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Vergleich der Dreiecksgeometrie in der Euklidischen und Hyperbolischen Ebene

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Academic year: 2022

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Vergleich der Dreiecksgeometrie

in der Euklidischen und Hyperbolischen Ebene

Zulassungsarbeit

Lehrstuhl f¨ur Mathematische Methoden der Naturwissenschaften Mathematische Fakult¨at

Universit¨at T¨ubingen von

Ulrike Z¨urn

Betreuer:

Prof. Dr. Frank Loose

Tag der Anmeldung: 16. Juni 2010 Tag der Abgabe: 17. November 2010

(2)

Erkl¨arung

”Ich erkl¨are, dass ich die vorliegende Arbeit selbst¨andig angefertigt und nur die ange- gebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken, gegebenenfalls auch elektronischen Medien, entnommen sind, sind von mir durch Angabe der Quelle als Entlehnung erkenntlich gemacht. Entlehnungen aus dem Internet sind durch datierten Ausdruck der ersten Seite belegt.“

T¨ubingen, den 13.10.2010

(3)

Danksagung

Mein herzlichster Dank geb¨uhrt Professor Doktor Frank Loose f¨ur die eingehende Be- treuung meiner Arbeit; insbesondere f¨ur all die investierte Zeit und die hilfreichen Kor- rekturen und Verbesserungsvorschl¨age. Auch danken m¨ochte ich ihm f¨ur seine durch seine eigene Wissbegierde hervorgerufene Inspiration, die mich der Geometrie ein erheb- liches St¨uck n¨aher gebracht hat, und f¨ur die Hilfsbereitschaft mit der er mich durch das Schreiben der Arbeit begleitet hat.

Weiterer Dank gilt meinem Bruder Oliver und meinem guten Freund Florian, die mir mit bemerkenswerter Geduld LATEX beibrachten bzw. bei meinen Fragen und Problemen stets zur Seite standen.

Meinem Vater m¨ochte ich f¨ur all die Hilfe in mathematischen Dingen, und ihm und meiner Mutter f¨ur die grenzenlose Unterst¨utzung in jeder Beziehung danken - ohne sie w¨are mein gesamtes Studium nicht m¨oglich gewesen.

(4)

Inhaltsverzeichnis

1 Geschichte 3

1.1 Geometrie vor Euklid . . . 3

1.2 Euklidische Geometrie . . . 4

1.2.1 Definitionen . . . 5

1.2.2 Postulate . . . 5

1.2.3 Axiome . . . 6

1.3 Kritik an Euklid . . . 6

1.4 Absolute Geometrie . . . 9

1.5 Nicht-euklidische Geometrie . . . 10

2 Axiomatik 12 2.1 Was ist Axiomatik? . . . 12

2.2 Was wird von einem axiomatischen System verlangt? . . . 14

2.3 Synthetische vs. Analytische Methode . . . 15

2.4 Definierte Terme . . . 16

3 Geometrie in der Schule 21 3.1 Hyperbolische Geometrie in der Schule? . . . 21

3.1.1 Hyperbolische Geometrie, leicht gemacht . . . 22

4 Euklidische Geometrie 26 4.1 Axiome der Euklidischen Geometrie . . . 26

4.1.1 Inzidenzaxiome . . . 26

4.1.2 Axiome der Lage . . . 27

4.1.3 Kongruenzaxiome . . . 28

4.1.4 Stetigkeitsaxiome . . . 29

4.1.5 Parallelenaxiom . . . 29

(5)

5 Hyperbolische Geometrie 32

5.1 Das Poincar´e-Halbebenenmodell der hyperbolischen Ebene . . . 32

5.2 Axiome der Hyperbolischen Geometrie . . . 37

5.2.1 Inzidenzaxiome . . . 37

5.2.2 Axiome der Lage . . . 39

5.2.3 Kongruenzaxiome . . . 42

5.2.4 Stetigkeitsaxiome . . . 44

5.2.5 Parallelenaxiom . . . 46

5.3 Hyperbolische Dreiecke . . . 48

6 Dreiecksgeometrie 51 6.1 ”Absolute Geometrie“ . . . 51

6.2 S¨atze, die in der euklidischen Geometrie gelten . . . 68

6.3 S¨atze, die in der hyperbolischen Geometrie gelten . . . 73

7 Konstruktionen im Poincar´e-Modell 87 8 Schlussbetrachtung 93 9 Anhang 95 9.1 Umkehrung des Parallelenaxioms . . . 95

9.2 Aquivalenzumformungen zum Beweis von (I1) . . . 97¨ 9.3 Spiegelung an der imagin¨aren Achse in der oberen komplexen Halbebene . 97

Literatur 98

(6)

Abbildungsverzeichnis

1.1 Anschauliche Darstellung des Parallelenaxioms von Euklid . . . 7

2.1 Winkelbezeichnungen . . . 17

2.2 Spezielle Winkel . . . 18

3.1 Parallele Linien . . . 23

3.2 Asymptotisch parallele Geraden und der zugeh¨orige Parallelwinkel . . . . 24

5.1 Hyperbolische Geraden . . . 34

5.2 Kongruente Winkel in der Poincar´e-Ebene . . . 36

5.3 Rez1= Rez2, aber z1 6=z2 . . . 38

5.4 Anordnungsaxiome . . . 40

5.5 Kongruenz von Seiten und Winkeln in hyperbolischen Dreiecken . . . 44

5.6 Bijektion zwischen gund e . . . 46

5.7 Nicht asymptotische Dreiecke . . . 48

5.8 Einfach asymptotische Dreiecke . . . 49

5.9 Zweifach asymptotische Dreiecke . . . 49

5.10 Dreifach asymptotische Dreiecke . . . 50

6.1 Kongruente Dreiecke . . . 52

6.2 Scheitelwinkel α und α . . . 54

6.3 AC < BC ⇔ABC <BAC . . . 56

6.4 3. Kongruenzsatz ”sss“ . . . 58

6.5 4. Kongruenzsatz ”wws“ . . . 59

6.6 Eindeutige Existenz einer Winkelhalbierenden . . . 61

6.7 Addition und Subtraktion von Winkeln . . . 62

6.8 Schnittpunkt der Winkelhalbierenden . . . 63

6.9 Dreiecksungleichung . . . 66

(7)

6.10 Die Winkelsumme eines Dreiecks in der euklidischen Ebene. . . 69

6.11 H¨ohenschnittpunkt . . . 71

6.12 Eulergerade . . . 72

6.13 Gemeinsames Lot der Grund- und Oberseite in einem Saccheri-Viereck . . 74

6.14 Die oberen Winkel eines Saccheri-Viereckes sind im hyperbolischen spitz. . 75

6.15 Winkelsumme . . . 76

6.16 Kongruenzsatz www . . . 78

6.17 Gemeinsames Lot zweier ultraparalleler Geraden . . . 79

6.18 Mittelsenkrechte der Strecke z1z2, mit Imz1= Imz2 . . . 80

6.19 Mittelsenkrechte der Strecke z1z2, mit Imz16= Imz2 . . . 81

6.20 Die Mittelsenkrechten treffen sich in einem Punkt . . . 82

6.21 Ultraparallele Mittellote . . . 84

6.22 Asymptotisch parallele Mittelsenkrechten eines hyperbolischen Dreiecks . 85 7.1 Konstruktion von Geraden . . . 87

7.2 Konstruktion von Loten, F¨alle 1 und 2 . . . 88

7.3 Konstruktion von Loten, Fall 3 . . . 89

7.4 Konstruktion von Mittelpunkt und Mittelsenkrechte . . . 90

7.5 Konstruktion von Winkelhalbierenden . . . 91

7.6 Gemeinsames Lot ultraparalleler Geraden . . . 92

7.7 Gemeinsames Lot . . . 92

9.1 Umkehrung des Parallelenpostulats . . . 95

9.2 Abbildung nach Meschkowski . . . 96

(8)

Einleitung

”Insofern sich die geometrischen S¨atze auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit“ wird Einstein in MeschkowskisDenkweisen großer Mathematiker zitiert.

Was soll man nun mit einer derartigen Aussage anfangen, unterlag man doch in all den Jahren Schulmathematik der Ansicht, zu jeder mathematischen Problemstellung g¨abe es exakt eine richtige L¨osung? Sch¨uler lassen sich im Allgemeinen von der Annahme leiten, Geometrie sei der leichteste Bereich der Mathematik, da man sich hierzu alles genau vorstellen und aufmalen kann. Die Nachricht, dass eine Gerade beispielsweise gar nicht unbedingt in Form einer geraden, in beide Richtungen unendlich weit verl¨angerbaren Linie (und was heißt ¨uberhaupt

”gerade“ und

”unendlich“?) dargestellt werden muss, w¨urde bei ihnen tiefe Verwunderung ausl¨osen. ¨Ahnlich muss es auch den Mathematikern im 19ten Jahrhundert ergangen sein. Jedoch wissen wir tats¨achlich alle nicht, wie eine Gerade ins Unendliche verl¨angert aussieht, da wir kein Bild vom

”Unendlichen“ haben oder was dort

”passiert“.

Obwohl schon viel fr¨uher in der Geschichte geometrische Fragen angegangen und gel¨ost wurden, ist es Euklid dem zugesprochen wird, derjenige zu sein, der

”eine beweisende Geometrie begr¨undete und ¨uber die Fundamente nachdachte.“ [Mes90] Allerdings soll es, wie in Kapitel 1 dargelegt wird, weitere 2000 Jahre dauern, bis sich die Mathematiker einig sind, Euklids Elemente nun richtig verstanden zu haben und den Inhalt und Wert eines formalen Axiomensystems vollst¨andig ergreifen zu k¨onnen. Es ist schlussendlich Hilberts Verdienst, dass fortan Geometrien neben der euklidischen akzeptiert werden k¨onnen, da er vermittelt, dass ein Axiomensystem ein wissenschaftliches Instrument ist, das unter Umst¨anden ver¨andert und verschieden gedeutet werden kann. Er zeigt auf, dass das Euklidische Axiomensystem lediglich eine

”M¨oglichkeit“ einer Geometrie ist; eben- so wie diese m¨oglich ist,

”folgt nunmehr auch die M¨oglichkeit der Nicht-Euklidischen Geometrie.“ [Hil30] Die schon bei Euklid eingef¨uhrte Beweistechnik, synthetische oder axiomatische Geometrie genannt, soll in Kapitel 2 vorgestellt werden. Sie unterscheidet

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sich maßgeblich von der in der Schule und auch h¨aufig in der Anwendung gebrauchten Technik, deranalytischen oderalgebraischen Geometrie. Letztere Methode beruht stark auf der Anschauung und f¨uhrt das geometrische Problem auf ein algebraisches zur¨uck - es wird gerechnet und mit Formeln gearbeitet.

Ob sich die Aufnahme nichteuklidischer Geometrie in den Lehrplan an Gymnasien emp- fiehlt, wird in Kapitel 3 erwogen; es kann dar¨uber keine rechte Einigkeit erreicht werden.

Denn die Entdeckung nichteuklidischer Geometrien mag zwar die eine oder andere Fra- gestellung gel¨ost haben; gleichzeitig wirft sie aber auch jede Menge neuer Fragen auf, die Sch¨uler nur in gr¨oßere Verwirrungen st¨urzen k¨onnte als dass sie konstruktivem Mathe- matikunterricht beiwirkt. Wie ist es m¨oglich, dass es zu einer geraden Linie durch einen nicht auf ihr liegenden Punkt mehr oder weniger als genau eine parallele Linie geben soll? Welche Auswirkung hat die ¨Anderung eines einzigen Axioms unter Beibehaltung aller anderen Axiome innerhalb eines Axiomensystems? Welche Geometrie ist am ehes- ten zur Beschreibung der Wirklichkeit geeignet? Ist nun im Bereich Geometrie alles in Frage zu stellen, was bisher als wahr gelehrt wurde?

Zwei verschiedene Axiomensysteme werden in den Kapiteln 4 und 5 vorgestellt: das eu- klidische und das hyperbolische. Die beiden Systeme unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum; bis auf ein einziges Axiom ist alles gleich. Dass diese kleine ¨Anderung aber eine beachtliche Umstrukturierung der Denkweise mit sich bringt, wird schon bei der Angabe eines Modells deutlich, das die hyperbolische Ebene beschreiben soll. Geraden, um bei diesem Beispiel zu bleiben, haben im hyperbolischen, je nach Modellwahl, ein v¨ollig ungewohntes Aussehen. Ebenfalls irritierend ist zun¨achst, dass die hyperbolische Geometrie in der euklidischen Anschauungsebene dargestellt werden kann, obwohl es sich doch um eine

”andere“ Geometrie handelt.

Kapitel 6 beinhaltet S¨atze ¨uber Dreiecke, die allesamt mittels deraxiomatischen Metho- de bewiesen werden. Dabei wird herausgearbeitet, welche S¨atze bez¨uglich der Dreiecke im Euklidischen, welche im Hyperbolischen, und welche sowohl in ersterem als auch in letzterem g¨ultig sind.

Obige Fragen werden im Laufe der Arbeit h¨ochstens teilweise gekl¨art; ihre Beantwortung ist mitunter auch nur individuell oder unter Einbezug philosophischer Gesichtspunkte m¨oglich. Es soll eher ein Vergleich zwischen der hyperbolischen und der euklidischen Ebene, insbesondere bez¨uglich der Dreiecksgeometrie, gezogen und die Verwendung von Axiomensystemen demonstriert werden.

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1 Geschichte

Viele Jahrhunderte lang wurde Geometrie auf der Basis der Euklidischen Axiomatik gelehrt. In seinen Schriften Die Elemente fasste der griechische Mathematiker Euklid in Definitionen, Axiomen und Postulaten zusammen, was man zu dem Zeitpunkt von der Geometrie wusste. Sein Werk stellte ¨uber mehr als 2000 Jahre hinweg das einzige geometrische System dar und es schien undenkbar, dass auch v¨ollig andere Geometrien existieren k¨onnten [Tru98]. Obwohl den Mathematikern an dem Euklidischen System von Anfang an kleine Unstimmigkeiten auffielen und unerm¨udlich versucht wurde, die- se exakt zu bestimmen und zu korrigieren, sollte es doch bis ins 19. Jahrhundert nach Christus dauern, bis man die Problematik der Parallelen aufdecken und gewissermaßen zufriedenstellend aufl¨osen konnte; wenn auch auf andere Weise als zun¨achst erwartet. Ge- rade die intensive Besch¨aftigung mit Euklids Axiomen f¨uhrte zu einem revolution¨aren Verst¨andnis von Geometrie und im weiteren Verlauf zur Begr¨undung der nichteuklidi- schen Geometrie.

1.1 Geometrie vor Euklid

W¨ortlich ¨ubersetzt bedeutet Geometrie Vermessung der Erde; und seit jeher stand es offenbar im besonderen Interesse der Menschen, ein Gesp¨ur und ein Maß f¨ur Entfernung zu entwickeln. Dass der direkte Weg zumeist der k¨urzeste ist, wurde intuitiv festgestellt;

zur gerechten Einteilung von L¨andereien ben¨otigte man Konzepte einfacher geometri- scher Figuren wie Rechtecke, Quadrate oder Dreiecke. Ein geworfener Stein beschreibt eine Parabel; f¨allt er ins Wasser, so bildet er Kreise; Baumst¨amme gleichen Zylindern, usw. Geometrische Konzepte liegen also in der Natur, ohne dass man ¨uberhaupt genauer dar¨uber nachdenken m¨usste.

”Unbewusste Geometrie“ wird dieses Ph¨anomen von Eves bezeichnet. [Eve95] Es ist nicht genau zu sagen, wann sich die Geometrie zur Wissen- schaft entwickelte; man mutmaßt jedoch, dass schon 3000 Jahre vor Christus klare An- zeichen zu einer wissenschaftlichen Betrachtung von Geometrie gefunden werden k¨onnen.

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Lange Zeit wurde in der Mathematik induktiv gearbeitet; das heißt, Gesetzm¨aßigkeiten wurden aus Experimenten und Erfahrungen abgeleitet. Diese Mehode ist nicht unbedingt hieb- und stichfest, wie ein kleines Beispiel zeigt: Der Winkelsummensatz im Dreieck kann durch Messen und Addieren der Winkel im Dreieck schon gefunden werden. Doch da man Messungenauigkeiten mit einbeziehen muss, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die Winkelsumme exakt 180 betr¨agt. Zudem kann nicht vom Speziellen auf das Allgemeine geschlossen werden; daher gilt der Winkelsummensatz streng genom- men nur f¨ur tats¨achlich vermessene Dreiecke. Griechische Geometer stellten nun schon einige hundert Jahre vor Euklid die Behauptung auf, dass geometrische Begebenhei- ten nicht durch empirische Erhebungen, sondern durch deduktives Argumentieren, was sp¨ater als

”synthetische Geometrie“ bekannt werden sollte, erkl¨art werden. Thales von Miletus soll im sechsten Jahrhundert vor Christus der erste gewesen sein, mit dem die deduktive Vorgehensweise in der Geometrie in Verbindung gebracht wird. Er begr¨undete seine Ergebnisse nicht durch Intuition und Experimentieren, sondern durch logisches Ar- gumentieren. Obwohl die Griechen nachweislich weiter dieser Idee nachgingen, gelang der eigentliche Durchbruch der synthetischen Geometrie erst nach Erscheinen derElemente von Euklid um 300 vor Christus. [Eve95]

1.2 Euklidische Geometrie

Euklids Werk Die Elemente, auf dem die Euklidische Geometrie basiert, wurde zu den nach der Bibel am zweith¨aufigsten gedruckten B¨uchern der Weltgeschichte und hat die Entwicklung der Wissenschaften so nachhaltig beeinflusst wie kein anderes [Mlo02]. Doch Euklid hat die meisten der in den Elementen enthaltenen mathematischen S¨atze nicht selber entdeckt, sondern entnahm sie der damals schon umfangreichen antiken Tradition der beweisenden Mathematik. Was war also ¨uberhaupt neu an Euklids Herangehenswei- se an mathematische, und insbesondere geometrische, Probleme?

Die von Euklid ausgehende anhaltende Pr¨agung der Mathematik bestand darin, dass er anhand eines von ihm aufgestellten Axiomenger¨usts das verf¨ugbare mathematische Wissen in eine systematische Ordnung und damit die Geometrie in Form eineraxioma- tischen Theorie brachte [Gra04]. Am Anfang einer mathematischen Theorie stehen die unbewiesen bleibenden Axiome. Dann folgen S¨atze und deren Beweis, wobei in jedem Beweis (außer den Axiomen) nur verwendet werden darf, was vorher bereits bewiesen wurde.

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Die Elemente beginnen mit der Angabe einer Reihe von Definitionen, Postulaten und Axiomen. Mit den Definitionen versucht Euklid nicht, neue Begriffe einzuf¨uhren. Viel- mehr sollen diese Definitionen etwas abgrenzen und beschreiben, das bereits existiert.

Zwischen Postulaten und Axiomen besteht ein fließender ¨Ubergang. Beide, sowohl Postu- late als auch Axiome, werden bei den Beweisen als g¨ultig vorausgesetzt. Der Unterschied besteht darin, dass Axiome als sicher und nicht sinnvoll anzweifelbar gelten. Die Postu- late hingegen werden zwar als h¨ochst plausibel eingestuft, gelten aber nicht in gleicher Weise als ¨uber jeden Zweifel erhaben [Scr05].

1.2.1 Definitionen

Euklid h¨alt sich in seiner Abhandlung ¨uber die Geometrie seiner Zeit nicht lange mit Einf¨uhrungen und lyrischen Ausschm¨uckungen auf. Ohne jede Vorrede beginnt er so- gleich mit der Auflistung derjenigen Definitionen, die er f¨ur die Systematisierung der Geometrie f¨ur wichtig h¨alt:

1. EinPunkt ist, was keine Teile hat.

2. EineLinie breitenlose L¨ange.

3. Die Enden einer Linie sind Punkte.

In ¨ahnlicher Weise gibt er in seinem ersten Buch insgesamt 23 Definitionen an, unter anderem kl¨art er, was unter einem stumpfen oder spitzen Winkel verstanden wird oder worum es sich bei einem gleichschenkligen Dreieck handelt.

1.2.2 Postulate

Postulate k¨onnen als ”M¨oglichkeit zur Konstruktion von Gebilden“ [Sch97] betrachtet werden; w¨ortlich aus dem Lateinischen ¨ubersetzt ist ein Postulat eine Forderung - gefor- dert wird die Anerkennung einer These, die nicht bewiesen und somit akzeptiert werden kann oder auch nicht.

Euklid formuliert f¨unf Postulate, von denen vier heutzutage in die so genannte Absolute Geometrie mit aufgenommen werden. Das f¨unfte jedoch hat schon seit Jahrhunderten f¨ur Missfallen gesorgt, wie eine genauere Betrachtung im Folgenden zeigen wird.

Gefordert soll sein:

1. Daß man von jedem Punkt nach jedem Punkt die Strecke ziehen kann,

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2. Daß man eine begrenzte gerade Linie zusammenh¨angend gerade verl¨angern kann, 3. Daß man mit jedem Mittelpunkt und Abstand den Kreis zeichnen kann,

4. Daß alle rechten Winkel einander gleich sind,

5. Und daß, wenn eine gerade Linie beim Schnitt mit zwei geraden Linien bewirkt, daß innen auf derselben Seite entstehende Winkel zusammen kleiner als zwei Rechte werden, dann die zwei geraden Linien bei Verl¨angerung ins unendliche sich treffen auf der Seite, auf der die Winkel liegen, die zusammen kleiner als zwei Rechte sind.

1.2.3 Axiome

1. Was demselben gleich ist, ist auch einander gleich.

2. Wenn Gleichem Gleiches hinzugef¨ugt wird, sind die Ganzen gleich.

3. Wenn von Gleichem Gleiches weggenommen wird, sind die Reste gleich.

4. Wenn Ungleichem Gleiches hinzugef¨ugt wird, sind die Ganzen ungleich.

5. Die Doppelten von demselben sind einander gleich.

6. Die Halben von demselben sind einander gleich.

7. Was einander deckt, ist einander gleich.

8. Das Ganze ist gr¨oßer als der Teil.

9. Zwei Strecken umfassen keinen Fl¨achenraum.

1.3 Kritik an Euklid

Euklids f¨unftes Postulat, das Parallelenpostulat, oder auch Parallelenaxiom1, hat die Mathematiker vieler Jahrhunderte immer wieder besch¨aftigt. Im Gegensatz zu den vier anderen Postulaten zeichnet es sich durch seine Komplexit¨at aus, und man glaubte, dass es sich aus den anderen Postulaten herleiten und beweisen ließe, demnach also kein unbeweisbares Postulat sondern eine Folgerung aus den Postulaten sei. Herbert Meschkowski begr¨undet diese Vermutung damit, dass die Umkehrung des Postulates durchaus bewiesen werden kann.2 [Mes64]

1Hier herrscht in der Literatur keine Einigkeit - beide Begriffe werden gleichwertig verwendet.

2siehe Anhang

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Abbildung 1.1: Anschauliche Darstellung des Parallelenaxioms von Euklid Es sind einige ¨aquivalente Formulierungen des Parallelenpostulates bekannt:

• Zu jeder Geradengund zu jedem nicht aufgliegenden PunktAgibt es genau eine Geradeh, die durchA verl¨auft und zug parallel ist.

• Zwei parallele Geraden gund h haben ¨uberall denselben Abstand.

• Wenn eine Geradeg eine von zwei parallelen Geradenh und ischneidet, so auch die andere.

• Die Summe der Innenwinkel eines Dreiecks ist zwei Rechten gleich.

• Die Punkte, die auf einer Seite einer gegebenen Geraden in ein und demselben Abstand von dieser liegen, bilden eine Gerade.

• Es gibt ¨ahnliche Dreiecke.

• Es existiert mindestens ein Rechteck.

• Jedes Viereck mit drei rechten Winkeln ist ein Rechteck.

Efim Diese ¨Aquivalenzen gelten genau dann, wenn man die euklidischen Axiome, insbe- sondere unter Einschluss des Parallelenaxioms, zugrunde legt, d.h. als g¨ultig voraussetzt.

Es sollte sich herausstellen, dass das Missfallen am Parallelenpostulat unvorhergesehe- ne Auswirkungen haben w¨urde; letztendlich f¨uhrte es zu der Erkenntnis, dass Euklid mit seinenElementen nicht, wie lange vermutet, die exakte Beschaffenheit der Realit¨at

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beschreibt. Meschkowski sieht in der Schwierigkeit, die die Mathematiker seit jeher mit Euklids f¨unftem Postulat hatten, die Begr¨undung der nichteuklidischen Geometrie; denn wegen dieser Unzufriedenheit mit dem Parallelenpostulat

”sahen sich Generationen von Mathematikern veranlaßt, Euklid zu verbessern durch einen Beweis dieses Satzes aus den ¨ubrigen Axiomen und Postulaten. Das Scheitern dieser Bem¨uhungen f¨uhrte dann zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrien.“ [Mes90] Schließlich formulierte der deutsche Mathematiker David Hilbert im Jahr 1899 dieElemente noch einmal neu; sein Axiomensystem ist es, das heute als Euklidische Geometrie gilt. Hilbert ging es darum, Klarheit ¨uber Definitionen, Grundbegriffe, Grammatik und Sprache der Mathematik zu schaffen und eine allgemeine Methode zur Betreibung von Mathematik zu entwickeln.

Qualit¨atsmerkmale seines Systems sind Unabh¨angigkeit, Vollst¨andigkeit und Wi- derspruchsfreiheit.

Er unterteilt in drei Systeme von

”Dingen“:

• diePunkte(Elemente der linearen Geometrie)

• dieGeraden (Elemente der ebenen Geometrie)

• dieEbenen (Elemente der r¨aumlichen Geometrie).

Diese brachte Hilbert in seinen Axiomen in gegenseitige

”Beziehungen“ (

”liegen“,

”zwi- schen“,

”kongruent“,...). Wichtig und neu ist an Hilberts Ansatz, dass die Definitionen fehlen; daher auch die Bezeichnung der Unterscheidung in

”Dinge“. Es wird nicht mehr zwingend an die Anschauung appelliert, und Hilbert betont dass man statt

”Punkt“ oder

”Gerade“ jederzeit

”Tisch“ oder

”Bierseidel“ sagen k¨onnte. Die obige Benennung der drei Systeme von Dingen begr¨undet sich darin, dass sich die Geometrie am einfachsten im euklidischen Anschauungsraum darstellen l¨asst - anhand von Punkten und Geraden kann man sich geometrische Gebilde nun mal erfahrungsgem¨aß am leichtesten vorstellen. Es ist jedoch wesentlich f¨ur die Geometrie, dass es zu Begriffen wie

”Punkt“ oder

”Gerade“

gar keine offiziell korrekte Definition gibt, sondern dass es sich um Abstraktionen han- delt, die nur dadurch an Bedeutung gewinnen, dass sie zueinander in Beziehung stehen, und das ist das eigentlich faszinierende an der Geometrie.3

”Es ist das Ergebnis redlichen Forschens in den ¨uber 2000 Jahren zwischen Euklid und Hilbert, daß es gute Definitionen der Grundbegriffe gar nicht geben kann.“ [Mes90] Vielmehr muss sich die Mathematik

3Nur durch dieses Verst¨andnis von Geometrie ist schließlich m¨oglich, die nichteuklidischen Geometrien zu akzeptieren und zu verstehen.

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damit begn¨ugen, dass man sich zwar mit Hilfe eines Axiomensystems

”implizit“ geome- trische Grundbegriffe definieren kann; diese m¨ussen jedoch auf das Axiomensystem, das man sich zugrunde legt, angepasst sein und ¨andern sich beim Wechsel des solchen.

1.4 Absolute Geometrie

Es hatte sich also im Laufe der Besch¨aftigung mit Euklids Elementen herauskristal- lisiert, dass das dort zugrunde liegende Axiomensystem durchaus vielen Anspr¨uchen gerecht wird auch ohne dass sich der Verwender bewusst macht, wie ein solches System eigentlich zu handhaben ist. Punkte und Geraden haben ein festes Bild im menschlichen Verstand, und es f¨allt zun¨achst schwer zu akzeptieren, dass man sich davon zu l¨osen hat, wenn man wirklich Geometrie betreiben m¨ochte.

Hat man jedoch erst mal verinnerlicht, dass es außer dem euklidischen noch weitere Axiomensysteme geben kann, so stellt man fest, dass der Teil der euklidischen Geome- trie, der nur auf den ersten vier Postulaten Euklids basiert und das Parallelenpostulat außen vorl¨asst, selbst schon Basis einer eigenen Geometrie ist. Man nennt sie die ab- solute Geometrie. S¨amtliche Aussagen, die sich in ihr beweisen lassen, sind sowohl in der euklidischen als auch in der hyperbolischen Geometrie g¨ultig. [Kel81] Behilft man sich einer mengentheoretischen Ausdrucksweise, so k¨onnte man sagen, dass die absolute Geometrie (oder besser, die in der absoluten Geometrie g¨ultigen Axiome und S¨atze) die Schnittmenge von hyperbolischer und euklidischer Geometrie ist.

Die Axiome der absoluten Geometrie entsprechen denen der euklidischen (ebenso wie de- nen der hyperbolischen) Geometrie mit dem entscheidenden Unterschied, dass sich kein Parallelenaxiom darunter befindet. Es gibt also in der absoluten Geometrie genau ein Axiom weniger als in der euklidischen und hyperbolischen Geometrie, die sich ihrerseits lediglich in der Beschaffenheit des Parallelenpostulats und den daraus resultierenden G¨ultigkeiten unterscheiden. Wir werden sehen, dass dieser augenscheinlich eher kleine Unterschied gewaltige Konsequenzen nach sich zieht, die f¨ur die einfache Vorstellungs- kraft nicht unerhebliche Herausforderungen darstellen. Entsprechend schwer fiel es den Mathematikern im 19. Jahrhundert zun¨achst, Schriften ¨uber die Entdeckung der neuen Geometrie Glauben zu schenken.

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1.5 Nicht-euklidische Geometrie

Karl Friedrich Gauß war wohl der erste, der erkannte, dass das Parallelenaxiom nicht mit Hilfe der ¨ubrigen Axiome beweisbar ist; er entdeckte, dass

”man eine widerspruchs- freie Geometrie aufbauen kann, in der das Parallelenpostulat nicht gilt.“ [Føl88] Er ver¨offentlichte seine Schriften dazu jedoch nicht. Beinahe zur gleichen Zeit und un- abh¨angig voneinander erkannten die Mathematiker Nicolai Lobatschewski und Johann Bolyai ebenfalls Systeme nicht-euklidischer Geometrie. Ihre Entdeckungen stellen die Basis der hyperbolischen Geometrie, die f¨ur die Oberfl¨ache eines Hyperboloids, also ei- ner Fl¨ache die wie ein Sattel gekr¨ummt ist, gilt. Wenig sp¨ater sollte es zudem Bernhard Riemann gelingen, eine andere nicht-euklidische Geometrie zu pr¨asentieren; diese wird elliptische Geometrie genannt und gilt f¨ur die Oberfl¨ache einer Kugel oder eines ellipti- schen K¨orpers.

Gauß, Lobatschewski und Bolyai entdeckten also unabh¨angig voneinander die hyperboli- sche Geometrie. Nachdem Generationen von Mathematikern vergeblich versucht hatten, das Parallelenpostulat aus den ¨ubrigen Axiomen herzuleiten, gelangten diese drei und einige weitere Mathematiker um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu dem Schluss, dass Euklid doch richtig damit lag, den Satz ¨uber die Parallelen zu den Postulaten zuzuordnen, da er nicht beweisbar ist.

”Als Konsequenz dieser Ansicht ergab sich, daß die mit den indirekten Beweisen verbundene destruktive Absicht bei der Verneinung des Parallelenpostulats aufgegeben wurde. Dies machte den Weg frei f¨ur einen positiven und konstruktiven Ansatz.“ [Gar07] Die neue Idee war, das euklidische Parallelenaxiom durch ein anderes, das euklidische verneinende, Axiom zu ersetzen und zu ¨uberpr¨ufen, ob sich damit eine von der euklidischen Geometrie verschiedene und eher unanschauliche, dabei aber ebenso widerspruchsfreie Geometrie entwickeln ließe.

Zwei Formulierungen eines neuen Parallelenpostulates kristallisierten sich also heraus:

1. Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt P in einer Ebene existierenmehr als eine Parallele vong durch P.

2. Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt P in einer Ebene existiertkeine Parallele vongdurch P.

Der zweite Ansatz wird, wie oben bereits angesprochen, als sph¨arische oder elliptische Geometrie bezeichnet und soll hier nicht n¨aher betrachtet werden.

Obwohl Gauß, Lobatschewski und Bolyai sich beinahe zeitgleich mit ersterer Abwand-

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lung des Parallelenaxioms besch¨aftigten, schenkte man den Schriften Lobatschewskis und Bolyais, die vor den Entdeckungen von Gauß der ¨Offentlichkeit zug¨anglich gemacht wurden, zun¨achst keine große Beachtung; und dass Gauß seine ¨Uberlegungen zu einer nicht-euklidischen Geometrie nicht ver¨offentlichte, liegt m¨oglicherweise darin begr¨undet, dass er bereits damit rechnete, dass eine derartige Umw¨alzung der seit etwa 2000 Jah- ren geltenden Anwendung der euklidischen Geometrie nicht auf Verst¨andnis und Ak- zeptanz stoßen w¨urde. War doch die unmittelbare Folgerung aus der Verneinung des Parallelenpostulats die Erkenntnis, dass neben der euklidischen Geometrie, in der das Parallelenaxiom gilt, noch mindestens eine andere

”imagin¨are Geometrie“ m¨oglich ist, in der es nicht gilt. Derartige Ideen

”schienen zeitgen¨ossischen Geometern paradox und wurden von ihnen mit Ironie abgetan.“ [Efi70] Man war nicht so ohne weiteres bereit f¨ur eine solche Sensation in der Mathematik, und somit sprach man den Werken von Lobatschewski und Bolyai erst dann die entsprechende W¨urdigung zu, nachdem man nach Gauß‘ Tod in dessen Unterlagen ¨ahnliche Erkenntnisse zur M¨oglichkeit einer nicht- euklidischen Geometrie fand - ihm schenkte man durch seine große Bedeutung in vielen Bereichen der Mathematik jedes Vertrauen.

Heute sind sowohl die euklidische als auch die nicht-euklidische (sei es die hyperbolische oder die sph¨arische) Geometrie g¨ultige mathematische Modelle des uns umgebenden Raums. Coxeter stellt fest, dass

”[d]ie Frage, welche der beiden Geometrien wahr sei, bedeutungslos ist, und dass es praktisch unm¨oglich ist zu entscheiden, welche der beiden zur Beschreibung des astronomischen Raumes angemessener sei.“ [Cox63] Tats¨achlich ist es wohl nur eine Frage des individuellen Anspruchs und Blickwinkels - rein von der Anschaulichkeit ist sicherlich jeweils die euklidische Geometrie nicht zu schlagen, und daher beschr¨ankt man sich in der Schule auf sie. Repr¨asentativ ist es Coxeter wichtiger zu kl¨aren, ob die beiden Axiomensysteme in sich geschlossen logisch vertr¨aglich, also widerspruchsfrei sind.

(19)

2 Axiomatik

Geometrie basiert auf abstrakten und komplexen ¨Uberlegungen. Hilbert leitet seine Grundlagen der Geometriemit folgenden Worten ein:

”Die Geometrie bedarf - ebenso wie die Arithmetik - zu ihrem folgerichtigen Aufbau nur weniger und einfacher Grunds¨atze.

Diese Grunds¨atze heißen Axiome der Geometrie.“ Und aus diesen Axiomen sollen alle geometrischen S¨atze so abgeleitet werden, ”daß dabei die Bedeutung der verschiedenen Axiomgruppen und die Tragweite der aus den einzelnen Axiomen zu ziehenden Folge- rungen klar zutage tritt.“ [Hil30] Ein Kritikpunkt an Euklids Axiomensystem war die Angabe von Definitionen, denn diese

”gen¨ugen nicht der logischen Exaktheit.“ [Fil93]

Euklids Definitionen erfordern ihrerseits weitere Definitionen wie Teile, L¨ange, Enden, die nicht klar gefasst werden k¨onnen; sie beschreiben vielmehr als dass sie definieren.

Wie l¨asst sich diese Problematik jedoch l¨osen? Grundlegende Objekte oder Relationen m¨ussen definiert werden, denn

”[e]rst wenn einige Grundbegriffe zur Verf¨ugung stehen, kann die Definition anderer Objekte auf die bekannte Weise erfolgen.“ [Fil93] Wie diese

”Definition“ erfolgt, soll im Folgenden gekl¨art werden.

2.1 Was ist Axiomatik?

Sozusagen aus dem Nichts, also ohne auf klare und bekannte Begriffe zur¨uckzugreifen, Definitionen zu schaffen, erfolgt, indem man von den zu bestimmenden Objekten Ei- genschaften fordert,postuliert. Diese geometrischen Axiome k¨onnen von dem anwenden- den Mathematiker je nach Belieben frei gew¨ahlt werden; welche Kriterien erf¨ullt sein m¨ussen, wird im n¨achsten Abschnitt erkl¨art. Bei der Untersuchung geometrischer Gebil- de nimmt man sich zun¨achst zwei grundlegende Konzepte zur Hand, n¨amlich eine Menge von Punkten und eine Menge von Geraden; hierbei muss jedoch beachtet werden, dass es sich dabei lediglich umKonzepte, um Ideen, nicht aber um festgelegte Objekte handelt.

Diese beiden Mengen werden anhand eines Axiomensystems zueinander in Beziehung ge- bracht [Mil81]; erst dann nehmen die Elemente der Menge Gestalt an. Trudeau verwen-

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det den Begriffprimitive Terme, das sind die Grundbegriffe, die allem zugrunde liegen und ohne Beziehung mittels Axiomen inhaltsleer sind.Axiome sind Grundaussagen ¨uber die primitiven Terme, die diese erf¨ullen sollen und, f¨ur sich genommen, ebenfalls keine Bedeutung haben. Begriffe, die anhand der primitiven Terme definiert werden k¨onnen, heißendefinierte Terme;S¨atze oder Theoremewerden nun aus den Grundaussagen, den Axiomen, abgeleitet (deduziert) und bewiesen. [Tru98]

Beispiel: Die Objekte Punkte und Geraden k¨onnen mittels der folgenden Forderungen, Axiome, definiert werden.

Es existieren Punkte und Geraden; diese besitzen folgende Eigenschaften:

1. Geraden sind Mengen von Punkten.

2. Zwei voneinander verschiedene Geraden haben h¨ochstens einen gemeinsamen Punkt.

3. Zu zwei verschiedenen Punkten existiert genau eine Gerade, die diese beiden Punkte enth¨alt.

Der Grundgedanke bei der Betrachtung von Geometrie (oder besser gesagt, Geometrien), ist laut Prof. Linhart der Universit¨at Salzburg, dass man sich unter den Grundbegrif- fen wie

”Punkt“,

”Gerade“,

”Kreis“,

”rechter Winkel“ im Prinzip vorstellen kann was man will,

”solange nur die Axiome erf¨ullt sind“, denn diese Grundbegriffe sind

”nur durch die G¨ultigkeit der Axiome definiert.“ 1 Somit untersucht man also jeweils nur diejenigen Elemente aus Mengen, f¨ur die die zugrunde gelegten Axiome erf¨ullt sind. Da- bei wird keine Aussage dar¨uber getroffen, ob diese Axiome die reale Welt beschreiben oder ob es sich

”nur“ um ein Gedankenkonstrukt handelt. [Mil81] Hilbert ist derjenige, dem die neuartige Betrachtung von Axiomen zugesprochen wird. Kennedy zitiert Weyl, der Hilberts Herangehensweise als

”metageometrische Ebene“ bezeichnet, und empfin- det Hilberts Methodik als

”Konstruktion von Modellen.“ [Ken72] Denn die Betreibung von Geometrie erfolgt insbesondere im Schulunterricht anhand von Modellen; so ist die euklidische Zeichenebene ein zweidimensionales Modell mittels dessen euklidische Geo- metrie veranschaulicht werden kann; um die hyperbolische Ebene zu beschreiben behilft man sich h¨aufig der oberen Halbebene, die im Kapitel Hyperbolische Geometrie genauer vorgestellt werden soll. Wichtig im Umgang mit Modellen ist, dass sie den

”primiti- ven Begriffen“ ihre Abstraktheit nehmen und ihnen konkrete Formen verleihen; diese

1VorlesungGeometrieim SoSe 2008. Erh¨altlich unter http://www.sbg.ac.at/mat/staff/linhart/geom.pdf;

abgerufen am 07.09.2010.

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genaue Bestimmung ist jedoch modellspezifisch, es handelt sich dabei also nicht um allgemeing¨ultige Definitionen dieser Begriffe, sondern lediglich ummodellbezogene Inter- pretationen.

W¨ahlt man sich nun ein Axiomensystem aus, anhand dessen man Geometrie betreiben m¨ochte, so f¨allt die Wahl h¨aufig auf das durch Hilbert

”bereinigte“ Euklidische System.

Seit dem 19ten Jahrhundert ist allerdings bekannt, dass man auch eine andere Auswahl an Axiomen zugrunde legen kann, die ebenfalls zu reichhaltigen Theorien f¨uhren, die sich bedeutend von den euklidischen unterscheiden; insbesondere bietet sich da zum Bei- spiel die Alternative zu Euklids Parallelenpostulat an, die unter Einschluss der ¨ubrigen euklidischen Axiome zur hyperbolischen Geometrie f¨uhrt. [Mil81]

2.2 Was wird von einem axiomatischen System verlangt?

Nat¨urlich ergibt es wenig Sinn, v¨ollig willk¨urlich eine Sammlung von Axiomen aufzustel- len. So sollte man der Definition von Punkten und Geraden im oben genannten Beispiel nicht die Forderung hinzuf¨ugen, dass zwei Geraden sich mindestens zwei Mal schneiden;

das w¨urde dem 2.Axiom widersprechen. Hilbert fordert zun¨achst von einem Axiomen- system,

”[w]enn sich die willk¨urlich gesetzten Axiome nicht einander widersprechen mit s¨amtlichen Folgen, so sind sie wahr, so existieren die durch die Axiome definierten Dinge.

Das ist f¨ur mich das Criterium der Wahrheit und der Existenz.“ [Mes90]

Ein erstes Kriterium an ein Axiomensystem ist also Widerspruchslosigkeit. Dass sich die Axiome innerhalb eines Systems nicht widersprechen l¨asst sich durch Angabe eines Modells beweisen.

Ebenso wirdUnabh¨angigkeitvon einem Axiomensystem gefordert. Denn sobald eines der Axiome von einem oder mehreren anderen abh¨angt, handelt es sich nicht mehr um ein Axiom, sondern um ein Theorem oder einen Satz, zu dessen Beweis man die Grundlage der Axiome ben¨otigt. Die Axiome d¨urfen also jeweils nicht voneinander ableitbar sein, sondern m¨ussen f¨ur sich stehen.

Zuletzt muss vorausgesetzt werden, dass ein Axiomensystemeindeutig (bzw. vollst¨andig) ist. Das bedeutet, dass Modelle, auf die eine bestimmte Sammlung an Axiomen ange- wendet werden kann,

”im Wesentlichen gleich“ [Kn6] sein m¨ussen. Mathematisch ausge- dr¨uckt sollen die jeweiligen Beispieleisomorph zueinander sein. Dies wird gezeigt, indem man f¨ur die zu untersuchenden Beispielebenen eine bijektive Abbildung findet, mittels derer die eine Beispielebene in die andere Beispielebene abgebildet wird.

(22)

2.3 Synthetische vs. Analytische Methode

Uber einen langen Zeitraum hinweg, bedienten sich die Geometer der¨

”synthetischen Geometrie“, die auf einer axiomatischen Beweisf¨uhrung begr¨undet ist. Damit bezogen sie sich offensichtlich auf das euklidischen Axiomensystem, denn dieses stellte die Grund- lage der als gegeben zu nehmenden Tatsachen der Geometrie dar, die man somit zum Beweis komplizierterer S¨atze in der Geometrie verwenden durfte [Tru98].

Was jedoch heutzutage in der Oberstufe am Gymnasium gelehrt wird, unter dem Begriff

”algebraische Geometrie“, entspricht der von Ren´e Descartes im 17ten Jahrhundert ein- gef¨uhrten

”analytischen Geometrie“, was zu der falschen Annahme f¨uhren kann,

”analy- tisch“ und

”algebraisch“ seien Synonyme. Man sagt algebraisch, weil bei dieser Methode Geraden und Kreise mittels algebraischer Gleichungen dargestellt werden.2 Analytisch ist die Methode insofern, als dass gewissermaßen r¨uckw¨arts gearbeitet wird: die zu be- weisende Aussage wird

”in Teile zerlegt [...], die ihr logisch vorausgehen.“ [Tru98] Im Gegensatz dazu wird beim synthetischen Beweisendeduktiv vorgegangen: separate Ele- mente (also Axiome oder bereits bewiesene S¨atze) werdenzusammengef¨ugt und ergeben insgesamt die zu beweisende Aussage [Tru98].

Bei der analytischen Vorgehensweise bedient man sich der Verwendung von kartesischen Koordinaten; dies f¨uhrt in der weiteren Entwicklung zur Vektorrechnung, die eben- falls sehr gebr¨auchlich zur Vereinfachung und Vereinheitlichung analytischer Geome- trie geworden sind [Tru98]. Die Einf¨uhrung von Koordinatensystemen geht, wie bereits erw¨ahnt, auf den franz¨osischen Mathematiker Descartes zur¨uck - dessen

”mathemati- sche[r] Faulheit“ haben wir es zu verdanken, dass wir uns heute einem Schema bedienen d¨urfen,

”mit dem das Beweisen geometrischer S¨atze weniger strapazi¨os“ ist [Mlo02]. Ein Punkt der reellen Ebene soll verstanden werden als ein Paar (a, b) reeller Zahlen, au- ßerdem definiert man sich einen Abstandsbegriff (eine

”Metrik“), man beschreibt eine Bewegung mittels einer Funktionsvorschrift, etc. [Ben97]

Die analytische Methode ist also oftmals praktischer als die axiomatische Methode, da sie geometrische Aufgaben oder Probleme rechnerisch l¨ost; der Vorteil ist, dass ”beim analytischen Vorgehen [...] viele Beweise von gleicher Struktur [sind] - n¨amlich Rech- nen mit Koordinaten.“ [Kn6] Die axiomatische bzw. synthetische Methode hingegen soll ausschließlich auf den Axiomen basieren und es stellt eine nicht zu untersch¨atzende Schwierigkeit dar, sich von den anschaulichen Vorstellungen zu l¨osen, die geometrische

2

Die analytische Geometrie f¨uhrt jedes geometrische Problem auf ein algebraisches zur¨uck.“ [Wey66]

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Begriffe automatisch hervorrufen. Daf¨ur erlaubt die axiomatische Methode, ihre

”An- wendungsm¨oglichkeit [...] in außerordentlich weiten Grenzen zu erkennen.“ [Efi70]

Es ist von den Konventionen jahrelangen Gebrauchs in der Mathematik vorgegeben, in welcher Weise sich

”Punkte einer Ebene bez¨uglich eines vorgegebenen kartesischen Koordinatensystems durch zwei sie kennzeichnende Zahlena, b, oder besser x1, x2, dar- stellen lassen und sie damit in die Rechnungen eben genau als Elemente des R2 einge- hen.“ [Ben97] Benz erkl¨art im Folgenden, dass die Theorie des R2 n¨utzliche Werkzeuge f¨ur den Anwender sind, w¨ahrend der Theoretiker, der sich der axiomatischen Methode annimmt, nicht zu definieren braucht was ein anschaulich gegebener Punkt ist oder wie ein Koordinatensystem mit einerx1- und einerx2-Achse aussieht.

In der Schule wird das Koordinatensystem in der siebten Klasse eingef¨uhrt (zumindest an Gymnasien in Baden W¨urttemberg); bis dahin wird Geometrie ausschließlich auf axio- matischer Basis unterrichtet. Den Sch¨ulern ist dies nicht bewusst; die Axiome werden im Schulunterricht nicht ausdr¨ucklich formuliert, sondern als selbstverst¨andlich angenom- men. Erst mit zunehmender Erfahrung im Umgang der Sch¨uler mit mathematischen Inhalten werden sie an die analytische Methode herangef¨uhrt, welche zwar f¨ur Beweise letztendlich die leichtere ist; es muss jedoch erst die Querverbindung hergestellt werden zwischen Zahlen und geometrischen Gebilden.

2.4 Definierte Terme

Bevor wir zu der Vorstellung zweier Axiomensysteme, dem euklidischen und dem hy- perbolischen kommen, ist die Einf¨uhrung einiger Begriffe erforderlich, die sowohl in der euklidischen als auch in der hyperbolischen Geometrie gebraucht werden - je nach ver- wendetem Axiomensystem k¨onnen sie jedoch unterschiedliche Bedeutungen erhalten.

Man muss sich stets in Erinnerung bewahren, dass

”ein Axiomensystem ein wissen- schaftliches Instrument [ist], dessen Objekte unter Umst¨anden verschiedener Deutungen f¨ahig sind.“ [Mes90]

Was dann in der jeweiligen Ebene unter den Begriffen, angefangen beiPunkt uber¨ Linie, Gerade bis Winkel, genau verstanden wird, h¨angt von der Auswahl des Modells ab. Im Euklidischen liegt in dieser Ebene konventionell dieR2-Ebene zugrunde; f¨ur die Darstel- lung des Hyperbolischen habe ich das Halbebenenmodell nach Henri Poincar´e gew¨ahlt.

Diese werden in den jeweiligen Kapiteln vorgestellt.

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Definition 2.4.1. Zwei Punkte P und Q mitP 6=Q bestimmen eineGerade

Definition 2.4.2. Eine Strecke AB ist eine Teilmenge der Geraden durch A und B mit A und B als Endpunkten.

Definition 2.4.3. Ein PunktB liegt zwischen zwei PunktenA undC, fallsAB+BC= AC gilt sowieB von A und C verschieden ist.

AB+BC bedeutet, dass man an die Strecke AB die Strecke BC anlegt. Es kann nun eine StreckeABauch wie folgt beschreiben werden:ABenth¨alt alle Punkte der Geraden durch A undB, die zwischenAund B liegen sowie die PunkteA undB selbst.

In der folgenden Arbeit habe ich, je nach individueller Zweckm¨aßigkeit, Winkel entweder anhand von Punkten (z.B.BAC), Geraden (z.B.(g, h)) oder mithilfe von griechischen Kleinbuchstaben (z.b. α) bezeichnet (siehe Abbildung). Die jeweilige Bezeichnung soll nicht auf eine inhaltliche Bedeutung hinweisen.

Abbildung 2.1: Winkelbezeichnungen

Definition 2.4.4. Zwei Punkte P, Q liegen auf einer Seite einer Geraden g, wenn die sie verbindende StreckeP Qdie Gerade gnicht schneidet (also P Q∪g=∅). Dagegen liegt ein Punkr R auf der anderen Seite einer Geraden g als ein Punkt S, wenn die Verbindungsgerade von R und S die Gerade g in einem Punkt schneidet.

Definition 2.4.5. Schneidet eine Geradeg zwei Geraden h und h, so heißen die Win- kel (g, h) und (g, h) die auf derselben Seite von g und entweder beide oberhalb oder beide unterhalb von h bzw. h liegen, Stufenwinkel.

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AlsScheitelwinkelbezeichnet man diejenigen Winkel, die einander an zwei kreuzenden Geraden gegen¨uberliegen.

Liegen die Winkel auf unterschiedlichen Seiten von g und unterschiedlichen Seiten von h bzw. h, so heißen sie Wechselwinkel - sozusagen Scheitelwinkel zum Stufenwinkel.

Bei zwei sich schneidenden Geraden (z.B. g und h), bezeichnet man ein Paar benach- barter Winkel alsNebenwinkel.

Abbildung 2.2: Spezielle Winkel Definition 2.4.6.

”Wenn eine gerade Linie, auf eine gerade Linie gestellt, einander gleiche Nebenwinkel bildet, dann ist jeder der beiden gleichen Winkel ein Rechter.“

[Euk97] Wir verabreden außerdem, die Winkel immer

”in einem solchen Maß zu messen, daß der rechte Winkel gleich [90] wird.“ [Coxe63]

Die Festlegung, dass ein rechter Winkel 90 betragen soll, l¨asst sich f¨ur beide Ebe- nen vertreten, da die Winkelmessung sich gegenseitig entspricht. 90 soll dabei keine numerische Information beinhalten, sondern dient in gegebenen F¨allen lediglich einer einfacheren Ausdrucksweise.

Definition 2.4.7. Zwei Geraden g und h heißen senkrechtaufeinander, falls sie sich in einem Punkt O schneiden, und an diesem Punkt rechte Winkel miteinander bilden.

Man schreibt dann g⊥h.

Definition 2.4.8. Sei P ein Punkt und g eine Gerade. Dann heißt eine Gerade h mit P ∈h und g⊥h Lot von P auf g, und der Punkt Q mit {Q}=g∩h heißt Fußpunkt dieses Lotes.

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Definition 2.4.9. Eine Gerade mAB heißt Mittelsenkrechte einer Strecke AB, falls mAB den Mittelpunkt von AB enth¨alt und auf der Geraden durch A und B senkrecht steht.

Definition 2.4.10. AlsBewegungen werden Abbildungen der Ebene auf sich bezeich- net, die Abst¨ande beliebiger Punktepaare unver¨andert lassen.

Eine wichtige Eigenschaft von Bewegungen ist, dass es sich bei Bewegungen um bijektive Abbildungen handelt, die Winkel erh¨alt; schlussendlich ist die Menge aller Bewegungen eine Gruppe.

Definition 2.4.11. FallsA, B, C drei Punkte sind, die nicht auf einer Geraden liegen, so heißt die Punktmenge, die aus den PunktenA, B undC sowie den StreckenAB, AC und BC besteht,Dreieck ABC.A, B und C heißen dannEckpunkte, undAB=c, AC =b und BC = a sind die Seiten des Dreiecks. Des Weiteren bezeichnet α = CAB den Winkel bei dem PunktA,β =ABC den Winkel anB und γ =BCAden Winkel an C.

Definition 2.4.12. DerWinkeldefekt in einem Dreieck betr¨agt 180−(α+β+γ).

Anmerkung: In der euklidischen Ebene ist dieser Defekt = 0 und daher eine irrelevante Gr¨oße. Dagegen ist die Winkelsumme im hyperbolischen Dreieck immer < 180, daher wird der Defekt definitiv>0.

W¨ahrend wir nun also konkrete Vorstellungen davon haben, wie sich diese Definitionen in der euklidischen Ebene, wie wir sie kennen, veranschaulichen lassen, so m¨ussen wir uns f¨ur die hyperbolische Ebene erst ein entsprechendes Modell einpr¨agen:

”Poincar´e ersetz- te die abstrakten Begriffe

”Gerade“ und

”Ebene“ durch konkrete Gebilde wie Kurven, Oberfl¨achen oder sogar K¨orper und formulierte die Axiome der hyperbolischen Geometrie mit diesen neuen Begriffen. Das ist erlaubt, solange nur die Bedeutungen, die den Be- griffen von den Postulaten zugewiesen werden, genau definiert und in sich schl¨ussig sind.

Man k¨onnte beispielsweise den Nicht-Euklidischen Raum als die Oberfl¨ache eines Zebras darstellen und dabei die Haarwurzeln Punkte und die Streifen Geraden nennen - man muss nur die Axiome widerspruchsfrei ¨ubertragen. Angewandt auf die Zebraoberfl¨ache w¨urde das erste Postulat Euklids lauten:

”Gefordert soll sein, dass man von jeder Haar- wurzel zu jeder anderen Haarwurzel den Abschnitt eines Streifens legen kann...“ [Mlo02]

Geometrie mithilfe des Musters eines Zebrafells zu betreiben ist nun nicht unbedingt die

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herk¨ommlichste Methode (zweifelhaft, ob das Fell eines Zebras tats¨achlich den hyperbo- lischen Axiomen entsprechen kann) - die tats¨achliche Durchf¨uhrung ist aber auch nicht der entscheidende Punkt in Mlodinows Aussage. Es geht lediglich darum zu verdeutli- chen, dass man theoretisch wirklich viel Spielraum in der Wahl eines Modells hat (dies gilt f¨ur die euklidische genauso wie f¨ur die hyperbolische Ebene); wichtig ist im Grunde nur, dass die zugrunde gelegten Axiome darauf gelten.

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3 Geometrie in der Schule

Wie konnte es geschehen, dass diejenige Geometrie, die ¨uber zwei Jahrtausende lang als der Weisheit letzter Schluss galt, auf einmal Konkurrenz bekam? Es stellte sich die Frage, ob die Lehre Euklids nun, da sie zumindest nicht mehr allgemein g¨ultig war in der Mathematik, als hoffnungslos veraltet abgehakt werden m¨usse. Ist dies ein Beispiel daf¨ur, wie Wissen durch den Fortschritt der Wissenschaften ¨uberholt und zunichte ge- macht wird?

Offensichtlich kann diese Frage verneint werden. Denn auch heute stellt die euklidische Geometrie noch die Grundlage der in der Schule gelehrten und angewendeten Gemetrie dar, obgleich sich die Sch¨uler dessen nicht explizit bewusst sind.

Ist es nun sinnvoll, hyperbolische Geometrie im Mathematikunterricht vorzustellen, wo doch viele bereits mit der anschaulichen euklidischen Geometrie Schwierigkeiten haben?

K¨onnen Sch¨uler im Allgemeinen etwas verstehen, das sie sich nur unter gr¨oßerer Anstren- gung vorstellen k¨onnen? Dar¨uber vermag der einzelne selbst entscheiden; jedoch ist es durchaus m¨oglich, die Inhalte der hyperbolischen Geometrie auf eine Weise darzustellen, dass Sch¨ulern ein verst¨andlicher Zugang geboten werden kann, der ihr Interesse und ihre Wissbegier weckt.

3.1 Hyperbolische Geometrie in der Schule?

Jeder Lehrer muß notwendig etwas von der Nichteuklidischen Geometrie kennen; denn sie geh¨ort nun einmal zu den wenigen Teilen der Mathematik, die zumindest in einzel- nen Schlagworten in weiteren Kreisen bekannt geworden ist; nach ihr kann daher jeder Lehrer jeden Moment gefragt werden.[Kle68]

Dieses Zitat stammt von Felix Klein, einem deutschen Mathematiker des sp¨ateren 19.

Jahrhunderts, der einigen Beitrag zur hyperbolischen Geometrie geleistet hat. Nun ist seine Auffassung dar¨uber, dass jeder Mensch auf jeden Fall mit der hyperbolischen Geo-

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metrie konfrontiert werden sollte, sicherlich nicht mehr richtig zeitgem¨aß. An deutschen Gymnasien hat die hyperbolische Geometrie nach wie vor keinen festen Platz im Lehr- plan. Klein lebte eben in genau der Zeit, in der gerade die Vorstellung zerst¨ort worden war, dass die Axiome Euklids einen unver¨anderlichen Rahmen f¨ur unsere Raumvorstel- lung bilden; er befand sich also mitten in der

”geometrischen Revolution“, und konn- te sicher die Neuheit des geometrischen Denkens kaum genug lobpreisen. Heute hat man einen klareren ¨Uberblick dar¨uber, dass es f¨ur ein grundlegendes Verst¨andnis von Geometrie vollkommen ausreicht, sich auf die Behandlung der euklidischen Geometrie zu beschr¨anken; die hyperbolische Geometrie w¨are h¨ochstens ein Spezialgebiet, ein i- T¨upfelchen sozusagen, das man Sch¨ulern pr¨asentieren kann.

Das heißt aber nicht, dass es keine M¨oglichkeiten gibt, die an sich komplexe hyperbolische Geometrie auf vereinfachte Weise darzustellen, dass sie durchaus auch von denjenigen Sch¨ulern eingesehen werden kann, denen h¨ohere Mathematik eigentlich sehr fern liegt.

Abgesehen von den drei ber¨uhmten Modellen der hyperbolischen Geometrie, namentlich dem Poincar´e’schen Scheibenmodell, dem Poincar´e’schen Halbebenenmodell und dem Scheibenmodell nach Klein und Beltrami, findet man oft auch eine stark vereinfachte Darstellung hyperbolischer Parallelen, anhand derer man sich der Erfassung dieser Geo- metrie, die man sich nicht ganz ohne weiteres vorstellen kann, erarbeiten kann. Besonders in amerikanischen Lehrb¨uchern, die oft auch an Collegesch¨uler1gerichtet sind, st¨oßt man zun¨achst auf die nun folgende Ann¨aherung an die hyperbolische Geometrie.2

3.1.1 Hyperbolische Geometrie, leicht gemacht

Sch¨ulern, deren mathematisches Verst¨andnis gerade in der Geometrie h¨aufig auf Vor- stellbarkeit oder am besten auf handfesten Zeichnungen basiert, w¨are die hyperbolische Geometrie sicher zun¨achst recht schwer nahezubringen, da man sich hier von alteingeses-

1Amerikanische Colleges entsprechen in diesem Fall wohl am ehesten den deutschen Fachhochschulen;

meistens sind weiterf¨uhrende Hochschulen damit gemeint, an denen der Abschluss des Bachelor erlangt werden kann. Es ist jedoch anzumerken, dass die Amerikaner noch recht jung sind wenn sie mit dem College beginnen - Zielgruppe der Collegeb¨ucher w¨aren in etwa die 18 bis 22j¨ahrigen.

2Beispiele hierf¨ur sind Eves,College Geometry, in dessen Einleitung Howard Eves anspricht dass Lehrer durch Vermittlung nichteuklidischer Geometrie versuchen sollten, die Schulgeometrie von der Flaute ihrer momentanten

Notlage“ zu retten und ihr etwas der ihr zueigenen

Romantik, Sch¨onheit und Spannung“ zur¨uckzugeben [Eve95], oder Trudeau,Die geometrische Revolution

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senen Handhabungen l¨osen muss. Dass es zu einer Geraden mehr als eine Parallele geben soll, die aber alle durch einen bestimmten Punkt, der nicht auf der Geraden liegt, gehen sollen - das erscheint zun¨achst unm¨oglich, lernten wir doch, dass es zu einem gegebenen Punkt und eine gegebene Gerade genau eine Parallele gibt, die durch den Punkt geht.

Behutsam k¨onnte man mit der Pr¨asentation dieses stark vereinfachten Bildes vorgehen:

Betrachten wir also eine LinieAB und einen PunktP, der nicht auf AB liegt.

Abbildung 3.1: Parallele Linien

Die Geraden CD und EF sind beide parallel zu AB, was zun¨achst wie eine Falschaus- sage wirkt. Intuitiv w¨urde man nat¨urlich sagen, dassAB undEF sich bei ausreichender Verl¨angerung beider Geraden recht bald schneiden w¨urden; doch es handelt sich ja nach wie vor um ein Modell, und wir m¨ussen uns von unserer euklidischen Denkweise ein we- nig verabschieden. Tats¨achlich schneiden sich die beiden Geraden in dieser Abbildung ja nicht; wir k¨onnen also nicht einfach davon ausgehen dass sie es irgendwann tun werden.

W¨urden wir den Winkel DP F extrem verkleinern, sagen wir dass er lediglich noch 0,000000005 betr¨agt. Dann w¨are von der Neigung der Gerade EF kaum noch etwas zu sehen, laut dem bloßen Auge w¨aren die Geraden AB und EF auch im euklidischen Sinne parallel obwohl sie es tats¨achlich gar nicht sind - jedenfalls eben nicht im Euklidi- schen. [Tru98]

Ein erster Schritt in der Ann¨aherung an die hyperbolische Geometrie ist es also, sich von

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der bisherigen Definition des Begriffes

”parallel“ zu l¨osen; w¨ahrend im Euklidischen”par- allel“ bedeutet, dass zwei Geraden sich nicht schneiden und ¨uberall denselben Abstand voneinander haben, so wird in der hyperbolischen Geometrie unterschieden zwischen zwei Arten von Parallelit¨at: Betrachten wir eine Geradel, so nennt man diejenigen Ge- raden (wir werden sehen, dass es derer immer genau zwei gibt), die l gerade so noch nicht schneiden, asymptotische Geraden; alle anderen Geraden, die l nicht schneiden, heißen ultraparallele oder divergierende Geraden. Zu jeder Geraden gibt es unendlich viele ultraparallele Geraden. Betrachten wir hierzu eine Gerade l und einen Punkt P, der nicht auf l liegt. Wir zeichnen zun¨achst wiederum das Lot p von P aus auf l. Sei nunx eine Gerade durchP, die l nicht schneidet; dabei sei der Winkel, den x und P B bilden so klein wie es nur geht so dassx und lsich gerade so noch nicht schneiden.

Definition 3.1.1. Der Winkel, den das von einem PunktP aus auf eine Geradelgef¨allte Lotpmit einer zulasymptotischen Parallelenxeinschließt, heißtParallelwinkel Π(p);

er h¨angt ab von der L¨ange von p (und zwar ist Π(p) umso kleiner, je gr¨oßer p ist).

Tr¨agt man diesen Winkel auf derxgegen¨uber liegenden Seite vonpein weiteres Mal ab, so erh¨alt man die Gerade y, die ebenfalls l gerade noch nicht schneidet; die Geraden x und y sind dann die beiden asymptotisch parallelen Geraden zul.

Abbildung 3.2: Asymptotisch parallele Geraden und der zugeh¨orige Parallelwinkel Alle Geraden durch P, die innerhalb des Winkels, den x und y miteinander bilden, eintreten, sind ultraparallel zu l.

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Satz 3.1.2. Die asymptotischen Parallelen durch einen Punkt bilden gleiche und spitze Winkel mit der Senkrechten von dem Punkt auf die Gerade.

Zum Beweis sei verwiesen auf Trudeau, S.209 ff.

Satz 3.1.3. Der ParallelwinkelΠ(p) h¨angt ab von der L¨ange vonp: Es gilt (a)p < p ⇔Π(p)<Π(p).

(b)p∼=p ⇔Π(p)≃Π(p).

Auch dieser Satz soll an dieser Stelle unbewiesen bleiben; der geneigte Leser findet den Beweis in Hartshorne, S.375.

Anhand dieses Modells lassen sich viele in der hyperbolischen Ebene g¨ultigen S¨atze recht anschaulich beweisen; f¨ur eine analytische Betrachtung jedoch w¨are es ungeeignet. In die- ser Arbeit dient es lediglich zur Demonstration, wie oben erw¨ahnte Collegeb¨ucher ihren Lesern (also im Idealfall Collegesch¨ulern) einen oberfl¨achlichen Einblick in die hyperbo- lische Geometrie bieten.

Es ist nach meiner pers¨onlichen Einsch¨atzung eher unwahrscheinlich, dass die hyperbo- lische (oder ¨uberhaupt die nichteuklidische) Geometrie Einzug in den Mathematikunter- richt finden wird. Zu fern ist sie dem, was der bestehende Lehrplan f¨ur die geometrischen Inhalte innerhalb der acht Jahre am Gymnasium vorsieht. Ich finde jedoch, dass man es sich als Lehrer zumindest zur Aufgabe machen sollte, Sch¨ulern zu vermitteln dass es in der Arbeit mit Geometrie nicht im eigentlichen darum geht, das Volumen eines Zylinders oder die H¨ohe eines Dreiecks berechnen zu k¨onnen. Der Sch¨ulermotivation w¨are es sicher dienlich wenn sie verst¨unden, dass ihre euklidische Geometrie, in der sie so sch¨on rech- nen k¨onnen, auf Festlegungen aufgebaut ist, die zun¨achst getroffen werden m¨ussen. Denn dieses Verst¨andnis w¨urde offenbaren, dass die Geometrie keineswegs eine abgeschlosse- ne Wissenschaft ist, in der die interessantesten Dinge bereits erkannt und abgehandelt worden sind. Vielmehr ist zu erwarten, dass es im Laufe der Zeit immer mehr und im- mer aufregendere Schl¨usse ¨uber Geometrie und ihren Bezug zur Beschaffenheit der Welt geben wird.

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4 Euklidische Geometrie

Ein Blick in die Schulmathematik zeigt, dass die euklidische Geometrie auch heute ge- lehrt und angewandt wird - sie hat den Status einer von vielen Raumformen, die sich durch ihre Einfachheit auszeichnet. Sie ist ein trivialer Fall der zwei- und dreidimen- sionalen Geometrie. Doch was beinhaltet der Ausdruck

”Geometrie in der euklidischen Ebene“ eigentlich? Dies soll im folgenden Kapitel gekl¨art werden.

Definition 4.0.4. Die Euklidische Ebene setzt sich zusammen aus einer Menge E (¨ublicherweise, aber nicht zwingend, die Menge der Punkte der Ebene), einem System G von Teilmengen von E(die in der Ebene liegenden Geraden), einer Teilmenge Z von E×E×E (diejenigen Punktetripel (A,B,C), bei denen B zwischen A und C auf einer Geraden liegt), einer ¨Aquivalenzrelation ∼= auf der Menge E×E (diejenigen Strecken in der Ebene, die zueinander kongruent sind), und einer ¨Aquivalenzrelationauf der Menge {(P,Q,R) ∈E×E×E : es gibt keine Gerade g mit P,Q,R ∈g} (Kongruenz der sich ergebenden Winkel wenn P,Q und R nicht auf einer Geraden liegen).

Dieses 5-Tupel, das aus (E,G,Z,∼=,≃) besteht und die Axiome der Euklidischen Geome- trie erf¨ullt, bildet die Euklidische Ebene.

4.1 Axiome der Euklidischen Geometrie

Wie bereits erw¨ahnt orientiert sich die euklidische Geometrie heutzutage weitgehend an Hilberts Axiomensystem. In seiner Einleitung schreibt Hilbert:

”Die vorliegende Untersu- chung ist ein neuer Versuch, f¨ur die Geometrie ein vollst¨andiges und m¨oglichst einfaches System von Axiomen aufzustellen...“ Er teilte seine Axiome in f¨unf Gruppen; diese sollen im Folgenden vorgestellt werden.

4.1.1 Inzidenzaxiome

Die Inzidensaxiome werden auch als Axiome der Verkn¨upfung bezeichnet.

(34)

(I1) Durch je zwei verschiedene Punkte geht genau eine Gerade.

∀P, Q∈E: [P 6=Q⇒(∃!g∈ G:P ∈g∧Q∈g)]. (4.1)

(I2) Jede Gerade enth¨alt mindestens zwei voneinander verschiedene Punkte.

∀g∈ G ∃ P, Q∈g:P 6=Q. (4.2)

(I3) Es gibt drei Punkte, die nicht alle auf einer Geraden liegen.

∃P, Q, R∈E: [∀g∈ G: (P, Q∈g⇒R /∈g)]. (4.3) Die Formulierung der Axiome ist hier zun¨achst w¨ortlich, dann in mengentheoretischer Schreibweise erfolgt.

4.1.2 Axiome der Lage

Die Axiome der Lage werden auch Anordnungsaxiome genannt.

(L1) Liegt ein PunktQzwischen zwei Punkten P undR, so sindP, Q, R drei verschie- dene Punkte einer Geraden, undQliegt dann auch zwischen R und Q.

(L2) Zu zwei PunktenP undR gibt es stets mindestens einen PunktQauf der Geraden durch P und R, so dass R zwischen P und Qliegt.

(L3) Unter irgend drei Punkten einer Geraden gibt es genau einen, der der zwischen den beiden anderen liegt.

(L4a) Ist g∈ G, und liegen von drei Punkten P, Q, R sowohl P und Q als auch Q und R auf derselben Seite vong, so liegen auchP undR auf derselben Seite vong.

(L4b) Istg∈ G, und liegen von drei Punkten P, Q, Rweder P undQnochQundR auf derselben Seite vong, so liegenP und R auf derselben Seite vong.

Mit anderen Worten teilt eine Gerade g die Ebene in zwei Gebiete Σg und Σg, die

”Halbebenen“ genannt werden; zwei Punkte P und Q liegen genau dann in derselben Halbebene, wenn sie auf derselben Seite vong liegen.

(35)

4.1.3 Kongruenzaxiome

Definition 4.1.1. Nach (I1) gibt es f¨ur zwei PunkteP und Qgenau eine Geradeg, die durch diese beiden Punkte gehen. DerStrahl S(P, Q) von P aus in Richtung Q sei die Teilmenge von Punkten auf g, die durch den Punkt P begrenzt wird, sich aber ¨uber den Punkt Q hinaus erstreckt.

S(P, Q) :={X ∈g|X =P oder X=Q oder (P, X, Q)∈ Z oder (P, Q, X)∈ Z}

(4.4) Definition 4.1.2. Seien AB und CD Strecken, und S(A, B) der von A ausgehende Strahl durch B. Ist E der eindeutig bestimmte Punkt auf S(A, B) so dass BE ∼= CD, dann heißt AE die Summe von AB und CD: AE :=AB+CD.

(K1) Seien P, Q Punkte und S(R, T) ein Strahl mit Anfangspunkt R. Dann existiert genau ein Punkt P auf dem Strahl S(R, T), so dass die Strecken P Q und RP kongruent sind (in Zeichen:P Q∼=RP).

(K2) F¨ur je zwei Punkte P und QgiltP Q∼=QP. (Symmetrie der Streckenkongruenz) (K3) Seien P Qund QR zwei Strecken auf einer Geradeg, wobeiQ zwischen P und R liegt, und PQ und QR zwei Strecken auf einer Geraden g, wobei Q zwischen P und R liegt, und ist P Q ∼= PQ und QR ∼= QR, so ist auch P R ∼= PR. (Additivit¨at der Streckenkongruenz)

(K4) Seien P, Q, Rdrei verschiedene Punkte, die nicht auf einer Geraden liegen. Dann giltP QR≃RQP. Des weiteren gilt P QR≃PQR f¨ur irgend zwei vonQ verschiedene PunkteP ∈S(Q, P) und R∈S(Q, R).

(K5) SindP, Q, R, X, P 6=Q Punkte ausE, so dass die PunkteP, Q, Rnicht auf einer Geraden liegen und X nicht auf der Geraden durch P und Q liegt, so gibt es genau einen von Q ausgehenden Strahl S, so dass f¨ur alle Punkte R von S, die von Q verschieden sind, P QR ≃ PQR ist und R auf derselben Seite der Geraden durchP und Q liegt wie X.

(K6) SindP, Q, R, P, Q, RPunkte ausE, so dass wederP, QundRnochP, Q undR auf einer Geraden liegen, und giltP Q∼=PQ,QR∼=QRundP QR≃PQR, so gilt auch P R ∼= PR, QP R ≃ QPR und QRP ≃ QRP. (Dieses Axiom besagt, dass zwei Dreiecke genau dann kongruent sind, wenn zwei ihrer

(36)

Seiten und der eingeschlossene Winkel kongruent sind. In der Schule lernt man diesen Satz als Kongruenzsatz

”sws“.) 4.1.4 Stetigkeitsaxiome

Hilbert formulierte zwei Stetigkeitsaxiome, von denen ersteres auch als Archimedisches Axiom, letzteres als Dedekind´sches Axiom bekannt ist.

(S1) Zu zwei beliebigen StreckenP QundR0T0 gibt es stets eine nat¨urliche Zahln≥1 und Punkte R1, R2, ..., Rnso dass gilt:

1. Die Punkte liegen auf dem StrahlS(R0, T0), 2. P Q∼=RiRi+1 ∀i= 0, ..., n−1,

3. Ri liegt zwischenRi1 und Ri+1 ∀i= 1, ..., n−1, 4. T0 liegt zwischenR0 und Rn.

(S2) Sind alle Punkte einer Geraden so in zwei nichtleere disjunkte Teilmengen einge- teilt, dass zwischen zwei Punkten aus ein und derselben Teilmenge kein Punkt der anderen Teilmenge liegt, so gibt es einen eindeutig bestimmten Punkt Q, der auf jeder Strecke liegt, deren Endpunkte verschiedenen Teilmengen angeh¨oren.

4.1.5 Parallelenaxiom

Schließlich geh¨ort das Parallelenaxiom, welches ja den entscheidenden Unterschied der euklidischen zur nichteuklidischen Geometrie ausmacht, zu Hilberts Axiomensystem da- zu. Seine Formulierung lautet:

(P) Es sei a eine beliebige Gerade und A ein Punkt außerhalb a: dann gibt es in der durchaund Abestimmten Ebene h¨ochstens eine Gerade, die durchA l¨auft unda nicht schneidet.

Hilbert schließt als Erkl¨arung an, dass das Parallelenaxiom (P) in Kombination mit den vorhergehenden Axiomen zur Folge hat, dass es in einer durch diese Axiome bestimmten Ebene zu einer Geraden durch einen nicht auf ihr liegenden Punkt genau eine Parallele gibt:

”Nach dem Vorhergehenden und auf Grund des Parallelenaxioms erkennen wir, daß es in der durcha undA bestimmten Ebene eine und nur eine Gerade gibt, die durch A

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