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Lockerung des Fernbehandlungs- verbots – eine gute Idee?

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Bayerisches Ärzteblatt 6/2018

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des digitalen Ärztecenters ein: Bei Knochenbrü- chen oder Blinddarmentzündungen müssten die Patienten doch zum persönlichen Arztkontakt.

Wie hoch aber ist die Fehlerquote? Dazu gibt es weder vom Schweizer Ärzteverband Fédération des Médecins Suisses (FHM) noch von Medgate eine klare Aussage.

Die Telemedizin scheint Nachteile, aber auch einige Vorteile zu haben. Sie sei, heißt es bei Medgate, in der Schweiz „aus dem komplexen Gesundheitssystem nicht mehr wegzudenken“.

Vielleicht ist das System, trotz aller Skepsis vie- ler Ärzte, deshalb in Deutschland auch einen Versuch wert.

Der Patient sitzt daheim vorm Computer, auf dem Bildschirm ist im Videotelefonat ein Arzt zu sehen. Was in der Schweiz schon längst Alltag ist, könnte sich bald auch in Deutschland durch- setzen. Denn in der Bundesärztekammer gibt es Überlegungen, das Fernbehandlungsverbot „in Einzelfällen“ zu lockern. Das würde bedeuten, dass Patienten künftig auf eine ärztliche Be- handlung zurückgreifen können, ohne einen Arzt jemals „live“ zu sehen. In Baden-Württemberg ist solch ein Modellprojekt bereits gestartet.

„DocDirekt“ heißt das Projekt, das derzeit ge- testet wird. Ob es funktioniert, ist noch völlig unklar – verwertbare Daten dazu gibt es noch nicht. Auch im Rest der Bundesrepublik sollen solche Online-Sprechstunden bald Realität wer- den. Macht es Sinn, einen Arzt nur via Internet zu konsultieren? Schon jetzt rufen Patienten manchmal in den Praxen ihres Vertrauens an, um sich kurzfristig Rat zu holen. Das kann, wenn es um eine Folgebehandlung geht, durchaus Sinn machen. Wenn der Blutdruck zu hoch ist, die Erkältung nicht abklingen will oder Schmerzta- bletten nicht gegen den Rückenschmerz helfen, kann der Arzt so nochmal bei den Medikamen- ten nachjustieren. Das erspart dem Patienten den – womöglich weiten – Anfahrtsweg in die Praxis, und auch das Warten im oft überfüllten Wartezimmer fällt weg.

Was aber, wenn Arzt und Patient sich noch nie zuvor gesehen haben? Bei einer Umfrage, die die Passauer Neue Presse kürzlich bei Ärzten auf dem Land durchführte, äußerten sich viele der Mediziner skeptisch. Eine Blinddarmentzündung würde er nicht per Telemedizin diagnostizieren wollen, sagte einer der Ärzte. „Es ist schon ent- scheidend, den Blick auf den Patienten zu haben“, sagt ein anderer. Und: „Manche wollen möglichst gesund erscheinen, andere machen sich krän- ker, als sie sind.“ Bei Hauterkrankungen etwa können sich die Ärzte vorstellen, eine Diagnose per Bildschirm zu machen, ebenso bei weniger schweren Erkältungen – „da kann man sich den Arztbesuch aber oft ohnehin sparen“, sagt einer.

„Da kann man vor der Kamera mal den Fußpilz herzeigen oder eine Zunge herausstrecken“, sagt ein anderer. Begeistert von der Idee sind sie aber alle nicht. Und das ist schade. Denn, sicher ist der direkte Kontakt zum Patienten für Medizi-

ner oft wichtig. Doch das Internet ist Gegenwart und Zukunft. Und, wenn Patienten schon immer häufiger „Dr. Google“ um Rat fragen, sollten sie auch die Möglichkeit haben, dort einen „richti- gen“ Arzt zu konsultieren. Die Hemmschwelle für den Kontakt zu einem Mediziner ist online womöglich niedriger.

Diese Erfahrung haben auch die Kollegen in der Schweiz gemacht. Dort ist Telemedizin seit vielen Jahren fester Bestandteil des Gesundheitssystems – mit „weitreichender Akzeptanz in der Bevöl- kerung“, wie Cédric Berset, Director Marketing, Communications & Sales von „Medgate“ sagt.

Medgate ist nach eigenen Angaben der größte Online-Anbieter für medizinische Anliegen Euro- pas und führender Anbieter in der Schweiz. Per App oder Telefon buchen Patienten dort ihren Termin, sprechen dann zur vereinbarten Zeit mit einem Arzt und sehen sich – auf der App oder als E-Mail – direkt den digitalen Behandlungsplan an. Täglich betreut Medgate so durchschnittlich 2.500 Patienten, an Spitzentagen sind es bis zu 5.000 Arzt-Patienten-Kontakte. „Seit dem Jahr 2000 verzeichnet Medgate rund sieben Millionen Telekonsultationen“, teilt Berset mit. Patienten beider Geschlechter und jeden Alters werden behandelt. Über 700 Symptome sind Gründe für einen Anruf bei dem digitalen Ärzteservice. „Die Patientenstruktur ist vergleichbar mit der einer großen Hausarztpraxis“, sagt Berset. „Der Fokus der Anfragen liegt dabei klar bei der Allgemein- medizin sowie der Pädiatrie, wobei diese durch gezielte und häufig benötigte Spezialistensprech- stunden wie etwa Gynäkologie, Dermatologie oder Urologie ergänzt werden.“ Besonders beliebt sei die Telemedizin auch bei jungen Familien, heißt es. „Gerade Eltern von Kindern schätzen es sehr, dass sie auch nachts oder am Wochenende einen Ansprechpartner haben, wenn ihre Kinder genau dann krank werden.“

In rund der Hälfte der Fälle können die Ärzte des Medgate Telemedicine Centers ihre Patien- ten abschließend am Telefon behandeln, sodass kein weiterer Arztbesuch nötig wird. Das sei dann möglich, wenn keine weiteren Befunde, Laborergebnisse oder Werte benötigt werden.

Einige Krankheiten sind telemedizinisch gar nicht zu behandeln, schränkt aber auch der Sprecher

Autorin

Karin Seibold

Redakteurin Nachrichten-Redaktion, Passauer Neue Presse GmbH, E-Mail: karin.seibold@pnp.de

Lockerung des Fernbehandlungs- verbots – eine gute Idee?

Anmerkung der Redaktion: Gastkommen- tare geben die Meinung des Autors und nicht grundsätzlich die Meinung der Redaktion oder der Bayerischen Landes- ärztekammer wieder.

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