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4. DISKUSSION

4.1. Zusammenfassung

Begründend auf der Studie von Lockwood et al. aus dem Jahre 1991 (12) herrschte lange die Meinung vor, dass neben einem verminderten hepatischen Ammoniak-Abbau eine erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für Ammoniak eine Mitursache der hepatischen Enzephalopathie darstellt. Damit schien erklärt zu sein, dass auch Patienten mit einer normwertigen Blut-Ammoniak-Konzentration enzephalopathisch sein können (13). Ahl et al. (14) fanden später eine tendenziell niedrigere Ammoniak-Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie im Vergleich zu nicht enzephalopathischen Patienten mit Leberzirrhose. In beiden Gruppen lagen die Werte jedoch über den von Lockwood et al. publizierten Kontrolldaten. Neben den Ammoniak-PET-Untersuchungen führte die Arbeitsgruppe in derselben Studienpopulation auch kernspinspektroskopische Untersuchungen des Gehirns der Patienten und Untersuchungen des cerebralen Glukose-Stoffwechsels mittels FDG-PET durch (15).

Hier zeigte sich keine Korrelation zwischen den Parametern des Ammoniak-Stoffwechsels und den Ergebnissen der Spektroskopie oder des Glukose-PET, jedoch eine signifikante Korrelation der Spektroskopie-Ergebnisse (Anstieg der Glutamat/Glutamin-Signalintensität, Abfall der Myo-Inositol- und Cholin-Signalintensität im Vergleich zu Kreatin) mit dem Glukoseumsatz des Gehirns. Die Glutamat/Glutamin-Signalintensität im Gehirn von Patienten mit Leberzirrhose wird allgemein als Korrelat des astrozytären Ammoniakumsatzes interpretiert, Cholin und Myo-Inositol werden als Osmolyte angesehen, welche dazu beitragen, bei Konzentrationswechseln z.B. von Glutamin das Zellvolumen konstant zu halten.

Cholin gilt darüber hinaus als Marker für Zellmembranumsatz (43). Anders ausgedrückt: Die Hirnfunktion, repräsentiert durch den Glukoseumsatz, schien weniger von der aktuellen Ammoniak-Umsatzrate abzuhängen, als vielmehr von davon unabhängigen metabolischen Einflüssen. Als sich in parallelen – bisher noch nicht publizierten – Untersuchungen der Arbeitsgruppe Weißenborn an Patienten mit einer Hepatitis C-Infektion ohne Zirrhose, ein Anstieg des Glutamat/Glutamin-Gehaltes im Gehirn im Vergleich zu gesunden Kontrollen zeigte, wurde die Hypothese entwickelt, dass die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke für Ammoniak einer U-Funktion entspricht: Mit zunehmendem Grad der Leberentzündung kommt es zunächst infolge des Einflusses von Inflammationsmediatoren wie z.B. TNF-α, TGF-β oder den Metalloproteinasen zu einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke und konsekutiver Erhöhung der Permeabilität für Ammoniak sowie Erhöhung des astrozytären Glutamingehaltes. Bei Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie im Stadium der Leberzirrhose wird diese Funktion, unter anderem durch eine Änderung des zerebralen Blutflusses mit zunehmendem Grad der Enzephalopathie (44), wieder umgekehrt. Die Beeinträchtigung der Hirnfunktion wäre danach eher abhängig von der gesamten im Krankheitsverlauf akkumulierten zerebralen Ammoniaklast als von der Höhe des Ammoniakumsatzes zum jeweiligen Untersuchungszeitpunkt.

Die Hypothese eines U-förmigen Verlaufs der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für Ammoniak mit einer höheren Permabilität bei Patienten mit einer mittelgradigen Leberfibrose verglichen zu Gesunden und solchen mit Zirrhose konnte nicht bestätigt werden. Die Auswertung der skalierten Ammoniakaufnahme und Umsatzrate und der PSbbb bzw. PSmet zeigten jedoch regionale Unterschiede zwischen den

verschiedenen Gruppen, insbesondere im Bereich des supplementär motorischen Kortex, des Motorkortex, des temporalen Kortex, des Nucleus lentiformis und des Cerebellums. skm und sk1 im Bereich des supplementär motorischen Kortex und des Cerebellums waren bei den Patienten niedriger als bei den Kontrollen, im temporalen Kortex fanden sich wiederum höhere Werte für die Patienten. Am deutlichsten war der Unterschied zwischen den Patientengruppen mit milder (F2) oder mittlerer Fibrose (F4) und den Gesunden. sPSbbb für die F2 Gruppe und sPSmet für die F2 und F4 Gruppe im Bereich des motorischen Kortex waren im Vergleich zu den Werten der Zirrhose-Gruppe signifikant erniedrigt, unterschieden sich jedoch nicht von der Kontrollgruppe. Anders ausgedrückt, die relative Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für Ammoniak im Bereich des Motorkortex ist bei Patienten mit Leberzirrhose im Vergleich zu solchen mit Fibrose und Gesunden erhöht. Dies deckt sich mit früheren Ergebnissen unserer Arbeitsgruppe zu Veränderungen des Glukose- und Ammoniak-Stoffwechsels bei Patienten mit Leberzirrhose (15) und passt hervorragend zum klinischen Bild der hepatischen Enzephalopathie, wo bei noch intakter Vigilanz häufig motorische Symptome wie Hypokinese, Rigor und Asterixis im Vordergrund stehen.

4.2. Labor

Aus dem peripheren Blut wurden MMP1, 2 und 9, TIMP1 und 2, sowie TGF-β1 und TNFα bestimmt, um eine mögliche Verbindung zwischen der Freisetzung dieser Proteasen, und damit dem Grad des inflammatorischen Prozesses in der Leber, und der Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke für Ammoniak zu untersuchen. Die auch bei dieser Untersuchung beobachtete große Streuung und Überlappung der Werte war bereits in vorangegangen Studien aufgefallen (22). Nur

für TIMP2 fand sich eine (negative) Korrelation mit PSbbb in mehr als einer Region.

TIMP2 gilt als Inhibitor von MMP2. Es ließ sich neben TIMP1 in erhöhter Konzentration in Explantaten bei Lebertransplantationen nachweisen (20, 23). MMP2 ist für den Abbau von Typ IV-Kollagen verantwortlich und damit maßgeblich an den frühen Stufen des Lebergewebeumbaus beteiligt (22, 23). Neben TIMP1 wurde MMP2 von verschiedenen Gruppen (23, 24) als Marker des Grades der Leberfibrose identifiziert. Für TIMP2 selbst gibt es widersprüchliche Ergebnisse bezüglich seines Zusammenhangs mit dem Fibrosegrad und der Inflammation im Bereich der Leber.

Walsh et al. (45) fanden eine Korrelation zwischen dem Grad der Leberfibrose und der TIMP2-Konzentration. Dies konnte in der o.g. Arbeit von Lichtinghagen et al. (23) nicht bestätigt werden. Hier variierte die TIMP2-Konzentration nur geringgradig. Für MMP2 selbst und MMP9 gab es nur einen Zusammenhang zu PSbbb im Bereich des posterioren Cingulums bzw. des Nucleus lentiformis. Insgesamt konnte also kein sicherer Zusammenhang zwischen PSbbb und den im Rahmen der Inflammation freigesetzten Biomarkern gefunden werden. Dies verwundert insofern nicht, da auch keine absoluten Unterschiede der PSbbb zwischen den Gruppen zu finden waren, also keine Abhängigkeit der Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke vom Grad der Leberfibrose, sondern ausschließlich regionale Veränderungen bezogen auf den jeweiligen Globalwert.