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Frommelt, Christian (2020): Solidarisch ja – aber mit wem? Gastkommentar. Lie-Zeit Nr. 91, Dezember 2020.

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Academic year: 2022

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12/2020

Seit Beginn der Corona-Krise ist das Gebot der Solidarität allge- genwärtig. Solidarität lässt sich nur schwer defi nieren und doch wissen wohl alle intuitiv, was damit gemeint ist. Einfach aus- gedrückt bezeichnet Solidarität die wechselseitige Verpfl ichtung, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu helfen. Sie wird in vielen Kontexten geübt, sei es in der Familie, in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis, also dort, wo ein Gefühl der Zugehörigkeit vorliegt.

Ein typischer Ort der Solidarität ist auch der Nationalstaat, was sich z. B. an der hohen Akzeptanz von wohlfahrtsstaatlichen Umvertei- lungssystemen zeigt. Auch in der Corona-Krise wird Solidari- tät meist als Solidarität innerhalb der nationalstaatlichen Grenzen aufgefasst. Gleichwohl hat der Landtag bereits früh eine Petition des Netzwerks für Entwicklungs- zusammenarbeit zur Aufstockung der humanitären Hilfe in ärmeren Ländern aufgrund der Coro- na-Pandemie unterstützt. Dieses Bekenntnis zur Solidarität im Rah- men der internationalen humani- tären Zusammenarbeit wurde von der Regierung seither mehrfach bekräftigt.

Europäische Solidarität

Als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) kennt Liechtenstein auch eine europä-

ische Solidarität. Das wichtigste Beispiel hierfür ist der EWR-Finan- zierungsmechanismus, welcher einen gemeinsamen Beitrag der drei EWR/EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit zwi- schen den EWR-Staaten darstellt.

Beitragsempfänger sind jene 15 EU-Staaten, deren Bruttonatio- naleinkommen pro Kopf unter 90 Prozent des EU-Durchschnitts liegt. Für die Periode 2014–2021 liegt Liechtensteins Beitrag zum EWR-Finanzierungsmechanis- mus bei ca. 2,3 Millionen Euro pro Jahr.

Die Notwendigkeit eines solchen Finanzierungsmechanismus ist in Liechtenstein unbestritten. Al- lerdings war die Regierung stets darauf bedacht, dass die Beiträge möglichst gering ausfallen. Ent- sprechend intensiv sind jeweils die Verhandlungen mit der EU. Auch in anderen Kontexten zeigt sich Liechtenstein nur bedingt solida- risch mit seinen EWR-Partnern.

So nimmt es z. B. vor allem dann an EU-Programmen teil, wenn es sich selbst einen direkten Profi t verspricht. Eine Teilnahme am EU-Forschungsprogramm Hori- zon Europe, über welches künftig wohl auch etliche Forschungspro- jekte zur Corona-Pandemie fi nan- ziert werden, wurde dem Landtag unter Verweis auf die geringen zu erwartenden Rückfl üsse gar nicht erst vorgelegt.

Verlässlich engagiert solidarisch

Auch die Beiträge im Rahmen des EWR-Finanzierungsmechanismus können letztlich als eine sehr be- rechnende Form der Solidarität gedeutet werden. So lässt sich der EWR-Finanzierungsmechanismus primär als Preis für den Eintritt in den europäischen Binnenmarkt verstehen. Es geht dabei also mehr darum, eine Forderung der EU zu erfüllen, als originäre So- lidarität zu zeigen. Da in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum ein starkes Wohlstandsgefälle für wohlhabende Staaten Probleme mit sich bringen kann, ist es da- rüber hinaus durchaus rational, durch Transfers und Investitionen die Prosperität von weniger wohl- habenden Staaten zu fördern. Eu- ropäische Solidarität basiert somit in Liechtenstein weitgehend auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung statt auf dem Gefühl der Verbun- denheit – sprich: einer europäi- schen Identität.

Für einen Kleinststaat mit gerin- gen personellen Ressourcen und einer eingeschränkten medizi- nischen Infrastruktur sind in der Corona-Krise fi nanzielle Mittel das einzige Instrument, um im europäischen Kontext Solidarität zu zeigen. Angesichts der wach- senden wirtschaftlichen Kluft zwi- schen den europäischen Staaten wird der Druck auf Liechtenstein, sich fi nanziell stärker für die eu- ropäische Zusammenarbeit zu engagieren, in den kommenden Jahren steigen. Bleibt zu hoffen, dass Liechtenstein sich dabei an die Grundsätze seiner Aussenpo- litik erinnert und die proklamierte Trias «verlässlich engagiert solida- risch» auch gegenüber den euro- päischen Partnern gelebt wird.

Solidarisch ja – aber mit wem?

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DR. CHRISTIAN FROMMELT, Direktor und Forschungsbeauftragter Politik am Liechtenstein-Institut

GASTKOMMENTAR

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ropäische Solidarität basiert somit in Liechtenstein weitgehend auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung statt auf dem Gefühl der Verbun- denheit – sprich: einer europäi-

DR. CHRISTIAN FROMMELT, Direktor und Forschungsbeauftragter Politik am Liechtenstein-Institut

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