• Keine Ergebnisse gefunden

Die große Müdigkeit

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Die große Müdigkeit"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

112 |IP • November/Dezember 2019

Positionen Brief aus … Maputo

Die große Müdig- keit In der ost- afrikanischen Metropole spie- gelt sich die Mise- re des Landes.

Von Leonie March

M

aputo wirkt müde. Die mosambikanische Haupt- stadt hatte zwar schon immer das Flair einer

„ Second-Hand-Metropole“ – momentan aber sieht die Stadt abgetragen aus wie lange nicht. Entlang der Ave- nidas stehen etliche Ladenlokale leer, die in Zeiten des Auf- schwungs Anfang des Jahrzehnts noch floriert hatten. Dafür ist die Zahl fliegender Händler wieder gestiegen.

Im Morgengrauen beobachte ich, wie eine alte Frau Oran- gen aus einem Wohnblock der sozialistischen Ära schleppt und mühsam einen kleinen Stand aufbaut. Dort sitzt sie bis zur Abenddämmerung, wartet auf Kundschaft, doch kaum jemand interessiert sich für ihre Orangen. Auf der anderen Seite des Bürgersteigs stochert ein zerlumpter Mann in einem Müllcontainer, findet ein paar Essensreste und verschlingt sie hungrig.

Korruption? „Krise“!

Jeder Tag ist ein Überlebenskampf. Schuld ist das, was vie- le Mosambikaner als „Krise“ bezeichnen, um das hässliche Wort „Korruption“ nicht in den Mund nehmen zu müssen.

Dieser Begriff wird in der Öffentlichkeit gemieden – die Oh- ren der Regierungspartei Frelimo seien überall, heißt es zur Begründung. Von Repressionen und Morddrohungen gegen Journalisten und zivilgesellschaftliche Aktivisten wird nur hinter vorgehaltener Hand berichtet.

Die aktuelle Krise geht auf das Jahr 2013 zurück: Drei halbstaatliche mosambikanische Firmen erhielten Kre- dite von über zwei Milliarden Dollar von der Credit Suisse und der russischen VTB Bank, angeblich für den Kauf von

(2)

IP • November/Dezember 2019 |113

Positionen Die große Müdigkeit

Leonie March

lebt und arbeitet seit 2009 als freie Korrespondentin unter anderem für Deutschlandfunk und Frankfurter Rundschau in Südafrika.

Partner betreibt sie in Maputo eine Möbelmanufaktur. Die Entlassungen sind bitter für das Gründerpaar. Denn viele dieser Mitarbeiter hatten sie praktisch von der Straße geholt, ausgebildet und eingestellt. Die Krise aber ließe ihnen keine Wahl. „Wir haben wesentlich weniger Aufträge als früher.

Möbel sind Luxus, und den kann sich momentan kaum je- mand leisten.“ Zwar gebe es Anzeichen, dass sich die Situ- ation langsam wieder verbessere, meint Guambe. Aber zum Aufatmen sei es zu früh.

Jagd auf ein bisschen Wohlstand

Gespannte Unruhe zeigt auch ein Bekannter, der für eine Nichtregierungsorganisation in Maputo arbeitet und mit dem ich am späten Abend in seinem Auto unterwegs bin. „Nicht auch noch die“, zischt er durch die Zähne, als er den Poli- zeiwagen sieht. Mit Gewehren bewaffnete Polizisten sitzen auf der Ladefläche. Ein martialischer Anblick, der in Maputo zum Alltag gehört. „Freitagabend und das Wochenende sind Haupt-Jagdsaison der Polizei“, meint er zynisch. Bevor er mehr erzählt, lässt er sich nochmals versprechen, dass ich seinen Namen nicht veröffentlichen werde.

Jagd machten die Beamten auf jeden, dessen Auto nach ein bisschen Wohlstand aussehe. Mit fadenscheiniger Be- gründung werde ein Bußgeld verlangt, das an Ort und Stelle bezahlt werden müsse. „So bereichern sich auch unsere klei- neren Staatsdiener hemmungslos selbst.“ Die Korruption sei wie eine metastasierende Krankheit, die schon alle Organe des Körpers befallen habe.

Wir fahren an der Catembe-Brücke vorbei. Hell erleuchtet gehört sie seit der feierlichen Eröffnung vor einem Jahr zu Maputos neuer Skyline. Doch als Lichtblick empfindet sie kaum einer der Einwohner. Den Bürgern auf beiden Seiten der Bucht bringe sie wenig, weil die Mautgebühren zu hoch seien, heißt es in einer Petition an das Parlament. „Die Brü- cke ist nur ein Prestigeobjekt“, meint auch mein Bekannter.

Gebaut von einem chinesischen Konsortium, mit Krediten zu satten Zinsraten. Als könne sich Mosambik neue Schulden leisten. Es ist kein Wunder, dass die Einheimischen all dessen so unendlich müde sind.

Patrouillenbooten und den Aufbau einer Thunfischflotte. Stattdessen versickerte ein großer Teil der Summe, Verantwortli- che mehrerer Ministerien und des Geheim- diensts profitierten. Es war ein heimlicher Deal am Parlament und internationalen Ge- bern vorbei, gestützt mit illegalen Staatsga- rantien. Erst drei Jahre später flog der Skan- dal durch Medienberichte auf. Daraufhin stürzte der Kurs des mosambikanischen Metical ab, die Staatsverschuldung schnell- te in die Höhe. Internationale Budget- und Entwicklungshilfe, die einen stattlichen Teil des Staatshaushalts ausgemacht hatte, wurde größtenteils eingefroren.

Ein einsamer Kunde

„Wieder einmal zahlen wir Bürger die Ze- che“, echauffiert sich Zeca Cossa. Unweit der Statue von Frelimo-Gründer Eduardo Mondlane betreibt er eine kleine „ barraca“, serviert Snacks und Drinks aus einem um- gebauten Schiffscontainer. Obwohl es ein Freitagabend ist, sitzt nur ein einsamer Kunde dort, sein Blick so trüb wie sein Bier. „Das Leben ist noch schwieriger ge- worden“, fährt Cossa fort. Viele seiner ehe- maligen Kunden könnten sich kaum mehr Lebensmittel leisten.

Die Preise sind gestiegen, die Haus- haltseinkommen geschrumpft. Cossa kennt etliche Leute, die ihren Job verloren haben. Er selbst komme zwar noch über die Runden, erzählt er, aber die Zukunft sei- ner Kinder bereite ihm Sorgen, „wenn die Regierung nicht aufhört zu klauen“. Demo- kratie sei mehr als Wahlen alle paar Jahre.

Selbst ein Machtwechsel bedeute nicht un- bedingt einen Neuanfang. Darüber könn- ten auch vollmundige Versprechen einer schonungslosen Korruptionsbekämpfung nicht hinwegtäuschen.

„Wie viele andere mussten auch wir Mitarbeiter entlassen“, erzählt Nelsa Gu- ambe wenig später. Gemeinsam mit ihrem

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Anschrift für alle: Parkallee 84/86, 20144 Hamburg. Preußische Allgemei- ne Zeitung/Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ost- preußen und

„Heimatweh“ an mindestens zwölf Stationen in der Bundesrepu- blik zeigen. In einem großen Bogen umreißt diese Trilogie im Ausstellungs- teil „Die Gerufenen“ die

bistum-muenster.de) sowie auf der Homepage des Offizialates (www.offizialat-vechta.de) eine Plattform eingerichtet, auf der diese Angebote auch verlinkt und damit einem breiteren

bistum-muenster.de) sowie auf der Homepage des Offizialates (www.offizialat-vechta.de) eine Plattform eingerichtet, auf der diese Angebote auch verlinkt und damit einem breiteren

NIEDERRHEIN. Die Hand- werkskammer Düsseldorf hat ihre Geschäftsstelle bis 19. April für den Publikumsverkehr ge- schlossen. Sämtliche Beratungen oder Antragsstellungen finden

Kennen Sie diese Aussagen auch? Gerade deswegen suchen immer mehr Betroffene nach neuen Lösungen und Möglichkeiten, ohne Chemie oder andere belasten- de Substanzen und

Damals, vor zwanzig Jahren, hätten sich das Freddy Malinow- ski und Martin Hein wohl in ihren kühnsten Fantasien nicht erträumt: Weit über tausend Wochen lang läuft nun ihre

untereinander und wurden Kon- takte geknüpft. Es wird einen wei- teren Termin zu dem Thema am 19. März um 19 Uhr im Rathaus geben. Diesen Termin, zu der eine