I 036/2010 ERZ
Interpellation
Kipfer, Thun (EVP)
Weitere Unterschriften: 0 Eingereicht am: 11.03.2010
Eltern und Schule – Gewichtung der Elternmeinung und Vermittlung bei Differenzen.
Werden die Eltern und ihre Erziehungskompetenz bei der Ausgestaltung und Anwendung des Volkschulgesetzes vergessen?
Mit dem Bestreben, Bildungsqualität zu steigern, wurden in den vergangenen Jahren diverse Reformen im Schulsystem angedacht und auch umgesetzt. Insbesondere durch REVOS 08 wurden die Strukturen der Schule, die Aufgaben der Schulleitungen, der Schulkommissionen und auch der zuständigen Gemeinden neu definiert und gestärkt.
Gemäss dem Grundsatz: „Erziehung durch die Eltern, Bildung durch die Schule“ wurde versucht, eine klare Aufgabenzuordnung vorzunehmen. Dies scheint in weiten Teilen auch gelungen, vor allem wurde der schulische Teil, die Zuordnung von pädagogisch- didaktischen Fragen zur Lehrerschaft, geregelt. Betroffene Eltern bemängeln jedoch, dass die Erziehungskompetenz ihrerseits zuwenig berücksichtigt wird. Dies äussert sich vorwiegend bei Differenzen zu disziplinarischen Massnahmen, zu Schullaufbahnentscheiden oder anderen nicht rein pädagogisch-didaktischen Fragen zwischen Eltern und Lehrer/Schulleitung.
Als symptomatisch für diese Feststellung kann das sogenannte Elternprofil1 von LEBE betrachtet werden.
Von Lehrern für Lehrer soll dies die Schule entlasten bei der Frage, wie weit sich Eltern in pädagogisch-didaktische Fragen einmischen sollen und dürfen. Jedoch fehlt hier die Sicht, wo Eltern ihre Kompetenz in Erziehungsfragen einbringen können und wie sie ihre diesbezüglichen Rechte und Erfahrungen zu Gunsten der eigenen Kinder einbringen.
Weitere Erfahrungen zum Konfliktfeld Erziehung und Bildung und den diesbezüglichen Grenzen und Ergänzungen von Eltern und Schule führen zu den nachfolgend gestellten Fragen. So konnte zum Beispiel in einer Oberländer Gemeinde auch nach einem politischem Vorstoss2 die unabhängige Anlaufstelle für Eltern und die Rolle der Schulkommission in Vermittlungsfragen nicht geklärt werden. Oder in anderen Fällen fühlten sich Eltern den schultechnischen Abläufen und dem kantonalen Instanzenweg ausgeliefert, ohne dass die elternseitigen erzieherischen Anliegen unabhängig aufgenommen wurden.
Die Schule kann und darf es sich nicht leisten, auf die Erziehungskompetenz der Eltern zu verzichten, daher muss die Rolle der Eltern als Erziehungsverantwortliche wahrgenommen und gestärkt werden. In Anwendung von Artikel 31 VSG gilt es auch, Beratung vor dem Rechtsweg und Vermittlung vor der Eskalation folgen zu lassen, dazu brauchen die Eltern jedoch eine unabhängige Anlaufstelle für Ihre Anliegen.
1http://www.lebe.ch/lebe/de/paedagogik/angebot/mainColumnParagraphs/01/document/Elternprofil.pdf
2http://www.thun.ch/fileadmin/behoerden/stadtrat/media/pdf/maerz2010/TR8.pdf)
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Wir bitten daher um Beantwortung folgender Fragen:
1. Der Kanton kennt (bisher) im Rahmen der Volksschule keine Ombudsstelle für Elternanliegen. Inwieweit sind unabhängige mediative und beratende Aufgaben in Umsetzung von Artikel 31 Absatz 4 VSG und bei Differenzen zu disziplinarischen Massnahmen den Schulkommissionen als nicht kantonale, schulische Stellen zugewiesen?
2. Wie stellt die Erziehungsdirektion sicher, dass die Gemeinden in ihren Reglementen diese mediative, vermittelnde Rolle gebührend den Schulkommissionen oder ersatzweise anderen von der Schule (Schulleitung/Schulinspektorat) unabhängigen Gebilden zuweisen?
3. Verfahrensfragen zu Schullaufbahnentscheiden (Selektion, Klassenüberspringen, Rückversetzen) sind den Eltern nicht so geläufig wie den Lehrern und Schulleitungen.
An welche unabhängige, beratende Stelle wenden sich Eltern diesbezüglich?
4. Auf dem Rechtsweg bei Differenzen der Eltern zu schulischen Entscheiden wird an Schulleitung und Schulinspektorat verwiesen. Dies sind alles kantonal geführte Stellen, welche sogar in direkter Linie vorgesetzte Stelle zur differenzauslösenden Schule sein können. Hat die Erziehungsdirektion hier der Schulkommission eine unabhängige Rolle zugedacht, wenn ja, welche, und wie kontrolliert sie diese. Wenn nein, wie stellt die Erziehungsdirektion die Unabhängigkeit der Rekursstelle und die gleichwertige Gewichtung von Erziehungs- und Bildungsanliegen von Eltern und Lehreranliegen sicher?
5. Zum Schluss einfach gefragt: An wen wenden sich Eltern, damit ihre Erziehungskompetenz gegenüber der Schule gleichwertig zur Geltung kommt?