Von August Klingenheben, Hamburg
Das westafrikanische Ful gehört zu dem in Afrika sehr verbreiteten
Klassensprachentyp, dessen bekannteste Vertreter die Bantusprachen
sind. Unter Klasse, genauer Nominalklasse, verstehen wir nicht die
sprachliche Eigentümlichkeit, daß Substantive gleicher Begriffskate¬
gorien gemeinsame morphologische Bestandteile aufweisen. Das kommt
auch in andern, nicht zu diesem Typ gehörenden Sprachen vor, z. B.
im Deutschen, wo u. a. Abstrakta durch die Suffixe -heit oder -tum, Dimi-
nutiva durch -lein oder -chen und Nomina agentis durch -er kenntlich
sind. Von einer Klasse sprechen wir erst, wenn zu einer solchen Wort¬
kategorie noch weitere morphologische Elemente gehören wie z. B. ihr
eigentümliche Pronominahbrmen, d. h. wenn sie bestimmte grammatische
Funktionen aufweist. Eine vergleichbare Kategorienbildung besitzen die
flektierenden Sprachen im Genus, dem grammatischen Geschlecht, nur
daß wh bei einem so wenige Glieder umfassenden System den Terminus
Klasse nicht gebrauchen.
Von vornherein bot das nominale Klassensystem des Ful dem euro¬
päischen Forscher besondere Probleme. Faidhebbe^ fiel auf, daß es bei
den Nomina dieser Sprache nicht nur eine große Zahl von Suffixen,
sondem auch verschiedene in einem eigentümhchen Wechsel miteinander
stehende Ardautformen gab. Auf Grund dieses offenbar gesetzmäßigen
Anlautwechsels unterschied er dann zwei Gruppen von Substantiven,
die er Genera nannte, und zwar ,, genre hominin" und ,,geme brute".
Westermann*, der die beiden Gruppen als ,, Klassen" bezeichnete, sprach
von ,, Personenklasse" und ,, Nicht-Personenklasse", neben denen er
weitere 35 dmch Suffixe charakterisierte Klassen unterschied. Die
Termini Westebmanns übernahm dann Taylor* als ,, Personal Class"
imd ,,Non-personal Class". Inzwischen hatte Meinhof in mehreren Ver-
^ Unter dem Titel A Noun Class of Fulani hitherto not observed wmde der
obige Aufsatz vom Verfasser am 26. August 1954 in der afrikanistischen
Sektion des 23. Internationalen Orientalistenkongresses in Cambridge in
englischer Sprache vorgetragen.
^ Essai aur la langue Poul, Paris 1875.
' Handbuch der Fulsprache, Berhn 1909.
Taylor, F. W., A First Orammar of the Adamavxi Dialect of Üie Fulani
Language, Oxford 1921.
öffentlichungen über das FuP das zweighedrige Präfixklassensystem
Faidheebes und Westebmanns zu einem solchen von vier Gliedern aus¬
gebaut, die er Personen-, Sachen-, Vergrößerungs- und Verkleinerungs¬
klasse nannte, und die nach ihm selbständig neben dem vielgliedrigen
Suffixklassensystem der Sprache standen. In verschiedenen Aufsätzen
über die Sprache^ konnte ich dann den Nachweis erbringen, daß diesem
Präfixklassensystem, dem man nach den alten Gesichtspunkten noch
eine fünfte Klasse hätte hinzufügen müssen, keine selbständige Bedeutung
innerhalb des Ful zukommt, sondern daß es nur einen gesetzmäßigen
morphologischen Bestandteil des allgemeinen Klassensystems des Ful,
nämlich desjenigen seiner Suffixklassen bildet. Das ergab sich im Grunde
schon aus den Arbeiten Gadens über das Pular*. FreUich hatte Gaden
die Tatsachen nur rein intuitiv erfaßt, ohne einen wirklichen Beweis zu
führen und ohne die zahlreichen augenscheinlichen Ausnahmen zu be¬
rücksichtigen oder sie zu erklären.
Auch über den Umfang des Suffixklassensystems, also des eigent¬
lichen Klassensystems des Ful waren die Ansichten geteüt. Westeb¬
mann glaubte, wie oben erwähnt, im Ful 35 Suffixklassen unterscheiden
zu müssen (Handbuch § 26). Meinhof faßte die Klassen, die ein gemein¬
sames Klassenpronomen aufwiesen, zu einer zusammen und reduzierte
so die 35 Klassen Westebmanns auf 21. In der Tat treten die Suffixe einer
Klasse im Ful durchweg in mehrfacher, lautlich verschiedener Gestalt auf.
Gaden und Meinhof unterscheiden demgemäß je drei, nicht immer
identische Formen der Klassensuffixe; tatsächlich sind es je vier, die ich
Suffixstufen nenne. Pronomen und Suffix genügen aber nicht zur
Identifizierung einer Klasse. Das Ostful hat z. B. zwei verschiedene
Klassen mit dem gleichen Pronomen ko und mit den gleichen Suffix¬
formen. Die eine hat singularische Funktion und bezeichnet unter anderm
Gräser, die andere hat pluralische Funktion, und zwar bUdet sie den
Plural von Augmentativen. Und nicht nur Funktion und Numerus
dieser Erlassen sind verschieden, sondern auch ihre Morphologie, da die
erste der beiden Klassen gesetzmäßig frikativen Anlaut hat, die zweite
dagegen ebenso gesetzmäßig eine anlautende Nasalverbindung. Ferner
kennt z. B. das Ostful eine kol-Klasse, zu der das singularische Sub¬
stantivum ^aZaAoZ ,,Kalb" des Adamauaful gehört. Im Obernigerful und
' Das Ful in seiner Bedeutung für die Sprachen der Hamiten, Semiten und
Bantu, ZDMG LXV, S. 177—220, Leipzig 1911, und Die Sprachen der Hami¬
ten, Hamburg 1912, S. 40 f.
2 Die Präfixklassen des Ful, ZfEing.Spr. XIV, S. 189—222 und 290—315,
Berlin 1924, und Die Permutation des Biafada und des Ful, ZfEing.Spr. XV,
S. 180—213 und 266—272, Berlin 1925.
^ Le Poular, dialecte Peul du Fouta senegalais, Paris 1913 und 1914.
sporadisch auch im Masinaful koimte ich jedoch noch eine zweite kol-
Klasse feststehen', die zwar die gleiche explosive Anlautform wie die kol-
Klasse des Ostful aufwies, sich aber von ihr im Numerus sowie auch in
ihrer begrifflichen Bedeutung klar unterschied, da sie den Plmal von
Diminutiven bezeichnete. In ah solchen Fällen werden wir die Klassen
trotz eines gemeinsamen Pronomens imd trotz der gleichen Suffixformen
als verschiedene rechnen müssen.
Eine verschiedene Funktion ahein kann aUerdings bei gleichem Nu¬
merus und gleicher Anlautform nicht für die Aufstehmig einer besonderen
Klasse entscheidend sein. So dient im Ostful die ga-Klasse außer zur
Bezeichnung sonstiger singularischer Begriffe auch als singularische
Augmentativklasse, und die gleiche doppelte Funktion weisen z. B. die
qal- und die g'i-Klasse des Fuladialekts aul^. Da aber diesen verschiedenen
Bedeutungen weder ein verschiedener Numerus noch ein morphologischer
Unterschied entspricht, dürfen wir jede dieser Klassen nm als eine
zählen. Auch sonst vereinigt eine Klasse ja oft Wörter sehr disparater
Begriffssphären in sich. Denn wenn auch einzelne Klassen mehr oder
wemger stark begriffhch orientiert sind, so stellt doch im ganzen das
Klassensystem des Ful kein begriffliches, sondem ein grammatisch¬
morphologisches Ordnungssystem dar, dessen einzelne Glieder deter¬
miniert werden (1) dmch in einem bestimmten phonetischen Verhältnis
zueinander stehende SufQxformen, (2) durch eine der drei möglichen
Anlautformen: Frikativa, Explosiva und Nasalverbindung, (3) dmch ein
besonderes Klassenpronomen und (4) durch einen bestimmten Numerus.
Die Zahl der Nominalklassen des Ful ist verschieden je nach dem
Dialektgebiet. In den Präfixklassen des FvP und ebenso in den Suffix¬
klassen des Ful* habe ich 25 Klassen für das Gesamtful unterschieden.
Inzwischen koimte ich mich von der Existenz der singularischen gi-
Klasse des Fula überzeugen und die pluralische W-Klasse des Oberniger¬
ful feststeUen, die zwar, wie ich gezeigt habe^, ursprünglich nm eine
phonetische Variante der über das ganze Fulgebiet verbreiteten ur-
fuhschen Ä;o;i-Kiasse darsteUt, sich aber durch eine charakteristische Än¬
derung ihrer Anlautmorphologie zu einer neuen, selbständigen Klasse
' Den Nachweis habe ich in einem bereits 1944 geschriebenen und seit
jener Zeit in den Fahnen gedruckt vorliegenden Aufsatz über Die Diminutiv- und Augmentativklassen des Westful, § 13—15, geführt, der infolge besonderer Umstände bisher noch nicht veröffentlicht werden konnte.
^ Näheres in dem in der vorigen Anmerkung zitierten Aufsatz § 18—20. —
Das Fula ist der Fuldialekt von Französisch-Guinea.
^ Daselbst § 27—36.
* 23. Beüieft der ZfEmg.Spr., Berlin 1941; s. daselbst z. B. S. 15f.
' In meinem oben Anm. 1 erwähnten noch nicht erschienenen Aufsatz
über die Diminutiv- und Augmentativklassen des Westful, § 13—15 und § 19f.
entwickelt hat. Damit hätte sich die Gesamtzahl der Klassen des Ful also auf 27 erhöht.
Eine weitere, im gegenwärtigen Stadium der Sprache vermutlich
letzte Klasse führte bisher ein verborgenes Dasein an einer Stelle des
Ful-Lexikons von Tayloe'. Hier findet sich unter dem Stichwort ngum
die Angabe ,,non-pers. pro. for smah diminutives; bingum ngum, this
little chUd". Das bedeutete die FeststeUung einer Klasse des Ful, von
der bis dahin keine der grammatischen Darstehungen der Sprache, auch
nicht die oben erwähnte von Tayloe selbst, Kunde gegeben hatte. Aus
den kurzen Angaben in Tayloes Lexikon ließen sich schon wesenthche
Charakteristika dieser neuen Klasse erschheßen. Offenbar handelt es
sich um eine smgularische Diminutivklasse mit dem Klassenpronomen
gum, deren vier Suflixstufen infolgedessen -um, -umm, -gum und -gum
lauten müssen. Desgleichen lassen sich ohne weiteres die Demonstrativ-
pronomma gum und guma der Klasse bilden, von denen das erstere auch
als Relativpronomen dient, ferner das Possessivpronomen mägum, das
Interrogativpronomen gume und die verschiedenen davon abgeleiteten
Pronominalformen der Sprache. Nm über die Anlautform der Klasse
kann uns das einzige Beispiel in Tayloes Lexikon keine Auskunft geben.
Nach den beiden andern auf m auslautenden Klassen des Ful ist sie nicht
mit Sicherheit zu erschließen, da die eine von ihnen, die ^am-Klasse,
eine Nasalverbindung, die andere, die ^wm-Klasse, eine Explosiva als
Anlautform hat.
Bei einem kmzen Besuch in Nordnigeria im Herbst 1951 habe ich u. a.
versucht. Näheres über Morphologie und Verbreitung dieser Klasse zu
ermitteln. Dabei steUte sich heraus, daß sie ein dmchaus lebendiger Be¬
standteil sämthcher östlicher Fuldialekte ist, mit denen ich in Berührung
kam, von Adamaua bis zum Ful von Niamey am oberen Niger in Fran¬
zösisch-Westafrika. Außer dem von Tayloe im Dictionary mitgeteUten
Substantivum ßiygum , .Kindchen" notierte ich noch folgende dieser
Klasse: tagum ,, kleine Person" zu tagu ,, Person", bälum ,, Schäfchen" zu bäla ,, Schaf", be'um „Zicklein" zu bewa ,, Ziege", lävmm ,,Gäßchen" zu läwol ,,Weg", gurum ,, Dörfchen" zu wuro ,, Stadt", ebenso gesum zu gesa ,,Farm", kä'um zu hayre ,, Stein", laßum zu laßi ,, Messer", kusum ,, ein kleines Stück Fleisch" zu kusel ,, Fleisch", derum zu redu ,, Bauch", cürum zu südu „Haus", guyum „kleiner Dieb" zu gujjo ,,Dieb", powum znfourru ,, Hyäne", mäyum zu mäyo ,,Fluß", naggum zu nagge ,,Kuh", gaggum zu qäri ,, Stier", kügum zu kügal ,, Arbeit" im Unterschied von
kügum zu hüde „Ding", baggum zu baggu ,, Trommel", leggum „Stöck¬
chen" zu leggal ,,Baum, Holz", babum zu wamde ,,Eser', bämgum zu
' Taylor, F. W., A Fulani-English Dictionary, Oxford 1932, S. 68.
wämgo „Heidendorf", dawägum zu raivädu ,,Hund" usw. In der zweiten
Suffixstufe fand sich die zu erwartende Form -wum z. B. in pukaräwum
zu pukaräjo ,, Schüler", sukäwum zu suka ,, Knabe", ebenso bei den
Nomina agentis wie demöwutn zu detnöwo ,, Farmer, Bauer" oder jahöumm
von der Wmzel yah- ,, gehen, reisen", aber daneben hörte ich auch die
Formen pukaräyum, sukäyum, demöyum und jahöyum, deren Suffixanlaut
sich offenbar nach der Analogie der zweiten Suffixstufe -yel der bedeu¬
tungsverwandten geZ-Klasse gerichtet hatte. An Adjektivformen hörte
ich in dieser Klasse götum von wöt- ,,eins", gorgum von wor- ,, männlich",
maygum von maim- ,,groß", lämgum von laß- ,,rein", kingum von hid-
,,alt", böngum von wöö- ,, schön, gut" und das Partizipium kallugum von
hiU- „schlecht sein". In der zweiten Suffixstufe hörte ich zwar nur
ßiygum 'arandewum ,, erstes Kindchen" ,aber neben ßalewum auch, nach
Analogie der singularischen diminutiven geZ-Klasse, ßaleyum von ßale-
„schwarz". Doppelformen hörte ich auch bei dem Adjektivum der ersten
Suffixstufe rew- ,, weiblich" als deumm und deyum, die letztere nach
Analogie von deyel der gel-Klaase. Die Beispiele zeigen, daß die Anlaut¬
form der Klasse ebenso wie die der (5M»i-Klasse explosiv ist.
In der zweiten Auflage seiner Grammatik vom Jahre 1953' trägt nun
auch Taylor der Existenz der grwrn-Klasse Rechnung. Er sagt (S. 22)
unter der Uberschrift ,, Nouns of Minimitude" : ,, There is a third form of
the diminutive — for a very small thing. The ending is -um. There is
no plural and the pronoun is ngum." Er gibt drei Beispiele, das schon im
Dictionary mitgeteilte bingum ,, Kindchen", das oben angeführte küngum
,, kleines Ding" und das von mir nicht gehörte Diminutivum bübum zu
bübu ,, Fliege". Aus dem letzten Beispiel ergibt sich auch die oben schon ermittelte Anlautform der Klasse.
In ihrer Bedeutung unterscheidet sich die g^wm-Klasse von der dimi¬
nutiven greZ-Klasse insofem, als sie ganz Kleines, Winziges, auf jeden Fall
Kleineres als jene bezeichnet. So kann ßiygel ,, Kindchen" unter Um¬
ständen ein schon recht erwachsenes Kind bedeuten, etwa in schmeicheln¬
dem Sinn, aber das zur gleichen Wmzel gehörende ßiygum bedeutet
stets nm ein Baby, ein ganz kleines Kind. Außerdem liegt in der gum-
Klasse etwas Verächtliches, Herabsetzendes, und man sagte mir, es sei
besser, sie in höflicher Rede nicht zu gebrauchen. Wie das aber auch
sonst oft im Ful geschieht, finden manchmal Wörter, die keineswegs in
' Der Titel lautet A Orammar of the Adamawa Dialect of the Fulani Lan¬
guage, Oxford 1953. Leider wmde sie mir erst zugänglich, nachdem ich
diesen Aufsatz abgefaßt und seinen Inhalt in Cambridge vorgetragen hatte.
Taylor berücksichtigt auch in dieser zweiten Auflage noch nicht den zu
Anfang dieses Aufsatzes dargelegten Fortschritt in unserer Erkenntnis der
Natm des Klassensystems des Ful, was dem Benutzer die Aneignung der
Sprache erheblich erschweren muß.
diminutivem Sinn gemeint sind, allein wegen ihrer äußeren phonetischen
Gestalt in dieser Klasse Unterkunft. So konstruiert man z. B. galum
,, Haken" nach der gum-Kl&sse. Als Plural der g^Mm-Klasse dient wie bei
der ,(7eZ-Kfasse die alte diminutive Pluralklasse koji, im Ostful auch kon
und koy gesprochen^. Aber nur in dimunitivem Sinn; zu dem oben er¬
wähnten Substantivum ffaZwm ,, Haken" z. B. gehört der Plural galumji, also ein ,, sekundärer" Plural der öi-, einer der allgemeinen pluralischen Sachenklassen.
Mit dieser somit endgültig festgestellten gfMwi-Klasse besitzt das Ful
nunmehr vier singularische Diminutivklassen, von denen drei klar in
ihrer Bedeutung gegeneinander abgegrenzt sind. Die greZ-Klasse steht die
allgemeine Diminutivklasse dar und bezeichnet kleine Gestalt schlecht¬
hin. Die (/wm-Klasse steigert diesen Begriff und bezeichnet besondere
Kleinheit, Winzigkeit, während die kal-Klaase sich auf die Quantität be¬
zieht und eine kleine Menge bezeichnet. Daneben kaim auch sie wie die
Sritm-Klasse in verächtlichem Sinn gebraucht werden ; so hörte ich leskal
im Sinn von ,, elendes, schäbiges Stückchen Land". Diese Ä;aZ-Klasse war
zunächst nur im Westful bekannt, Westebmanns Handbuch z. B. enthält
sie noch nicht. Aber Leith-Ross^ hatte ihre Existenz auch im Nigeria-Ful
festgesteht und bereits sechs zu ihr gehörende Substantiva mitgeteilt*.
Auch Taylors Lexikon enthielt bereits eine Reihe hierher gehörender
substantivischer Beispiele, aber erst in der zweiten Auflage seiner
Grammatik, S. 22, berücksichtigt der Verfasser die Klasse unter ,, Dimi¬
nutives of Quantity" mit zehn Beispielen. Das Lexikon enthält noch
einige mehr, z. B. ßiräkal ,,ein wenig frische Milch" oder ßihal ,, etwas Brei", ich selbst hörte z. B. noch öowkal ,,ein wenig Schatten", das zu
dowdi ,, Schatten" gehört. Während Gaden im Pular die allgemeine
plmahsche diminutive koß-Klasse als Pluralklasse auch der Ä;aZ-Klasse
bezeichnet, gibt Leith-Ross auf Grund der Aussagen ihrer Gewährs¬
männer an, daß diese Klasse keinen Plural bhde, was angesichts ihrer
Bedeutung ja auch wahrscheinlich ist. Taylor äußert sich in der 2. Auf¬
lage seiner Grammatik (S. 22) nicht über diese Frage, führt aber im
Lexikon die Form leskoy als Plural zu leskal „ein wenig Erde" an, die
mein Adamawa-Gewährsmann allerdings nur als Plmal zu lesgel kleines
Land"* gelten lassen will. Andrerseits gab man mir als Plmal von
järekal „ein wenig Sand" järekon im Sinne von ,, wenig kleine Sand-
kömer" und zu dihal ,,ein wenig Wasser" di^elon im Sinne von ,, kleine
* Die grwwi-Klasse besitzt also keinen besonderen Plural. In diesem Sinne trifft der~oben zitierte Ausspruch Taylors ,, There is no plural" zu.
2 Leith-Ross, S., Fulani-Orammar, Lagos (Nigeria), ohne Jahreszahl.
^ Vgl. auch Die Permutation des Biafada und dss Ful, S. 204 Anm.
* Die Form fehlt in Taylors Dictionary.
Wassermengen" bzw. „kleine Regenschauer" an, und von gawrihal
,, etwas Korn" hörte ich den seltsamen Plural gäbhon ,, wenig Korn¬
pflanzen", z. B. in dem Satz 'o wödi gabhon hä gesa mäko ,,er hat wenig
Kornpflanzen auf seinem Acker". Darnach würde auch das Ostful als
Plural der ÄaZ-Klasse die ahgemeine diminutive plmahsche Äioji-Klasse
benutzen, wenn sie entsprechend der Bedeutung der fcaZ-Klasse an¬
scheinend auch nm selten vorkommt.
Die vierte der singularischen Diminutivklassen des Ful, die fcMJ?-Klasse, ist bisher nur im Fuladialekt, d. h. in Französisch-Guinea, nachgewiesen
worden, der auch sonst charakteristische Besonderheiten aufweist. Hier
ist sie, neben der kleine Mengen bezeichnenden Ä;aZ-Klasse, die eigentliche singularische Diminutivklasse, während die hauptsächlichste singularische
Diminutivklasse der übrigen Dialektgebiete, die greZ-Klasse, hier nm sehr
selten vorkommt. Auch die kuy-'El&sse des Fula büdet ihren Plural nach
der gemeinfuhschen fcoji-Klasse, während als Plural der W-Klasse hier die
allgemeine Saclienpluralklasse öe dient^.
Wie verhalten sich nun sprachgeschichthch diese verschiedenen Dimi¬
nutivklassen des Ful zueinander ? Haben wir vor ahem die uns erst in
jüngster Zeit bekannt gewordene gitm-Klasse als einen alten Bestandteil
des nominalen Klassensystems des Ful anzusehen, oder steht sie eine
junge Neubüdung dar ? Daß die gel-, kal- und auch die plurahsche koji-
Klasse ein alter Bestandteil des Systems sind, zeigt ihre Verbreitung über
das ganze Gebiet der Sprache. Aber da ich die j/wm-Klasse für Winziges
an so weit auseinanderliegenden Stehen wie Adamaua und Niamey als
lebendigen Bestandteil der Sprache vorgefunden habe, können wir sie
kaum als eine lokale Neuerung auffassen, sondern müssen annehmen,
daß auch sie zum alten Bestand des fulischen Klassensystems gehört.
Als alte, ursprünglich gemeinfulische Klasse sehe ich die g'Mm-Klasse
als msprünglich identisch mit der kuy-Elaase des Fula an, und zwar
halte ich die letztere für eine phonetische Variante der ersteren. Der aus¬
lautende Nasal von qum kann im Fula zu y geworden sein entweder in¬
folge der Tendenz dieses Dialekts, diesen Lautwechsel im Wortauslaut
vorzunehmen, vgl. 'ädey ,, Mensch" < arab.'ädam oder ^iya»; ,, Wasser"
statt des gemeüifuhschen diyanfi. Oder y könnte hier durch regressive
partiehe Assimüation in der häufigen Verbindung Substantiv -\- Klassen¬
pronomen entstanden sein. Eine Wortgruppe wie Fula paykuy huy
^ Näheres über das Fula m dieser Hinsicht s. in meinem oben mehrfach
erwähnten Aufsatz Die Diminutiv- und Augmentativklassen des Westful,
§ 9—12. Vgl. dazu auch meinen Aufsatz Die Klassenelemente der Zahlwörter
des Ful, ZDMG. 99, S. 91 Anm. 1.
^ Vgl. meme Laute des Ful, 9. Beiheft zm ZfEing.Spr., Berlm 1927, § 60,
und mehien oben zitierten Aufsatz in der ZDMG. § 15 und 34.
„dieses Kind" hätte sich demnach in der Weise aus älterem *paykum kum
entwickelt, daß zunächst das m des Substantivs dmch AssimUation an
das folgende k zn y geworden und dieses dann von hier aus auf die
übrigen Formen des Paradigmas übertragen worden wäre^. Der Über¬
gang von der gr-Reihe der Suffixklassen in die Ä;-Reihe kann im Fula
seinen Ausgang von der beiden Reihen gememsamen ersten Suffixstufe -um
genommen haben. Die Veranlassung zu diesem Übergang mögen Nomina
mit stammauslautendem k oder h vor der ersten Suffixstufe -um der
grwm-Klasse gewesen sein. Nachdem solche Formen im Fula als Glieder
einer Ä;-Reihe mißverstanden worden waren, ergaben sich deren übrige
Stufen sowie die dazugehörigen Pronomina von selbst^. Für die ur¬
sprüngliche Identität der gum- und der toj;-Klasse spricht auch ihr
gleicher explosiver Klassenanlaut. In einem wesentlichen Punkte — ab¬
gesehen von den lautlichen Veränderungen — hat sich die kuy-T^l&sse
aber von ihrer ursprünglichen Basis entfernt, nämhch in ihrer Funktion
und damit auch in ihrem Geltungsbereich. Sie ist im Fula zur aUgemeinen
singularischen Diminutivklasse geworden und hat dadurch die alte gd-
Klasse hier nahezu vöhig verdrängt. Abgesehen von den Fähen, in denen
wir die greZ-Klasse im Fula als Entlehnung aus Nachbardialekten an¬
sehen müssen, wird diese hier, soweit sie überhaupt noch vorkommt, der
kuy-Klasse gegenüber gerade als Ausdruck des besonders Kleinen, des
Winzigen empfunden; das alte begriffliche Verhältnis der beiden Klassen
hat sich im Fula somit in sein GegenteU verkehrt*.
1 In Die Diminutiv- und Augmentativklassen des Westful, § 14, habe ioh
gezeigt, wie auf Grund ähnhcher Assimilationsvorgänge eine auf l aus¬
lautende Klasse entstanden ist.
2 Eine ähnhche etymologisch falsche Grenzziehung zwischen Wortstamm
und Suffix wird zm Entstehung der süigularischen AoZ-Klasse des Ostful ge¬
führt haben; s. meine Präfixklassen des Ful, § 31, und Die Diminutiv- und
Augmentativklassen des Westful, § 7.
2 Vgl. hierzu auch Die Diminutiv- und -Augmentativklassen des Westful,
§ 9 und 10.
Siegfried Morenz: Ägypten und das Berliner Ägyptische Museum, heraus-
t" gegeben von der Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berhn,
Berlin 1953. 98 S. mit 2 Abb. im Text und 25 Tafeln. 8°.
„Im März 1953 ist im Museum am Kupfergraben (m. W. im Kaiser
Friedrich Museum. A.) eine Dauerausstellung der Ägyptischen Abteilung
eröffnet worden." Wie berechtigt Stolz und Freude sind, mit denen dieser
Satz niedergeschrieben werden koimte, kann der nachempfinden, der weiß,
wie fem trotz aller voraufgehenden Mühen ein solcher Gedanke noch nach
41/2 „Nachkriegs"jahren gelegen hatte. Es war ein Wendepunkt für das
Ägyptische Museum auf der Museumsinsel, als am 1. März 1950 Herr Rudolf
Kuhn als Restaurator eingestellt werden konnte imd, wie der jetzige Direktor Siegfried Morenz, der Verfasser des vorliegenden Buches, sagt, „die Voraus¬
setzungen für unseren Neuanfang geschaffen" hat. Diese Feststellimg mindert
nicht sein eignes Verdienst und das seiner andem Mitarbeiter; imter diesen
wird Fräulein Würfel ausdrücklich genannt, deren Ideen, wie er sagt, die Aus¬
stellung selbst im wesentlichen verdankt wird. Es ist anscheinend eine schöne,
beneidenswert weiträumig aufgestellte Ausstellung entstanden, die einige
Meisterwerke aus dem alten Bestände und anscheinend vielseitig andre Ge¬
genstände zeigt, die zu einem großen Teil aus den alten, reichen Magazinen
stammen. Für die Rundskulptur des Alten Reiches mußte sie allerdings er¬
gänzt werden durch Leihgaben aus der Leipziger Universitätssammlung ; als
einziger alter Bekannter aus der einst so stattlichen Berliner A.R.-Sammlung
erscheint das schöne Geflügelhof-Rehef. Das Grab des Merib ebenso wie ver¬
einzelte andre Denkmäler wie die Kammer des Zoser, die Sphinx der Hat¬
schepsut, die Säulen aus Sakkara und Philae konnte aus technischen Gründen nicht aufgestellt werden ; einen Hinweis auf diesen zusätzlichen Besitz habe
ich in dem Buche übrigens nicht gesehen. Die Sammlung ist chronologisch
aufgestellt, dazu aber, in je einem Raum, zusammenfassend Totenwesen und
Schriftdenkmäler. Ich freue mich wenigstens dieser leichten Abweichung von
der chronologischen Ordnimg, die, allgemein gesagt, zwar vielfach be¬
rechtigt ist, aber vielleicht nicht die beste Möglichkeit zur Darstellung einer mittelgroßen Sammlung bedeutet.
Das Buch besteht, entsprechend dem Titel, aus zwei Teilen. Der erste,
S. 7—78, ist eine Einführung in die altägjrptische Welt und ihre Denkmäler,
in fünf Kapiteln: 1. Die Quellen, 2. Schrift und Sprache, S.Geschichte
(S. 18—60, dmchgeführt bis in die christliche Zeit), 4. Religion und 5. Kunst,
mit folgender Zeittafel und Literaturhinweisen. Die Schwierigkeit solcher
knappen zusammenfassenden Einführung ist mir wohlbekannt. M. E. ist sie
Professor Morenz ausgezeichnet gelungen, aber fachmännisches Urteil gilt
dabei nicht viel; erst die Praxis kann zeigen, ob solche konzentrierte Dar¬
stellung Publikum und Wirkung findet wie ich mit dem Verfasser hoffe.
Nach der Anlage dieses Buches gibt sie den Hintergrund für das Verständnis
der Ausstellung und soll gelesen werden „nach dem Besuch im Museum und
der Lektüre des eigentlichen Führers". Das ist eine gesunde Empfehlung.