RGRUND
Mehr Respekt, bitte!
Al le
Flüchtlinge verdienen
a ngemessene Verfa
hren VON FRANZISKA HOLZSCHUH
Die Zahlen können schon erschre- cken: Das Jahr ist gerade einmal zur
Hälfte vorbei und
schon habenin
Deutschland fast so viele Menscheneinen Asylantrag gestelit wie
im komplettenVorjahr:
202000 Erst- und Folgeanträge gab es 2014, heu- er sind bis Ende Juni bereits 180 000 eingegangen. Dieser Zustrom über-fordert
Kommunen, Behörden undPolitik
allerorten.Schuld an den massiv gestiegenen Za}rlen, heißt es immer wieder, und
nicht
nur die CSU macht sich diese Thesezu
eigen, seien Flüchtlinge vomBalkan:
Das seien Menschen,wird behauptet, die
nur-
nach Deutschland kämen, um Sozialleis-tungen
abzugreifen. Denenes im Heimatland gar nicht so
schlecht ginge. Die keines Schutzes bedüLrf-ten. Daher sollen diese
Balkan-flüchtlinge keine
Chance bekom- men,in
Deutschland Fuß zu fassen:Sie sollen
schnellstmögIich abge- schobenund nach
Vorstellungen der CSU zur besseren Vorbereitung desseriin
speziellen Lagernin dei
Näheder
deutsch-österreichischen Grenze untergebracht werden.Dieser Vorstoß ist nicht nur recht-
lich fragwrirdig und inhuman,
eroffenbart ein
perfides Verständnisvom Grundrecht AsyI. Durch
dieUnterbringung bestimmter
Grup- penin
Lagernwird
eineUntertei- lung in ,,gute" und
,,schlechte"Flüchtlinge nicht nur verbal getrof-
fen,
sondErnauch durch
Sr.mbot-politik
untermauert.Missbrauch wird unterstellt Mit ihren
Plänenunterstellt
die CSU von vornherein einer bestimm-ten
Gruppe, sie betreibe Asylmiss- brauch. Das Signal nach außen ist verheerend, vorhandene Vorurteilegegenüber Flüchtlingen
werden dadurchbis hin zu
offener Abnei- gq4g verstärkt. Wo das enden kann, 2€lgen die jüngsten Brandanschlägeauf Asylbewerberunterkünf te.
KIar, die Zahl
der Asylbewerber vom Balkan ist hoch, in diesem Jahr machen sie 40 Prozent allerAntrag-
steller aus. Aber die meistenAnträ-
ge, über 20 Prozent,
stammenimmer noch von Syrern - die im
Prinzi.p
zu
100 Prozent anerkannt werden.Viele Flüchtlinge vom
Balkan haben Gri.iLnde, ihre Heimat zu ver- lassen.Der Großteil sind
Roma.ürre Situation ist nicht nur
vonArmut
geprägt, sondern auch vonalltäglicher Diskriminierung:
Der,,Zentralrat
Deutscher .Sinti
und Roma"berichtet aktuell von
einer Roma-Siedlung in Belgrad, die demErdboden gleichgemacht
werden soll. Roma werden in Serbien, Maze- donienoder
anderen Westbalkan- staaten am Arbeitsmarkt benachtei-ligt,
ihre Kinder können die Schulenicht
odernur viel zu kurz
besu- chen. Oft fehlt Zugang zu sauberem Trinkwasser und medizinischer Ver- sorgung.Diskriminierung
reicht nicht
aus Dass Familien daher beschließen,diese Länder zu
verlassen, kann man durchaus verstehen. Allerdingsreichen die
genanntenVorfälle in
der Regel nicht, um
in
DeutschlandAsyl oder einen
anderenAufent-
haltsstatuszu
bekommen-
nachdeutscher Lesart ist die
Diskriminie-
rung von Romanicht
schlimm und organisiert genug.Manche europäische Länder ent- scheiden da übrigens anders: In der Schweiz
und in Finnland
werden rund 40 Prozent der Kosovo-Flücht- linge als schutzbedürftig eingestuft,in der
Schweizsind
es 3? Prozent der serbischen Schutzsuchenden.In Frankreich und Belgien
erhaltenrund 18 Prozent der
albanischen Asylsuchenden einen Schutzstatus.In Deutschland tendiert die
Aner-
kennungsquotefür
Asylsuchende aus dem Westbalkan gegennull.
Diese Zahl darf eines nicht bedeu- ten: Menschen aus diesen Ländern
von vornherein als
,,schlechte"Flüchtlinge, deren Antrag per
senicht gerechtfertigt ist,
abzustem- peln. Auch Asylbewerber vom BaI-kan
habenein
Recht-
dasist im
Grundgesetz
verbrieft -,
dassihr
Antrag mit aller Sorgfalt
geprüftwird. Und dass sie selber mit
Respekt behandelt werden.