtivvermögen die private Vermögensverteilung in erheblichem Maße tangiert und daß die Probleme einer Erfassung dieser Effekte - soweit sie auch von praktisch greifbaren Resultaten entfernt sein mögen - mit zunehmendem Anteil des öffentlichen Sachvermö- gens sowie möglichen Wandlungen der Vermögensfunktionen 1) Zum Konzept der "group consumption" siehe Shoup, C.S.,

Public Finance, Chicago 1969, S. 66 f.

2) Siehe Shoup, C.S., l.c., S. 78

(34)

übermächtiges Gewicht erhalten können. Damit ist angedeutet, daß die bloße Zurechnung des öffentlichen Konsumtivvermögens auf Individuen oder Gruppen nicht bereits die Lösung der Ver- teilungsanalyse öffentlichen Vermögens darstellt, sondern als Grundlage einer Erfassung von Effekten der Vermögensver- teilung anzusehen ist. Zusätzlich kann sie unmittelbar auf die Instrumente und Zielvorstellungen der Verteilungspolitik Einflüsse ausüben. Sie ist somit auf der positiven wie auf der normativen Seite einer Theorie der Vermögensverteilung zu berücksichtigen.

6. Privates und öffentliches Produktivvermögen

Das volkswirtschaftliche Produktivvermögen als Quelle fun- dierten Einkommens sowie nicht persönlich legitimierter Ver- fügungsmacht über Personen und Sachen steht traditionell im Mittelpunkt der Ansätze zur Verteilungstheorie und -politik.

Generell wird dabei entsprechend der historischen Bedeutung ausschließlich das private Produktivvermögen betrachtet. Die Berechtigung und Sinnhaftigkeit einer solchen Einschränkung hängt ausschließlich von Zielsetzung und Methodik der jewei- ligen Untersuchung ab, folgt jedoch keinem immanenten Zwang.

Ihre Bedingungen und Konsequenzen werden im Verlauf der Ar- beit zu erörtern sein. Das private Produktivvermögen umfaßt das gewerblich genutzte Produktivvermögen, welches sich in privater Hand befindet. Ihm entspricht als definitorischer Gegenpol das staatliche Produktivvermögen als Summe aus ge- werblich genutztem Produktivvermögen in Staatshand und öf-

fentlichem Produktivvermögen. Letzteres gibt gemäß derbe- reits eingeführten Definition Leistungen auf nicht-gewerb- licher Basis an den volkswirtschaftlichen Produktionssektor ab. Das staatliche Produktivvermögen übersteigt das öffent- liche Vermögen um das vom Staat gehaltene gewerbliche Ver- mögen, während das private Produktivvermögen um diesen Be- trag geringer ist als das gewerbliche Vermögen der Volkswirt- schaft.

(35)

Für das öffentliche Produktivvermögen ist eine Verteilung auf Unternehmen bzw. Branchen gemäß dem Wert der Leistungs- abgabe notwendig, die analog zum öffentlichen Konsumtivver- mögen nach unterschiedlichen Konzepten entsprechend der Ver- schiedenartigkeit der Leistungsaufnahme vorgenommen werden muß. So sind im Falle reinen öffentlichen Produktivvermö- gens einerseits und gruppen- bzw. intensitätsmäßig begrenz- ter Leistungsabgaben andererseits analoge Uberlegungen wie beim entsprechenden Konsumtivvermögen anzustellen. Für die Bewertung bieten sich Alternativkostenkonzepte an. Wenngleich derartige Analysen aufgrund der zugrundeliegenden physischen Produktionsbeziehungen in vielen Fällen weniger problema- tisch erscheinen als ·entsprechende Untersuchungen zum öffent- lichen Konsumtivvermögen, kann bei dem Stand der wenigen Ar- beiten zu diesen Beziehungen nicht davon gesprochen werden, daß eine Lösung der Fragen bereits in Sicht wäre.

7. Privates und öffentliches Geldvermögen

Das Geldvermögen umfaßt die geldwerten Nettoforderungen der Sektoren eines volkswirtschaftlichen Systems und wird eben- falls nach privatem und öffentlichem Vermögen unterschieden.

Der Begriff "Forderungen" besagt, daß die bereits behandel- ten Anteile an körperschaftlichen Unternehmungen nicht in diese Rubrik fallen, wenngleich sie ihrer Funktion nach bei dem überwiegenden Teil der Eigner, den Klein- oder Minder- heitsaktionären, wenig Unterschiede zu Obligationen aufwei- sen. Andererseits macht jedoch die Position des Großaktio- närs den möglichen Unterschied deutlich, auch wenn zugestan- den werden muß, daß große Gläubiger, wie manche Hausbanken, ähnlichen Einfluß auf Unternehmen gewinnen können.

Das Gesamtvermögen eines Individuums, einer Gruppe von Indi- viduen oder allgemeiner eines volkswirtschaftlichen Sektors ergibt sich somit als Summe aus Arbeits-, Sach- und Geldver- mögen, wobei die Existenz von Geldvermögen positive oder ne- gative Abweichungen der Nettovermögensposition von den realen

(36)

Vermögensgrößen bedingt. Dieses Faktum wird zwar stets kon- statiert1), hat jedoch in der theoretischen Literatur bisher kaum Konsequenzen hervorgerufen. Wenn es auch für eine Ver- teilungsrechnung des gesamten Vermögens nur auf die Reinver- mögenspositionen der Sektoren ankommt, so ist doch in Wir- kungsanalysen von Verteilungszuständen bzw. -prozessen die abweichende Verteilung des realen Vermögens sicher nicht ohne Bedeutung, da hierin eine gegenüber der Nettovermögens- verteilung unterschiedliche Verteilung der Verfügungsmög- lichkeiten zum Ausdruck kommt. Ein Unternehmer hat bei weit- gehender Fremdfinanzierung ungeteilte Verfügung über das ge- samte Sachvermögen, d.h. über die damit durchgeführte Pro- duktion, sowie die Möglichkeit, auch mit dem außerhalb seiner wirtschaftlichen Kontrolle befindlichen Vermögen Erträge über die kontraktbestirnrnten Kreditkosten hinaus zu erwirtschaften.

Die Konsequenz besteht darin, daß unterschiedliche Vermögens- relationen nicht nur für unterschiedliche Fragestellungen gebildet werden müssen, sondern daß außerdem mehrere unter- schiedliche Verteilungsrelationen des Vermögens nebeneinan- der in derselben Analyse berücksichtigt werden können bzw.

müssen, wenn divergierende ökonomische Reaktionsmuster be- gründet werden sollen.

Privates Geldvermögen wird aus höchst unterschiedlichen Mo- tiven gehalten und unterscheidet sich demgemäß nicht nur vom realen Vermögen, sondern auch hinsichtlich seiner Arten nach Liquidität, Risiko, Ertrag, Entscheidungskompetenz usw. Auch diese Verschiedenartigkeit ist, sofern sie nicht durch Aggre- gation zum Verschwinden gebracht wird, bei ökonomischen Ana- lysen der Verteilung des Nettovermögens zu berücksichtigen.

Besondere Beachtung verdienen zukünftige Forderungen, die z.B. in Form von Versicherungsverträgen oder betrieblichen Pensionsansprüchen bestehen. Wenngleich beide Arten von "Zu- kunftsforderungen" die Vermögensdispositionen in ähnlicher

1) Vgl. z.B. Stobbe, A., volkswirtschaftliches Rechnungs- wesen, 2. Aufl., Berlin etc. 1969, S. 56

(37)

Weise tangieren können, wird doch überwiegend mit dem Argu- ment, Versicherungsverträge seien kapitalisierbar, beleihbar und vererbbar, der Gegenwartswert eines solchen Vertrages dem individuellen Vermögen zugeschlagen, während ein Pensions- anspruch, der diese Kriterien nicht erfüllt, unberücksichtigt bleibt. Das gleiche gilt auch für Ansprüche auf das Vermögen der Sozialversicherung sowie staatliche Sondervermögen, Pen- sionsfonds usw. Alle diese Posten werden in statistischen Erhebungen zur Geldvermögensverteilung, so von der Deutschen Bundesbank 1 ), zwar nicht berücksichtigt, dennoch kann eine Theorie der Vermögensverteilung sie nicht übergehen.

Was die privaten Pensionskassenleistungen, die auf gesicher- tem Rechtsanspruch beruhen, ebenso wie die Versorgungsbezüge aus öffentlichen Sondervermögen betrifft, so kann dieses pri- vate bzw. öffentliche Geldvermögen einschließlich des Appa- rats zu seiner Verwaltung den Begünstigten zugerechnet wer- den. Dabei treten in gewisser Weise ähnliche Probleme auf wie beim öffentlichen Sachvermögen, da der Kreis der Begünstigten nicht immer klar definiert ist, insbesondere aber Faktoren wie die fehlende individuelle Einflußmöglichkeit oder die Unübertragbarkeit auf andere Individuen eine Gleichstellung mit ähnlichen Vermögensobjekten in der Verteilungsrechnung verhindern. Dennoch sind Existenz und Einflüsse dieser Ver- mögensarten sowohl für die Beurteilung der Verteilungsrela- tionen wie auch für die Analyse von Prozeßabläufen nicht ohne Bedeutung.

Noch diffiziler stehen die Dinge bei den quantitativ und qua- litativ besonders bedeutsamen Sozialversicherungsansprüchen.

Das unterschiedlich motivierte Plädoyer für die gleichrangige und vollständige Einbeziehung der in bezug auf die zukünf-

1) Siehe Deutsche Bundesbank, Monatsberichte 25 Nr. 3 (1973),

s.

27

(38)

tige Tarifentwicklung recht unsicheren Ansprüche1l stößt im Rahmen der in diesem Zusammenhang stets ausschließlich be- trachteten Verteilung des Nichthumanvermögens auf gewisse Schwierigkeiten. Die Sozialversicherung ist eine Institution zum Einkommensausgleich zwischen den Generationen; sie ent- spricht im Grundsatz einer Redistributionssteuer, bei welcher die älteren Jahrgänge entsprechend ihren früher geleisteten Abgaben nach einem bestimmten Schlüssel begünstigt werden.

Sollen die erwarteten diskontierten Zahlungen vermögensmäßig aktiviert werden, so bleibt bei der Aggregation eine volks- wirtschaftliche Nettoforderungsposition bestehen, sofern nicht der Versicherungsträger und damit die zukünftigen "Zen- siten" (auch die noch nicht geborenen) entsprechend belastet werden2 ). Nun werden die Sozialversicherungsbeiträge jedoch gezielt aus Arbeitseinkommen erhoben3 ), so daß in einer iso- lierten Betrachtung des Sach- und Geldvermögens keine Gegen- buchung erfolgen kann, sondern nur bei Einbeziehung des Human- vermögens eine Belastung möglich ist, wobei allerdings das be- reits angedeutete Problem der noch nicht geborenen Beitrags- zahler erschwerend hinzutritt. Solange das Arbeitsvermögen ausgeklammert wird, muß somit der Sozialversicherungsanspruch unberücksichtigt bleiben, da ihm keine Verpflichtung ent- spricht. Umgekehrt ist auch zu konstatieren, daß eine Erfas- sung des Humanvermögens nur im Zusammenhang mit den Effekten der intertemporalen Ausgleichszahlungen der Sozialversiche- rung erfolgen kann. Wird hingegen das Nichthumanvermögen 1) Vgl. z.B. Willgerodt, H., Bartel, K., Schillert, U., Ver-

mögen für alle, Düsseldorf-Wien 1971, S. 40, oder Atkinson, A.B., Unequal Shares, London 1972,

s.

5, der

vorschlägt, man könne in Ermangelung der Kenntnis zukünf- tiger Tarife den Wert des diesbezüglichen Vermögens zu- mindest unter der Annahme konstanter Tarife schätzen 2) Vgl. dazu auch Schlesinger, H., Geldvermögen und Geld-

schulden von privaten und öffentlichen Haushalten sowie Unternehmen in der Gesamtwirtschaft, AStA 1 (1972),

s.

54 ff.

3) Diese Feststellung gilt auch für den sogenannten "Arbeit- geberanteil", der wirtschaftlich nichts anderes als eine - getrennt ausgewiesene - Arbeitsentlohnung darstellt

(39)

alleine analysiert, so sollte dennoch nicht vergessen wer- den, daß die Existenz und Ausgestaltung der Sozialversiche- rung einerseits die individuellen Verhaltensweisen beeinflußt, andererseits auch bei der Beurteilung von Verteilungsstruk- turen eine Rolle spielen muß.

Das öffentliche Geldvermögen bestimmt sich - meist als nega- tive Größe - durch die Staatsschuld, korrigiert um die staat- lichen Kreditgewährungen. Ihm steht das staatliche Sachver- mögen gegenüber. Das staatliche Nettovermögen als öffentliches Sachvermögen zuzüglich Forderungen an Private abzüglich Ver- pflichtungen gegenüber Privaten wirft hinsichtlich seiner Kom- ponenten ähnliche Probleme auf wie beispielsweise das Netto- vermögen der Unternehmer. Es wurde bereits festgestellt, daß das öffentliche Sachvermögen seine Leistungen an Individuen und/oder Unternehmen bzw. Erträge für die Staatskasse unab- hängig von dem Ausmaß der Verschuldung erbringt. D.h. auch bei einer relativ niedrigen Nettovermögensposition des Staa- tes ist eine unverminderte Nutzungsmöglichkeit durch die Pri- vaten bzw. eine Gewinnerzielung durch den Staat gegeben, so daß beispielsweise eine reduzierte Zurechnung öffentlichen Konsumtivvermögens auf die Begünstigten nicht statthaft ist, da diese nach wie vor über den vollen Bestand verfügen. Die- sem Faktum wie dem korrespondierenden Problem von Doppelzäh- lungen kann nur entgangen werden, indem die Verteilungen der unterschiedlichen Vermögenskategorien nebeneinander analy- siert werden. Eine Verteilungsrechnung alleine, die sich nach üblichem Verfahren auf das Netto-Gesamtvermögen bezie- hen würde, kann keine hinreichende Basis für die Bestimmung der ökonomischen Effekte der Vermögensverteilung abgeben.

8. Das Bewertungsproblem

Bevor dieser Abschnitt abgeschlossen wird, sei in aller Kürze auf das im Vorstehenden öfters angesprochene Bewertungspro- blem eingegangen, das in dem eingangs genannten dritten De- finitionselement einen kritischen Stellenwert erhält. Dabei

(40)

kann es gemäß dem Gegenstand dieser Arbeit nicht um eine ex- tensive Diskussion praktischer Einzelprobleme der Wertermitt- lung, sondern lediglich um einige grundsätzliche Bemerkungen gehen. Mindestens vier prinzipielle Ansätze sind möglich und je nach Zielsetzung anzuwenden: der Anschaffungswert (gege- benenfalls vermindert um Abschreibungen), der Wiederbeschaf-

fungswert, der Tageswert (auch Markt- oder Veräußerungswert) und der Ertragswert 1 ). Sind der Anschaffungs- und Wiederbe- schaffungswert primär nach Prinzipien der nominellen bzw.

realen Substanzerhaltung des kaufmännischen Lebens entwickelt, so sind der Tages- und Ertragswert für den Vergleich der effektiven Vermögenslagen, d.h. für Verteilungsprobleme, von Bedeutung. Beide Prinzipien folgen, bezogen auf unterschied- liche Vermögensarten, dem Grundsatz, die ökonomische Gegen- wartsposition des Verfügenden, wie die sich aufgrund ver- schiedenartiger Faktoren laufend in veränderter Weise ergibt, nicht jedoch ein irgendwie geartetes Ideal zu bezeichnen. Dem steht allerdings die Problematik der praktischen Ermittlung gerade dieser Wertansätze gegenüber, die dazu geführt hat, daß sie in volkswirtschaftlichen Statistiken allgemein nicht angewendet werden.

Schon die Bewertung des privaten Sachvermögens stößt auf Schwierigkeiten, denn es ist zwar generell marktgängig, nicht immer jedoch tatsächlich gehandelt, so daß ein Marktpreis nicht existieren muß und häufig Schätzungen mit allen resul- tierenden Unsicherheiten notwendig sind. Andererseits be- steht trotz alledem kein Dissens darüber, daß Vermögensände- rungen auch - und nicht zuletzt - durch Preisänderungen her- vorgerufen werden, zu deren Erfassung eine laufende Neube- wertung sämtlicher Vermögensobjekte notwendig ist. Dabei ist es nicht vertretbar, den gesamten Vermögenskomplex mit einem 1) Siehe z.B. Stobbe, A., l.c.,

s.

39 ff. oder für eine wei-

tergehende Differenzierung Goldsmith, R.W., Lipsey, R.E., Studies in the National Balance Sheet of the United States, Vol. I: Studies in Capital Formation and Financing, NBER, Princeton 1963, S. 18 ff.

(41)

einheitlichen Preisindex fortzuschreiben, da Änderungen in den Preisrelationen, z.B. zwischen Immobilien und Industrie- obligationen, auch die Vermögensstruktur der Individuen und damit die volkswirtschaftliche Verteilung des Vermögens be- einflussen1).

Das öffentliche Sachvermögen, welches nach wie vor zum An- schaffungswert angesetzt wird, bedarf ebenso dringend einer Neubewertung, setzt diesem unterfangen jedoch die größten Schwierigkeiten entgegen. Da es nicht marktgängig ist und vergleichbare marktbewertete Güter typischerweise nicht her- angezogen werden können, sind Ansätze mit dem Ertragswert vorzunehmen. An dieser Stelle soll es genügen, auf die dies- bezüglichen Versuche und Probleme innerhalb der cost-benefit analysis, z.B. hinsichtlich des Diskontierungsfaktors, zu verweisen, die ebenso beim Konsumtiv- wie beim Produktivver- mögen auftreten, wenngleich letzteres noch eher eine Erfas- sung der (undiskontierten) Erträge ermöglichen dürfte.

Das Arbeitsvermögen schließlich erfordert ebenfalls eine Er- tragsbewertung, welche in Anbetracht der Imponderabilien des zukünftigen Arbeitslebens bestenfalls grobe Durchschnitts- werte ermöglicht. Dennoch erscheint es nicht unsinnig, der- artige Bewertungen vorzunehmen 2 ), da das Arbeitsvermögen mit seinen z.T. extremen Differenzierungen in den entwickelten Volkswirtschaften eine zunehmende Bedeutung für die Vertei- lung gewonnen hat. Hinzukommt, daß die Erwartungswerte des Arbeitsvermögens in verstärktem Maße durch staatliche Akti- vitäten beeinflußt werden, wodurch laufende Änderungen in den relativen Verteilungspositionen bewirkt werden. Es sollte je- doch bei allen Ansätzen dieser Art nicht vergessen werden, daß erhebliche qualitative Unterschiede zu den übrigen Ver- mögenskategorien bestehen, die vermutlich stärker sind als diejenigen zwischen diesen Kategorien.

1) Vgl. zu diesem Effekt beispielsweise Fecher, H., l.c.,

s.

108

2) Zu derartigen Ansätzen vgl. z.B. Bowman, M.J., Human Capital: Concepts and Measures, in: Hegeland, H., Ed., Money, Growth, and Methodology, Lund 1961,

s.

147 - 168

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