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Schmetterling und Taucherglocke

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Academic year: 2022

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Die Filmbiografie aus dem Jahr 2007 von Regisseur Julian Schnabel thematisiert das Locked-in-Syndrom – eine Krankheit, bei der Patienten zwar bei Bewusstsein sind, jedoch körperlich gelähmt und unfähig, sich zu verständigen.

D

ie Story ist un-

glaublich, aber wahr. Im Alter von 43 Jahren er- leidet der Journalist Jean-Domi- nique Bauby (Mathieu Amalric) einen Schlaganfall und versinkt in ein tiefes Koma. Als er drei Wochen später in einem Kran- kenhaus erwacht, wird ihm klar, dass er zwar bei vollem Be- wusstsein ist, allerdings kom- munikationsunfähig und para- lysiert. Die Ärzte erklären ihm, dass in seinem Gehirn der mo- torische Bereich geschädigt ist, sodass seine Muskulatur ihm nicht mehr gehorcht. Auch wenn er alles um sich herum mitbekommt und geistig klar ist, kann er dennoch nur sein linkes Augenlid bewegen. Er lei- det am Locked-in-Syndrom.

Lebendig begrabenDas wil- de Zucken seines Augenlids dient schließlich dazu, Baubys Kommunikationsmittel zu wer- den. Mit der Logopädin Hen- riette Durand (Marie-Josée Croze) lernt er, sich verständlich zu machen. Sie entwickelt eine Tafel, auf der Buchstaben nach ihrer Häufigkeit in der französi- schen Sprache aufgelistet sind.

Durand liest diese vor und der Patient blinzelt immer dann, wenn sie das richtige alphabe- thische Zeichen nennt. Zu- nächst weigert sich Bauby je- doch zu kommunizieren. Er fühlt sich wie ein Gefangener in seinem Körper und möchte ein- fach nur sterben. Die Betreuer geben nicht auf. Marie Lopez (Olatz Lopez Garmendia), die Physiotherapeutin, übt mit ihm Bewegungen der Zunge und der Lippen, um ihm das Sprechen wieder zu ermöglichen. Zu mehr als Grunzlauten kommt es jedoch im weiteren Verlauf nicht. Trotzdem bewirken die Therapeutinnen, zu denen er sich hingezogen fühlt, dass er sich mit seiner Situation ver- söhnt und eine neue Lebensein- stellung einnimmt.

Frei wie ein Schmetterling Bauby begreift, dass ihm mit seiner verbliebenen Kreativität, seiner Erinnerung und seiner geistigen Fitness Möglichkeiten offen stehen. Er beschließt, eine Biografie zu schreiben – ein Buch, in dem er den Menschen mitteilt, wie er sich in seiner

„Taucherglocke“ fühlt. Monate- lang diktiert er seiner Lektorin

Claude Medibil (Anne Con- signy) Buchstabe für Buchstabe seiner Geschichte. Dabei reflek- tiert er sein vorheriges Leben und denkt über Menschen nach, die ihm wichtig waren: sein alter Vater, der ihn nicht mehr besu- chen kommt, da er es körperlich nicht schafft, oder Céline Des- moulins (Emmanuelle Seigner), die Mutter seiner drei Kinder.

Obwohl er sie verlassen hat,

schaut sie mit den Kindern noch bei ihm vorbei. Seine Geliebte hingegen lässt ihm mitteilen, dass sie ihn so nicht mehr sehen möchte, um ihn in guter Erin- nerung zu behalten. Bauby resü- miert, dass er zwar Erfolg im Leben gehabt hatte, jedoch kein liebenswerter Mensch war. Nach langer Mühe schafft er es, sein Buch zu Ende zu bringen. Der Film endet mit der Einblendung folgender Worte: „Jean-Domini- que Bauby starb am 9. März 1997, zehn Tage nach Erschei- nen seines Buches.“

Vom Schlag getroffenDomi- nique Bauby erlitt während einer Autofahrt einen Hirn- schlag. Dabei handelt es sich um eine plötzlich eintretende Durchblutungsstörung im Ge- hirn. Die betroffenen Bereiche werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, sodass das Gehirnge- webe abstirbt. Ursachen dafür sind Gefäßverschlüsse (ischämi- scher Infarkt) oder Hirnblutun- gen (z. B. nach Riss eines arte- riellen Blutgefäßes, bei Hyper- tonie und Ateriosklerose). Letz- teren Vorfall bezeichnet man als hämorrhagischen Schlaganfall.

Schmetterling

und Taucherglocke

PRAXIS KINO – SCHON GESEHEN?

90 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juni 2013 | www.pta-aktuell.de

ÜBERBLICK

In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgende verfilmte Krankheitsthemen vor:

+ Ob ihr wollt oder nicht (Krebs)

+ Das Meer in mir (Tetraplegie) + Wie ein einziger Tag

(Alzheimer) + Die Kameliendame

(Lungen-TB) + Helen (Depression) + A Beautiful Mind

(Schizophrenie)

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juni 2013 | www.pta-aktuell.de 91 Die klinische Symptomatik des

Apoplex hängt stark von der Ausprägung und Lokalisation des entsprechenden Areals ab.

Häufig kommt es zu Lähmun- gen, Seh- und Sprachstörungen.

Um die Folgen möglichst gering zu halten, müssen Patienten um- gehend behandelt werden. Für Bauby ging das Ereignis mit gra- vierenden Konsequenzen einher.

Gefangen im KopfDer Jour- nalist leidet seit dem Schlagan- fall unter dem Locked-in-Syn- drom (LiS). Übersetzt bedeutet dies Eingeschlossensein-Syn- drom. Betroffene befinden sich bei vollem Bewusstsein, sind körperlich jedoch so gut wie vollständig gelähmt. Sie sind weder in der Lage durch Bewe- gungen noch durch Sprache zu kommunizieren. Wie im Film- beispiel bleibt in einigen Fällen die Augenbeweglichkeit erhal- ten, die man als Verständi- gungsmöglichkeit nutzen kann.

Mangelt es selbst an dieser Op-

tion, bleibt der Einsatz des so genannten Brain-Computer-In- terfaces, eine Gehirn-Compu- ter-Schnittstelle, die eine Ver- bindung zwischen Computer und Gehirn schafft.

Nicht zu verwechseln ist der Zu- stand mit dem Wachkoma, denn beim Locked-in-Syndrom sind die Personen aufnahmefä- hig und können in ihrer Umwelt alles hören und verstehen. Ursa- che für die neurologische Stö- rung sind Läsionen in bestimm- ten Abschnitten des Gehirns.

Diese findet man im Pons (latei- nisch für Brücke), im Mittelhirn oder in den Nervenfasern, die zur Großhirnrinde aufsteigen oder von dieser absteigen (Cap- sula interna). Die Schädigungen kommen meist durch eine Thrombose in der Arteria basi- laris, der Schlagader, die das Ge- hirn mit Blut versorgt, zustande.

Doch auch non-vaskuläre Aus- löser kommen in Betracht (Schä- del-Hirn-Trauma, zentrale pon- tine Myelinolyse, pontiner Tu-

mor, Entzündungen). Charakte- ristisch ist, dass Geplagte nur zu vertikalen Augen- und Lidbe- wegungen fähig sind. Die hori- zontale Blickbewegung funktio- niert nicht. Grund dafür ist die unterschiedliche Lokalisation der Steuerung. Während die ho- rizontalen Augenwendungen vom geschädigten pontinem Ni- veau aktiviert würden, geschieht die vertikale Regulation vom Mittelhirn aus. Um den Befund LiS sicher zu stellen, ist eine langfristige, präzise Verlaufsbe- obachtung nötig. Desweiteren liefern insbesondere EEG-Un- tersuchungen Aufschluss. Das Elektroenzephalogramm (EEG) zeichnet hirnelektrische Pro- zesse an der Schädeloberfläche auf. Hilfreich ist ein solches Ver- fahren unter anderem bei Durchblutungsstörungen, wel- che für einen Apoplex verant- wortlich sein können. Man un- terscheidet im EEG die Spon- tan- und die evozierte Aktivität.

Erstere zeigt sich als konstante,

messbare Spannungsschwan- kung. Die zweite Form tritt nur in Verbindung mit „Ereignissen“

(z. B. Reizen) auf. Ferner lässt sich das EEG in Frequenzbän- der einteilen, die Auskunft über verschiedene Wachheitsgrade geben. Die Auswertung erfolgt schließlich über die Interpreta- tion der entstandenen EEG- Muster.

TherapieZunächst sind Maß- nahmen zu treffen, die der Be- handlung eines Schlaganfalls entsprechen. Steht die Diagnose, sollte man für die Patienten so schnell wie möglich Wege zur Interaktion mit anderen Men- schen finden. Dazu eignen sich Buchstabentafeln (siehe Film) und spezielle Methoden per Computer. Auch mit Physio- und Ergotherapie sowie Logo- pädie konnten Erfolge erzielt werden.

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Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

© Fernando Gregory / 123rf.com

© Dieses Bild ist möglicherweise urheberrechtlich geschützt.

Referenzen

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