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Das Gute aus dem transzendenten „Off“:Was soll Moral imAnarchismus?

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Academic year: 2022

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D a s Gu te a u s dem

tra n szen den ten „Off“:

Wa s sol l Mora l i m An a rch i sm u s?

B evo r die Existenz m o ralisch er Vo rgab en in anarch istisch en Th e o rien , Ko nzep ten o der G e danken p roblem atisiert w ird , sei geklärt, waru m M o ral u nd Anarchie sich au sschließ en . D avo r steht der Versu ch einer D efinitio n , die fü r die se Texte gelten soll: M o ral b e deutet die Annahm e üb er - individu eller, d .h . nicht au s der j ew eiligen Vereinb aru ng zw i - sch en M ensch en re sultierender, so ndern ab strakt vo rh andener Leit - linien fü r m enschlich e s H andeln . M o ral ist m it au to ritärer M acht au s - ge stattet u nd erzeu gt die se . Eine m o ralisch „ richtige “ Po sitio n b e darf in der Regel kein er zu sätzlich en B egrü ndu ng, d .h . sie verzichtet au f Argu - m ente j enseits der B eh aup tu ng m o ralisch er Ü b erlegenh eit.

Ähnlich b enutzt w erden B egriffe w ie „u niverselle Werte “, „h ö h ere Ver - nu nft“, „gem ein sam e Ethik “ u .ä., also die B eh au p tu ng ein er vo n den M ensch en u n d ih rer Ko m m u nikatio n getrennten Q u elle w ertender H andlu ngsvo rgab en . N o ch w eitergeh end in die sem S inne sin d Religio - nen , die ein ge sam te s Werte system sam t H erku nft, Du rch setzu ng, Sanktio nen u sw. b ieten .

Wikip edia zu Moral (h ttp : //de.wikip edia .org/wiki/Mora l )

M o ral dient gern als Legitim atio n vo n H errsch aft, o der ist selb st H err - sch aft. D as ist kein M issb rau ch , so ndern b ereits in der Ide e vo n M o ral angelegt. M o ralisch e Vo rgab en erzeu gen D isku rse o der entsteh en du rch sie . D ab ei no rm ieren sie m enschlich e H andlu ngen üb er die Ko n - stru ktio n richtigen u nd falsch en Verh altens. D ie Q u elle der Wertu ng w ird au ß erh alb der M ensch en u n d ihrer D isku ssio n verlegt. S ie w ird so m it fü r die M ensch en selb st u nangreifb ar u nd u nhinterfragb ar. M o - ralisch e Fe stlegu ngen sind regelm äß ig Axio m e , d .h . w illkü rlich e S et - zu ngen , die kein er B egrü n du ng m eh r b e dü rfen , so ndern als Au sgangs - pu nkt fü r Ableitu ngen dienen . S ie sind also B egrü ndu ngen fü r ko nkrete Verh alten svo rgab en , o h ne selb st b egrü ndet zu sein .

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Em anzip atio n b e deutet, die G e sellsch aft u nd all ihre B eziehu ngen u nd Verh ältnisse au s dem B lickw inkel der Einzelnen u nd ih rer freien Zu - sam m enschlü sse zu b etrachten . E ine m o ralisch e Wertu ng h ätte in ih r keinen Platz, w eil sie ihren M aß stab au s einer extern en , h ö h eren o der zu m inde st u nantastb aren Q u elle entnim m t.

H errsch aftsfreih eit u nd dam it au ch Anarch ie vernein en das Existenz - re cht j e der Art h ö h erer M acht au ß erh alb de s M ensch en u n d seiner frei - en Zu sam m enschlü sse . D ah er sind au ch sie p rinzip iell u nvereinb ar m it der Ide e vo n M o ral, u niversellen Werten o der einer allgem ein en Eth ik .

Au s Stirn er, Ma x (1 845): „D er E in zige u n d sein E igen tu m“, zitiert in : D iefen bach er, H a n s (H rsg. , 1 996): „An a rch ism u s“, P rim u s Verl a g in D a rm sta dt

Au s D iefen ba ch er, H an s, a.a.O. (S. 29)

D as schließ t nicht au s, dass M ensch en ih re eigen en Werte u n d Vo rstel - lu ngen vo n „ richtig“ o der „falsch “ entw ickeln . E s stö rt au ch nicht, w enn sie die se individu ellen Ü b erzeu gu ngen fü r sich als eigene „M o ral“ b e - zeich nen . W ird eine eigen e M einu ng ab er au ch nach au ß en so b egrü n - det, erh ö ht das zu m inde st die G efah r vo n M issverstän dnissen , w enn nicht so gar wahrsch einlich ist, dass dam it eine eigene Ü b erzeu gu ng m it zu sätzlich er D u rch setzu ngskraft au sge stattet w erden so ll − die eth isch e B egrü ndu ng dann also w ie der zu m H errsch aftsinstru m ent, d .h . zu r M o ralkeule w ird .

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D i e Moral en der An arch i stI n n en u n d Gu tm en sch en

D ie fo lgen den Au sfüh ru ngen stellen einige geläu fige M o ralvo rstellu n - gen vo r, die in Kreisen verb reitet sin d , in den en au ch an arch istisch ge - sinnte M en sch en m itw irken . D ie Ab grenzu ng zw isch en AnarchistInn en u n d ihrem U m feld fällt allerdings schw er. B is au f den Kern der FAU m it ihrer intensiven Lab elp o litik u nd w enige , ähnlich verfahrende B asis - initiativen , ist schw er erkennb ar, w er sich als An arch istIn versteht u nd w er nicht. Zu dem sind Ü b ergänge zw isch en anarchistisch em u n d bü r - gerlich em Lager erkennb ar (sieh e K ap itel zuvo r) .

Au s Steh n , Ja n : „An a rch ism u s u n d Rech t“ in der sich al s an a rch is- tisch bezeich n en den GWR , N r. 21 6, Febru a r 1 9970

Gerech tigkeit

G ere chtigkeit ist eine m o ralisch e N o rm . An ders als der disku rsiv, d .h . du rch den h errsch aftsfö rm igen G eb rau ch erzeu gte Ansch ein ist G e - re chtigkeit inh altsle er, w ird b ei B enutzu ng ab er regelm äß ig m it ein em hinter dem B egriff verste ckten Inh alt (D isku rs) gefüllt. D ie ser verste ck - te Inh alt verfo lgt dann das j ew eilige Intere sse , wäh ren d die Verb indu ng m it dem B egriff der G ere chtigkeit eine m o ralisch e Au fladu ng darstellt u n d Argu m ente üb erflü ssig m ach en so ll. D ie B eh aup tu ng, etwas sei

„gere cht“, dient dam it in der Regel dazu , die eigenen Wü nsch e du rch - setzu ngsstärker m ach en .

W ie b elieb ig G ere chtigkeit tatsächlich ist, so ll an ein em einfach en B ei - sp iel gezeigt w erden . D ie fo lgenden drei S ätze zu r Frage der Verteilu ng vo n Gütern o der dem Tau sch m ittel G eld sch ein en sich zu w idersp re - ch en :

0 www.anarch ism us.at/txt2/recht. htm

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• Wer m eh r schu ftet, so ll dafü r au ch b eloh nt w erden .

• Alle M ensch en so llen gleichviel zu m Leb en h ab en .

• Alle M ensch en so llen soviel zu m Leb en h ab en , w ie sie b en ötigen . Keiner der drei S ätze ist m it ein em anderen in Einklang zu b ringen . D enno ch sin d alle „ gere cht“, d .h . sie stellen j e der fü r sich au s einem b e - stim m ten B lickw inkel eine gere chte Lö su ng dar. Welch er B lickw inkel eingeno m m en w ird , fo lgt au s dem Intere sse der/s B etrachterIn . Ein sch ö ne s w eitere s B eisp iel war der Streit u m das Elterngeld . Ist e s ge - re cht, w enn das alle b eko m m en ? O der ist e s gere chter, w enn das die nicht b eko m m en , die oh neh in reich sind ?

Au s Sch m ol l a ck, Sim on e: „D ie Gerech tigkeitsl ü cke“, in : taz, 1 2.1 0. 2 01 0 (S. 1 2)

N o ch ein B eisp iel. Vo r einigen Jahren ersch ien fo lgender C o m ic:

D ie dah intersteh en de Initiative fü r neu e so ziale M arktw irtsch aft war ei - ne n e o lib erale D enkw erkstatt vo n Ko nzern en , die u nter dem S ch ein der U nabh ängigkeit m it B o tsch aften die D isku rse zu r ge sellsch aftlich en U m - stru ktu rieru ng b e einflu ssen so llte . M it dem C o m ic so llte fü r eine G ere chtigkeit gleich er P reise fü r alle ge - wo rb en w erden : E s wäre em p ö rend , m ü ssten M ensch en u ntersch ie d - lich viel fü r das Gleich e zahlen . E s fällt ab er nicht schw er, das gen au e G egenteil in den C o m ic hineinzu interp retieren , denn au ch das gen au e G egenteil de s eb en als gere cht b ezeichn eten w irkt gere cht − n äm lich w enn alle einen P reis zahlen , der ihrer Z ahlu ngsfähigkeit entsp richt.

S o zeigte der C o m ic, wah rsch einlich u nb e ab sichtigt, vo r allem eine s:

G ere chtigkeit ist kein e Q u alität, so ndern ein m o ralisch er S ch ein fü r b e - lieb ige Inh alte .

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G ere chtigkeit ist nu r eine le ere H ülle , ein so genannter „ C o ntainer - b egriff“, in den j e de Perso n o der Intere ssengru p p e j e n ach eigen em W illen o der p o litisch em P ro gram m einen eigenen Inh alt hineinfü llen kann . Inso fern ist G ere chtigkeit eine m o ralisch e N o rm , die gar kein e externe Werte qu elle darstellt, so ndern nu r den Anstrich fü r einen ko n - kreten Inh alt b ietet, hinter dem das p ersö nlich e o der p o litisch e Intere s - se verste ckt w erden kann . D am it dient die Fo rderu ng nach G ere chtig - keit der Erh ö hu ng eigener Du rch setzu ngskraft, ist fo lglich also im m er h errsch aftsfö rm ig, w eil sie au s eigen en Intere ssen einen u niversellen M aß stab , eb en ein e M o ral erzeu gt.

Au s B ookch in , Mu rra y (1 992): „D ie N eu gesta l tu n g der Gesel l sch a ft“, Trotzdem -Verl ag in Grafen a u (S. 88)

Nu n h at der B egriff der G ere chtigkeit, w eil er vo n allen S eiten als m o - ralisch er P rop agan dagag genu tzt w ird , tro tzdem ein h o h e s An seh en erlangt. Wer w ill sch o n „u ngere cht“ sein ? Je de p o litisch e P ro gram m atik m u ss, w ill sie D u rch setzu ngskraft entfalten , irgen dw ie „gere cht“ er - sch einen − was j e do ch ange sichts der B elieb igkeit de s G ere chtigkeits - b egriffs nicht schw er ist. Weil der B egriff im M einu ngskam p f fast u n - verm eidlich ist, h ab en au ch AnarchistInnen einen Sinn fü r G ere chtig - keit u nd die dam it verbu nden e M o ralkeu le entw ickelt.

Au s Steh n , Ja n : „An a rch ism u s u n d Rech t“, a .a .O.

Au s Wol fga n g H ertl e, „P l ädoyer fü r zivil en U n geh orsa m“, in : F rieden sforu m 2/2008 (S. 43)

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Au s Al bert, Mich a el (2 006), „Parecon“, Trotzdem Verl a g Grafen a u

Parecon -Au tor Mich ael Al bert in ein em I n terview1

Au s „U topie − ein Vorsch l a g“ der U top ie-AG/Gewa l tfreies Aktion s- bü n dn is H am bu rg (1 995, S. 24)

Als m o ralisch e Keu le ist G ere chtigkeit eine Waffe im Ringen u m p o liti - sch e H egem o nie . E s ist dah er kein Wu nder, dass sie nicht nu r vo n − m angels p räziser An alyse o ft h errsch aftsblinden − AnarchistInn en zu r verm eintlich en Stärku ng ih rer Po sitio nen einge setzt w ird , so ndern au ch vo n denen , die M acht u n d Ko ntro lle b efü rwo rten . G ere chtigkeit richtet sich b ei ihn en gegen die Ide en vo n H errsch aftsfreih eit o der An arch ie . E s wäre au s einer em anzip ato risch en Sicht u nd fü r ein e vo r - wärtsb ringende Streitkultu r wü nsch ensw ert, w enn im p o litisch en M ei - nu ngskam p f Intere ssen u nd Ziele transp arent sin d . D ah er so llten Vo r - schläge u nd M einu ngen nicht h inter wo hlklingende Wo rthülsen ver - b o rgen , so ndern o ffen b en annt u nd ko nkret b egrü n det w erden . D ie Ablehnu ng de s G ere chtigkeitsb egriffe s ist kein Plädoyer fü r U ngere ch - tigkeit, denn die U m kehru ng sch afft nu r eine neu e Wo rthülse o h ne In - h alt. S o ndern sie b efü rwo rtet die Ko nfliktfüh ru ng m it o ffen en Karten : Au s w elch em B lickw inkel h at ein Vo rschlag Fo lgen fü r w en ? Statt: D as ist do ch gere cht. O der u ngere cht.

Gewal tfreih eit

S ch au en w ir au f eine w eitere m o ralisch e Attitü de , die in anarchisti - sch en Kreisen w eit verb reitet ist: D ie G ewaltfreih eit. Sie b ildet fü r einige

1 http: //parecon.de/interviews/interview. 2005-1 0-1 5. 51 3455581 9

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Strö m u ngen de s An arch ism u s die zentrale ide o lo gisch e O rientieru ng.

N ö tig ist sie vo r allem , u m deren enge Verzah nu ng m it Teilen de s b e - tu chten , p rivilegierten B ildu ngsbü rgerInnentu m s nicht zu gefährden . D as Po stulat der G ewaltfreih eit trägt ein äh nlich e s P roblem m it sich w ie die G ere chtigkeit. E s h at keinen ko nkreten Inh alt, so n dern „ gewaltfrei“

w irkt als etwas p er se Gute s, w eil e s au f einer starken ge sellsch aftlich en Akzep tanz au fb au t. D ie se fo lgt ab er gerade darau s, dass verschie den e p o litisch e Strö m u ngen die Ide e der G ewaltfreih eit au s ihrem eigen en B lickw inkel füllen kö nn en . Sitzblo ckiererInn en dem o nstrieren eigen e G ewaltfreih eit (m itu nter ganz ab sichtlich au ch als H arm lo sigkeit b e - griffen) , u m dam it m o ralisch m ö glich e Angriffe der O rdnu ngskräfte de s Staate s abw eh ren zu kö nnen . In deren B lickw inkel w ie deru m ist G ewaltfreih eit ab er schlicht das G ewü n schte , w eil Legale − ein e Ablei - tu ng au s dem staatlich en G ewaltm o n op ol. D er Staat kann sich u m so leichter du rch setzen , j e eindeutiger die G ewalt verteilt ist. Er h ätte gern 1 0 0 % b eim Staat, de sh alb j a das M o n o p o l. D as w ird disku rsiv u n d fo r - m al du rch ge setzt o der du rchgep rü gelt. Was die einen (gewaltfreie Akti - vistInn en) also als Stärke b egreifen , ist au s dem B lickw inkel der an de - ren die gewü nschte S chwäch e . B eide ab er stellen e s als p o sitiv dar, d .h . w enn nach ein er gewaltfreien Aktio n Po lizei u nd AktivistInn en (m eist üb er ihre p enetrant vo rh an denen Sp re ch erInnen) verkü nden , die Ak - tio n sei gewaltfrei gew e sen , so m einen e s b eide p o sitiv u nd freu en sich darüb er. Wäh ren d die ein en ihre eigen e Aktio n m einen , m einen die an - deren das Verh alten der anderen . G ewaltfrei ist also die G ewaltfreih eit de s P ro te ste s, wäh rend das Verh alten der H errsch enden in den H inter - gru nd gerät. D eren G ewalt w ird üb erseh en , ist legitim o der vo r allem legal. G e steigert w ird das in B etrachtu ngsw eisen , b ei denen die G ewalt der H errsch enden u nterteilt w ird in legale b zw. legitim e u nd nicht legi - tim e G ewalt. Ü b errasch en derw eise sind e s gerade Teile der anso n sten als do gm atisch gewaltfrei au ftreten den Kreise , die p lö tzlich w ichtig fin den , ob ein Krieg vö lkerre chtsw idrig ist o der ob in ein em erob erten Lan d das b ö se M ilitär o der die gute , w eil zivile Po lizei au fräu m t. Fü r die b etro ffenen M ensch en ist der U nterschie d m itu nter kau m spü rb ar.

Wenn ab er hinter der Attitü de der „ Zivilen Ko nfliktb e arb eitu ng“ (ein em Lieblingswo rt b ei G ewaltfreien) dann j e der b rau chb are G ewaltb egriff verschw indet, bleibt an Inh alt gar nichts m ehr üb rig.

Nu n w ird e s viele „ G ewaltfreie “ geb en , die der Th e se w idersp re ch en , G ewaltfreih eit wü rde keinen ko nkreten Inh alt h ab en . Au s dem j ew eils aktu ellen B lickw inkel ist die ser W idersp ru ch so gar verständlich , denn die m eisten Akteu rInn en sind davo n üb erzeu gt, einen klaren B egriff der G ewaltfreih eit zu h ab en . D o ch sim p le N ach fragen zeigen , dass e s dam it nicht so w eit h er ist. D er Verdacht entsteht vielm eh r, dass ein e th e o retisch e Au seinandersetzu ng nie stattgefu n den h at o der sehr ob erflächlich blieb . Einfach zu te sten war das j ah relang (b is ein e P räsidentsch aftskandidatu r das N ichtw issen b e en dete) m it einer schlichten Frage an VertreterInnen do gm atisch erer G ewaltfreih eit:

„Was h abt Ihr gegen B e ate Klarsfeld u nd G e o rg Elser ? “ M ehrfach p rob iert, lautete die Antwo rt in allen Fällen : „Wer ist das ? “ (der typ isch e w eitere G e sp räch sablau f u n d H intergru ndinfo rm atio nen im K ap itel zu G ewalt u nd M ilitanz) . S o lch e s N ichtw issen üb errascht, sin d do ch die

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b eiden Perso nen Au sfü hrende sehr b erüh m t gewo rdener m ilitanter H an dlu ngen gegen Perso n en . Äh nlich e s N ichtw issen zeigt sich zu Zita - ten vo n G andhi, der etwa, w enn nichts andere s m ehr hilft, zu r G ewalt rät. O der zu m Ido l der C hristInnen aller Welt, „ G o tte s S oh n “ u nd Lieb e - D einen - N äch sten - w ie - D ich - S elb st - P ro p h et Je su s. Er vertrieb H än d - lern au s dem Tem p el u nd setzte dab ei − zu m inde st der fraglo s nicht b e - so n ders seriö sen , ab er vo n vielen Gläub igen h o chge sch ätzten B ib el zu - folge − eine Peitsch e als Werkzeu g ein .

D anach fallen die Re aktio nen u nterschie dlich au s − ab er im m er als b i - zarrer Abw ehrkam p f, u m die eigene Ide o lo gie retten zu kö nnen . D as Sp ektru m reicht vo n „ das sind ab er Au snahm en “ (was im m erh in zu - gibt, dass G ewaltfreih eit do ch nicht im m er p asst, also kein D o gm a ist) üb er „ das ist do ch keine G ewalt“ (zu m inde st zu r b erü hm ten O h rfeige du rch au s zu h ö ren) b is zu Erkläru ngen , dass das au ch gewaltfrei ge - gangen wäre . Sich erlich diskutiert sich wo etwas z .B . h insichtlich vo n W iderstandsstrategien gegen H itler u nd den N atio nalso zialism u s b ei einem Glas Ro tw ein im ge sich erten Wo h nzim m er re cht gut. D o ch die - se s G e eiere b ew eist nu r, dass w ir e s b ei G ewaltfreih eit b e stenfalls einer M eth o de u nter vielen zu tu n h ab en , o ft ab er eh er m it einem ide o lo gisch au fgeladenen M o ralb egriff. Er steht stellvertretend fü r das „ Gute “, m o - ralisch Ü b erlegene − u nd dam it der G ewalt als etwas S chle chte s, m o ra - lisch Verw erflich e s gegenüb er. G erät die se s sim p le S ch em a du rch ei - nander, z .B . du rch Kenntnisnah m e schw ierig zu diskre ditierender G e - walt, so w ird das b ish er S chle chte , w enn e s nicht einfach du rch N icht - b efassu ng m it dem Th em a kein P roblem darstellt, eingem eindet in das

„ Gu te “ − u n d sch o n stim m t die M o ral w ie der.

E s ist no ch nicht seh r lange h er, dass gewaltfreie P ro p agan da im deutsch sp rachigen Rau m au ch die S achb e sch ädigu ng zu r G ewalt zählte u nd ächtete . Im re cht neu en G ru ndlagenbu ch „ G ewaltfreie Aktio n “ w ird selb st S ab o tage au sgegrenzt, näm lich w enn sie clande stin (also nicht - ö ffentlich) au sgefüh rt w ird . S eitdem b e stim m te Fo rm en der S achb e sch ädigu ng z .B . b eim B ehin dern vo n C asto rtran sp o rten ab er in der Allgem einh eit h o h e s Anseh en genieß en , w erden die se zu gewalt - freien Aktio nen u m gew ertet u nd h eute zu r Eigenw erbu ng b enu tzt (ab er nu r, w enn sie gelingen) . H eu te gilt das H erau sreiß en (also : Tö ten) vo n gente chnisch veränderten P flanzen als gewaltfrei, wäh ren d der Steinwu rf in ein e Glassch eib e als G ewalt gilt. Wer die Lo gik h inter so lch en Wertu ngen enttarnen w ill, darf nicht die Frage n ach G ewalt, so n dern m u ss die nach ein em m o ralisch en „ Gut“ u nd „B ö se “ stellen − natü rlich au s der Sicht derer, die m it m o ralisch em Ansp ru ch üb er die Aktio nen Anderer richten . Ein en w eiteren Erkläru ngsan satz fü r die w irren E in - u n d Au sgrenzsp iele b ietet der B lick au f Sp enden - u nd M it - glie derzahlen .

Au s Joh a n n B au er, „D irekte gewa l tfreie Aktion . . .“, in : F rieden sforu m 2/2008 (S. 40)

(9)

Au s Wol fga n g H ertl e, „P l ädoyer . . .“, a .a .O. (S. 43)

D a das Th em a „ G ewalt“ in vielen sich anarch istisch geb en den Zu sam - m enh ängen eine h o h e , w enn nicht identitätsstiftende Ro lle sp ielt, ist ihm ein eigene s K ap itel gew idm et. W ie zu seh en sein w ird , ist die G e - waltfrage nicht nu r zentraler B ezu gspu nkt b ei den „ G ewaltfreien “, so n - dern au ch identitätsstiftend als gen au e s G egenteil, als Fetisch vo n M ili - tanz . Ih r w ird eine Eigenqu alität zu gem e ssen , o h ne den Inh alt u nd die ko nkrete Zielrichtu ng, die dam it verp ackt w ird .

Li bertär u n d brav:

D er an arch i sti sch e Kn i gge

Au s D a rwin D an te (1 993): „5-Stu n den sin d gen u g“, Ma n n eck Ma in h a tten Verl ag in F ra n kfu rt

Vo n der Akzep tanz h ö h erer Werte u nd M o ral zu m Verh altensko dex im Anarchism u s ist e s nicht w eit. In b eiden Fällen steh en nicht die M en - sch en u nd ih re freien Vereinb aru ngen im M ittelpu nkt, so ndern extern e Q u ellen , au s denen sich Vo rgab en fü r das Leb en der Einzelnen u nd die ge sellsch aftlich e O rganisieru ng sp eisen .

Kritik a m Men sch en bil d viel er An arch @ s in : Stowa sser, H orst (2007):

„An a rch ie! “, N a u til u s in H am bu rg (S. 483 ff. )

(10)

Sp ieß igen Verh altensvo rsch riften steht in anderen , m itu nter so gar gleich en Kreisen eine b em erkensw erte Igno ranz fü r die Fo lgen de s ei - gen en Verh altens gegenüb er.

Au s B ookch in , Mu rray (1 992): „D ie N eu gesta l tu n g der Gesel l sch a ft“, Trotzdem -Verl a g in Gra fen au (S. 1 38)

B ei n äh erer B etrachtu ng äh neln sich die b eiden , in der Alltagsp raxis so u nterschie dlich en An sätze . Sie verzichten n äm lich au f eine p o litisch e , h interfragende , p erm anent skep tisch e u nd abwägende O rientieru ng de s eigenen Verh altens. D ie ein en p ro p agieren M o ral u nd 'p o litical co r - re ctn e ss' als Leitku ltu r de s H andelns, die an deren seh en gar keinen An - lass, das eigen e Verh alten kritisch zu du rchleu chten . B eide entlasten vo r allem ihren Ko p f. Wer u nkritisch du rch s Leb en tingelt, w ie andere sich du rch Internet klicken o der du rch Fernsehp ro gram m zap p en , ist eb enso w eit entfernt vo n j e der Ide e der S elb stb e stim m u ng w ie diej eni - gen , die sich einer einfach en , ab er identitätsstiftenden Ide o lo gie u nter - w erfen − u nd dab ei, zw e cks Wo hlfühlens, tu nlich st einen kritisch en B lick au f das Ko nkrete u nd die H intergrü n de verm eiden . S o lassen sich die Anh ängerInnen einfach er Leb en sfüh ru ngside o lo gien au ch schn ell irritieren . Erzählen Sie m al einem/r einge „ fleisch “ten VeganerIn (blö - de s Wo rtsp iel) , dass ein co ntainerte s Wü rstch en kein e Tiere tö tet, die b eim D iscou nter gekau ften Erb sen ab er sch o n . Waru m ? S o ab su rd , w ie e s sich anh ö rt, ist das gar nicht. D enn e s ko m m t au f die Erzeu gu ng vo n N ach frage an . Ein Glas Wü rstch en , w elch e s au s dem M üll ge sam m elt w ird , erzeu gt genau keine zu sätzlich e N ach frage , während die Sach e m it den Erb sen ko m p lizierter ist. Erstens ist j e der Anb au au ch vo n P flanzen ein ständiger Verdrängu ngskam p f gegen Tiere . Im ko nventio - nellen Landb au ge sch ieht das m it Sp ritzm itteln , die M äu se , H eu sch re - cken , S ch m etterlings - u n d Käferlarven o der was au ch im m er au f u n - vo rstellb ar grau sam e Weise tö ten − u nd zwar m assenw eise . Ab er au ch im ö ko lo gisch en Lan db au gibt e s Sp ritzm ittel, m e ch anisch e Tö tu ngs - m eth o den u n d vo r allem die schlichte Tatsach e , dass ein Erb senfeld vielen Leb ew e sen den so nst m ö glich en Leb en srau m nim m t. Zw eitens stärkt j e der Einkau f die W irtsch aftskraft de s Ladens u n d der ge sam ten P ro duktio n zu m in de st die ser Ware . Laden u nd P ro duktio nsabläu fe die - nen ab er m eist au ch dem Ab satz vo n Fleischwaren − u nd so kann der Kau f vo n Erb sen z .B . die Werbu ng fü r Tierp ro dukte fin anzieren .

(11)

D as zu du rch denken , ist die Ku nst de s Reflektierens, H interfragens u nd skep tisch en B e äu gen s de ssen , was u ns als einfach e Welt so vo rgegau - kelt w ird . D ie w egen ihrer Einfachh eit so attraktiven D enkvo rgab en zu zerlegen u nd sich selb st zu üb en sow ie andere zu m o tivieren , H err - sch aftsfö rm igkeiten zu du rch sch au en , wäre ein em anzip ato risch er An - sp ru ch − u n d nicht, m it eigenen Vereinfachu ngen u m die denkfaulen Kö p fe zu ko nku rrieren .

D er Ka m pf gegen den E goism u s

Viele Anarch istInnen b ezeich nen , bü rgerlich en M o ralvo rstellu ngen fo lgend , den Ego ism u s als Q u elle vo n Ko nku rrenz u nd M achtkäm p fen .

Au s F u ch s, Ch ristia n (2001 ): „Sozial e Sel bstorgan isation im in form a- tion sgesel l sch a ftl ich en Kap ita l ism u s“, Sel bstverl ag (S. 207)

Au s B ookch in , Mu rra y (1 992): „D ie N eu gesta l tu n g der Gesel l sch a ft“, Trotzdem -Verl ag in Grafen a u (S. 1 44)

Kritik an die ser Ko nstruktio n verm eintlich h ö h erer Werte , dem G egen - satz vo n Eigennu tz u nd G em einnu tz u nd m o ralisch er Vo rgab en fü r das eigen e Verh alten ist selten . Ko m m t sie au s der E cke reiner In dividu al - an arch istInnen , so ist sie o ftm als nicht m it einer Antwo rt au f die Frage verbu nden , w ie sich die vo neinander lo sgelö st ge dachten Individu en denn o h ne verh altensleitende M o ral verständigen , w ie sie Ko o p eratio - nen fin den , ge sellsch aftlich e Re ssou rcen nut -

zen , ern eu ern u nd erw eitern . D er w ichtige H inw eis, dass die ge sellsch aftlich en Rah m en - b e dingu ngen darüb er entsch eiden , w ie sich Ego ism u s au f andere M en sch en au sw irkt − ko nku rrierend o der fö rdernd − , ist nu r selten zu fin den . Ab er e s gibt ih n .

Au s Mü h sa m , E rich (1 933): „D ie B efreiu n g der Gesel l sch a ft vom Sta at“, N ach dru ck bei Syn dika t A u n d im I n tern et2

2 www.anarch ism us.at/txt4/m ueh sam1 6. htm

Text zu E igen - u n d Gem ein n u tz in

„F reie Men - sch en in freien Ver- ein ba ru n - gen“ u n ter www.

projektwerksta tt.de/

h op p etosse/

em an zip a t/

au tokoop. h tm l

(12)

An arch i sti sch er Gedan ken brei : Rel i gi on − n ei n !

H öh ere Werte − j a, doch . . .?

E s ist üb errasch end , w ie o ft u nd intensiv sich An arch istInnen au f u nu m stö ß lich e m o ralisch e Gru n dw erte b ezieh en o der u niverselle Kri - terien fü r richtige s u n d falsch e s Verh alten b enennen . D ab ei ist der Glaub e an h ö h ere Q u ellen fü r Werte o der Ide o lo gien vergleichb ar m it Religio nen , die die u m fassen dsten System e die ser Art darstellen .

Au s Mü h sam , E rich (1 933), a.a.O.

Au s B a ku n in , Mich a il : Gott u n d der Sta a t (N ach dru ck 1 995 im Trotz- dem Verl a g)3

3 www.anarch ism us.at/txt2/bakunin6. htm

(13)

D ass Religio n m it em anzip ato risch en u nd erst re cht anarchistisch en Ide en u nvereinb ar ist, darüb er h errscht also w eitgeh en d Einigkeit.

D o ch kau m trägt ein m etap hysisch e s Werte system die se s Etikett nicht m eh r, b rö ckelt die Klarh eit. Wenn b e stim m te M o ralvo rstellu ngen als u niversell angen o m m en w erden − w ie an den B eisp ielen G ere chtigkeit u n d G ewaltfreih eit gezeigt − , dann h at das do ch eine Äh nlichkeit m it den klassisch en Religio n en . Gleich e s gilt, w enn m ensch sich au f üb er dem Individuu m u nd sein en freien Zu sam m enschlü ssen steh ende Q u ellen b ezieht − w ie e s b ei identitären Ko llektiven (Vo lk, Plenu m u sw.) o der h ö h eren Werten der Fall ist. Als Religio n w irkt e s nu r de s - h alb nicht, w eil die reichlich veraltete , triefend p atriarch ale Figu r de s b ärtigen G o ttvaters eingem o ttet u n d du rch m o derne B ilder ersetzt wu rde , oh ne dass ab er deren Fu nktio n als Q u elle externer Auto rität in Frage ge stellt ist.

D a üb errascht e s au ch nicht, dass an dere Strö m u ngen , die sich religi - o nskritisch geb en u nd verm eintlich den M en sch en in den M ittelpu nkt stellen (also em anzip ato risch e Ziele verfo lgen) , äh nlich e P roblem e h a - b en . D as gilt z .B . fü r die sich stärker als einh eitlich e G ru p p e o rganisier - enden H u m anistInnen . D ie se h ab en , obwo hl als Perso nen üb erw iegend eh er bü rgerlich er S o zialisieru ng, so gar die eine o der andere Ü b er - schneidu ng m it an arch istisch en G e danken u nd Strö m u ngen − w ie im nicht zu fällig w eit verb reiteten Bu ch stab en „A“ in Verlagsnam en w ie Alib ri, Alive u sw. erkennb ar ist.

Au szu g a u s Reich h ol f, Josef H . , „D er Men sch zwisch en N a tu r u n d Ku l tu r“, in : „D er N eu e H u m a n ism u s“, Al ibri in Asch a ffen bu rg (S. 1 32)

Au szu g a u s Wetz, F ra n z Josef, „Wie ist Sel bstach tu n g n och m ög- l ich ?“, in : „D er N eu e H u m a n ism u s“, Al ibri in Asch affen bu rg (S. 1 97ff)

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